04.12.2012 Aufrufe

Teilhabeplan WEB - Neckar-Odenwald-Kreis

Teilhabeplan WEB - Neckar-Odenwald-Kreis

Teilhabeplan WEB - Neckar-Odenwald-Kreis

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Landratsamt <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

Renzstraße 10, 74821 Mosbach<br />

Bearbeitung:<br />

Fachbereich Jugend Gesundheit Arbeit und Soziales<br />

Renate Körber<br />

Christian Köckeritz<br />

Melanie Rausch<br />

Peter Roos<br />

Michael Wedler<br />

In Zusammenarbeit<br />

mit dem Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg, Referat 22.<br />

Titelbild: „Unterschiedlichkeit der Menschen“ von Herrn Möller, entstanden während einer<br />

arbeitsbegleitenden Maßnahme zur Persönlichkeitsbildung in den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-Werkstätten<br />

(NOW) für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen in Mosbach<br />

Bei Fragen und Anregungen zum <strong>Teilhabeplan</strong> wenden Sie sich bitte an:<br />

Fachgebiet Eingliederungshilfe (Herrn Christian Köckeritz)<br />

<strong>Neckar</strong>elzer Straße 7, 74821 Mosbach, Tel: 06261/84-2213, Fax 06261/84-4745<br />

Christian.Koeckeritz@neckar-odenwald-kreis.de<br />

Urheberrecht:<br />

Copyright <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>, Mosbach (Deutschland). Alle Rechte vorbehalten.<br />

Haftung:<br />

Alle Angaben in dieser Veröffentlichung erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr und<br />

entsprechen dem Stand zum Zeitpunkt der jeweiligen Erhebung. Angaben in dieser Veröffentlichung<br />

begründen keinen Rechtsanspruch irgendeiner Art.<br />

Hinweis:<br />

Die Angaben und Bezeichnungen beruhen auf dem Stand vom 31.12.2008, soweit keine<br />

abweichenden Zeiträume benannt sind und werden aus Vereinfachungsgründen in der männlichen<br />

Version verwendet.


VORWORT<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

„Niemand plant zu versagen,<br />

aber die meisten versagen beim Planen.“<br />

(Lee Iacocca)<br />

vor Ihnen liegt unser erster <strong>Teilhabeplan</strong> für seelisch behinderte Menschen. Der <strong>Neckar</strong>-<br />

<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> wird damit seiner besonderen Verantwortung in diesem Bereich gerecht.<br />

Eine umfassende Darstellung des vorhandenen Angebotsspektrums, eine konsequente<br />

Analyse der Stärken und Schwächen, eine Abschätzung des künftigen Entwicklungsbedarfs,<br />

vor allem aber eine Vielzahl konkreter Handlungsempfehlungen machen diesen Plan zu<br />

einer ganz zentralen Grundlage unserer weiteren Arbeit.<br />

Menschen, die an einer seelischen Behinderung leiden, sind anders. Viele leben in ihrer<br />

ganz eigenen Welt. Sie dort abzuholen, mitzunehmen und individuell zu fördern, ist eine<br />

große Herausforderung für uns alle. Wir wollen uns dieser Herausforderung aber aktiv<br />

stellen. Deshalb ist unser Psychiatrieplan auch bewusst kein in sich abgeschlossenes Werk,<br />

sondern vielmehr nur der Beginn eines umfassenden Planungsprozesses, der bei sich<br />

ändernden Rahmenbedingungen kontinuierlich fortgeschrieben werden soll.<br />

Jeder von uns erhebt den Anspruch auf ein möglichst selbstbestimmtes, glückliches Leben.<br />

Für Menschen mit einer seelischen Behinderung gilt das in genau derselben Weise. Unser<br />

<strong>Teilhabeplan</strong> soll mithelfen, dass dieser Anspruch Wirklichkeit wird. Nutzen wir deshalb<br />

gemeinsam die Chance, die dieser Plan bietet. Auch wenn uns der Rahmen durch andere<br />

vorgegeben wird: Die konkrete Umsetzung vor Ort haben wir selbst in der Hand.<br />

Dr. Achim Brötel<br />

Landrat


I. AUSGANGSSITUATION 1<br />

1. Zuständigkeit 1<br />

2. Aufgabe und Ziel der <strong>Teilhabeplan</strong>ung 1<br />

3. Vorgehensweise 2<br />

II. GESETZLICHE GRUNDLAGEN UND BEGRIFFSBESTIMMUNGEN 2<br />

1. Rechtsgrundlagen für behinderte Menschen 2<br />

2. Begriffsbestimmungen 3<br />

3. Landesrechtliche Regelungen zum Gemeindepsychiatrischen Verbund (GPV) 4<br />

III. SITUATIONSANALYSE 5<br />

1. Demografische Struktur 5<br />

2. Regionale Struktur 5<br />

3. Behinderte Menschen im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> 6<br />

4. Anteil der Hilfen für seelisch behinderte Menschen und Suchtkranke am Gesamtanteil der Hilfen für<br />

Menschen mit Behinderung im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> 8<br />

5. Versorgung der psychisch erkrankten und seelisch behinderten Menschen 8<br />

IV. ANGEBOTE FÜR SEELISCH BEHINDERTE UND PSYCHISCH KRANKE MENSCHEN IM<br />

NECKAR-ODENWALD-KREIS 9<br />

1. Angebote für Kinder und Jugendliche 9<br />

1.1. Anteil von Kindern und Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung 9<br />

1.2. Tagesstruktur 12<br />

1.3. Wohnangebote 16<br />

1.4. Medizinische / Therapeutische Versorgung 18<br />

2. Angebote für Erwachsene 24<br />

2.1. Ambulante Angebote 24<br />

2.2. Arbeits- und Tagesstruktur 30<br />

2.3. Wohnangebote 41<br />

2.4. Medizinische / Therapeutische Versorgung 47<br />

3. Angebote für Senioren 52<br />

3.1. Alter und psychische Erkrankung (Gerontopsychiatrische Erkrankungen) 52<br />

3.2. Abgrenzungsproblematik 53<br />

3.3. Ambulante und teilstationäre Angebote 53<br />

3.4. Wohnangebote 53<br />

3.5. Medizinische / Therapeutische Versorgung 55<br />

V. ANGEBOTE FÜR SUCHTKRANKE 56<br />

1. Ambulante Angebote 56<br />

1.1 Beratungs- und Behandlungsstelle 56<br />

1.2 Selbsthilfegruppen 57<br />

1.3 Arbeitskreis Suchtprophylaxe 58<br />

1.4 Kommunales Suchthilfenetzwerk 58<br />

2. Stationäre Angebote 58<br />

VI. ZUSAMMENFASSUNG UND PERSPEKTIVEN 60<br />

ADRESSENVERZEICHNIS


Abkürzungsverzeichnis<br />

ADS / ADHS Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitätssyndrom<br />

Arge Arbeitsgemeinschaft<br />

AWO Arbeiterwohlfahrt<br />

BWB Betreutes Wohnen für Behinderte<br />

BWF Begleitetes Wohnen in Familie<br />

BWLV Baden-Württembergischer Landesverband (für Prävention und Rehabilitation)<br />

e.V eingetragener Verein<br />

EGH-VO Eingliederungshilfeverordnung<br />

FFZ Frühförderzentrum<br />

FuB Förder- und Betreuungsgruppe<br />

GG Grundgesetz<br />

GPV Gemeindepsychiatrischer Verbund<br />

HBG Hilfebedarfsgruppe<br />

IFD Integrationsfachdienst<br />

ISO Industrie-Service <strong>Odenwald</strong><br />

JVA Justizvollzugsanstalt<br />

KiTaG Kindertagesbetreuungsgesetz<br />

KJPIA Psychiatrische Institutsambulanz für Kinder und Jugendliche<br />

KJPP Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie<br />

KVJS Kommunalverband für Jugend und Soziaes<br />

LE Leistungsempfänger<br />

MPD Medizinisch Pädagogischer Dienst<br />

NOK <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

NOW <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-Werkstätten<br />

PIA Psychiatrische Institutsambulanz<br />

PKM Psychiatrische Klinik Mosbach<br />

PSM Psychosomatische Medizin<br />

PZN Psychiatrisches Zentrum Nordbaden<br />

SGB Sozialgesetzbuch<br />

SPDi Sozialpsychiatrischer Dienst<br />

SPHV Sozialpsychiatrischer Hilfeverein<br />

SPZ Sozialpädiatrisches Zentrum<br />

WfbM Werkstatt für behinderte Menschen


I. Ausgangssituation<br />

1. Zuständigkeit<br />

Seit der Auflösung der Landeswohlfahrtsverbände in Baden-Württemberg zum<br />

01.01.2005 ist der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> zuständiger Kostenträger für die<br />

Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen.<br />

Daneben ist der Landkreis auch Planungsträger für die Ausgestaltung der Angebote<br />

der Behindertenhilfe im Landkreis. Dazu gehört die Bestätigung des Bedarfs von<br />

Platzzahlen, Standort, Konzeption und der Wirtschaftlichkeit der Angebote.<br />

Eine investive Förderung von Einrichtungen durch das Land Baden-Württemberg<br />

oder durch den Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) erfolgt nur,<br />

wenn der Standortkreis einer Förderung zustimmt. Zur Aufgabenerfüllung ist es<br />

daher unerlässlich, das Spektrum der Angebote im eigenen <strong>Kreis</strong> zu kennen.<br />

2. Aufgabe und Ziel der <strong>Teilhabeplan</strong>ung<br />

Der „<strong>Teilhabeplan</strong> für Menschen mit einer wesentlichen Behinderung“ soll das<br />

Angebotsspektrum für körperlich, geistig und seelisch behinderte Menschen im<br />

eigenen <strong>Kreis</strong> darstellen, es auf seine Stärken und Schwächen hin analysieren und<br />

den Entwicklungsbedarf in der Zukunft vorausschätzen. Er ist der Beginn eines<br />

umfangreichen und kontinuierlichen Planungsprozesses. Der <strong>Teilhabeplan</strong> enthält<br />

eine Vielzahl von Handlungsempfehlungen, die sich an den Lebensphasen von<br />

Menschen mit Behinderung orientieren.<br />

Er untersucht insbesondere die Hilfsangebote für Menschen mit<br />

• einer seelischen Behinderung oder psychischen Erkrankung<br />

• einer Suchterkrankung<br />

• einer geistigen Behinderung<br />

• einer Körperbehinderung oder einer Sinnesbehinderung.<br />

Die verschiedenen Personenkreise lassen sich am besten in zwei Teilplänen<br />

abbilden, dem <strong>Teilhabeplan</strong> für psychisch erkrankte und seelisch behinderte<br />

Menschen (Teil 1) und dem <strong>Teilhabeplan</strong> für geistig und körperlich behinderte<br />

Menschen (Teil 2).<br />

Um dieser gesamtplanerischen Aufgabe nachzukommen, hat die<br />

Landkreisverwaltung in einem ersten Schritt einen <strong>Teilhabeplan</strong> für Menschen mit<br />

psychischen und seelischen Beeinträchtigungen erstellt.<br />

Zielgruppe<br />

Es geht in diesem ersten Teil um Menschen mit einer psychischen Erkrankung, die<br />

auf Grund der Dauer und Schwere ihrer Erkrankung einen besonderen Hilfebedarf<br />

haben. Gemeint sind Personen, die nicht nur einen rein ärztlichen und<br />

medizinischen Versorgungsbedarf, sondern die darüber hinaus auch einen Bedarf<br />

an Leistungen im Bereich der Tagesstrukturierung, des Wohnens oder der Teilhabe<br />

am Leben in der Gemeinschaft haben. Für diese Hilfeleistungen ist größtenteils der<br />

Landkreis zuständiger Kostenträger.<br />

Ziel der <strong>Teilhabeplan</strong>ung ist, der Politik und der Verwaltung eine<br />

Entscheidungsgrundlage für die Steuerung und für sozialplanerische<br />

Entscheidungen zu bieten. Dabei ist wichtig, nicht nur quantitative, sondern auch<br />

qualitative Aspekte herauszuarbeiten. Der <strong>Teilhabeplan</strong> soll der Beginn eines<br />

1


Planungsprozesses sein, der bei sich veränderten Rahmenbedingungen<br />

kontinuierlich fortgeschrieben wird.<br />

3. Vorgehensweise<br />

Zunächst wurden die vorhandenen Angebote für Menschen mit einer psychischen<br />

Erkrankung bzw. einer seelischen Behinderungen im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

erhoben und analysiert. Mit diesem Teil wurde bereits 2008 begonnen.<br />

Der <strong>Teilhabeplan</strong> soll die gemeinsame Verantwortung von Leistungsträgern,<br />

Leistungserbringern, politisch Verantwortlichen, Menschen mit Behinderung und<br />

ihren Angehörigen für eine bedarfsgerechte Angebots- und Teilhabestruktur<br />

dokumentieren. Deshalb stimmte die Verwaltung die einzelnen Bereiche stets mit<br />

den Leistungserbringern ab.<br />

In einem nächsten Schritt wurden die Angebote gemeinsam bewertet und<br />

Handlungsempfehlungen und Vorschläge zur Weiterentwicklung und Vernetzung<br />

der Angebote erarbeitet. Auch bei der Bewertung, Weiterentwicklung und<br />

Vernetzung der Angebote wurden die Träger der Behindertenhilfe im Landkreis<br />

miteinbezogen.<br />

Der weitere Schritt wird nun darin bestehen, diese Handlungsempfehlungen je nach<br />

Dringlichkeit umzusetzen bzw. bei Planungsprozessen zu berücksichtigen, um die<br />

Versorgung im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> für Menschen mit einer seelischen<br />

Beeinträchtigung zu optimieren.<br />

II. Gesetzliche Grundlagen und Begriffsbestimmungen<br />

1. Rechtsgrundlagen für behinderte Menschen<br />

Im Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland wird besonders in Artikel 3<br />

Abs. 3 darauf hingewiesen, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt<br />

werden darf.<br />

Für die Gewährung von Leistungen für psychisch erkrankte bzw. seelisch<br />

behinderte Menschen gibt es verschiedene Leistungsträger und damit auch<br />

verschiedene Rechtsgrundlagen. Dies können insbesondere die gesetzlichen<br />

Kranken- und Pflegeversicherungen, die Rententräger oder aber der<br />

Sozialhilfeträger sein. Besonders im Bereich der psychischen Erkrankungen und<br />

Suchterkrankungen spielen die Leistungen der Krankenkassen eine große Rolle.<br />

Diese Leistungen werden nach dem Fünften Sozialgesetzbuch (Gesetzliche<br />

Krankenversicherung) gewährt und fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich der<br />

Landkreisverwaltung.<br />

Als Verfasser des <strong>Teilhabeplan</strong>es und Planungsträger der Angebote wird sich der<br />

<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> an dieser Stelle auf die gesetzlichen Bestimmungen des<br />

Sozialhilfeträgers beschränken. Rechtliche Grundlage für die Leistungen, aber auch<br />

für die Pflichten, die ein Sozialhilfeträger hat, ist das Sozialgesetzbuch (SGB)<br />

Erstes Buch I (Allgemeiner Teil), Neuntes Buch IX (Rehabilitation und Teilhabe<br />

behinderter Menschen) sowie das Zwölfte Buch - XII (Sozialhilfe).<br />

Im SGB I werden allgemeine Aussagen getroffen sowie Definitionen und<br />

Grundsätze festgelegt. Weiterhin definiert es mögliche Sozialleistungen und nennt<br />

2


ihre Leistungsträger, deren Aufgaben und Pflichten sowie auch die<br />

Mitwirkungspflichten des Leistungsberechtigten.<br />

Das SGB IX selbst ist kein Leistungsgesetz, sondern es trifft vielmehr allgemeine<br />

Regelungen oder solche zur Ausführung von Leistungen zur Rehabilitation und<br />

Teilhabe von behinderten Menschen. In Teil 1 definiert es die einzelnen Teilhabe-<br />

und Rehabilitationsleistungen für behinderte oder von einer Behinderung bedrohte<br />

Menschen. In § 2 SGB IX wird beispielsweise der „Behindertenbegriff“ einheitlich<br />

geregelt (siehe hierzu III. Nr. 2).<br />

Da das SGB IX kein Leistungsgesetz ist, werden Leistungen der Eingliederungshilfe<br />

auf der Grundlage des SGB XII gewährt. Hier werden speziell im sechsten Kapitel<br />

(§§ 53 – 60 SGB XII) die Leistungen für behinderte Menschen geregelt.<br />

Leistungen auf der Grundlage des SGB XII werden immer nur „nachrangig“ gewährt<br />

(§ 2 SGB XII - Nachranggrundsatz). Das bedeutet, wer sich selbst helfen kann oder<br />

die erforderliche Hilfe von anderen erhält, ist nicht berechtigt, Sozialhilfe zu<br />

erhalten. Hierzu zählen auch die Leistungen „Dritter“ wie z.B. anderer (vorrangig<br />

verpflichteter) Sozialleistungsträger. Dies können speziell im Bereich der<br />

Eingliederungshilfe die Leistungen der Agentur für Arbeit, der Deutschen<br />

Rentenversicherung oder der Kranken- oder Pflegeversicherung sein.<br />

Besteht ein Anspruch auf Eingliederungshilfeleistungen nach SGB XII, so kann die<br />

Hilfe als Sachleistung oder als Geldleistung (wie z.B. als Persönliches Budget)<br />

gewährt werden (§ 10 SGB XII).<br />

Neben den hier genannten gesetzlichen Grundlagen gibt es eine Reihe von<br />

Verordnungen, Richtlinien und Verträge, die die gesetzlichen Bestimmungen<br />

konkretisieren und ausgestalten und derer sich die Landkreisverwaltung bei ihrer<br />

täglichen Arbeit bedient.<br />

Zusätzlich wurde im Dezember 2008 durch den Bundestag und Bundesrat die UN-<br />

Konvention über die Rechte behinderter Menschen ratifiziert. Diese ist nun noch in<br />

nationales Recht umzusetzen.<br />

2. Begriffsbestimmungen<br />

Leistungsberechtigt nach dem SGB IX bzw. XII ist, wer wesentlich behindert oder<br />

von einer wesentlichen Behinderung bedroht ist. Daher ist wichtig zu wissen:<br />

a) Wer ist wesentlich behindert im Sinne des SGB IX und SGB XII?<br />

Gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX ist ein Mensch behindert, wenn seine körperliche<br />

Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher<br />

Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen<br />

Zustand abweicht und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft<br />

beeinträchtigt ist. Von einer drohenden Behinderung spricht man, wenn der<br />

Eintritt der Behinderung bzw. die Beeinträchtigung nach fachlicher Erkenntnis<br />

mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.<br />

Das SGB XII bezieht sich in § 53 hinsichtlich der Leistungsvoraussetzungen für<br />

Eingliederungshilfe auf den Behinderungsbegriff des § 2 Abs. 1 SGB IX.<br />

Voraussetzung für eine Leistung nach dem SGB XII ist daher die wesentliche<br />

Behinderung oder eine drohende wesentliche Behinderung.<br />

Die Eingliederungshilfe – Verordnung (EGH-VO) nach § 60 SGB XII<br />

konkretisiert zusätzlich die einzelnen Behinderungsarten.<br />

3


Eingliederungshilfeleistungen werden nur gewährt, wenn und solange nach den<br />

Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere nach Art und Schwere der<br />

Behinderung, die Aussicht besteht, dass mit der gewährten Hilfe die Aufgabe<br />

der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Gemäß § 53 Abs. 3 SGB XII ist<br />

Aufgabe der Eingliederungshilfe, eine drohende Behinderung zu verhüten, eine<br />

bestehende zu vermeiden bzw. deren Folgen zu mildern und den behinderten<br />

Menschen in die Gesellschaft einzugliedern.<br />

b) Wer ist psychisch erkrankt bzw. seelisch behindert?<br />

Die Eingliederungshilfe – Verordnung geht näher darauf ein, welche Personen<br />

seelisch wesentlich behindert sind. Danach spricht man von einer seelischen<br />

Störung, die eine wesentliche Einschränkung der Teilhabefähigkeit im Sinne<br />

des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zur Folge haben könnte, wenn<br />

1. eine körperlich nicht begründbare Psychose,<br />

2. eine seelische Störung als Folge von Krankheiten oder Verletzungen des<br />

Gehirns, von Anfallsleiden oder von anderen Krankheiten oder körperlichen<br />

Beeinträchtigungen,<br />

3. eine Suchtkrankheit oder<br />

4. eine Neurose oder Persönlichkeitsstörung<br />

vorliegt. Eine wesentliche seelische Behinderung besteht, wenn infolge einer<br />

psychischen Störung oder Krankheit die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der<br />

Gesellschaft in erheblichem Umfang beeinträchtigt ist.<br />

3. Landesrechtliche Regelungen zum Gemeindepsychiatrischen Verbund (GPV)<br />

Ziel des Landes ist, die vielfältigen Angebote der psychiatrischen Versorgung zu<br />

vernetzen, und vorhandene Ressourcen besser zu nutzen. Durch den GPV soll<br />

eine verbindliche Zusammenarbeit der Träger vor Ort erreicht werden. Hierzu sollen<br />

neben dem Sozialpsychiatrischen Dienst zumindest die Tagesstätten für psychisch<br />

Kranke, die Psychiatrische Institutsambulanz (PIA) und die Erbringer der<br />

Soziotherapie beteiligt werden.<br />

Weitere Träger (z.B. des Betreuten Wohnens oder niedergelassene Nervenärzte)<br />

sollen gewonnen werden, so dass medizinische und psychosoziale Leistungen als<br />

Komplexleistungen „aus einer Hand“ entwickelt, erbracht und erschlossen werden.<br />

Um die gewünschten Strukturveränderungen zu forcieren, hat das<br />

Sozialministerium die seitherige Förderung der Sozialpsychiatrischen Dienste<br />

(SPDI) zum 01.01.2007 umgestellt. SPDI’s werden nur noch finanziell gefördert,<br />

wenn diese in einem GPV eingebunden sind.<br />

Das Thema GPV wurde durch die Verwaltung bereits im April 2005 in den<br />

Sozialpsychiatrischen Arbeitskreis des Landkreises eingebracht. Eine<br />

Arbeitsgruppe wurde gebildet. Von dieser wurde eine konsensfähige Vereinbarung<br />

erarbeitet, die durch<br />

• den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

• das Diakonische Werk der evangelischen Kirchenbezirke im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<br />

<strong>Kreis</strong> als Träger des Sozialpsychiatrischen Dienstes im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

(SPDI)<br />

• den Johannes-Anstalten Mosbach als Träger einer Psychiatrischen<br />

Institutsambulanz (PIA)<br />

• dem Psychiatrischen Zentrum Nordbaden als Träger einer Psychiatrischen<br />

Institutsambulanz (PIA)<br />

4


• der Arbeiterwohlfahrt <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong> gGmbH sowie dem Diakonischen Werk<br />

der evangelischen Kirchenbezirke im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> und der ISO<br />

gGmbH als Träger der „Tagesstätte für Psychisch Kranke“<br />

unterzeichnet wurde.<br />

Durch diese Vereinbarung wurde die Vorraussetzung für die Gewährung der<br />

Landeszuschüsse geschaffen. Gleichzeitig war sie der Startschuss für weitere<br />

Planungsgespräche mit dem Ziel, trägerübergreifend wohnortnahe und passgenaue<br />

Hilfen zu entwickeln.<br />

III. Situationsanalyse<br />

1. Demografische Struktur<br />

Die Einwohnerzahl im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> ist seit dem Jahr 2005 rückläufig,<br />

wobei gleichzeitig die Anzahl der älteren Menschen wächst.<br />

davon in den Altersgruppen von … bis unter … Jahren<br />

Jahr insgesamt unter 15 15-18 18-25 25-40 40-65 65 und älter<br />

1997 148.360 26.542 5.353 11.486 36.397 45.574 23.008<br />

1998 148.592 26.331 5.318 11.605 35.674 46.476 23.188<br />

1999 148.938 26.167 5.317 11.696 34.930 47.212 23.616<br />

2000 149.424 25.960 5.491 11.818 34.004 47.992 24.159<br />

2001 150.091 25.657 5.604 12.029 33.131 48.944 24.726<br />

2002 150.951 25.559 5.625 12.333 32.305 49.719 25.410<br />

2003 150.920 25.031 5.703 12.512 31.013 50.453 26.208<br />

2004 151.131 24.519 5.782 12.676 29.998 51.140 27.016<br />

2005 150.628 23.803 5.900 12.529 28.939 51.624 27.833<br />

2006 150.022 23.084 5.891 12.428 27.811 52.304 28.504<br />

2007 149.572 22.500 5.764 12.425 26.761 53.274 28.848<br />

2008 148.763 21.815 5.528 12.423 25.822 54.164 29.011<br />

Tabelle 1: Demographische Entwicklung im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> / Stand: 31.12. des Jahres 1<br />

2. Regionale Struktur<br />

Der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> ist ein Flächenlandkreis mit den zwei Mittelzentren<br />

Mosbach und Buchen. Dabei befindet sich der überwiegende Teil der Angebote im<br />

näheren Umkreis von Mosbach.<br />

Mit Hilfe der Sozialplanung und des <strong>Teilhabeplan</strong>es sollen folgende Aspekte<br />

erarbeitet werden:<br />

• Wie ist die Versorgungsstruktur im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>?<br />

• Wo gibt es viele, wo wenig Angebote?<br />

• Wo müssen neue Angebote geschaffen werden?<br />

• Wie kann man die angesteuerten Ziele umsetzen?<br />

1 Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg – Struktur- und Regionaldatenbank – Ergebnisse für den <strong>Neckar</strong>-<br />

<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

5


Bei der Versorgung ist zu beachten, dass Menschen, die einen Hilfebedarf haben,<br />

nicht erst weite Strecken fahren müssen, um die benötigte Hilfe zu erhalten. Bei der<br />

Neuerrichtung von Angeboten ist zu berücksichtigen, dass die Angebote<br />

zueinander passen, d.h. wo beispielsweise ambulante Wohnformen angeboten<br />

werden, sollte auch die Möglichkeit für eine Tagesstrukturierung (z.B. Tagesstätte,<br />

Werkstatt für behinderte Menschen) bestehen.<br />

Beim Personenkreis der psychisch erkrankten und seelisch behinderten Menschen<br />

ist die Mobilität im Vergleich zu geistig behinderten Menschen größer. Öffentliche<br />

Verkehrsmittel können eher genutzt und Fahrdienste müssen weniger in Anspruch<br />

genommen werden. Dennoch ist wünschenswert, dass die Angebote auf „kurzem<br />

Weg“ erreichbar sind.<br />

3. Behinderte Menschen im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

a) Anzahl der schwerbehinderten Menschen nach dem SGB IX (Schwerbehinderteneigenschaft)<br />

2<br />

Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg trifft folgende Kernaussagen<br />

für schwerbehinderte Menschen (Behinderungsgrad ab 50%):<br />

• In Baden-Württemberg waren am 31. Dezember 2008 insgesamt 780.177<br />

schwerbehinderte Menschen registriert. Der Anteil an der Bevölkerung<br />

betrug damit 7,3 %.<br />

• Eine Schwerbehinderung betrifft häufiger Männer als Frauen: 53,6 % sind<br />

Männer, 46,4 % Frauen.<br />

• Mit dem Alter steigt das Risiko einer Schwerbehinderung kontinuierlich an:<br />

Bei Kindern und Jugendlichen ist nur jede 96. Person schwerbehindert, bei<br />

den über 65-Jährigen ist es hingegen jede fünfte Person.<br />

• Fast 91 % aller Schwerbehinderungen werden durch Krankheiten ausgelöst.<br />

• Häufigste Behinderungsart ist eine Beeinträchtigung der inneren Organe<br />

bzw. Organsysteme.<br />

Die Häufigkeit einer Schwerbehinderung ist landesweit keineswegs einheitlich<br />

hoch, sondern zeigt erhebliche regionale Unterschiede. Der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<br />

<strong>Kreis</strong> hat mit einem Anteil von 14,8 % landesweit den höchsten Wert. Im<br />

Landkreis gibt es zum 31.12.2008 insgesamt 21.944 schwerbehinderte<br />

Menschen.<br />

Generell zeigt sich eine gewisse Abhängigkeit der Schwerbehinderung von der<br />

Altersstruktur der Bevölkerung in den Stadt- und Landkreisen. Der starke<br />

Einfluss des Alters auf die Häufigkeit einer Schwerbehinderung hat zur Folge,<br />

dass in <strong>Kreis</strong>en mit einem höheren Anteil älterer Menschen auch anteilig mehr<br />

Schwerbehinderte wohnen.<br />

Ein weiterer Aspekt für den hohen Anteil an schwerbehinderten Menschen im<br />

<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> könnte natürlich auch die Komplexeinrichtung<br />

Johannes-Anstalten Mosbach sein. Viele Menschen mit körperlich und geistiger<br />

Behinderung leben dauerhaft in den Johannes-Anstalten und wirken sich<br />

dadurch auf die Quote des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es aus.<br />

2 Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg; siehe hierzu<br />

http://www.statistik-bw.de/GesundhSozRecht/Landesdaten/Schwerbehinderte<br />

6


Etwa 70 % der Schwerbehinderungen resultieren aus körperlichen<br />

Einschränkungen verschiedenster Art. Bei rund 22 % handelt es sich um<br />

zerebrale Störungen bzw. geistig-seelische Behinderungen und<br />

Suchtkrankheiten.<br />

Abbildung 1: Schwerbehinderte Menschen in Baden-Württemberg 3<br />

b) Anzahl der Hilfen für wesentlich behinderte Menschen im Sinne des SGB XII<br />

Wie bereits erwähnt, können Menschen mit einer wesentlichen Behinderung im<br />

Sinne des SGB IX bzw. SGB XII oder Menschen, die von einer solchen<br />

Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten. Zum<br />

31.12.2008 waren dies im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> 989 Hilfen 4 .<br />

• 162 rein ambulante Maßnahmen (wie z.B. Frühförderung, integrative Hilfen<br />

in Regelkindergärten oder Regelschulen, ambulant betreute<br />

Wohnangebote),<br />

3 Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg; siehe hierzu<br />

http://www.statistik-bw.de/GesundhSozRecht/Landesdaten/Schwerbehinderte<br />

4 Quelle: Eigene Datenerhebung des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es zum 31.12.2008 – alle Leistungsfälle der Eingliederungshilfe;<br />

ausgenommen Landesblindenhilfe<br />

7


• 444 teilstationäre Hilfen (wie z.B. Besuch von Werkstätten für behinderte<br />

Menschen inklusive des Förder- und Betreuungsbereiches, Besuch von<br />

Sonderschulen oder Sonderschulkindergärten),<br />

• 20 sonstige Hilfen (inklusive Blindenhilfe nach SGB XII),<br />

• 11 Persönliche Budgets,<br />

• 352 stationäre Hilfen (davon 310 dauerhaft in Heimen und 42 bei Bedarf in<br />

Kurzzeit- bzw. Verhinderungspflege).<br />

4. Anteil der Hilfen für seelisch behinderte Menschen und Suchtkranke<br />

am Gesamtanteil der Hilfen für Menschen mit Behinderung im <strong>Neckar</strong>-<br />

<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

Von den vorgenannten 989 Hilfen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII,<br />

werden 180 für (überwiegend) seelisch behinderte bzw. von einer solchen<br />

Behinderung bedrohte Menschen erbracht.<br />

Dies bedeutet, dass etwa 18 % der Leistungen für Menschen mit seelischer<br />

Behinderung erbracht werden. Neuzugänge in der Eingliederungshilfe sind immer<br />

häufiger im Bereich der seelischen Behinderungen zu verzeichnen. Dieser Trend<br />

wird auch landesweit beobachtet.<br />

5. Versorgung der psychisch erkrankten und seelisch behinderten Menschen<br />

Die 180 Hilfen für Menschen mit einer seelischen Behinderung werden innerhalb<br />

und außerhalb des Landkreises wie folgt erbracht:<br />

a) Hilfeart und Leistungsort<br />

Personen<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

13<br />

57<br />

ambulante<br />

Hilfen<br />

44<br />

25<br />

vollstationäre<br />

Hilfen<br />

Hilfeart<br />

8<br />

31<br />

teilstationäre<br />

Hilfen<br />

außerhalb<br />

innerhalb<br />

2<br />

Persönliches<br />

Budget<br />

Abbildung 2: Anzahl der Maßnahmen in einer bestimmten Hilfeart, nach Leistungsort<br />

unterschieden 5<br />

5 Eigene Datenerhebung des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es zum 31.12.2008<br />

8


) Wohnformen<br />

Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> befinden sich 44 % in vollstationären und 43 % in<br />

ambulant betreuten Wohnformen. Lediglich 13 % der betroffenen Personen<br />

leben privat.<br />

Tabelle 2: Nutzung von Hilfen für Menschen mit wesentlicher Behinderung im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<br />

<strong>Kreis</strong> und im Land Baden-Württemberg 6<br />

Bewertung / Handlungsempfehlung:<br />

Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> werden deutlich mehr Menschen mit seelischer Behinderung<br />

stationär versorgt als im Landesdurchschnitt.<br />

Zwei Drittel der stationären Hilfen werden außerhalb des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es<br />

erbracht. Es ist noch näher zu untersuchen, warum dies so ist und ob entsprechende<br />

Angebote im Landkreis geschaffen werden können.<br />

IV. Angebote für seelisch behinderte und psychisch kranke<br />

Menschen im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

1. Angebote für Kinder und Jugendliche<br />

Für seelisch behinderte und psychisch beeinträchtigte Kinder gibt es eine Reihe<br />

von Hilfemöglichkeiten, für deren Leistungsgewährung in erster Linie die<br />

Jugendhilfe zuständiger Ansprechpartner ist. Werden Leistungen im Rahmen der<br />

Frühförderung, d.h. bis zum Eintritt in die Schule erbracht, fällt dies jedoch in den<br />

Aufgabenbereich der Eingliederungshilfe. Dies gilt im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> auch<br />

für integrative Leistungen in Regelkindergärten.<br />

Oftmals ist gerade bei kleineren Kindern eine klare Abgrenzung zwischen den<br />

einzelnen Behinderungsarten schwierig. Bei Kindern im Vorschulalter kann in der<br />

Regel eine seelische Behinderung nicht eindeutig diagnostiziert werden, da es sich<br />

auch um eine Entwicklungsverzögerung oder eine geistige Behinderung handeln<br />

kann. Fest steht jedoch, dass bei immer mehr Kindern Verhaltensauffälligkeiten,<br />

Aufmerksamkeitsstörungen und Sprachentwicklungsverzögerungen festgestellt<br />

werden.<br />

1.1. Anteil von Kindern und Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung<br />

Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> leben 148.763 Menschen, davon sind 74.350 männlich<br />

und 74.713 weiblich. Der Anteil von Kindern und Jugendlichen im Alter bis 21<br />

Jahren beträgt 23,9 % der Gesamtbevölkerung.<br />

6 Kommunalverbandes für Jugend und Soziales (KVJS)- "Fallzahlen und Ausgaben in der Eingliederungshilfe in Baden-<br />

Württemberg nach dem SGB XII"<br />

Hilfen für seelisch<br />

behinderte Menschen<br />

Land NOK<br />

stationär 33% 44%<br />

Betreutes Wohnen 40% 43%<br />

Privat 27% 13%<br />

9


1.1.1. Gliederung nach Altersstufen<br />

Dieser Anteil von Kindern und Jugendlichen bis 21 Jahre gliedert sich wie folgt auf<br />

Altersgruppen (in Jahren) Anzahl in %<br />

unter 3 Jahre 5.089 3,4%<br />

von 4 bis 6 Jahre 4.261 2,9%<br />

von 7 bis 10 Jahre 6.324 4,2%<br />

von 11 bis 15 Jahre 8.663 5,7%<br />

von 16 bis 18 Jahre 5.889 3,9%<br />

von 19 bis 21 Jahre 5.441 3,7%<br />

gesamt 35.667 23,9%<br />

Tabelle 3: Anteil von Kindern und Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<br />

<strong>Kreis</strong> – Gliederung nach Altersstufen 7<br />

1.1.2. Leistungsbezug von Kindern und Jugendlichen aufgrund seelischer<br />

Beeinträchtigung<br />

Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick, wie viele Kinder mit einer seelischen<br />

Beeinträchtigung Leistungen der Eingliederungshilfe nach SGB VIII (Jugendhilfe)<br />

oder SGB XII (Sozialhilfe) zum 31.12.2008 erhalten haben:<br />

Hilfeart<br />

stationär in Einrichtungen<br />

teilstationäre Hilfe (Tagesgruppe,<br />

Übernahme Schulgeld etc.)<br />

ambulante Maßnahmen:<br />

(heilpädagogische Förderung,<br />

Integrationshelfer, Einzelbetreuung,<br />

psychologische Lerntherapie)<br />

stationär in Einrichtungen<br />

integrative Hilfen in<br />

Regelkindergärten und Schulen<br />

Hilfe zum Besuch eines<br />

Sonderschulkindergartens<br />

Hilfe zu einer angemessenen<br />

Schulbildung<br />

ambulante Frühförderung<br />

(heilpädagogische Hilfe)<br />

Frühförderung im<br />

Frühförderzentrum Mosbach-<br />

<strong>Neckar</strong>elz<br />

Anzahl<br />

7<br />

(davon 5 außerhalb des NOK)<br />

9<br />

(davon 3 außerhalb des NOK)<br />

25<br />

2<br />

(davon 1 außerhalb des NOK)<br />

10<br />

GESAMT 63<br />

4<br />

1<br />

1<br />

4<br />

Leistungsträger<br />

Jugendhilfe<br />

Jugendhilfe<br />

Jugendhilfe<br />

Sozialhilfe<br />

Sozialhilfe<br />

Sozialhilfe<br />

Sozialhilfe<br />

Sozialhilfe<br />

Sozialhilfe<br />

Tabelle 4: Anzahl der Kinder und Jugendlichen im Hilfebezug des SGB VIII bzw. SGB XII 8<br />

7 Datenquelle: Statistischen Landesamt Baden-Württemberg sowie einer Datenerhebung des Landratsamtes <strong>Neckar</strong>-<br />

<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> in den <strong>Kreis</strong>gemeinden.<br />

10


Innerhalb des<br />

NOK<br />

54 Personen<br />

(86%)<br />

Aufteilung der Versorgung<br />

außerhalb des<br />

NOK<br />

9 Personen<br />

(14%)<br />

Abbildung 3: Versorgung von Kindern und Jugendlichen innerhalb und außerhalb des <strong>Neckar</strong>-<br />

<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es<br />

1.1.3. Voraussetzung für die Gewährung von Eingliederungshilfe<br />

a) nach § 35a SGB VIII<br />

Kinder und Jugendliche, die unter einer psychischen Störung und Erkrankung<br />

leiden und daraus resultierend in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft<br />

beeinträchtigt sind, gehören überwiegend in den Zuständigkeitsbereich der<br />

Jugendhilfe.<br />

Auf der Grundlage einer fachärztlich zu diagnostizierenden seelischen Störung hat<br />

die Jugendhilfe anhand sozialer Indikatoren zu prüfen und zu entscheiden, ob die<br />

festgestellte Erkrankung Auswirkungen auf die Teilhabe des jungen Menschen am<br />

Leben in der Gesellschaft hat und ein Eingliederungshilfebedarf gem. § 35a SGB<br />

VIII besteht.<br />

Die Hilfe wird je nach Bedarf im Einzelfall<br />

• in ambulanter Form,<br />

• in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen,<br />

• durch geeignete Pflegepersonen und<br />

• in Einrichtungen über Tag und Nacht (stationär) sowie sonstigen Wohnformen<br />

geleistet.<br />

b) nach § 53 SGB XII<br />

Handelt es sich bei der beantragten Hilfe um eine Maßnahme der Frühförderung, ist<br />

das Verfahren zur Feststellung einer wesentlichen Behinderung im Bereich der<br />

Sozialhilfe nach §§ 53 ff. SGB XII ein anderes.<br />

Hier stellt der Träger der Sozialhilfe in der Regel auf der Grundlage von<br />

Stellungnahmen des Gesundheitsamtes oder des Medizinisch Pädagogischen<br />

Fachdienstes des KVJS fest, ob eine wesentliche Behinderung vorliegt bzw. droht<br />

und diese mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate andauert. Ergänzend<br />

hierzu kann eine Stellungnahme des Sozialen Dienstes eingeholt werden, um die<br />

Frage zu klären, ob das Kind durch die Behinderung in seiner Fähigkeit an der<br />

Gesellschaft teilzuhaben eingeschränkt ist. Wird dies bejaht, so erhält das Kind<br />

Eingliederungshilfeleistungen nach § 53 ff. SGB XII.<br />

8 Datenquelle: Auswertung der Leistungsdatei des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es<br />

11


1.2. Tagesstruktur<br />

Die Strukturierung des Tagesablaufs von Kindern kann je nach Alter in unterschiedlicher<br />

Form erfolgen. Man unterscheidet in der Regel in vorschulische und<br />

schulische Angebote.<br />

1.2.1. Vorschulische Angebote<br />

Hilfen für den Besuch von Regel- oder Schulkindergärten sowie andere<br />

vorschulische Angebote werden vom Fachgebiet Eingliederungshilfe bearbeitet. Die<br />

Frühförderung endet mit Schuleintritt des Kindes.<br />

In Baden-Württemberg gibt es für Kinder mit einer Behinderung ein zweigliedriges<br />

Vorschulsystem.<br />

1.2.1.1. Integration in Regelkindergärten<br />

Definition und Verfahren<br />

Behinderte Kinder haben Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens. Das<br />

Kindertagesbetreuungsgesetz (KiTaG) regelt, dass Kinder, die auf Grund ihrer<br />

Behinderung einer zusätzlichen Betreuung bedürfen, in Gruppen zusammen mit<br />

nicht behinderten Kindern gefördert werden, soweit dies ihr Hilfebedarf zulässt.<br />

Ob ein Kind mit einer Behinderung in einem Regelkindergarten gefördert werden<br />

kann, hängt von den Besonderheiten im Einzelfall ab. Es gibt verschiedene<br />

Faktoren, die hier eine Rolle spielen wie z.B. 9<br />

- Kann der zusätzliche Förderbedarf eines Kindes mit Behinderung durch den<br />

Kindergartenträger mit den vorhandenen Personal- und Sachmitteln zuzüglich<br />

der Leistungen der Eingliederungshilfe sichergestellt werden?<br />

- Können die Ziele des Kindergartens erreicht werden? 10<br />

- Stehen keine Belange anderer Kinder der Förderung im Kindergarten<br />

entgegen?<br />

Der zusätzliche individuelle Förderbedarf des Kindes kann hinsichtlich<br />

pädagogischer Anleitung zur Teilhabe am Gruppengeschehen bestehen oder aber<br />

an begleitender Hilfe. Hier spricht man von sogenannten „Assistenzdiensten“ wie<br />

z.B. Hilfe bei Toilettengängen, beim An- und Ausziehen, beim Essen und<br />

Hilfestellung bei Alltagshandlungen. Der zusätzliche Förderbedarf kann auch aus<br />

der Kombination von pädagogischer und begleitender Hilfe bestehen. 11<br />

Ziel einer integrativen Förderung ist, dass Kinder mit Behinderung zusammen mit<br />

Nachbarkindern den Kindergarten vor Ort besuchen können und somit in die<br />

Gemeinschaft integriert werden. Die Förderung sollte sowohl auf den Bedarf des<br />

behinderten Kindes, als auch der Kinder ohne Behinderung ausgerichtet sein. Das<br />

Heranführen an eine gemeinsame Lebens- und Lernform steht im Mittelpunkt. Hier<br />

profitieren die Kinder vom gemeinsamen Spielen, der Lebhaftigkeit und der<br />

Unterstützung der anderen Kinder. Das betroffene Kind muss nicht eine<br />

„Sondereinrichtung“ besuchen, sondern kann am Leben in der Gemeinde<br />

teilnehmen.<br />

Kann ein Kind mit Behinderung unter Berücksichtigung der gegebenen<br />

Bedingungen und der Bedürfnisse des Kindes im Kindergarten nicht angemessen<br />

gefördert werden, kommt eine Integration in einen allgemeinen Kindergarten nicht<br />

in Betracht. Für diesen Fall besteht die Möglichkeit, dass das betroffene Kind in<br />

einem Schulkindergarten gefördert wird (siehe hierzu Nr. 1.2.1.2.).<br />

9<br />

Vgl. hierzu Sozialhilferichtlinien von Baden-Württemberg, Randnummer 54.13/2<br />

10<br />

Vgl. § 2 KiTaG<br />

11<br />

Vgl. hierzu Sozialhilferichtlinien von Baden-Württemberg, Randnummer 54.13/2<br />

12


Fallzahlen und Finanzierung<br />

Der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> finanzierte zum 31.12.2008 die Integration von 4<br />

Kindern mit einer seelischen Behinderung in allgemeinen Kindergärten. Zur<br />

Gewährung von Integrationshilfen in allgemeine Kindergärten und Schulen hat der<br />

<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> Richtlinien erlassen. Je nach Einzelfall wird eine Pauschale<br />

für pädagogische Hilfe in Höhe von 460 € pro Monat und/oder eine Pauschale für<br />

begleitende Hilfe von 308 € gewährt. Die Maximalförderung liegt bei 768 € pro<br />

Monat, wenn eine pädagogische und begleitende Hilfe nötig ist.<br />

Die Einkommens – und Vermögensverhältnisse der betroffenen Familien bleiben<br />

hier unberücksichtigt.<br />

1.2.1.2. Schulkindergärten<br />

Definition und Verfahren<br />

Hat das Kind einen sonderpädagogischen Förderbedarf und ist die Integration in<br />

einen Regelkindergarten nicht möglich, kann es einen Schulkindergarten besuchen.<br />

Der Anspruch auf einen Kindergartenplatz kann demnach auch in einem<br />

Schulkindergarten erfüllt werden.<br />

Auf der Grundlage von Stellungnahmen beispielsweise vom Frühförderzentrum,<br />

Kindergartenfachberater und/oder des Gesundheitsamtes stellt das Staatliche<br />

Schulamt den sonderpädagogischen Förderbedarf eines Kindes fest und<br />

entscheidet über die Aufnahme in einen Schulkindergarten. Zu einer Aufnahme in<br />

einen Schulkindergarten ist das Einverständnis der Eltern erforderlich.<br />

Voraussetzung für eine Leistungsgewährung ist, dass das Kind an einer<br />

wesentlichen seelischen Behinderung leidet bzw. davon bedroht ist und der<br />

Schulkindergarten der geeignete Förderort ist.<br />

Anbieter<br />

Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> gibt es insgesamt 4 Schulkindergärten. Davon sind 3 in<br />

privater Trägerschaft. Bei einem Kindergarten ist der Landkreis Träger.<br />

a) Schulkindergarten „Kleckse“ in Mosbach für geistig-, körperlich- und<br />

sprachbehinderte Kinder mit einer Außengruppe im Kindergarten Rittersbach<br />

(private Trägerschaft: Johannes-Anstalten Mosbach)<br />

b) Schulkindergarten „Vogelnest“ in Schwarzach für geistig- und körperbehinderte<br />

Kinder (private Trägerschaft: Johannes-Anstalten Schwarzach)<br />

c) Schulkindergarten „Pusteblume“ in Buchen für geistig-, körper- und<br />

sprachbehinderte Kinder (Trägerschaft: <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>)<br />

d) Schulkindergarten „St. Theresia“ für erziehungsschwierige Kinder in Seckach<br />

(private Trägerschaft: Kinder- und Jugenddorf Klinge)<br />

Finanzierung<br />

Beim Besuch eines Schulkindergartens in öffentlicher Trägerschaft entstehen keine<br />

Kosten, die im Rahmen der Eingliederungshilfe nach SGB XII übernommen werden<br />

müssten. Stellt das staatliche Schulamt jedoch fest, dass der Besuch eines privaten<br />

Schulkindergartens erforderlich ist, fallen hierfür Kosten an, die als Eingliederungshilfeleistung<br />

übernommen werden können. Zum 31.12.2008 erhielten 4 Kinder<br />

entsprechende Leistungen.<br />

Die Höhe der Vergütung für Kindergärten in privater Trägerschaft richtet sich nach<br />

einer zwischen dem Kindergartenträger und dem Stadt- bzw. Landkreis<br />

geschlossenen Leistungs- und Vergütungsvereinbarung.<br />

13


Eine Beteiligung der Eltern aus Einkommen und Vermögen ist hier nicht<br />

vorgesehen. Gegebenfalls fällt für die Eltern eine Kostenbeteiligung für Mahlzeiten<br />

an, die im Kindergarten eingenommen werden.<br />

1.2.2. Schulische Angebote<br />

Da die Frühförderung von Kindern mit Eintritt in die Schule endet, ist für die<br />

Förderung schulischer Maßnahmen für Kinder mit einer seelischen Störung in der<br />

Regel das Fachgebiet Jugendhilfe zuständig.<br />

1.2.2.1. Integration in Regelschulen<br />

Die Förderung von Kindern mit Behinderungen ist Aufgabe aller Schularten.<br />

Behinderte Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf können in allgemeinen<br />

Schulen unterrichtet werden, wenn sie auf Grund der gegebenen Verhältnisse dem<br />

gemeinsamen Bildungsgang in dieser Schule folgen können. Die allgemeinen<br />

Schulen werden von den Sonderschulen unterstützt und arbeiten soweit wie<br />

möglich mit ihnen zusammen 12 .<br />

Definition<br />

Bei einer Integrationshilfe in Regelschulen handelt es sich um eine ambulante<br />

Unterstützung („Integrationshelfer“). Eingliederungshilfeleistungen kommen nur für<br />

begleitende Hilfen durch eine schulfremde Person - sogenannte „Assistenzdienste“<br />

- in Betracht. Dies kann z.B. Hilfe bei Toilettengängen, beim An- und Ausziehen,<br />

beim Essen, in Pausen oder Hilfestellung bei Alltagshandlungen sein. Für<br />

pädagogische Maßnahmen kann keine Eingliederungshilfe gewährt werden, da dies<br />

in den Verantwortungsbereich der Schule fällt.<br />

Betroffen sind zumeist Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung<br />

(ADHS) sowie Kinder mit autistischen Verhaltensweisen.<br />

Wird ein Bedarf festgestellt, so bemisst sich die zu gewährende Eingliederungshilfe<br />

an der im Einzelfall festgestellten notwendigen Begleitung. Der Umfang und die<br />

Erforderlichkeit der Assistenz werden in einem Hilfeplan unter Beteiligung der<br />

Schule und der Eltern festgestellt.<br />

Fallzahlen<br />

Zum Stichtag 31.12.2008 erhielten 6 Kinder bzw. Jugendliche integrative Hilfe in<br />

Grund- und Hauptschulen sowie in Realschulen.<br />

Finanzierung<br />

Auch hier sind die Richtlinien des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es zur Gewährung von<br />

Eingliederungshilfe zur Integration in allgemeinen Kindergärten und Schulen<br />

maßgebend. Bei den Integrationshelfern handelt es sich um Fach- oder Hilfskräfte,<br />

die auf Honorarbasis tätig sind. Die monatliche finanzielle Bandbreite reicht je nach<br />

Bedarf von 800 € bis 2.700 € pro Fall.<br />

Der Einsatz von Einkommen und Vermögen wird bei Hilfen zu einer angemessenen<br />

Schulbildung nicht verlangt.<br />

1.2.2.2. Sonderschulen<br />

Definition und Verfahren<br />

Sonderschulen dienen der Erziehung, Bildung und Ausbildung von behinderten<br />

Schülern und Schülerinnen mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf, der in<br />

allgemeinen Schulen nicht gedeckt werden kann 13 .<br />

12 Vgl. § 15 Abs. 4 und 5 Schulgesetz für Baden-Württemberg<br />

13 § 15 Abs. 1 Schulgesetz für Baden-Württemberg<br />

14


Nach dem Schulgesetz von Baden-Württemberg gibt es je nach Behinderungsart<br />

verschiedene Sonderschultypen wie z.B. Schulen für Blinde und Sehbehinderte,<br />

Schulen für Hörgeschädigte, Schulen für Sprachbehinderte, Schulen für<br />

Geistigbehinderte, Schulen für Körperbehinderte und bei längeren<br />

Krankenhausaufenthalten auch eine Schule für Kranke. Auch in vielen<br />

Sonderschulen können gängige Bildungsabschlüsse erreicht werden.<br />

Das Staatliche Schulamt ist federführend für das Verfahren zur Feststellung der<br />

geeigneten Beschulung für Kinder zuständig. Es entscheidet im Einvernehmen mit<br />

den Eltern, ob ein behinderter Schüler die Pflicht hat, eine Sonderschule zu<br />

besuchen und welche Art von Sonderschule für ihn passend ist 14 .<br />

Anbieter<br />

Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> gibt es 4 Sonderschulen für Erziehungshilfe, die<br />

durch die Eingliederungshilfe belegt werden. Diesen Schultyp bieten an:<br />

• Nardini-Schule am Kinder- und Jugendheim St. Kilian in Walldürn mit einer<br />

Außenklasse in Mosbach (mit Förderschulbereich)<br />

• St. Bernhard-Schule am Kinder- und Jugenddorf Klinge in Seckach (mit<br />

Förderschulbereich)<br />

• Schwarzbachschule der Johannes-Anstalten Mosbach, Schwarzacher Hof (mit<br />

Förderschulbereich)<br />

• Johannesbergschule der Johannes-Anstalten Mosbach (mit Förderschulbereich)<br />

Außerdem gibt es folgende weitere Sonderschulen:<br />

Förderschulen:<br />

• Astrid-Lindgren-Schule in Osterburken-Bofsheim<br />

• Meister-Eckehart-Schule in Buchen<br />

• Gebrüder-Grimm-Schule in Aglasterhausen-Daudenzell<br />

• Hardbergschule in Mosbach<br />

Schule für Geistigbehinderte:<br />

• Alois-Wißmann-Schule in Buchen<br />

Schule für Geistig- und Körperbehinderte:<br />

• Johannesbergschule der Johannes-Anstalten Mosbach<br />

• Schwarzbachschule der Johannes-Anstalten Mosbach, Schwarzacher Hof<br />

Schule für Sprachbehinderte:<br />

• Schule für Sprachbehinderte in Buchen<br />

Schule für Kranke:<br />

• Private Kliniksonderschule der Johannes-Anstalten, Schwarzacher Hof<br />

Außerhalb des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es gibt es eine Vielfalt von Sonderschulen,<br />

die teilweise auch von Schülern aus dem Landkreis besucht werden, wenn das<br />

Angebot vor Ort nicht passend oder nicht ausreichend ist, z.B. für blinde,<br />

sehbehinderte und hörgeschädigte Kinder.<br />

14 Vgl. § 82 Abs. 2 Schulgesetz für Baden-Württemberg<br />

15


Finanzierung<br />

Bei Sonderschulen in Trägerschaft des Landes oder des Landkreises entstehen in<br />

der Regel keine Kosten für den Besuch der Sonderschule, die im Rahmen der<br />

Eingliederungshilfe zu übernehmen wären. Anders hingegen verhält es sich bei<br />

privaten Sonderschulen. Die Träger der privaten Sonderschulen haben mit dem<br />

Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS), der im Auftrag des<br />

Landkreises handelt, eine Vereinbarung über die Vergütung getroffen.<br />

Eingliederungshilfeleistungen werden demnach in Höhe der vereinbarten<br />

Vergütungssätze für den Besuch der Schule übernommen – ein sogenanntes<br />

Schulgeld.<br />

Bewertung / Handlungsempfehlung:<br />

Für einen Landkreis in der Größe des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es wird ein gutes und<br />

flächendeckendes vorschulisches und schulisches Angebot für Kinder mit Behinderung<br />

vorgehalten.<br />

Für Kinder und Jugendliche mit einer wesentlichen seelischen Behinderung gibt es keinen<br />

gesonderten Schultyp. Dies liegt daran, dass die Auswirkungen dieser Behinderungsart so<br />

individuell und unterschiedlich sind, dass keine homogenen Gruppen gebildet werden<br />

können. Somit wird dieser Personenkreis meist integrativ, in einer Spezialeinrichtung oder in<br />

einer Schule für Erziehungshilfe beschult. In einigen Fällen ist der Bedarf so speziell, dass<br />

Kinder- und Jugendliche in weit entfernten Einrichtungen untergebracht und beschult werden<br />

müssen.<br />

Integrative Beschulung in Regelschulen wird häufig durch Klassengrößen und<br />

Lehrerversorgung erschwert. Die zusätzliche Belastung einer Integrationsleistung bringt das<br />

System Schule oft an seine Grenzen. Sehr hohe Forderungen an die Leistungen der<br />

Eingliederungshilfe sind die Folge. Hierbei spielt in zunehmendem Maße das Thema<br />

Schulbegleitung eine Rolle. Diese kann nach bestehender Rechtslage nur in Regelschulen<br />

gewährt werden. Trotz dieser Einschränkung versucht der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>, den<br />

Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls Rechnung zu tragen.<br />

Im Dezember 2008 hat der Bundestag und Bundesrat die UN-Konvention über die Rechte<br />

behinderter Menschen ratifiziert. Hierin sind auch die Grundsätze für die Bildung und<br />

Erziehung niedergelegt. Welche Auswirkungen ein „inclusive education System at all levels“<br />

für die differenzierte Schullandschaft in Baden-Württemberg haben wird, ist noch nicht<br />

absehbar.<br />

1.3. Wohnangebote<br />

Neben den bereits beschriebenen Sonderschulen gibt es für Kinder mit einer<br />

seelischen Behinderung auch Schulangebote mit einer vollstationären<br />

Unterbringung.<br />

Definition<br />

Die Kinder und Jugendlichen wohnen in einer Einrichtung und erhalten dort<br />

zusätzlich auch eine Tagesstruktur. Sie besuchen je nach Alter einen<br />

Schulkindergarten, eine Sonderschule oder eine berufsvorbereitende Maßnahme.<br />

Die Notwendigkeit, dass eine Sonderschule stationär besucht werden muss, kann<br />

verschiedene Gründe haben 15 :<br />

- Schulische Gründe liegen beispielsweise vor, wenn vor Ort keine passende<br />

Sonderschule vorhanden ist oder diese nicht zumutbar erreicht werden kann.<br />

15 siehe hierzu: Grundlagenpapier Fallmanagement in der Eingliederungshilfe des Kommunalverbandes für Jugend und<br />

Soziales Baden-Württemberg<br />

16


- Außerschulische Gründe für eine stationäre Unterbringung mit Schulbesuch<br />

liegen z.B. dann vor, wenn die familiäre Situation des behinderten Kindes<br />

schwierig ist, die Eltern überlastet sind und ein weiterer Verbleib des Kindes in<br />

der Familie nicht sinnvoll ist.<br />

Bei einer vollstationären Beschulung gibt es zwei Arten von Sonderschulen<br />

a) Heimsonderschule:<br />

Eine Heimsonderschule ist ein sogenanntes 5-Tage-Internat. Das heißt, die<br />

Kinder sind in der Regel an Wochenenden und in den Ferien zu Hause. Die<br />

Gründe für den Besuch einer solchen Schule sind meist schulisch. Dies ist der<br />

Fall, wenn sich keine passende Sonderschule in erreichbarer Nähe des<br />

Wohnortes des Kindes befindet. Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> ist das<br />

insbesondere bei sinnesbehinderten Kindern der Fall.<br />

b) Sonderschule am Heim:<br />

Von einer Sonderschule am Heim spricht man, wenn das Kind die meiste Zeit,<br />

also auch an Wochenenden und Schulferien im Heim untergebracht ist. Hier<br />

sind es meist außerschulische Gründe wie z.B. Überlastung der Familien oder<br />

wegbrechende Familien, die eine Unterbringung im Heim erforderlich machen.<br />

Anbieter und Fallzahlen<br />

Im Bereich der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche sind es die gleichen<br />

Anbieter, die Hilfe zur Erziehung gem. § 34 SGB VIII (Heimerziehung) leisten.<br />

Vereinzelt bieten Jugendhilfeeinrichtungen „Spezialgruppen“ für seelisch behinderte<br />

Kinder und Jugendliche an.<br />

Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> nehmen das Kinderheim St. Kilian in Walldürn und das<br />

Kinder- und Jugenddorf Klinge in Seckach auch junge Menschen mit einem<br />

Eingliederungshilfebedarf gem. § 35a SGB VIII auf. Insgesamt werden 7 Kinder und<br />

Jugendliche über die Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Einrichtungen<br />

finanziert.<br />

Auch in den Johannes-Anstalten Mosbach ist 1 Kind untergebracht. Hier kommt zur<br />

seelischen Behinderung eine starke Verhaltsauffälligkeit, eine geistige Behinderung<br />

oder auch autistische Verhaltensweise dazu. Für diese Unterbringungen<br />

wird Eingliederungshilfe nach den Vorschriften des SGB XII gewährt.<br />

Finanzierung<br />

Die Kosten für eine stationäre Unterbringung nach SGB VIII oder SGB XII richten<br />

sich nach den zwischen den Einrichtungsträgern und dem KVJS, der im Auftrag der<br />

Landkreise tätig wird, verhandelten Vergütungssätzen. Bei stationärer oder<br />

teilstationärer Unterbringung wird von den Eltern der Kinder je nach<br />

Einkommenssituation ein Kostenbeitrag erhoben.<br />

Bewertung / Handlungsempfehlung:<br />

Der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> ist in der glücklichen Lage, ein sehr gut ausgebautes<br />

Wohnangebot für den Personenkreis der seelisch behinderten Kinder und Jugendlichen zu<br />

haben.<br />

Sowohl die beiden großen Einrichtungen der Jugendhilfe, das Kinder- und Jugenddorf Klinge<br />

in Seckach und das Kinder- und Jugendheim St. Kilian in Walldürn, als auch die Johannes-<br />

Anstalten Mosbach als Komplexeinrichtung der Eingliederungshilfe bieten ein<br />

breitgefächertes Angebot, das auch überregional genutzt wird.<br />

17


Der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> steht mit den genannten Einrichtungen in einem stetigen<br />

Austausch. Sich ändernde Bedarfe können somit frühzeitig erkannt und entsprechende<br />

Angebote gemeinsam entwickelt werden.<br />

Kinder und Jugendliche mit einer wesentlichen seelischen Behinderung werden in der Regel<br />

integrativ untergebracht. Trotzdem gibt es immer wieder Einzelfälle, die ein spezielles<br />

Angebot benötigen (z.B. Essstörungen, Autismus), welches auf Grund der geringen<br />

Fallzahlen im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> nicht vorgehalten werden kann. In diesen Fällen sind<br />

Unterbringungen außerhalb des Landkreises notwendig, teilweise sogar überregional.<br />

Eine Besonderheit stellt der Übergang von der Kinder- und Jugendpsychiatrie in ein<br />

Wohnangebot der Jugendhilfe dar. Kinder und Jugendliche, die nach einem Aufenthalt in<br />

einer Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht mehr nach Hause entlassen werden können, sind<br />

vielfach noch nicht stabil genug, um in einer Regelgruppe der Jugendhilfe leben zu können.<br />

Dekompensation und Wiedereinweisung sind dann die Folge. Um diesen „Drehtüreffekt“ zu<br />

durchbrechen ist die Einrichtung von speziellen Übergangsgruppen erforderlich.<br />

Insgesamt steigen die Fallzahlen sowohl in den Regelgruppen der Jugendhilfe als auch in<br />

den Spezialeinrichtungen. Hier drückt sich eine ähnliche Symptomatik aus, die auch im<br />

Bereich der Frühförderung zu beobachten ist. Verhaltensproblematiken mit Aktivitäts- und<br />

Aufmerksamkeitsstörungen sind hierbei vielfach der Einstieg in eine Spirale, an deren Ende<br />

die Teilhabe eines Kindes oder eines Jugendlichen am Leben in der Gemeinschaft gefährdet<br />

ist.<br />

1.4. Medizinische / Therapeutische Versorgung<br />

Die Geburt eines kranken oder behinderten Kindes stellt für viele betroffene Eltern<br />

eine große Belastung dar. Ebenso schwierig ist es, wenn sich eine Behinderung<br />

erst im Verlauf der Entwicklung des Kindes abzeichnet. In beiden Situationen<br />

brauchen Eltern von Beginn an eine fachlich kompetente Unterstützung und<br />

Beratung. Durch früh einsetzende Hilfe kann man den betroffenen Kindern und<br />

ihren Familien eine passende Förderung zukommen lassen.<br />

1.4.1. Frühförderzentrum Mosbach-<strong>Neckar</strong>elz (FFZ)<br />

Das Frühförderzentrum in Mosbach-<strong>Neckar</strong>elz vereint ein Sozialpädiatrisches<br />

Zentrum, eine interdisziplinäre Frühförderstelle und eine Sonderpädagogische<br />

Beratungsstelle unter einem Dach.<br />

Das Frühförderzentrum erbringt Leistungen für entwicklungsauffällige und von<br />

einer Behinderung bedrohten bzw. behinderten Kinder im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>.<br />

Es übernimmt einen Großteil der Therapien vor allem bei schwer- und mehrfach<br />

behinderten Kindern.<br />

Bedingt durch die unterschiedlichen Behinderungsformen und ihre Ausprägung<br />

bietet das FFZ ein sehr breites Spektrum an Leistungen an. Dieses Angebot findet<br />

man außerhalb des Zentrums so nicht wieder. Im FFZ werden sowohl ärztliche wie<br />

auch nichtärztliche sozialpädiatrische Leistungen, psychologische und heilpädagogische<br />

Leistungen und psychosoziale Leistungen erbracht. Weiterhin werden soweit<br />

dies erforderlich ist Physiotherapie, Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie sowie<br />

Beschäftigungstherapie angeboten.<br />

Die Leistungen im FFZ werden als Komplexleistung erbracht und können<br />

• ein offenes Beratungsangebot bei der Erstberatung und Erstuntersuchung,<br />

• Interdisziplinäre Diagnostik inkl. Aufstellung eines Förder- und Behandlungsplanes,<br />

18


• Behandlung und Förderung – Medizinische / Therapeutische Leistungen und<br />

heilpädagogische Leistungen sowie<br />

• Kooperation und Beratung von anderen Stellen<br />

umfassen.<br />

Definitionen<br />

a) Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ)<br />

Beim SPZ liegt der Schwerpunkt nicht auf der Behinderung, sondern auf der<br />

Krankheit des Kindes. Die Diagnostik steht hier im Mittelpunkt. Daher sind die<br />

Leistungen überwiegend durch die gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)<br />

abgedeckt.<br />

Behandelt werden Kinder, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung<br />

nicht von niedergelassenen Ärzten oder der interdisziplinären Frühförderstelle<br />

behandelt werden können.<br />

Für die Behandlung im SPZ ist eine Überweisung durch den niedergelassenen<br />

Kinder- oder Hausarzt nötig. Die Leistungen enden nicht zwangsläufig mit dem<br />

Eintritt in die Schule bzw. in den Schulkindergarten, sondern können in der Regel<br />

bis zum 18. Lebensjahr in Anspruch genommen werden.<br />

b) Interdisziplinäre Frühförderstelle<br />

Die Interdisziplinäre Frühförderstelle ist ein familien- und wohnortnaher Dienst bzw.<br />

Einrichtung, die der Früherkennung, Behandlung und Förderung von Kindern dient,<br />

um eine drohende oder bereits eingetretene Behinderung zum frühestmöglichen<br />

Zeitpunkt zu erkennen und die Behinderung durch gezielte Förder- und<br />

Behandlungsmaßnahmen auszugleichen oder zu mildern. Oftmals geht eine<br />

Diagnostikphase im SPZ voraus.<br />

Die Leistungen werden in einer interdisziplinären Zusammenarbeit von medizinischtherapeutischen<br />

und pädagogischen Fachkräften erbracht. Die Frühförderstelle<br />

fördert ausschließlich in ambulanter Form. Im Einzelfall findet die Förderung oder<br />

Beratung auch im Elternhaus statt (aufsuchende Hilfe).<br />

Die Leistungen in der Interdisziplinären Frühförderstelle werden längstens bis zum<br />

Schuleintritt des Kindes bzw. zur Aufnahme in einen Schulkindergarten gewährt.<br />

Der Zugang zur Frühförderstelle ist niederschwellig und wird hinsichtlich der<br />

Beratung auch ohne ärztliche Überweisung gewährleistet.<br />

Die Interdisziplinäre Frühförderstelle und das SPZ erstellen nach dem individuellen<br />

Bedarf des Kindes einen Förder- und Behandlungsplan. Hierin werden die<br />

voraussichtlich erforderlichen Leistungen in Zusammenarbeit mit den Eltern vom für<br />

die diagnostischen Leistungen verantwortlichen Arzt und der verantwortlichen<br />

pädagogischen Fachkraft bestimmt. Die zur Förderung und Behandlung<br />

erforderlichen Leistungen werden als ganzheitliche Komplexleistung erbracht.<br />

Ziel einer Behandlung im FFZ ist, das Kind in seiner körperlichen, geistigen und<br />

seelischen Entwicklung zu erfassen und entsprechend seiner Begabung und<br />

Interessen zu fördern. Durch eine früh beginnende geeignete Fördermaßnahme soll<br />

es den Kindern ermöglicht werden, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erlernen und zu<br />

fördern, die im Alltag und im sozialen Miteinander benötigt werden.<br />

Durch eine gut ausgebaute Hilfe verbessern sich die Chancen des Kindes<br />

erheblich, später ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen zu können. Nach<br />

Möglichkeit sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, um einen Regelkindergarten<br />

oder eine Regelschule zu besuchen.<br />

Zielgruppe sind nicht nur die einzelnen Kinder mit Behinderung, sondern die Familie<br />

als Ganzes. Mit Hilfe der Förderung sollen die Kompetenzen der Familien im<br />

Umgang mit der Behinderung ihres Kindes verbessert und die Akzeptanz des<br />

Kindes gefördert werden.<br />

19


Fallzahlen und Einzugsbereich<br />

Das SPZ versorgt hauptsächlich den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> und behandelt im<br />

Jahr etwa 1.400 Kinder.<br />

In der Interdisziplinären Frühförderstelle werden jährlich etwa 150 Kinder betreut.<br />

Das Angebot des Frühförderzentrums wird auch über die <strong>Kreis</strong>grenzen hinaus z.B.<br />

von den benachbarten Landkreisen Heilbronn, Main-Tauber-<strong>Kreis</strong> und dem Rhein-<br />

<strong>Neckar</strong>-<strong>Kreis</strong> genutzt.<br />

Finanzierung<br />

Das SPZ finanziert sich unter anderem durch eine Pauschale der Krankenkassen in<br />

Höhe von 276 € pro Fall. Hierdurch werden die ärztlichen Leistungen abgedeckt.<br />

Da neben der Diagnostik auch ein starker Schwerpunkt auf nichtärztliche<br />

sozialpädiatrische Leistungen gelegt wird, entstehen hier Kosten, die nicht von der<br />

Krankenversicherung übernommen werden. Hierfür wird von Seiten des<br />

Landkreises eine Fallpauschale von 35 € pro Quartal bezahlt. Nicht zuletzt tragen<br />

die Johannes-Anstalten Mosbach als Träger des FFZ einen Eigenanteil.<br />

Die Interdisziplinäre Frühförderstelle wird über einen Zuschuss durch das<br />

Sozialministerium Baden-Württemberg finanziert. Dieser Zuschuss deckt den<br />

größten Teil der Kosten ab. Werden Leistungen im Bereich der Logo- oder<br />

Physiotherapie erbracht, werden diese von Seiten der Krankversicherung<br />

übernommen, wenn eine Heilmittelverordnung vorliegt. Wird für ein Kind eine<br />

heilpädagogische Förderung für sinnvoll erachtet, ist bezüglich der Kostenübernahme<br />

vor Beginn der Maßnahme ein Antrag beim Fachgebiet<br />

Eingliederungshilfe zu stellen. Hier wird geprüft, ob eine wesentliche Behinderung<br />

droht bzw. vorliegt und die Fähigkeit des Kindes, an der Gesellschaft teilzuhaben,<br />

eingeschränkt ist. Wird dies bejaht, so werden die Kosten für eine heilpädagogische<br />

Förderung als Eingliederungshilfeleistung nach SGB IX und XII übernommen.<br />

1.4.2. Sonderpädagogische Beratungsstellen<br />

Die Sonderpädagogischen Beratungsstellen sind ein weiterer wichtiger Baustein in<br />

der Frühförderung.<br />

Definition<br />

Die Sonderpädagogische Beratungsstelle ist ein ambulantes Hilfeangebot, welches<br />

möglichst früh pädagogische Hilfen sowie eine Vernetzung zu anderen Hilfen<br />

anbietet. Ihr Angebot kann für Kinder ab der Geburt bis zum Eintritt in die Schule<br />

oder in einen Schulkindergarten in Anspruch genommen werden.<br />

Die Sonderpädagogischen Beratungsstellen sind den Sonderschulen zugeordnet.<br />

Es ist deren Aufgabe, die Eltern von Kindern mit besonderem Förderbedarf<br />

hinsichtlich der Fördermaßnahmen, geeigneten Vorschuleinrichtungen,<br />

Integrationsmaßnahmen in Regelkindergärten und geeigneter Schulen zu beraten.<br />

Die Angebote der Sonderpädagogischen Beratungsstellen sind frei für die Eltern<br />

zugänglich. Für die Beratung entstehen keine Kosten. Eine ärztliche Verordnung<br />

oder der Nachweis über eine bestehende Behinderung müssen nicht vorgelegt<br />

werden.<br />

Anbieter<br />

Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> gibt es mehrere Sonderpädagogische<br />

Beratungsstellen 16<br />

a) Sonderpädagogische Beratungsstelle des Frühförderzentrums Mosbach-<br />

<strong>Neckar</strong>elz (private Trägerschaft: Johannes-Anstalten Mosbach)<br />

Wie bereits unter 1.4.1 erwähnt, findet man unter dem Dach des<br />

Frühförderzentrums in Mosbach-<strong>Neckar</strong>elz auch eine Sonderpädagogische<br />

Beratungsstelle. Diese ist der Schwarzbachschule – Schule für Geistig- und<br />

16 Vgl. Broschüre „Hilfsnetzwerk für Schüler/innen mit Schulproblemen“ der Arbeitsstelle Kooperation des staatlichen<br />

Schulamtes Mannheim<br />

20


Körperbehinderte – in Schwarzach zugeordnet. Dort sind eine Sonderschullehrerin,<br />

ein Heilpädagoge und eine Ergotherapeutin Ansprechpartner für die<br />

Diagnostik und Frühförderung von geistig und körperlich behinderten und von<br />

einer solchen Behinderung bedrohten Kindern.<br />

b) Andere Sonderpädagogische Beratungsstellen<br />

Weitere Sonderpädagogische Beratungsstellen befinden sich an den einzelnen<br />

Sonderschulen im Landkreis. Hier wird ein spezielles Beratungsangebot je nach<br />

Fachrichtung der Schule vorgehalten. Die Beratungsstellen erreicht man über<br />

die nachfolgend genannten Sonderschulen.<br />

- für sprachbehinderte Kinder in Buchen (Sprachheilschule)<br />

- für sprachbehinderte Kinder in Mosbach (Hardbergschule)<br />

- für entwicklungsverzögerte Kinder in Bofsheim (Astrid-Lindgren-Schule)<br />

- für erziehungsschwierige Kinder in Walldürn (Nardini-Schule)<br />

- für geistig behinderte Kinder in Buchen (Alois-Wißmann-Schule)<br />

- für unterstützte Kommunikation in Schwarzach (Schwarzbachschule)<br />

Finanzierung<br />

Bei den Fachkräften der Sonderpädagogischen Beratungsstellen handelt es sich in<br />

der Regel um Sonderschullehrerinnen bzw. Sonderschullehrer. Diese werden über<br />

die Kultusverwaltung des Landes Baden-Württemberg finanziert. Die Gebäude- und<br />

Sachkosten werden von den jeweiligen Schulträgern getragen.<br />

1.4.3. Andere Beratungsstellen<br />

Außer den Sonderpädagogischen Beratungsstellen gibt es eine Reihe von weiteren<br />

Beratungsstellen, die das Angebot im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> vervollständigen.<br />

Beratung für Hilfen im Schulsystem erhält man bei folgenden Stellen:<br />

• Arbeitsstelle Kooperation<br />

• Autismusbeauftragte<br />

• Schulpsychologische Beratungsstelle<br />

Hilfe bei allgemeinem Schulversagen, Teilleistungsstörungen (z.B. Lese- und<br />

Rechtschreibschwäche, Rechenschwäche), Lern- und Arbeitsschwierigkeiten,<br />

Verhaltensauffälligkeiten, Schul- und Prüfungsängste, Schulschwänzen,<br />

Hochbegabung und ADHS.<br />

Beratung für Vorschulkinder bezüglich der Schulreife oder Frühförderung gibt es bei<br />

• Arbeitsstelle Frühförderung<br />

• Präventive Fachberatung für Kindergärten<br />

Weitere Beratungsstellen sind:<br />

• Beratungsstellen der Caritas und der Diakonie<br />

Für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Lehrkräfte bei Problemen in allen<br />

Lebenslagen, z.B. Erziehungsfragen, Familienprobleme, Entwicklungsverzögerungen,<br />

Krisen bei Kindern und Jugendlichen, Ängste, seelische Probleme,<br />

Schulprobleme, Verhaltensauffälligkeiten, Scheidungssituationen, Gewalt und<br />

Sexueller Missbrauch.<br />

• Psychologische Erziehungs- und Familienberatungsstelle der Caritas<br />

• Psychologische Beratungsstelle für Erziehungs-, Partnerschafts- und<br />

Lebensfragen des Diakonischen Werkes für den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

21


• Beratungsstelle für Menschen mit Behinderungen und ihre Familien<br />

Information über Betreuungs- und Unterstützungsangebote sowie<br />

Hilfeleistungen für behinderte Menschen und ihre Familien.<br />

Die Adressen und Ansprechpartner der einzelnen Beratungsstellen finden sie im<br />

Anhang.<br />

1.4.4. Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der Johannes-<br />

Anstalten Mosbach (KJPP) Schwarzacher Hof inkl. Psychiatrische<br />

Institutsambulanz 17<br />

Die KJPP komplettiert die Angebotspalette im medizinisch-therapeutischen Bereich<br />

für Kinder und Jugendliche. Unter dem Dach der KJPP werden im ambulanten und<br />

stationären Sektor etwa 900 bis 1.000 Kinder im Jahr behandelt.<br />

Definition und Platzzahlen<br />

Die KJPP verfügt über 40 Betten und versorgt jährlich ca. 250 Kinder und<br />

Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr. Es gibt eine Kinder- und zwei<br />

Jugendstationen. In der Kinderstation werden Kinder bis zum 12. Lebensjahr<br />

behandelt. Hierfür stehen 13 Plätze zur Verfügung. Auf dieser Station gibt es eine<br />

integrierte Kindereinheit. Dies ist ein spezielles Angebot, dass es auch Eltern und<br />

jungen Müttern bis zum 21. Lebensjahr ermöglicht, zusammen mit ihrem Kind<br />

aufgenommen zu werden.<br />

Die Jugendstation 1 hat 13 offene Behandlungsplätze für Jugendliche zwischen 13<br />

und 18 Jahren. Die Station 2 behandelt 14 Jugendliche, die teilweise geschlossen<br />

untergebracht sind. Auch hier sind die Jugendlichen zwischen 13 und 18 Jahren.<br />

Junge Menschen mit einer Intelligenzminderung und einer psychischen Erkrankung<br />

werden gemäß einem integrativen Ansatz auf allen Stationen behandelt.<br />

In der KJPP werden nicht nur Kinder aus dem <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> versorgt,<br />

sondern auch überregional. Die KJPP ist neben dem <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> auch<br />

für den Main-Tauber-<strong>Kreis</strong> Erstansprechpartner in Sachen psychiatrische<br />

Versorgung für Kinder und Jugendliche.<br />

Das Aufgabengebiet der KJPP umfasst Diagnostik, Therapie, Prävention sowie<br />

Rehabilitation von psychischen und psychosomatischen Krankheiten bei Kindern<br />

und Jugendlichen. Behandelt wird das gesamte Spektrum an psychischen<br />

Störungen im Kinder- und Jugendalter wie z.B.<br />

- Psychische Erkrankungen als Folge organischer/hirnfunktioneller Störungen<br />

- Depressive, schizophrene und wahnhafte Störungen<br />

- Angst- und Zwangsstörungen<br />

- Anpassungsstörungen und posttraumatische Belastungsstörungen<br />

- Dissoziative Störungen<br />

- Störungen der Persönlichkeitsentwicklung<br />

- Essstörungen<br />

- Tiefgreifende Entwicklungsstörungen (z.B. frühkindlicher Autismus)<br />

- Umschriebene Entwicklungsstörungen (Sprache, Motorik, Lesen, Schreiben,<br />

Rechnen)<br />

- Störung des Sozialverhaltens<br />

- Emotionale Störungen<br />

- Hyperkinetische Störungen (ADS, ADHS)<br />

17 Vgl. Internetauftritt der Kinder – und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der Johannes-Anstalten Mosbach<br />

www.jamos.de/ge/kjpp/kjpp-start.html<br />

22


- Psychische Erkrankungen und Verhaltensauffälligkeiten durch psychotrope<br />

Substanzen (Alkohol, Drogen)<br />

- Intelligenzstörungen mit Verhaltensauffälligkeiten.<br />

Die Diagnostik in der KJPP ist mehrdimensional und umfasst eine medizinische,<br />

psychologische und pädagogische Diagnostik.<br />

Für die Kinder und Jugendlichen, die in der KJPP behandelt werden, gibt es eine<br />

Vielzahl von Beschäftigungsmöglichkeiten sowie pädagogisch begleitete bzw.<br />

erlebnispädagogisch gestaltete Freizeitmöglichkeiten. Die Zusammenarbeit mit den<br />

Eltern und Familien der Patienten ist ein wesentlicher Baustein in der Behandlung.<br />

Hierzu finden regelmäßig Gesprächsgruppen, Beratungen, Elterntrainings,<br />

Hospitationen, Videointeraktionsanalysen, familientherapeutische Sitzungen,<br />

Angehörigengruppen und Elterncafé statt.<br />

Die jungen Patienten werden während ihres Aufenthaltes von einem<br />

multiprofessionellen Team aus Fachärzten, Ärzten, Psychologen, Fachpflegern für<br />

Psychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie, Erzieher, Heilerziehungspfleger und<br />

Krankenschwestern/-pflegern betreut.<br />

An der KJPP gibt es auch eine Klinikschule. Die Schule ist eine allgemeinbildende<br />

Schule, die Schüler aller Schularten während ihres stationären Aufenthaltes betreut.<br />

Der Unterricht berücksichtigt die psychische Störung und orientiert sich am<br />

Leistungsstandard, der aktuellen Leistungsfähigkeit und am Stoffplan der<br />

Heimatschule.<br />

Mit der angeschlossenen Psychiatrischen Institutsambulanz (KJPIA) für Kinder<br />

und Jugendliche, die seelisch krank sind oder von seelischer Erkrankung oder<br />

seelischer Behinderung bedroht sind, wird mit einem eigenen Team auch die<br />

ambulante Versorgung im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> sicher gestellt. Durch eine<br />

Behandlung in der KJPIA sollen Behandlungsabläufe optimiert, Krankenhausaufnahmen<br />

vermieden und stationäre Behandlungszeiten verkürzt werden.<br />

Die ambulante Diagnostik und Therapie kann per Überweisungsschein in der<br />

Institutsambulanz durchgeführt werden. Eine stationäre Aufnahme erfolgt auf<br />

Einweisung eines Facharztes, der Institutsambulanz oder Verlegung aus einem<br />

anderen Krankenhaus.<br />

Finanzierung<br />

Die Leistungen, die Kinder und Jugendliche in der KJPP erhalten, sind<br />

medizinische Leistungen und werden daher von den Krankenkassen übernommen.<br />

Bewertung / Handlungsempfehlung:<br />

Durch das Frühförderzentrum, die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie den<br />

anderen genannten Angeboten hat der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> strukturell ein<br />

hervorragendes Angebot. Beide Einrichtungen sind sehr innovativ und entwickeln ihre<br />

Angebote ständig weiter. Jüngstes Beispiel ist die Einrichtung einer Psychiatrischen<br />

Institutsambulanz der KJPP zur ambulanten Versorgung.<br />

Auffallend ist, dass im Bereich der neurologischen Krankheiten (z.B. Epilepsien,<br />

Muskelerkrankungen) die Fallzahlen bei Kindern und Jugendlichen seit Jahren konstant<br />

sind. Stark wachsend ist der Anteil der Kinder und Jugendlichen mit Verhaltensproblemen<br />

und mit Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen. Hier drückt sich eine gesellschaftliche<br />

Problematik aus, die bereits jetzt zu einem erheblichen Kapazitätsproblem und langen<br />

23


Wartezeiten führt. Auffälligkeiten und Krankheitsbilder werden durch zu spätes Eingreifen<br />

verfestigt, so dass niederschwellige Angebote nicht mehr ausreichend wirken. Aus diesem<br />

Grund sollte besonders bei den frühen Hilfen eine möglichst zeitnahe Versorgung der<br />

Betroffenen ermöglicht werden. Neue konzeptionelle Ansätze im Bereich der so genannten<br />

„Frühen Hilfen“ weisen in die gewünschte Richtung.<br />

Ein weiteres Problemfeld stellt der Übergang von der KJPP ins Elternhaus oder ein<br />

Wohnangebot der Jugendhilfe dar. Diese Übergänge sind so zu gestalten, dass der<br />

„Drehtüreffekt“ ständiger Einweisungen und Entlassungen unterbrochen wird. Hierzu<br />

müssen Angebote entwickelt werden, die es den Betroffenen erlauben, außerhalb der KJPP<br />

zunächst einen gewissen Schutzraum zu erleben, um sich zu stabilisieren. Hierbei ist jedoch<br />

darauf zu achten, dass der Sozialhilfeträger nicht zum Ausfallbürgen medizinischer<br />

Leistungen wird.<br />

2. Angebote für Erwachsene<br />

2.1. Ambulante Angebote<br />

Für die ambulante Versorgung von psychisch kranken Menschen gibt es eine Reihe<br />

von unterstützenden Angeboten. Sie sind geeignet, diesen Personenkreis fachgerecht<br />

so zu unterstützen, dass ein weitgehend selbstbestimmtes Leben in der<br />

Gemeinde dauerhaft möglich ist.<br />

2.1.1. Sozialpsychiatrischer Dienst (SpDi) für Menschen mit psychischen Erkrankungen<br />

Definition<br />

Der SpDi betreut und berät ambulant und wohnortnah Menschen mit psychischen<br />

Erkrankungen und ihre Angehörigen. Die Angebote sind einfach erreichbar und<br />

nutzbar, kostenfrei und unterliegen der Schweigepflicht. Die Leistungen werden von<br />

Fachkräften wie z.B. Sozialarbeitern und Sozialpädagogen erbracht.<br />

Durch den SpDi soll die Grundversorgung chronisch psychisch kranker Menschen<br />

im <strong>Kreis</strong>gebiet sichergestellt und durch die Vernetzung von Versorgungsstrukturen<br />

erweitert werden.<br />

Im Einzelnen bietet der SpDi<br />

- Beratung in Einzel- und Familiengesprächen,<br />

- Besuche während und nach einem stationären Aufenthalt, Begleitungen,<br />

- Unterstützung im Umgang mit Behörden und Institutionen, sozialadministrative<br />

Beratung und Begleitung,<br />

- Unterstützung bei der praktischen Alltagsbewältigung,<br />

- Vermittlung zu anderen Einrichtungen, Diensten und weitergehenden Hilfen, zu<br />

tagesstrukturierenden Angeboten,<br />

- Unterstützung bei der (Wieder-) Aufnahme sozialer Kontakte,<br />

- Fachliche Begleitung einer Selbsthilfe- und einer Angehörigengruppe, die dem<br />

Diakonischen Werk assoziiert sind sowie<br />

- Durchführung von Soziotherapie nach Verordnung durch einen Facharzt.<br />

Mit Hilfe des SpDi soll dem chronisch psychisch kranken Menschen ein weitgehend<br />

eigenständiges Leben in der Gemeinde ermöglicht werden.<br />

Anbieter<br />

Das Diakonische Werk der evangelischen Kirchenbezirke im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<br />

<strong>Kreis</strong> ist Träger des SpDi. Um den Dienst möglichst niederschwellig erreichbar zu<br />

24


machen, hält das Diakonische Werk an drei verschiedenen Standorten des<br />

Landkreises Dienststellen vor: in Adelsheim, Buchen und Mosbach.<br />

Um den Bedürfnissen chronisch psychisch erkrankter Menschen gerecht zu<br />

werden, arbeitet der SpDi vorwiegend aufsuchend (Hausbesuche, Begleitungen).<br />

Als Mitglied im Trägerverbund der Tagesstätte unterhält das Diakonische Werk in<br />

Mosbach und Buchen auch einfach zugängliche tagesstrukturierende<br />

Gruppenangebote, die ebenfalls von SpDi-Mitarbeitern geleitet werden. Dadurch ist<br />

gewährleistet, dass Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen eine Vielfalt von<br />

leicht erreichbaren, fachlich qualifizierten Beratungs- und Betreuungsleistungen<br />

vorfinden. Dies ist auch im Hinblick auf die räumlichen und infrastrukturellen<br />

Bedingungen im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> sinnvoll.<br />

Der SpDi des Diakonischen Werkes wird mit seinen Fachkenntnissen und seiner<br />

Erfahrung bei Bedarf auch in Hilfeplanungsprozesse der Eingliederungshilfe des<br />

Landkreises für psychisch Kranke einbezogen.<br />

Fallzahlen und Struktur der Hilfeempfänger<br />

Laut Dokumentation des SpDi für das Jahr 2008 wurden insgesamt 121 Personen<br />

(79 weiblich, 42 männlich) betreut, davon erhalten 100 eine längerfristige<br />

Betreuung.<br />

Alterstruktur der SpDi - Nutzer<br />

28 - 40 Jahre<br />

20%<br />

41 - 60 Jahre<br />

61%<br />

18-27 Jahre<br />

2%<br />

über 60 Jahre<br />

17%<br />

Abbildung 4: Alterstruktur der längerfristig betreuten SpDi Klienten<br />

Die Zuweisungen neuer langfristiger Betreuungen in den SpDi erfolgten im Verlauf<br />

des Jahres 2008 durch folgende Bereiche:<br />

• Psychiatrisches Krankenhaus (10)<br />

• Niedergelassener Nervenarzt/Arzt (5)<br />

• Sozialamt/ARGE (4)<br />

• Nachbarn, Angehörige, Ehrenamtliche (3)<br />

• Eigeninitiative des Patienten (3)<br />

• Sonstige, z.B. Allgemeiner Sozialdienst, gesetzlicher Betreuer, Therapeut (6)<br />

25


Psychische und Verhaltensstörungen<br />

durch psychotrope Substanzen<br />

weiblich männlich gesamt<br />

0 2 2<br />

Schizophrenie 23 17 40<br />

Affektive Störungen<br />

(z.B. Depressionen, Manie)<br />

Neurotische Belastungsund<br />

somatoforme Störung<br />

Verhaltensauffälligkeiten mit körperlicher<br />

Störung (z.B. Essstörung)<br />

Persönlichkeits- und Verhaltensstörung<br />

(z.B. Boderline-Persönlichkeit)<br />

Nicht näher bezeichnete<br />

psychische Störung<br />

18 14 32<br />

5 0 5<br />

1 0 1<br />

8 1 9<br />

0 1 1<br />

Nichtpsychische Störung 1 0 1<br />

Unklare Diagnoseformulierungen 1 1 2<br />

Unbekannt / Ärztliche Diagnose nicht<br />

vorhanden<br />

6 1 7<br />

Summe 63 37 100<br />

Tabelle 5: psychiatrischen Hauptdiagnosen der längerfristig betreuten SpDI – Klienten 18<br />

Finanzierungsanteil<br />

Im SpDi sind 2,5 Fachkräfte tätig. Der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> fördert den SpDi mit<br />

einem Zuschuss in Höhe von 137.100 €/Jahr. Darin enthalten ist eine Förderung<br />

des Landes Baden-Württemberg in Höhe von 29.100 €/Jahr.<br />

2.1.2. Tagesstätten<br />

Die Situation von psychisch kranken Menschen ist oft dadurch gekennzeichnet,<br />

dass sie nur sehr begrenzt an den gesellschaftlichen Angeboten teilhaben können.<br />

Sie benötigen zur schrittweisen Wiedereingliederung möglichst niederschwellige<br />

Angebote. Soziale und alltagsrelevante Kompetenzen gingen im Verlauf der<br />

Erkrankung teilweise verloren und müssen neu erlernt und trainiert werden.<br />

Antriebslosigkeit und Rückzugstendenzen setzen oft enge persönliche Grenzen.<br />

Chronisch psychisch kranke Menschen sollen die Chance haben, in einem<br />

geschützten Umfeld persönliche Ressourcen und Kompetenzen neu zu entdecken<br />

und weiterzuentwickeln. Hierzu bieten die Tagesstätten gute Voraussetzungen.<br />

Definition<br />

Bei einer Tagesstätte für psychisch behinderte Menschen handelt es sich um ein<br />

offenes Angebot für psychisch erkrankte Menschen. Den Klienten werden dort<br />

tagesstrukturierende Hilfen z.B. in Form von Gruppen angeboten. Die Tagesstätte<br />

dient dem Training sozialer Kompetenzen mit dem Ziel, die Teilhabe und<br />

Wiedereingliederung ins soziale Leben der Gemeinde zu ermöglichen.<br />

18 Datenquelle: Jahresbericht 2008 SPDI Diakonisches Werk im NOK<br />

Freiwillige Dokumentation der Sozialpsychiatrischen Dienste in Baden Württemberg<br />

26


Die Tagesstätte ist Bestandteil der wohnortnahen Versorgung psychisch kranker<br />

Menschen. Sie ist eine wichtige Säule im Gemeindepsychiatrischen Verbund (GPV)<br />

und vervollständigt die vor Ort vorhandenen Versorgungsstrukturen. Das Angebot<br />

der Tagesstätte ist offen. Es besteht keine Verbindlichkeit an den Angeboten<br />

teilzunehmen. Die Nutzung der Tagesstätten hängt, insbesondere in einem<br />

Flächenlandkreis wie dem <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>, auch von einer guten<br />

Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln ab.<br />

Das Angebot richtet sich an nicht nur vorübergehend wesentlich psychisch<br />

erkrankte Menschen. Diese sind auf Grund ihres eingeschränkten Leistungsvermögens<br />

oftmals nicht in der Lage, einer Beschäftigung auf dem allgemeinen<br />

Arbeitsmarkt oder in einer Werkstatt für behinderte Menschen nachzugehen.<br />

Tagesstättenbesucher können insbesondere Klienten des SpDi, des BWB und<br />

BWF, allein oder bei Angehörigen lebende psychisch kranke Personen oder aber<br />

auch Personen sein, die eine Nachsorge nach einer stationären Behandlung<br />

brauchen. Für all diese Menschen kann ein tagesstrukturierendes Angebot zur<br />

Alltagsbewältigung erforderlich sein.<br />

Die Angebote der Tagesstätte sind primär nicht für suchtkranke und geistig<br />

behinderte Menschen vorgesehen.<br />

Ziel<br />

Die Tagesstätte soll die Betroffenen unterstützen, um mit den Anforderungen eines<br />

selbständigen Lebens in der Gesellschaft zurecht zu kommen. Weitere<br />

Förderaspekte sind das Herstellen und die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte,<br />

Eingliederung in das soziale Umfeld und das Training von lebenspraktischen<br />

Kompetenzen. Mit Hilfe von Kontakt- und gemeinsamen Freizeitangeboten soll der<br />

sozialen Isolation entgegengetreten werden. Der Klient soll zu möglichst großer<br />

Selbständigkeit bei der Bewältigung der täglichen Anforderungen befähigt werden.<br />

Anbieter<br />

Die nachfolgenden Anbieter haben sich zu einem Trägerverbund zusammengeschlossen.<br />

Der Verbund betreibt gemeinsam eine Tagesstätte für psychisch<br />

Kranke im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> an 4 Standorten. Grundlage der Kooperation ist<br />

eine gemeinsam erstellte Konzeption. Jeder Träger bietet verschiedene Angebote<br />

an. Die Beratungs-, Betreuungs- und Freizeitangebote sind aufeinander<br />

abgestimmt.<br />

a) Diakonisches Werk im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> (Diakonie)<br />

Das Diakonische Werk unterhält zwei Tagesstätten – eine in Mosbach mit<br />

Raum für ca. 30 Personen und eine in Buchen mit einem Raum für ca. 20<br />

Personen. Beide Tagesstätten haben auf einander abgestimmte Öffnungszeiten<br />

und werden von ca. 60 Personen wöchentlich genutzt. Das Diakonische Werk<br />

bietet folgende Aktivitäten an<br />

- Kontaktgruppe<br />

- gemeinsames Kochen und Mittagessen,<br />

- Arbeitstreff „Mach Mit“ in Kooperation mit der ISO,<br />

- Offener Treff,<br />

- Club- und Aktivierungstreffs,<br />

- Angehörigengruppe,<br />

- Tagesausflüge,<br />

- Reisefreizeiten sowie<br />

- Regelmäßige Angebote des Selbsthilfevereins „Biotop e.V.“.<br />

27


) AWO <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong> gGmbH<br />

Die Tagesstätte in Mosbach wird regelmäßig von ca. 30 Personen genutzt. Der<br />

Großteil der Besucher befindet sich gleichzeitig in einem Betreuten<br />

Wohnangebot (BWB und BWF) der AWO. Dies ermöglicht eine hohe<br />

Betreuungsdichte der BWB- und BWF-Klienten.<br />

Auch für externe Nutzer steht die Tagesstätte offen. Angeboten werden z.B.<br />

- Frühstückstreffs,<br />

- Brunch,<br />

- Kaffeetreff („BEUP-Café“)<br />

- Einkaufs- und Kochtreff,<br />

- Spieletreff,<br />

- Werk- und Computergruppe,<br />

- Kreativtreff sowie<br />

- „Dienstags-Treff“.<br />

Außerdem ist es möglich, dass die Tagesstättenbesucher den Mittagstisch<br />

nutzen.<br />

c) Industrie Service <strong>Odenwald</strong> gGmbH (ISO)<br />

Die ISO ist eine Integrationsfirma und bietet neben sozialversicherungspflichtigen<br />

Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte vor allem Zuverdienstmöglichkeiten<br />

im Bereich Arbeitstraining und Beschäftigung für psychisch Kranke<br />

an.<br />

Folgende Beschäftigungsmöglichkeiten werden angeboten:<br />

- einfaches, offenes niederschwelliges Beschäftigungsangebot „Mach Mit“ in<br />

den Räumen der ISO in Mosbach. In Buchen findet das Angebot dezentral<br />

in den Gruppenräumen der Tagesstätten des Diakonischen Werkes statt.<br />

- Arbeitstraining: Hier steht die Heranführung an Arbeit und<br />

Leistungsfähigkeit, aber auch die Tagestruktur durch Arbeit im Vordergrund.<br />

Wenig verbindlicher Charakter – geringe Leistungserwartung.<br />

- Zuverdienstbereich: Die ca. 45 Arbeitsgelegenheiten sind niederschwellig<br />

und dienen der Tagesstruktur und dem Training von sozialen- und<br />

arbeitsrelevanten Fähigkeiten. Hier gelten feste Absprachen über<br />

verbindliche Arbeitszeiten und Entlohnung. Die Arbeit,<br />

Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit und Konzentrationsfähigkeit stehen<br />

im Vordergrund. Es wird auf weiterführende Maßnahmen oder einen<br />

sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplatz vorbereitet.<br />

Finanzierungsanteil<br />

Die Tagesstättenangebote sind ohne Bedarfsprüfung offen zugänglich und für die<br />

Nutzer in der Regel kostenfrei. Sie werden vom <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> pauschal<br />

mit einem Betrag von jährlich 83.000 € gefördert. Der Förderbetrag wird auf der<br />

Grundlage eines Kooperationsvertrages unter den drei Trägern aufgeteilt.<br />

2.1.3. Beratungsangebote<br />

Manchmal ist ein beratendes Gespräch hilfreich. Hierfür gibt es im <strong>Neckar</strong>-<br />

<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> neben dem bereits erwähnten SpDi einige Beratungsstellen für<br />

seelisch behinderte oder psychisch kranke Menschen.<br />

Anbieter<br />

a) Arbeitskreis Gerontopsychiatrie <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

Information, Beratung und Unterstützung Demenzerkrankter und deren<br />

Angehörigen<br />

28


) Arbeiterwohlfahrt <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong> gGmbH<br />

c) Caritasverband für den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> e.V.<br />

d) Deutsches Rotes Kreuz<br />

e) Diakonisches Werk der evangelische Kirchenbezirke im <strong>Neckar</strong>-<br />

<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

f) Altenhilfefachberatung sowie Behindertenbeauftragter<br />

g) Betreuungsbehörde<br />

h) Betreuungsverein <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> e.V.<br />

i) Beratungsstelle für Menschen mit Behinderungen und ihre Familien<br />

Information über Betreuungs- und Unterstützungsangebote sowie<br />

Hilfeleistungen für behinderte Menschen und ihre Familien<br />

Finanzierung<br />

Die Nutzung der Beratungsstellen ist in der Regel kostenlos. Die Beratungsstellen<br />

werden institutionell bzw. durch ihre Träger finanziert.<br />

2.1.4. Selbsthilfegruppen und Clubangebote<br />

Für psychisch kranke Menschen und auch für deren Angehörige ist es wichtig,<br />

mehr über ihre Erkrankung zu erfahren. Auch der Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten<br />

und anderen Betroffenen ist hilfreich. Hierfür gibt es eine Reihe von<br />

Selbsthilfegruppen<br />

• Angehörigengruppe – Gesprächsgruppe<br />

beim Sozialpsychiatrischen Dienst <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

Mitglied im Landesverband der Angehörigen psychisch Kranker e.V.<br />

• Club „Lumpenglöckle“ für ältere Menschen<br />

des Diakonischen Werkes der evangelischen Kirchenbezirke im <strong>Neckar</strong>-<br />

<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

• Biotop e.V.<br />

• Psychosomatische Selbsthilfegruppe „Rosinante“<br />

• „Das Boot“ e.V.<br />

Bewertung / Handlungsempfehlung:<br />

Mit dem SpDi und der Tagesstätte gibt es zwei wichtige Bausteine zur ambulanten<br />

Versorgung von Menschen mit psychischer Erkrankung und seelischer Behinderung.<br />

Der SpDi wurde im Jahr 2008 personell erheblich aufgestockt und hat dadurch wieder mehr<br />

Handlungsspielraum, um die wohnortnahe Versorgung zu gewährleisten. Diese zentrale<br />

Rolle als erste Anlauf- und Koordinierungsstelle wird dadurch unterstrichen, dass der SpDi<br />

bei Bedarf in das Gesamtplanverfahren der Eingliederungshilfe eingebunden wird.<br />

In der täglichen Arbeit des SpDi ist festzustellen, dass die Klienten immer älter werden. Dies<br />

ist damit zu erklären, dass viele betreute Personen langfristig auf die Betreuung des SpDi<br />

angewiesen sind und sich damit der Altersschnitt insgesamt nach oben bewegt. Jüngere<br />

Klienten scheinen eher weniger den Zugang zum SpDi zu finden.<br />

Nach Einschätzung des SpDi ist daher davon auszugehen, dass zunehmend<br />

Fachkenntnisse des Dienstes in der Beratung von Menschen im höheren Lebensalter<br />

abgerufen werden. Für die Zielgruppe der demenziell erkrankten Personen ist eine eigene<br />

Versorgungsstruktur bereits erkennbar, nicht jedoch für Personen, die an Depressionen,<br />

bipolaren Störungen, Psychosen oder Persönlichkeitsstörungen leiden.<br />

29


Für diese Gruppe der psychisch erkrankten älteren Personen sind angesichts der<br />

demografischen Entwicklung zusätzlich Beratungs- und Betreuungskapazitäten zu<br />

entwickeln.<br />

Die Tagesstätte in der bisherigen Konzeption wird derzeit anhand der aktuellen Bedarfslage<br />

überprüft und neu verhandelt.<br />

2.2. Arbeits- und Tagesstruktur<br />

Die Tages – und Arbeitsstruktur ist für einen psychisch beeinträchtigten Menschen<br />

ein wichtiger Punkt. Gerade bei diesen Personen ist von großer Bedeutung, dass<br />

der Tag strukturiert ist und der Betroffene die Motivation hat, morgens aufzustehen<br />

und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.<br />

Oberstes Ziel ist, den Betroffenen in die Gesellschaft zu integrieren. Bei den<br />

nachfolgend genannten Angeboten im Bereich der Arbeits- und Tagesstruktur<br />

werden die Kompetenzen und Fähigkeiten, die im Arbeitsalltag von Nöten sind, neu<br />

erlernt, trainiert und verbessert. Der psychisch beeinträchtigte Mensch soll wieder<br />

an den Arbeitsalltag herangeführt und in Prozesse integriert werden.<br />

2.2.1. Arbeitsmarktsituation<br />

Allgemeine Arbeitsmarktsituation<br />

Der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> ist ein ländlicher und strukturschwacher <strong>Kreis</strong>. Die<br />

Arbeitslosenquote liegt mit 4,9% (Stand 31.12.09) geringfügig unter dem<br />

Landesdurchschnitt von 5,1%. Sie ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich<br />

angestiegen. Der Arbeitsmarkt im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> ist durch kleine und<br />

mittelständische Unternehmen geprägt. Diese suchen tendenziell eher gut<br />

ausgebildete Mitarbeiter und Fachkräfte. Im Vergleich zu anderen Landkreisen ist<br />

die Arbeitsplatzdichte sehr gering. Viele der Beschäftigten haben ihren Arbeitsplatz<br />

außerhalb des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es und pendeln täglich.<br />

Situation für psychisch beeinträchtigte und seelisch behinderte Menschen<br />

Unter den genannten Bedingungen ist es für Personen mit psychischen<br />

Beeinträchtigungen im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> besonders schwierig, beschäftigt zu<br />

werden. Diesen Menschen fehlen oft die von Arbeitgebern geforderten<br />

Schlüsselqualifikationen wie z.B. Ausdauer, Eigeninitiative, Motivation und<br />

Pünktlichkeit.<br />

Die Betroffenen werden häufig aus dem gesellschaftlichen Leben – auch im Bereich<br />

„Arbeit“ ausgegrenzt. Oftmals hat man kein Verständnis für ihr Verhalten und für<br />

ihre geringe Belastbarkeit. Krisen, Leistungsschwankungen, soziale<br />

Schwierigkeiten und auch Einschränkungen auf Grund von<br />

Medikamenteneinnahme sind an der Tagesordnung und müssen berücksichtigt<br />

werden. Dabei ist gerade ein strukturierter Arbeitsalltag für diesen Personenkreis<br />

besonders wichtig und dient nicht nur dem „Geldverdienen“, sondern auch der<br />

Reintegration in das Arbeitsleben.<br />

Durch Arbeit wird dem psychisch beeinträchtigten Menschen Anerkennung und<br />

Wertschätzung entgegengebracht. Natürlich braucht dieser Personenkreis ein<br />

Umfeld, das auf seine besondere Situation eingestellt ist und damit umzugehen<br />

weiß.<br />

30


Kosten-<br />

träger:<br />

Die nachfolgend aufgeführten Angebote sollen dem Betroffenen Möglichkeiten<br />

bieten, seinen Tag sinnvoll zu gestalten bzw. an einer Arbeitsmaßnahme<br />

teilnehmen zu können.<br />

Allgemeiner Arbeitsmarkt<br />

Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen<br />

Qualifizierung<br />

Ausgelagerte<br />

Arbeitsgruppe /<br />

Einzelarbeitsplatz<br />

Rehabilitationsträger / Integrationsamt<br />

Eingliederungshilfe und Integrationsamt<br />

Integrationsprojekt<br />

(Unternehmen)<br />

regulärer Bereich<br />

Reha-Bereich<br />

ausgelagerte<br />

Arbeitsplätze<br />

Produktionsbereich<br />

Abbildung 5: Drei Säulen des Arbeitsmarktes für Menschen mit Behinderungen 19<br />

Werkstatt für behinderte<br />

Menschen<br />

Berufsbildungsbereich<br />

2.2.2. Angebote nach dem Sozialgesetzbuch (SGB III) - Arbeitsförderung<br />

Um Arbeitslose wieder in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren, gelten die<br />

Bestimmungen des SGB III. Hierbei gibt es eine Reihe von Maßnahmen und<br />

Instrumenten, die für alle Arbeitslosen zur Verfügung stehen.<br />

Die dort genannten Maßnahmen können auch von psychisch beeinträchtigten bzw.<br />

seelisch behinderten Klienten in Anspruch genommen werden.<br />

Zusätzlich zu diesen allgemeinen Förderleistungen gibt es die spezielle Förderung<br />

der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben (§§ 100 ff SGB III). Durch<br />

diese Unterstützungsmöglichkeiten soll die Erwerbsfähigkeit des behinderten<br />

Menschen erhalten, verbessert, hergestellt bzw. wieder hergestellt und die Teilhabe<br />

am Arbeitsleben gesichert werden.<br />

19 Quelle: KVJS – Service Behindertenhilfe, Handlungsempfehlungen im Rahmen der gemeinsamen Grundlagen zur Förderung<br />

von Übergängen wesentlich behinderter Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt<br />

31


Allgemeine Leistungen zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am<br />

Arbeitsleben<br />

Zu den allgemeinen Leistungen gehört z.B.<br />

a) Vermittlungsunterstützende Leistungen (§ 100 SGB III)<br />

b) Vermittlungsunterstützende Leistungen bei der Aufnahme einer Beschäftigung.<br />

Hierzu gehören z.B. die Mobilitätshilfen oder auch die Zahlung von<br />

Lohnkostensubventionen an einen Arbeitgeber. Eine Mobilitätshilfe kann bei<br />

Aufnahme einer Beschäftigung auch dann erbracht werden, wenn der<br />

behinderte Mensch nicht arbeitslos ist und durch die Mobilitätshilfe eine<br />

dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben erreichen kann (§ 101 SGB III).<br />

c) Die Förderung zur Berufsausbildung. Dies kann z.B. durch die Gewährung einer<br />

Berufsausbildungsbeihilfe erfolgen (§ 100 SGB III).<br />

2.2.3. Angebote nach dem Sozialgesetzbuch (SGB II) – Grundsicherung für<br />

Arbeitssuchende<br />

Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II erhält<br />

derjenige, der seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den<br />

Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht<br />

oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht<br />

1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,<br />

2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen<br />

sichern kann (erwerbsfähige Hilfebedürftige).<br />

Das SGB II – Grundsicherung für Arbeitssuchende - gewährt auch Leistungen zur<br />

Integration erwerbsfähiger Hilfebedürftiger in den Arbeitsmarkt. Darunter fallen auch<br />

erwerbsfähige, behinderte bzw. psychisch beeinträchtigte Klienten. Hinsichtlich der<br />

Art der Hilfeleistungen verweist das SGB II überwiegend auf die Regelungen des<br />

SGB III – Arbeitsförderung (siehe 2.2.2).<br />

Darüber hinaus stehen für Arbeitslosengeld II-Empfänger spezielle Leistungen zur<br />

Integration in den Arbeitsmarkt nach dem SGB II zur Verfügung. Dazu zählen<br />

insbesondere<br />

Arbeitsgelegenheiten (§ 16d SGB II)<br />

Zur Reintegration psychisch beeinträchtigter Menschen können Arbeitsgelegenheiten<br />

geschaffen werden. Es handelt sich dabei nicht um eine<br />

versicherungspflichtige Beschäftigung. Es wird kein Arbeitsverhältnis im Sinne des<br />

Arbeitsrechts begründet. Der Teilnehmer erhält eine Mehraufwandsentschädigung<br />

von 1,50 € pro geleisteter Arbeitsstunde. Die Beschäftigungszeit bei einer<br />

Arbeitsgelegenheit darf 100 Stunden im Monat nicht übersteigen. Die<br />

Mehraufwandsentschädigung ist an den Teilnehmer als „Lohn“ weiterzugeben.<br />

Daneben erhält der Beschäftigte weiterhin Arbeitslosengeld II.<br />

Leistungen zur Beschäftigungsförderung (§ 16e SGB II)<br />

Arbeitgeber können zur Eingliederung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit<br />

Vermittlungshemmnissen in Arbeit einen Beschäftigungszuschuss als Ausgleich der<br />

zu erwartenden Minderleistung des Arbeitnehmers erhalten.<br />

Voraussetzung für diese Leistung ist u.a., dass mehrere Vermittlungshemmnisse<br />

und eine Langzeitarbeitslosigkeit beim Betroffenen vorliegen.<br />

32


2.2.4. Angebote nach dem Sozialgesetzbuch (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe<br />

behinderter Menschen und dem Sozialgesetzbuch (SGB II) – Sozialhilfe<br />

Fachausschuss<br />

Planung / Beratung =><br />

Fachausschussempfehlung<br />

Hinzuziehung des IFD<br />

Information an den Sozialhilfeträger<br />

Agentur für Arbeit / ggf. sonstiger Reha- Träger<br />

- Berufs-/ Rehaberatung / Planung und Durchführung vorrangiger<br />

Leistungen unter Beteiligung des IFD und frühzeitige Information,<br />

- Beteiligung des Sozialhilfeträgers als möglichen nachfolgenden<br />

Kostenträger<br />

Allgemeiner Arbeitsmarkt<br />

inc. Integrationsprojekt<br />

weitere Begleitung durch IFD,<br />

solange notwendig<br />

regelmäßiger Infoaustausch<br />

aller Beteiligten<br />

Beteiligung<br />

IFD<br />

Abbildung 6: Fachausschussverfahren nach SGB IX 20<br />

WfbM (Eingangs-/Berufsbildungsbereich)<br />

- Erstellung Eingliederungsplan<br />

- Interne Vorbereitung (z.B. Mobilitätstraining<br />

und Training der zeitlichen und psychischen<br />

Arbeitsbelastung)<br />

- Betriebliche Erprobung (z.B. Praktikum)<br />

Vorabinformation an Sozialhilfeträger<br />

Bei Scheitern<br />

Rückkehroption<br />

Arbeitsbereich WfbM<br />

- Ggf. weitere Qualifizierung für<br />

allgemeinen Arbeitsmarkt<br />

- Ggf. befristeter Außenarbeitsplatz<br />

zur Qualifizierung<br />

Frühzeitige Beteiligung des IFD<br />

20 Quelle: Grafik des KVJS – Service Behindertenhilfe, Handlungsempfehlungen im Rahmen der gemeinsamen Grundlagen zur<br />

Förderung von Übergängen wesentlich behinderter Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt<br />

33


2.2.4.1. Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfbM):<br />

Definition<br />

Werkstätten für behinderte Menschen sind Einrichtungen zur Teilhabe und zur<br />

Eingliederung von Menschen mit Behinderungen am bzw. in das Arbeitsleben. Sie<br />

bieten den Betroffenen einen Arbeitsplatz und die Gelegenheit zur Ausübung einer<br />

ihren Eignungen und Neigungen entsprechenden Tätigkeit.<br />

Die Tätigkeit in einer WfbM ist für psychisch beeinträchtigte und seelisch behinderte<br />

Menschen gedacht, die auf Grund psychischer Beeinträchtigung nicht, noch nicht<br />

oder noch nicht wieder in der Lage sind, einer Beschäftigung auf dem allgemeinen<br />

Arbeitsmarkt nachzugehen.<br />

Beschäftigte einer WfbM haben einen arbeitnehmerähnlichen Status. Sie erhalten<br />

im Arbeitsbereich ein Arbeitsentgelt und zusätzlich ein Arbeitsförderungsgeld.<br />

Außerdem übernimmt der Leistungsträger die Beiträge zur Sozialversicherung für<br />

den behinderten Menschen. Somit kann dieser sich durch seine eigene Tätigkeit<br />

selbst einen Rentenanspruch erwerben.<br />

Ein Werkstattbeschäftigter kann sowohl in betreuten Wohnformen als auch<br />

selbständig im privaten bzw. familiären Umfeld wohnen.<br />

Voraussetzungen<br />

Um in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten zu können, muss der<br />

Betroffene ein Mindestmaß an „wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung“<br />

erbringen können. Soll ein Mensch mit Behinderung in einer Werkstatt<br />

aufgenommen werden oder steht ein Wechsel von einem Bereich in den anderen<br />

bevor, wird der Fachausschuss beteiligt. Der Fachausschuss, der aus Vertretern<br />

der Werkstatt, des Sozialhilfeträgers und der Bundesagentur für Arbeit oder<br />

gegebenenfalls des Rentenversicherungsträgers besteht, gibt eine Stellungnahme<br />

zur geplanten Maßnahme ab.<br />

Ziel<br />

Durch die Beschäftigung in einer WfbM soll der seelisch behinderte Mensch<br />

entsprechend seiner Möglichkeiten gefördert werden. Er soll ins Arbeitsleben<br />

eingegliedert und somit auch in das soziale Leben integriert werden. Der psychisch<br />

Beeinträchtigte erhält die Möglichkeit, seine Leistungs- und/oder Erwerbsfähigkeit<br />

zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei seine<br />

Persönlichkeit weiterzuentwickeln.<br />

Ziel ist, dass er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt integriert werden kann. Ist dieses<br />

Ziel nicht zu erreichen, so soll dem Betroffenen zumindest eine angemessene<br />

Beschäftigung geboten werden.<br />

Eine WfbM hat nachstehende Teilbereiche:<br />

• Eingangsverfahren (§ 40 SGB IX)<br />

Das Eingangsverfahren dient der Feststellung, ob die Werkstatt die geeignete<br />

Einrichtung für die Teilhabe des Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen<br />

am Arbeitsleben ist sowie zur Ermittlung, welche Bereiche der Werkstatt und<br />

welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Betracht kommen. Das<br />

Eingangsverfahren dauert in der Regel 3 Monate, während dieser Zeit wird ein<br />

Eingliederungsplan erstellt.<br />

• Berufsbildungsbereich (§ 40 SGB IX)<br />

Im Berufsbildungsbereich soll der Mensch mit Behinderung in seiner<br />

Leistungsfähigkeit und Persönlichkeitsentwicklung soweit gefördert werden,<br />

34


dass eine geeignete Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder im<br />

Arbeitsbereich der WfbM möglich ist. Die Kosten werden in der Regel von der<br />

Bundesagentur für Arbeit übernommen. Die Förderung im<br />

Berufsbildungsbereich dauert längstens 2 Jahre.<br />

Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben kommen nur nachrangig in<br />

Betracht. Das heißt, die Hilfemöglichkeiten der Agentur für Arbeit, des<br />

Integrationsamtes, der ARGE oder anderer Rehabilitationsträger sind immer<br />

vorrangig in Anspruch zu nehmen. Sind die Leistungen der anderen<br />

Rehabilitationsträger nicht mehr ausreichend oder sind sie ausgeschöpft, so<br />

kann der chronisch psychisch beeinträchtigte Mensch im Arbeitsbereich tätig<br />

sein.<br />

• Arbeitsbereich<br />

Die Werkstatt für Menschen mit Behinderungen verfügt im Arbeitsbereich über<br />

ein breites Spektrum an Arbeitsplatzangeboten, um den unterschiedlichen<br />

Voraussetzungen dieser Personen, wie Leistungsfähigkeit, Entwicklungsmöglichkeit,<br />

Eignung und Neigung Rechnung tragen zu können. Der<br />

Beschäftigte im Arbeitsbereich muss in der Lage sein, ein „Mindestmaß an<br />

wirtschaftlich verwertbarer Arbeit“ erbringen zu können.<br />

Aufgabe der WfbM ist unter anderem, den Übergang geeigneter Personen auf<br />

den allgemeinen Arbeitsmarkt zu fördern. Die Beschäftigung muss nicht<br />

zwingend in der Werkstatt selbst stattfinden. Um Erfahrungen auf dem<br />

allgemeinen Arbeitsmarkt zu sammeln oder um auf eine Tätigkeit auf dem<br />

allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten, kann der Beschäftigte auf<br />

ausgelagerten Arbeitsplätzen eingesetzt werden.<br />

Die Beschäftigung im Arbeitsbereich dauert so lange an, wie die<br />

Voraussetzungen hierfür vorliegen. Grundsätzlich endet die Beschäftigung –<br />

wie auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt – spätestens mit Erreichen des<br />

Rentenalters.<br />

Anbieter und Fallzahlen<br />

Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> gibt es nur einen Träger, der Arbeit in einer WfbM<br />

speziell für psychisch beeinträchtigte und seelisch behinderte Menschen anbietet:<br />

• <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-Werkstätten der Johannes-Anstalten Mosbach (NOW)<br />

Die <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-Werkstätten verfügen über 40 anerkannte Plätze für<br />

Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, die den Bedarf bei weitem nicht<br />

decken und deshalb stark überbelegt sind (Stand 31.12.2008: 60 Personen).<br />

Die NOW hat Beschäftigungsangebote im Bereich Montage-, Sortier- und<br />

Verpackungsarbeiten, Arbeiten mit Maschinen, Textilarbeiten, Arbeiten im<br />

hauswirtschaftlichen Bereich und im Dienstleistungssektor, Arbeiten in der<br />

Landschaftspflege sowie Fertigung von Kreativ- und Eigenprodukten. Im<br />

Arbeitsbereich befinden sich 30 Personen, für die der Landkreis zuständiger<br />

Kostenträger ist.<br />

• Andere Anbieter außerhalb des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es<br />

Einige psychisch beeinträchtigte Personen besuchen außerhalb des<br />

Landkreises eine Werkstatt, weil sie dort eine für sie geeignete Wohnform<br />

gefunden haben. Es arbeiten 7 Menschen mit einer seelischen Behinderung in<br />

einer Werkstatt außerhalb des <strong>Kreis</strong>es. Von diesen leben 4 im Ambulant<br />

Betreuten Wohnen und 3 in einer stationären Einrichtung.<br />

35


Finanzierung<br />

Die Beschäftigung in einer WfbM wird je nach Bereich von unterschiedlichen<br />

Kostenträgern finanziert. Für den Arbeitsbereich ist in der Regel der<br />

Sozialhilfeträger zuständiger Kostenträger. Die Kosten werden in Höhe der<br />

verhandelten Vergütungssätze unabhängig von Einkommen und Vermögen des<br />

Werkstattbeschäftigten als Eingliederungshilfeleistung übernommen. Hierzu<br />

gehören auch die Fahrtkosten zur Werkstatt sowie Sozialversicherungsbeiträge.<br />

2.2.4.2. Tagesstrukturierung und Förderung für psychisch erkrankte und seelisch<br />

behinderte Menschen<br />

Alternativ zu einer Beschäftigung in einer Werkstatt für Menschen mit<br />

Behinderungen oder anderen beschäftigungsfördernden oder berufsbildenden<br />

Angeboten gibt es innerhalb einer stationären Einrichtung auch eine Tagesstruktur<br />

und Förderung für psychisch behinderte Menschen (Leistungstyp I.4.5 b).<br />

Definition<br />

Diese Tagesstruktur kommt in der Regel nur in Verbindung mit einer vollstationären<br />

Wohnform für psychisch erkrankte Menschen in Betracht. Es ist ein Angebot zur<br />

Förderung durch psychosoziale Hilfen und tagesstrukturierende Maßnahmen,<br />

Anregung und Begleitung, hauswirtschaftliche Versorgung, Pflege bzw. die<br />

Erschließung dieser Angebote.<br />

Im Einzelfall kann die Tagesstruktur auch als Übergangszeitraum nach einer<br />

stationären Maßnahme als Ergänzung eines BWB- oder BWF-Angebotes benötigt<br />

werden.<br />

Ziel<br />

Mit Hilfe dieser Leistung wird der Tagesablauf innerhalb der Einrichtung strukturiert.<br />

Psychische Krisensituationen sollen bewältigt werden. Eine weitere<br />

Verschlechterung des Gesundheitszustandes (Dekompensation) soll durch<br />

Maßnahmen<br />

- zur Tagesstrukturierung,<br />

- zur Förderung individueller Lebenszufriedenheit,<br />

- zur Entwicklung der Persönlichkeit,<br />

- zum Erhalt von Fähigkeiten und Fertigkeiten,<br />

- zur Förderung der Kompetenzen mit dem Ziel der Beschäftigung in einer WfbM<br />

bzw. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und<br />

- zum Ertragen von subjektiv erlebten Kränkungen<br />

im Rahmen der Tagesbetreuung verhindert werden.<br />

Anbieter und Fallzahlen<br />

Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> gibt es einen Träger, der die Tagesstruktur für<br />

psychisch Erkrankte und seelisch Behinderte anbietet:<br />

• AWO <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong> gGmbH<br />

Die AWO versorgt 32 Personen im stationären Wohnen mit dem<br />

tagesstrukturierenden Angebot. Davon sind 22 Personen aus dem <strong>Neckar</strong>-<br />

<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>. Weitere Personen, die außerhalb des stationären<br />

Wohnangebotes leben, nehmen dieses Angebot nicht in Anspruch.<br />

36


• Andere Anbieter außerhalb des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

Außerhalb des Landkreises werden insgesamt 31 Personen, die einer<br />

vollstationären Wohnform bedürfen, durch 13 Anbieter im Rahmen der<br />

Tagesstruktur Leistungstyp I. 4.5. b betreut.<br />

Finanzierung<br />

Die Kosten für die Tagesstruktur werden als Leistung der Eingliederungshilfe nach<br />

§§ 53 und 54 SGB XII vom Sozialhilfeträger bezahlt. Für ihre Betreuungsarbeit<br />

erhalten die Träger die mit den zuständigen Landkreisen und überörtlichen<br />

Sozialhilfeträgern ausgehandelten Vergütungssätze.<br />

2.2.5. Integrationsprojekte<br />

Ergänzend zu den bereits genannten Angeboten nach SGB II, III, IX und XII gibt es<br />

für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen auch die Möglichkeit in<br />

Integrationsprojekten zu arbeiten.<br />

2.2.5.1. Integrationsprojekte<br />

Definition<br />

Es gibt verschiedene Arten von Integrationsprojekten. Ein Integrationsprojekt kann<br />

- ein rechtlich und wirtschaftlich selbständiges Unternehmen (Integrationsunternehmen)<br />

oder<br />

- ein unternehmensinterner Integrationsbetrieb oder aber<br />

- eine Integrationsabteilung sein.<br />

In Integrationsunternehmen werden mindestens 25% und höchstens 50%<br />

schwerbehinderte Menschen beschäftigt. Um in einer Integrationsfirma tätig sein zu<br />

können, muss der psychisch beeinträchtigte Mensch mindestens 6 Arbeitsstunden<br />

am Tag leistungsfähig sein.<br />

Eine derartige Beschäftigung ist für Personen gedacht, deren Eingliederung in<br />

sonstigen Unternehmen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Grund der Art und<br />

Schwere ihrer seelischen Beeinträchtigung und Ausschöpfung aller<br />

Fördermöglichkeiten erschwert ist. Im Vordergrund steht dabei der<br />

Aufgabenbereich Beschäftigung und arbeitsbegleitende Betreuung.<br />

Ziel<br />

Die Beschäftigung in einem Integrationsunternehmen soll dem psychisch<br />

Beeinträchtigten dabei helfen, wieder „fit“ für den allgemeinen Arbeitsmarkt zu<br />

werden. Dies soll durch arbeitsbegleitende Betreuung, berufliche Weiterbildung und<br />

der Teilnahmemöglichkeit an außerbetrieblichen Training- und Bildungsmaßnahmen<br />

erreicht werden. Ein strukturierter Arbeitsalltag soll der Reintegration<br />

in den Arbeitsprozess dienen.<br />

Anbieter und Fallzahlen<br />

• Industrie Service <strong>Odenwald</strong> gGmbH (ISO)<br />

Die ISO ist bisher die einzige Integrationsfirma im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>. Sie<br />

bietet sozialversicherungspflichtige Voll- und Teilzeitarbeitsplätze für<br />

schwerbehinderte insbesondere für psychisch beeinträchtigte Menschen an. Die<br />

ISO beschäftigte Ende 2008 10 schwerbehinderte Menschen dauerhaft.<br />

Sie hat sich auf Montage-, Sortier- und Verpackungsarbeiten sowie auf Arbeiten<br />

im Bereich Kabelkonfektion spezialisiert.<br />

37


Finanzierung<br />

Ein Integrationsunternehmen kann hinsichtlich des Aufbaus, der Erweiterung, der<br />

Modernisierung, der Ausstattung und der betriebswirtschaftlichen Beratung von<br />

Seiten des Integrationsamtes aus Mitteln der Ausgleichsabgabe gefördert werden.<br />

Die Kosten des laufenden Betriebes sowie die Personalkosten hat die Firma selbst<br />

zu tragen bzw. zu erwirtschaften. Jedoch wird der „besondere Aufwand“, der durch<br />

die Beschäftigung einer Vielzahl von schwerbehinderten Menschen entsteht und die<br />

Wettbewerbsfähigkeit teilweise beeinträchtigt, vom Integrationsamt mit einer<br />

monatlichen Pauschale abgegolten.<br />

Personen<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

45<br />

Zuverdienstbereich<br />

(ISO)<br />

Beschäftigungsformen<br />

10<br />

Integrationsbereich<br />

(ISO)<br />

24<br />

Berufsbildungsbereich<br />

(NOW)<br />

36<br />

Arbeitsbereich<br />

39 % 9 % 21 %<br />

(NOW )<br />

31 % n=115<br />

Abbildung 7: Anzahl der Personen in den entsprechenden Bereichen der NOW und der ISO 21<br />

2.2.5.2. Zuverdienstbereich<br />

Definition<br />

Zuverdienst ist eine Form der Teilhabe am Arbeitsleben. Als niederschwelliges<br />

Angebot bietet der Zuverdienst auch psychisch beeinträchtigten Menschen, die auf<br />

Grund ihrer Erkrankung nur eingeschränkt arbeits- und leistungsfähig sind,<br />

stundenweise Beschäftigung. Der Zuverdienst hat eine wichtige Funktion im<br />

Rahmen der sozialpsychiatrischen Versorgung. Er ermöglicht soziale Teilhabe.<br />

Der Zuverdienst zeichnet sich durch folgende Rahmenbedingungen aus:<br />

- Flexibilität der Arbeitszeiten<br />

- Vereinbarungen von Tages- und Wochenarbeitszeiten in wenig bestimmten<br />

Absprachen und nach individuellen Bedürfnissen<br />

- Abgestufte Anforderungen an Arbeitsgeschwindigkeit und Arbeitsproduktivität<br />

- Keine zeitliche Beschränkung der Beschäftigungsdauer<br />

- Kein „REHA-Druck“ zur Erreichung vorgegebener Ziele.<br />

Personenkreis:<br />

- Seelisch behinderte Menschen im Sinne des § 53 SGB XII<br />

- Menschen, die aufgrund ihrer Beeinträchtigung/Behinderung dauerhaft<br />

erwerbsgemindert sind im Sinne des § 42 SGB XII<br />

- Menschen, die aufgrund ihrer Beeinträchtigung/Behinderung vorübergehend<br />

erwerbsgemindert sind im Sinne des § 11 Abs. 2 SGB XII.<br />

Die Arbeitsaufnahme erfolgt ohne umfangreiche Begutachtung, ohne Antragsverfahren<br />

und ohne bürokratischen Aufwand.<br />

21 Datenquelle: Erhebung bei den Leistungsanbietern (Stichtag 31.12.08)<br />

38


Ziel<br />

- Aufbau einer Tagesstruktur für Menschen, die nach gesetzlichen Standards<br />

nicht mehr oder noch nicht wieder arbeitsfähig sind<br />

- Gesundheitliche Stabilisierung durch eine Tagesstruktur<br />

- Soziale Teilhabe und Stabilisierung der Beschäftigten<br />

- Sanfte Heranführung an einen geregelten Arbeitsalltag<br />

- Abklärung der Leistungsfähigkeit und Training von arbeitsrelevanten Basisfähigkeiten<br />

- Heranführung an weiterführende Maßnahmen wie REHA; Ausbildung oder an<br />

sozialversicherte Arbeitsverhältnisse innerhalb einer Integrationsfirma oder auf<br />

dem freien Arbeitsmarkt<br />

- Übergang in eine WfbM.<br />

Positive Effekte:<br />

- Deutliche Verbesserung der Lebenssituation der Beschäftigten<br />

- Aufbesserung des Einkommens<br />

- Steigerung der Selbständigkeit, der Kontaktfähigkeit, der Ausdauer und des<br />

Antriebes<br />

- Gesundheitliche Stabilisierung.<br />

Anbieter<br />

Industrie Service <strong>Odenwald</strong> gGmbH (ISO)<br />

Die ISO gGmbH ist bisher der einzige Anbieter von Zuverdienstarbeitsplätzen im<br />

<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>. Die ISO hat sich spezialisiert auf Montage-, Sortier- und<br />

Verpackungsarbeiten sowie auf Arbeiten im Bereich Kabelkonfektion.<br />

Finanzierung<br />

Der Zuverdienstbereich wird bisher nur durch einen kleinen Anteil aus dem Budget<br />

der Tagesstätten-Finanzierung unterstützt.<br />

Die ARGE fördert bis zu 15 Arbeitsgelegenheiten (1 Euro-Jobs) mit einer kleinen<br />

Betreuungspauschale. Ansonsten muss sich der Zuverdienstbereich alleine<br />

finanzieren. Es gibt keinerlei rechtlich abgesicherte Fremdfinanzierung. Die<br />

unmittelbaren Kosten der Produktion und relevante Anteile der Entlohnung der<br />

Beschäftigten müssen aus eigener Leistung erwirtschaftet werden.<br />

34%<br />

ISO<br />

2% 5%<br />

44%<br />

15%<br />

Empfänger von Grusi<br />

Empfänger von HLU<br />

Rentner/-in<br />

ALG I oder II<br />

Übergangsgeld<br />

sonstiges Einkommen<br />

Abbildung 8: Einkommenssituation der ISO und NOW Beschäftigten 22<br />

22 Datenquelle: Erhebung bei den Leistungsanbietern (Stichtag 31.12.08)<br />

17%<br />

45%<br />

NOW<br />

39<br />

23%<br />

15%


2.2.6. Integrationsfachdienst (IFD) 23<br />

Definition und Aufgabe<br />

Der Integrationsfachdienst ist ein Dienst, der sowohl arbeitssuchende als auch<br />

bereits beschäftigte (schwer)behinderte Menschen wie auch deren Arbeitgeber<br />

berät und unterstützt.<br />

Er analysiert zusammen mit dem behinderten Menschen, wo seine Interessen und<br />

Fähigkeiten liegen und wie die Chancen für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen<br />

Arbeitsmarkt stehen.<br />

Er vermittelt Menschen mit Behinderungen, die trotz ihrer Behinderung<br />

leistungsfähig sind. Mit Hilfe von Praktika oder auch befristeten Arbeitsverträgen<br />

können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer kennen lernen und annähern. Der IFD<br />

bereitet bei Bedarf die Einarbeitungsphase vor und begleitet diese.<br />

Der IFD berät außerdem Arbeitgeber über mögliche Zuschüsse, wenn diese einen<br />

schwerbehinderten Menschen einstellen. Er ist bei der Beantragung von Leistungen<br />

behilflich.<br />

Auch bei der betrieblichen Integration von Menschen mit Behinderungen berät der<br />

IFD den Arbeitgeber. Die Behinderung eines Arbeitnehmers kann verschiedene<br />

Auswirkungen auf die Arbeitsleistung haben wie z.B. Probleme bei der Motivation,<br />

bei besonderer Belastung oder krankheitsbedingten Fehlzeiten. Hier steht der IFD<br />

als neutraler Berater bei allen Fragen zur Beschäftigung von Menschen mit<br />

Behinderungen zur Verfügung. Er ist Ansprechpartner für den behinderten<br />

Arbeitnehmer und den Arbeitgeber.<br />

Bewertung / Handlungsempfehlung:<br />

Arbeit und Tagesstruktur sind ganz entscheidende Faktoren, wenn es darum geht,<br />

Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen zu stabilisieren und Selbstbewusstsein zu<br />

geben.<br />

Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> ist das Angebot strukturell gesehen gut und breit gefächert.<br />

Leider werden die entsprechenden Angebote nahezu ausschließlich im Raum Mosbach<br />

vorgehalten. Trotz dieser örtlich eingeschränkten Verfügbarkeit bestehen sowohl in der<br />

NOW, als auch in der ISO erhebliche Wartelisten. Signifikant ist hierbei, dass es im <strong>Neckar</strong>-<br />

<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> nur halb so viele Leistungsempfänger in einer Werkstatt für Menschen mit<br />

seelischer Behinderung gibt als im Landesdurchschnitt. Dieses sich deutlich abzeichnende<br />

Kapazitätsproblem soll teilweise durch die Schaffung von weiteren 35 NOW-Plätzen am<br />

Standort Buchen entschärft werden. Hierdurch kann auch eine bessere Versorgung des<br />

nördlichen Landkreisteils erreicht werden.<br />

Weiterhin ist geplant, die Finanzierung des Zuverdienstbereiches durch eine<br />

Landkreisförderung zu unterstützen, um diese Beschäftigungsplätze dauerhaft zu erhalten.<br />

Daneben ist es wichtig, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten genügend Aufträge zu<br />

generieren. Hier bedarf es der Anstrengung aller gesellschaftlichen Gruppen, um<br />

niederschwellige Arbeitsangebote vorhalten zu können. Aufträge an Werkstätten und<br />

Integrationsbetriebe zu vergeben ist ein wichtiger Motor zur Förderung und Integration von<br />

Menschen mit Behinderung.<br />

Im Rahmen der beschriebenen Arbeitsangebote scheint sich eine Veränderung beim Klientel<br />

abzuzeichnen. Es gibt ein zunehmendes Problem mit Menschen, deren psychische<br />

Erkrankung im Wesentlichen drogen- und alkoholinduziert ist. Auch ein wachsender<br />

23 Quelle: IFD: Veröffentlichungen des Kommunalverband für Jugend und Soziales und des Integrationsamt<br />

40


Personenkreis mit herausforderndem und gewaltbereitem Verhalten ist mit den bisherigen<br />

Betreuungskonzepten kaum noch zu erreichen. Hier ist über neue Betreuungsformen<br />

nachzudenken.<br />

Im Bereich der geistig- und körperlich behinderten Menschen gibt es innerhalb des<br />

Werkstattsystems den Förder- und Betreuungsbereich (FUB), der für Menschen mit einem<br />

höheren Bedarf ein passgenaues Angebot darstellt. Eine vergleichbare Angebotsform ist für<br />

Menschen mit seelischer Behinderung bisher nicht vorhanden. Sollte sich die beschriebene<br />

Entwicklung fortsetzen, sind entsprechende Konzepte zu entwickeln.<br />

2.3. Wohnangebote<br />

Bei den Leistungen der Eingliederungshilfe nach SGB XII ist der gesetzliche Auftrag<br />

„ambulant vor stationär“ nach § 13 SGB XII zu beachten. Der behinderte Mensch<br />

und dessen Bedarf stehen im Vordergrund. Ziel ist, eine bedarfsgerechte Leistung<br />

anzubieten und stationäre Leistungen auf das notwendige Maß zu begrenzen. Das<br />

Wunsch und Wahlrecht des psychisch erkrankten Menschen ist zu berücksichtigen,<br />

soweit es verhältnismäßig ist. Auch unter der Maßgabe der Wirtschaftlichkeit ist<br />

dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ hohe Priorität einzuräumen.<br />

stationär<br />

49 %<br />

außerhalb<br />

37 Personen<br />

Nutzung der Wohnformen<br />

(Zuständigkeitsbereich <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>)<br />

AW O<br />

24 Personen<br />

AWO<br />

2 Personen<br />

SPHV<br />

2 Personen<br />

BWF<br />

4 %<br />

außerhalb<br />

(SPHV)<br />

1 Person<br />

außerhalb<br />

8 Personen<br />

Diakonie<br />

14 Personen<br />

BWB<br />

47 %<br />

AW O<br />

36 Personen<br />

n=124<br />

Abbildung 9: Nutzung der verschiedenen Wohnformen innerhalb und außerhalb des Landkreises 24<br />

2.3.1. Ambulant Betreutes Wohnen für psychisch kranke Menschen (BWB)<br />

Definition<br />

Das Betreute Wohnen ist die Verbindung einer selbständigen Lebensführung in<br />

privatem Wohnraum mit einer planmäßig organisierten regelmäßigen Beratung und<br />

persönlichen Betreuung durch Fachpersonal. Die Betreuung ist auf die individuellen<br />

Bedürfnisse des psychisch kranken Menschen ausgerichtet.<br />

Das Betreute Wohnangebot richtet sich an chronisch psychisch kranke Menschen,<br />

die vorübergehend oder auf Dauer in ihrer Lebensführung beeinträchtigt sind, eine<br />

stationäre Behandlung nicht bzw. nicht mehr erforderlich ist und die Angebote<br />

sozialer oder sozialpsychiatrischer Dienste nicht ausreichen.<br />

24 Datenquelle: Erhebung bei Leistungserbringern und Auswertung eigener Leistungsdaten (Stichtag: 31.12.08)<br />

41


Um im Ambulant Betreuten Wohnen leben zu können, wird ein Mindestmaß an<br />

Selbstversorgungsfähigkeiten bzw. lebenspraktischer Fähigkeiten vorausgesetzt.<br />

Der psychisch kranke Mensch soll in der Lage sein, bei regelmäßiger Betreuung<br />

seinen Lebensbereich selbständig zu gestalten. Er wird vorwiegend durch<br />

aufsuchende Betreuung und Begleitung, sozialpädagogische Beratung und<br />

Unterstützung sowie Erschließung externer Hilfen bei der Organisation und<br />

Bewältigung seines Alltags individuell begleitet.<br />

Das BWB umfasst bedarfsgerechte Hilfen wie<br />

- Unterstützung im Umgang mit der Erkrankung und den Folgen,<br />

- die Anleitung und Einübung von alltagspraktischen Fähigkeiten,<br />

- Hilfe bei der Planung und Umsetzung einer Tagesstruktur und Förderung der<br />

Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft,<br />

- bei Bedarf Begleitung zu diversen Terminen wie z.B. Arztterminen,<br />

- Unterstützung und Begleitung in Krisensituationen,<br />

- Unterstützung bei der Regelung der finanziellen Situation und im Umgang mit<br />

Behörden,<br />

- Aufbau und Pflege von sozialen Kontakten,<br />

- die Koordination von notwendigen Hilfen<br />

- Planung und Gestaltung im beruflichen Bereich.<br />

Neben dem Ambulant Betreuten Wohnen kann der psychisch kranke Mensch auch<br />

ein Angebot im Bereich der Tagesstruktur benötigen. Das Betreute Wohnen deckt<br />

nicht einen eventuell bestehenden Bedarf an Tagesstruktur ab.<br />

Ziel<br />

Das betreute Wohnangebot bildet eine wichtige Grundlage für die gesellschaftliche<br />

Integration und die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Es hat zum Ziel, dass<br />

der psychisch kranke Mensch auf Dauer ein möglichst eigenständiges Leben führen<br />

und selbst gesteckte Ziele in die Tat umsetzen kann.<br />

Anbieter und Fallzahlen<br />

Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> gibt es folgende Träger, die Ambulant Betreutes<br />

Wohnen anbieten:<br />

• Wohngemeinschaften und Betreutes Einzel- und Paarwohnen (AWO<br />

<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong> gGmbH)<br />

Die AWO bietet insgesamt 41 Betreute Wohnmöglichkeiten an. Davon werden<br />

36 Plätze mit Klienten aus dem <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> belegt. Zum<br />

Jahreswechsel 2008/2009 wurden weitere 4 Plätze in Buchen geschaffen.<br />

• Betreutes Einzel- und Paarwohnen (Diakonisches Werk <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<br />

<strong>Kreis</strong>)<br />

Beim Diakonischen Werk werden 14 Klienten betreut, für die der Landkreis<br />

zuständiger Kostenträger ist.<br />

• Andere Anbieter außerhalb des Landkreises<br />

Zusätzlich sind außerhalb des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es 8 Personen bei 7<br />

Anbietern untergebracht.<br />

Finanzierung<br />

Das Ambulant Betreute Wohnen wird durch Eingliederungshilfeleistungen nach §§<br />

53 ff. SGB XII in Verbindung mit den Richtlinien des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es zum<br />

Ambulant Betreuten Wohnen finanziert. Der Träger des BWB erhält für seine<br />

Betreuungsarbeit je nach Betreuungsstufe eine monatliche Pauschale in Höhe von<br />

325 € (Stufe 1), 519 € (Stufe 2) oder 741 € (Stufe 3) für jeden Klienten<br />

42


(Neuregelung der Pauschalen ab 01.07.2009). Liegt beim Klienten keine<br />

Bedürftigkeit im Sinne des SGB XII vor, so kann er das Betreuungsangebot auch<br />

als Selbstzahler in Anspruch nehmen.<br />

2.3.2. Begleitetes Wohnen in Familien (BWF)<br />

Ähnlich wie das Ambulant Betreute Wohnen ist das „Begleitete Wohnen in<br />

Familien“ ein Hilfeangebot, das sich an psychisch kranke Menschen richtet, die<br />

wesentlich seelisch behindert sind. Das BWF stellt eine alternative Betreuungsform<br />

zu einem Wohnheimplatz dar, wenn der Betroffene die Bereitschaft, die Fähigkeit<br />

sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen hat, in einem familiären Rahmen zu<br />

leben.<br />

Definition<br />

Die Hilfeform des BWF ist eine Wohnmöglichkeit für erwachsene chronisch<br />

psychisch kranke bzw. seelisch behinderte Menschen in familiärer Betreuung bei<br />

einer Gastfamilie. Die Betreuung kann auch durch nahe Angehörige mit Ausnahme<br />

von den Eltern und Kindern des Klienten übernommen werden. Das Wohnen in der<br />

Familie wird durch den Träger des Angebots beratend begleitet.<br />

Ziel des Angebotes ist es, dem behinderten Menschen eine gemeindenahe<br />

Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft durch die Einbindung in die Familie zu<br />

ermöglichen und einen stationären Aufenthalt zu vermeiden. Besonders in einer<br />

Familie ist die Möglichkeit gegeben, alltagspraktische und soziale Fähigkeiten<br />

wieder zu erlernen und die Unterstützung hierzu in einem familiären Rahmen zu<br />

erhalten. Es wird ein „normales“ Leben mit Familienanschluss geboten.<br />

Der begleitende Träger stellt im Vorfeld die Eignung der aufnehmenden Familie<br />

bzw. Person(en) fest. Zwischen der Familie, dem Träger, dem behinderten<br />

Menschen und dem Sozialhilfeträger werden schriftliche Vereinbarungen getroffen,<br />

in der die Rahmenbedingungen des Betreuungsverhältnisses geregelt werden. Bei<br />

regelmäßigen Besuchen steht der Träger der Familie und dem Klienten mit<br />

fachlicher Beratung, Begleitung und Unterstützung zur Seite. Die Betreuung des<br />

Klienten erfolgt durch die Familie.<br />

Auch hier kann der psychisch kranke Mensch ein Angebot im Bereich der<br />

Tagesstruktur benötigen. Das Begleitete Wohnen in Familien deckt nicht einen<br />

eventuell bestehenden Bedarf an Tagesstruktur ab.<br />

Anbieter<br />

Aus dem <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> gibt es einen Träger, der die Betreuungsform<br />

BWF anbietet. Ein weiterer Träger aus dem Rhein-<strong>Neckar</strong>-<strong>Kreis</strong> bietet ebenfalls<br />

Plätze im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> an.<br />

• AWO <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong> gGmbH<br />

Die AWO bietet seit dem Jahr 2007 das Begleitete Wohnen in Familien für<br />

psychisch kranke Menschen im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> an. Momentan werden<br />

2 Klienten durch die Eingliederungshilfe finanziert.<br />

• Sozialpsychiatrischer Hilfsverein Rhein-<strong>Neckar</strong> e.V. (SPHV)<br />

3 Personen werden vom SPHV für den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> betreut, davon<br />

wohnen 2 Klienten innerhalb des Landkreises.<br />

Finanzierung<br />

Die betreuende Familie erhält nach den Richtlinien des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es<br />

für Betreutes Wohnen in Familien vom Sozialhilfeträger ein Betreuungsentgelt von<br />

bis zu 420 € pro Monat. Hinzu kommt der Anteil des Betreuten an Unterkunft und<br />

Verpflegung. Dieser kann sich auf bis zu 483 € belaufen. Dem behinderten<br />

43


Menschen steht in jedem Fall ein Taschengeldbetrag von 96,93 € pro Monat zur<br />

freien Verfügung.<br />

Der Träger des BWF erhält für seine Betreuungsarbeit je nach Betreuungsstufe<br />

eine monatliche Pauschale in Höhe von 325 € (Stufe 1) oder 519 € (Stufe 2) für<br />

jeden Klienten (Neuregelung der Pauschalen ab 01.07.2009).<br />

Details zum gesamten genutzten Angebot des Betreuten Wohnens innerhalb<br />

des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es<br />

Während 59 Personen innerhalb des Landkreises betreut werden, sind 10<br />

Personen des <strong>Kreis</strong>es außerhalb versorgt. Folgende Auswertungen spiegeln die<br />

Belegung innerhalb des Landkreises wieder. Dabei werden 92 % der zur Verfügung<br />

stehenden 59 Plätze durch den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> selbst genutzt.<br />

18 Personen in<br />

Wohngemeinschaften<br />

4 Personen<br />

mit Familie/angehörigen<br />

Lebenssituation der BWB/BWF-Klienten<br />

4 Personen<br />

im betreuten Wohnen<br />

in Familien<br />

33 Personen<br />

Einzel- und<br />

Paarwohnen<br />

Abbildung 10: Wohnverhältnisse der Klienten des Betreuten Wohnens innerhalb des Landkreises<br />

(Stand: 31.12.08) 25<br />

Jahre<br />

> 10 Jahre<br />

6 bis 10 Jahre<br />

3 bis 5 Jahre<br />

< 3 Jahre<br />

Verweildauer in Betreuten Wohnangeboten<br />

6 Personen<br />

12 Personen<br />

20 Personen<br />

21 Personen<br />

0 5 10 15 20 25<br />

Abbildung 11: Verweildauer der Personen des Betreuten Wohnens innerhalb des Landkreises<br />

(Stand: 31.12.08) 26<br />

25 Datenquelle: Erhebung bei Leistungserbringern (Stichtag: 31.12.08)<br />

26 Datenquelle: Erhebung bei Leistungserbringern (Stichtag: 31.12.08)<br />

44


2.3.3. Stationäre Wohnangebote<br />

Manche psychischen Erkrankungen sind so tiefgreifend und schwerwiegend, dass<br />

bei dem Betroffenen ein erhöhter Hilfebedarf besteht, der nicht im Rahmen des<br />

BWB oder BWF gedeckt werden kann. Um diesen Menschen ein adäquates<br />

Lebensumfeld zu bieten, gibt es stationäre Wohnangebote.<br />

Definition<br />

Die Versorgung in einem Wohnheim ist eine intensive Form der Betreuung und<br />

sollte für chronifizierte psychisch Kranke in Anspruch genommen werden, wenn<br />

andere niedrigschwelligere Angebote nicht ausreichen.<br />

Durch die Betreuung in einer stationären Einrichtung erhält der chronisch psychisch<br />

kranke Mensch entsprechend seinem Hilfebedarf eine engmaschige auf ihn<br />

abgestimmte Hilfe. Ein Hilfebedarf kann in unterschiedlichem Ausmaß in den<br />

verschiedenen Bereichen gegeben sein, wie zum Beispiel<br />

- in der individuellen Basisversorgung,<br />

- der Haushaltsführung,<br />

- dem Umgang mit und der Bewältigung von psychischen Krisen,<br />

- den medizinischen oder pflegerischen Hilfen,<br />

- den individuellen und soziale Hilfen zur Alltagsbewältigung und Gestaltung der<br />

Freizeit,<br />

- im Bereich der Aktivitäten zur Erlangung von Selbständigkeit und Eigenverantwortung,<br />

- beratende Tätigkeiten zur Abklärung und Sicherstellung von Rechtsansprüchen.<br />

Der Bedarf des seelisch behinderten Menschen wird in Zusammenarbeit mit dem<br />

Medizinisch Pädagogischen Fachdienst (MPD) beim Kommunalverband für Jugend<br />

und Soziales (KVJS) erhoben. Es gibt 5 Hilfebedarfsgruppen (HBG), in die der<br />

Hilfebedarf eines psychisch Kranken einzustufen ist.<br />

Damit der Klient eine möglichst bedarfsorientierte und passgenaue Hilfe erhält, wird<br />

mit dem Betroffenen und allen Beteiligten ein individueller Gesamtplan erstellt.<br />

Hierin werden Ziele und Maßnahmen zur Zielerreichung festgeschrieben.<br />

Das Ziel ist, den psychisch erkrankten Menschen so gut als möglich in das soziale<br />

Leben wiedereinzugliedern. Die Folgen seiner psychischen Behinderung sollen<br />

gemildert und die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft soll ihm erleichtert<br />

werden. Das Ziel der Verselbständigung des Klienten steht auch im stationären<br />

Bereich immer an oberer Stelle. Wenn möglich sollte eine selbständigere<br />

Wohnform, wie z.B. das Ambulant Betreute Wohnen oder gar ein privates Wohnen<br />

angestrebt werden.<br />

Die stationäre Betreuung beinhaltet auch eine passende Tagesstruktur für den<br />

Klienten (z.B. die Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder<br />

eine Tagesstrukturierung und Förderung für psychisch wesentlich beeinträchtigte<br />

Menschen), so dass hier kein gesondertes Angebot in Anspruch genommen<br />

werden muss.<br />

Anbieter und Fallzahlen<br />

• Dezentrales Wohnheim der AWO <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong> gGmbH<br />

Die AWO bietet 37 Plätze im Dezentralen Wohnheim an. Hiervon werden 24<br />

Klienten über Eingliederungshilfeleistungen des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es<br />

finanziert.<br />

• Andere Anbieter außerhalb des Landkreises<br />

Außerhalb des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es gibt es zahlreiche Einrichtungen für<br />

psychisch kranke und seelisch behinderte Menschen. Für 37 Klienten aus dem<br />

<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> wurde außerhalb des Landkreises eine Einrichtung<br />

gefunden. Im Moment arbeitet der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> mit 13 Anbietern<br />

zusammen.<br />

45


Finanzierung<br />

Die Kosten für eine vollstationäre Betreuung eines psychisch kranken Menschen<br />

belaufen sich je nach Einstufung des Hilfebedarfes (HBG 1 bis 5) von ca. 1.500 €<br />

bis zu 6.500 € pro Monat. Die Mehrzahl der Personen wird in die<br />

Hilfebedarfsgruppe 1 bis 3 eingestuft.<br />

Liegt beim Klienten keine finanzielle Bedürftigkeit im Sinne des SGB XII vor, so<br />

kann er das Betreuungsangebot auch als Selbstzahler in Anspruch nehmen.<br />

Anzahl<br />

der<br />

Nutzer<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Wohnangebot und Nutzung des NOK<br />

innerhalb<br />

Plätze (Angebot)*<br />

innerhalb<br />

Nutzung NOK<br />

außerhalb<br />

Nutzung NOK<br />

Stationär 37 24 37<br />

BWF 4 4 1<br />

BWB 55 50 8<br />

Abbildung 12: Platzangebot bzw. die genutzten Plätze (betreutes Wohnen) der verschiedenen<br />

Wohnformen 27<br />

* Das stationäre Wohnangebot stellt die tatsächlich aufgebaute Platzzahl dar. Im Bereich BWB und BWF werden die derzeit<br />

belegten Plätze dargestellt. Das mögliche Potenzial kann nicht genau abgebildet werden, da es von der jeweiligen Nachfrage<br />

abhängt.<br />

Bewertung / Handlungsempfehlung:<br />

Menschen mit seelischer Behinderung im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> nehmen deutlich öfter<br />

ambulante Wohnangebote in Anspruch, als geistig- oder körperlich behinderten Menschen.<br />

Beim Anteil der seelisch behinderten Menschen, die in betreuten Wohnangeboten versorgt<br />

werden, liegt der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> im Landesschnitt. Der weitere Ausbau des<br />

Betreuten Wohnens in Familien (BWF) als Alternative zu stationären Unterbringungen ist zu<br />

forcieren. Dieses Angebot ist in anderen Regionen besser etabliert und dort ein wichtiger<br />

Baustein der Versorgungslandschaft.<br />

Im Bereich der stationären Hilfen liegt der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> über dem Landesschnitt,<br />

wobei der überwiegende Teil dieser Hilfen (59%) außerhalb des Landkreises erbracht wird.<br />

Dies liegt teilweise an fehlenden Spezialeinrichtungen, die aufgrund der Art und Schwere der<br />

Behinderung notwendig wären. Weitere Ursachen hierfür müssen noch genauer untersucht<br />

werden.<br />

Auch bei den Klienten ergeben sich in den letzten Jahren deutliche Veränderungen.<br />

Von Seiten der Träger wird darauf hingewiesen, dass innerhalb der Wohnangebote eine<br />

Zunahme von Klienten mit Doppel- bzw. Mehrfachdiagnosen zu verzeichnen ist. Durch die<br />

damit verbundene Chronifizierung ist zukünftig mit noch längeren Verweildauern und einem<br />

Einhergehen von älter werdenden Klienten zu rechnen, die zusätzlich verschiedene<br />

Altersgebrechen entwickeln werden.<br />

27 Datenquelle: Erhebung bei Leistungserbringern und Auswertung eigener Leistungsdaten (Stichtag: 31.12.08)<br />

46


In der derzeitigen Struktur können vor Ort keine pflegebedürftigen, selbst- oder<br />

fremdgefährdeten Personen auf Dauer betreut werden.<br />

Sollte sich diese Entwicklung auch in den nächsten Jahren bestätigen, müssen entsprechende<br />

Angebote (u.a. beschützte/geschlossene und gerontopsychiatrische Betreuungsformen<br />

möglicherweise kombiniert mit Grundpflegeangeboten) entwickelt werden.<br />

2.4. Medizinische / Therapeutische Versorgung<br />

2.4.1. Soziotherapie durch den Sozialpsychiatrischen Dienst (SpDi) für Menschen mit<br />

psychischen Erkrankungen (Diakonisches Werk <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>)<br />

Definition und Verfahren<br />

Eine Soziotherapie ist eine medizinische Leistung für psychisch kranke Menschen,<br />

die von einem Facharzt für Psychiatrie verordnet wird. Gemeinsam mit dem<br />

Betroffenen und dem Soziotherapeut stellt der Arzt einen Betreuungsplan auf.<br />

Hierin werden Hilfen zur Förderung psychosozialer Kompetenzen wie<br />

Kontaktfähigkeit und Initiative festgelegt 28 . Der Betreuungsplan wird zur<br />

Genehmigung der Therapie bei der Krankenkasse vorgelegt. Die Soziotherapie wird<br />

in Form von Beratungs-, Begleitungs-, Koordinierungs- und/oder<br />

Trainingsmaßnahmen erbracht. Nach Genehmigung durch die Krankenkassen<br />

können höchstens 120 Stunden in einem Zeitraum von 3 Jahren in Anspruch<br />

genommen werden.<br />

Ziel<br />

Mit Hilfe der Soziotherapie soll erreicht werden, dass<br />

- Menschen mit einer psychischen Erkrankung selbständig ärztliche Leistungen in<br />

Anspruch nehmen,<br />

- Krankenhausaufenthalte durch ambulant medizinische Hilfen in vertrauter<br />

häuslicher Umgebung vermieden oder verkürzt werden können,<br />

- Psychosoziale Defizite mit Hilfe von Motivationsarbeit und strukturierten<br />

Trainingsmaßnahmen abgebaut und das Leben in der Gemeinschaft erleichtert<br />

werden kann,<br />

- Kontaktfähigkeit, Eigeninitiative und Umgang mit der Krankheit gefördert wird.<br />

Ein besonderes Augenmerk wird auch auf die Einbeziehung der Angehörigen bzw.<br />

des Umfeldes gelegt.<br />

Anbieter und Fallzahlen<br />

Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> gibt es einen Träger, der Soziotherapie anbietet. Dies<br />

ist das Diakonische Werk im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>. Laut dem Jahresbericht 2008<br />

haben 13 Personen (7 weiblich, 6 männlich) eine Soziotherapie erhalten.<br />

Finanzierung<br />

Die Soziotherapie ist eine Leistung der Krankenkasse und muss von einem<br />

Facharzt verordnet werden.<br />

2.4.2. Krankenhäuser und Tageskliniken<br />

Die Psychiatrische Klinik Mosbach (PKM), die Neurologisch-Psychiatrische Klinik<br />

sowie die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sind wichtige<br />

Bausteine eines wohnortnahen psychiatrisch/psychosomatisch-psychotherapeutischen<br />

Versorgungssystem für den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> 29 .<br />

28 Vgl. Internetauftritt des Diakonischen Werkes<br />

29 Internetauftritt und Flyer des PZN Wiesloch – Außenstelle Mosbach - www.pzn-wiesloch.de<br />

47


Definition und Anbieter<br />

a) Psychiatrische Klinik Mosbach - Außenstelle der Klinik für Allgemeinpsychiatrie,<br />

Psychotherapie und Psychosomatik II des Psychiatrischen<br />

Zentrums Nordbaden (PZN) in Wiesloch<br />

Die Psychiatrische Klinik Mosbach (PKM) besteht aus einer psychiatrischen<br />

Fachambulanz und einer allgemeinpsychiatrischen Akut-Tagesklinik.<br />

o Psychiatrische Fachambulanz<br />

Die Psychiatrische Fachambulanz bietet eine intensive ambulante<br />

Komplexbehandlung durch ein multiprofessionelles Team an. Das<br />

Behandlungsangebot ist konzipiert für psychisch kranke Menschen, bei<br />

denen längerfristig eine krankenhausnahe ambulante Behandlung<br />

medizinisch notwendig ist. In erster Linie werden Patienten behandelt, bei<br />

denen durch eine reine ambulante psychiatrische Behandlung beim<br />

niedergelassenen Facharzt keine ausreichende Stabilität erreicht werden<br />

kann. Durch das Angebot sollen (teil-)stationäre Aufenthalte vermieden bzw.<br />

verkürzt werden.<br />

Neben der Versorgung allgemeinpsychiatrischer Patienten gibt es ein<br />

Spezialangebot für Patienten mit Suchterkrankungen.<br />

o Psychiatrische Akut-Tagesklinik<br />

Das Angebot der psychiatrischen Akut-Tagesklinik ist für Menschen ab 18<br />

Jahren mit einer psychischen Erkrankung gedacht, die nicht oder nicht mehr<br />

einer stationären Behandlung bedürfen oder sich in einer akuten<br />

psychischen Krise befinden. Dort erhalten sie eine intensive psychiatrischpsychotherapeutische<br />

Behandlung. In der Akut- und Tagesklinik stehen 18<br />

Behandlungsplätze von Montag bis Samstag zur Verfügung.<br />

Angebote in der Tagesklinik:<br />

- Ärztliche Visiten,<br />

- Einzel-, Gruppen- und Familientherapie,<br />

- Medikamentöse Therapie,<br />

- Kognitive Verhaltenstherapie,<br />

- Informationen zur Krankheitsbewältigung,<br />

- Entspannungsverfahren,<br />

- Ergo- und Bewegungstherapie,<br />

- Arbeitsdiagnostik,<br />

- Strukturierung des Tages- und Wochenablaufes mit Unterstützung der<br />

Freizeitgestaltung,<br />

- Soziales Kompetenztraining,<br />

- Hausbesuche uvm.<br />

b) Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (PSM) der<br />

<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-Kliniken in Kooperation mit dem PZN 30<br />

Das Behandlungsangebot richtet sich an Menschen ab 18 Jahren in akuten<br />

psychischen Krisen oder mit psychischen Beeinträchtigungen. Bei den<br />

behandelten psychosomatischen Krankheitsbildern sind seelische, körperliche<br />

und soziale Faktoren an der Auslösung und/oder Aufrechterhaltung der<br />

Erkrankung beteiligt. Im Zentrum der stationären Behandlungen stehen<br />

psychotherapeutische Verfahren in Einzel- und Gruppentherapien. Hierfür<br />

stehen 18 Betten zur Verfügung.<br />

30 Internetauftritt der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-Kliniken – www.neckar-odenwald-kliniken.de<br />

48


Häufige Krankheitsbilder sind beispielsweise<br />

- Depressionen,<br />

- Angststörungen,<br />

- Zwangsstörungen,<br />

- Arbeits- und Beziehungsstörungen (z.B. Burn-Out-Syndrom,<br />

Erschöpfungssyndrom),<br />

- somatoforme Störungen (körperliche Beschwerden ohne ausreichende<br />

körperliche Erklärung),<br />

- chronische Schmerzerkrankungen,<br />

- Störungen der Krankheitsbewältigung sowie<br />

- Störungen aus dem Bereich der gynäkologischen Psychosomatik.<br />

Durch die enge fachliche Kooperation mit anderen Abteilungen der <strong>Neckar</strong>-<br />

<strong>Odenwald</strong>-Kliniken, Standort Mosbach können sowohl körperliche Symptome<br />

und Erkrankungen als auch damit verbundene psychische Beeinträchtigungen<br />

ganzheitlich behandelt werden.<br />

Die Behandlung in der Psychiatrischen Klinik Mosbach (PKM) und in der Klinik<br />

für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie erfolgt auf der Basis eines<br />

individuellen Behandlungsplanes, der von einem multiprofessionellen Team aus<br />

Ärzten, Psychologen, Pflegepersonal, Ergo- und Bewegungstherapeuten und<br />

Sozialarbeitern zusammen mit dem Patienten erstellt wird.<br />

Für eine Behandlung ist eine Überweisung oder Verordnung durch den Arzt<br />

(Hausarzt, Facharzt, Klinikarzt) nötig.<br />

Zu den Zielen einer psychiatrisch/psychosomatisch-psychotherapeutischen<br />

Behandlung in der PKM und der PSM gehören<br />

- die Bewältigung akuter psychischer Krisen,<br />

- Symptomfreiheit bzw. Besserung und Stabilisierung der psychischen<br />

Erkrankung und körperlicher Symptome,<br />

- eine umfassende medizinisch-psychiatrische und psychosomatische<br />

Diagnostik,<br />

- die Erhaltung und Stärkung vorhandener Fähigkeiten und sozialer<br />

Kontakte,<br />

- die Förderung und Unterstützung bei der Wiedereingliederung in das<br />

berufliche Umfeld.<br />

Die räumliche, organisatorische und personell enge Vernetzung der<br />

psychiatrischen und psychosomatischen Behandlungsangebote in den <strong>Neckar</strong>-<br />

<strong>Odenwald</strong>-Kliniken am Standort Mosbach ermöglichen es, die<br />

Behandlungsverfahren und die Behandlungsintensität individuell dem<br />

Krankheitsbild der Patienten anzupassen.<br />

c) Neurologisch-Psychiatrische Klinik der Johannes-Anstalten Mosbach mit<br />

Tagesklinik 31<br />

Es bestehen folgende Behandlungsangebote<br />

o die Psychiatrische Institutsambulanz<br />

Die Psychiatrische Institutsambulanz bietet eine intensive ambulante<br />

Komplexbehandlung durch ein multiprofessionelles Team an. Das<br />

Behandlungsangebot ist konzipiert für psychisch kranke Menschen, bei<br />

denen längerfristig eine krankenhausnahe ambulante Behandlung<br />

medizinisch notwendig ist. In erster Linie werden Patienten behandelt, bei<br />

denen durch eine reine ambulante psychiatrische Behandlung beim<br />

31 Vgl. Internetauftritt der Neurologisch-Psychiatrischen Klinik der Johannes-Anstalten Mosbach - www.jamos.de/ge/gesund<br />

49


niedergelassenen Facharzt keine ausreichende Stabilität erreicht werden<br />

kann. Durch das Angebot sollen (teil-)stationäre Aufenthalte vermieden bzw.<br />

verkürzt werden.<br />

Es besteht ein Spezialangebot für behinderte Menschen.<br />

o Kassenärztliche Ambulanz<br />

Die kassenärztliche Ambulanz umfasst einen neurologisch-psychiatrischen<br />

Konsiliardienst und steht für nervenärztliche Diagnostik und ambulante<br />

Weiterbehandlung nach einem stationären oder tagesklinischen Aufenthalt<br />

in den Johannes-Anstalten Mosbach zur Verfügung.<br />

o Neurologische Institutsambulanz<br />

Hier können Bewohner/-innen und Beschäftigte der Werkstätten für<br />

behinderte Menschen der Johannes-Anstalten Mosbach neurologisch<br />

untersucht und behandelt werden.<br />

o Psychiatrische Tagesklinik<br />

Die Tagesklinik ist ein Bindeglied zwischen den ambulanten Betreuungen<br />

wie z.B. durch niedergelassene Psychiater, Nervenärzte,<br />

Psychotherapeuten, Psychiatrische Institutsambulanzen und einer<br />

stationären psychiatrischen Krankenhausbehandlung. Die Behandlung ist an<br />

das stationäre Angebot angegliedert. Die Tagesklinik ist von Montag bis<br />

Freitag geöffnet.<br />

Die Tagesklinik bietet betroffenen Personen Diagnostik und Behandlung an,<br />

ohne dass diese ihr soziales Umfeld verlassen müssen. Die Diagnostik und<br />

das Therapieangebot entspricht weitestgehend dem der vollstationären<br />

Behandlung. Das Angebot richtet sich an Betroffene, bei denen eine<br />

ambulante Behandlung nicht ausreichend ist, eine vollstationäre<br />

Behandlung jedoch nicht (mehr) benötigt wird. In der Tagesklinik stehen 5<br />

Plätze zur Verfügung.<br />

o Neurologisch-Psychiatrischen Stationen<br />

Für Patienten, die stationär behandlungsbedürftig sind, stehen je nach<br />

Erkrankung zwei differenziert ausgestattete Stationen zur Verfügung<br />

- Station I<br />

Hier werden erwachsene psychiatrisch und/oder neurologisch erkrankte<br />

Menschen mit einer leichten bis schweren Intelligenzminderung<br />

behandelt. Die Station verfügt über 12 stationäre Plätze und ist<br />

heilpädagogisch ausgerichtet.<br />

- Station II<br />

Bei Station II handelt es sich um eine offen geführte<br />

allgemeinpsychiatrische Station für erwachsene Patienten (ohne<br />

Altersbegrenzung nach oben). Hier stehen 20 stationäre Plätze zur<br />

Verfügung.<br />

Das Behandlungsangebot beider Stationen ist auf die individuellen<br />

Bedürfnisse des Patienten abgestimmt.<br />

Die Klinik und Tagesklinik bieten den Patienten neben der notwendigen<br />

Diagnostik gemäß dem aktuellen Stand der Medizin folgende Therapieangebote<br />

- Ärztliche Visiten,<br />

- Einzel- und Gruppenpsychotherapie mit integrativem Ansatz,<br />

- Medikamentöse Behandlung,<br />

- Wachtherapie, Lichttherapie (bei Depressionen),<br />

- Entspannungstherapie,<br />

50


- Soziotherapie in Einzel- und Gruppensetting,<br />

- Ergotherapie (Beschäftigungs- und Arbeitstherapie),<br />

- Mototherapie, Reittherapie, Schwimmen,<br />

- Soziales Belastungstraining,<br />

- Beratung und Hilfe zur Wiedereingliederung in den Beruf,<br />

- Vermittlung in weiterführende Behandlungen und in Rehamaßnahmen,<br />

- Fachkundiges Pflegepersonal als Ansprechpartner (Krankenpfleger,<br />

Heilerziehungspfleger).<br />

Das Klinikteam ist multiprofessionell und besteht aus Ärzten, Psychologen,<br />

Sozialpädagogen, Ergo- und Bewegungstherapeuten, Pflegepersonal,<br />

Sekretärinnen und medizinisch-technischen Assistentinnen.<br />

Ziel aller Behandlungsmaßnahmen ist<br />

- die Symptomfreiheit oder Verbesserung der Symptomatik und<br />

Steigerung des Selbstwertgefühls und der Lebensqualität,<br />

- Krankheitsbewältigung bei chronischen psychischen Erkrankungen,<br />

- eine bessere Integration in der Familie, am Arbeitsplatz und im<br />

gesellschaftlichen Leben.<br />

Der Zugang in die Klinik erfolgt genau wie bei den vorgenannten Angeboten auf<br />

Überweisung und Verordnung eines Arztes (Haus-, Fach-, Klinikarzt). Die<br />

Behandlung ist eine Leistung der Krankenversicherung.<br />

d) Psychosomatische Klinik Schloss Waldleiningen in Mudau 32<br />

Das Schloss Waldleiningen ist eine stationäre Psychosomatische Klinik mit 102<br />

Plätzen. Die Behandlung dauert durchschnittlich 4 bis 6 Wochen. Eine Therapie<br />

ist für Menschen mit psychovegetativen Störungen und psychosomatischen<br />

Erkrankungen, Neurosen, Depressionen, Erschöpfungssyndrom, Psychosen<br />

des manisch – depressiven und schizophrenen Formenkreises,<br />

Posttraumatische Belastung, Suchterkrankungen nach der Entgiftungsphase,<br />

chronische Schmerzzustände, Schlafstörungen und Anfallsleiden möglich.<br />

Die integrative Psychotherapie in Form von Gruppen- oder Einzeltherapien<br />

orientiert sich schwerpunktmäßig an der Persönlichkeit, dem Beschwerdebild<br />

und den individuellen Fertigkeiten zur Problembewältigung des Patienten.<br />

Angeboten werden weiterhin<br />

- eine kognitive und allgemeine Verhaltenstherapie<br />

- eine systemische und hypnotherapeutische Psychotherapie sowie<br />

- eine psychodynamisch orientierte Psychotherapie und Psychodrama.<br />

Mit Hilfe der Therapie soll eine Besserung der Krankheitssymptome, das Lösen<br />

der eigenen Verstrickungen und der Aufbau von weiteren<br />

Bewältigungsstrategien ermöglicht werden.<br />

Die Behandlung im Schloss Waldleiningen ist eine Leistung der Kranken- oder<br />

Rentenversicherung.<br />

Bewertung / Handlungsempfehlung:<br />

Gemessen an vergleichbaren ländlichen Regionen besteht im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> eine<br />

hohe Ausdifferenzierung und Verfügbarkeit von Angeboten für Menschen mit seelischer<br />

Behinderung. Sowohl in der Allgemeinpsychiatrie, als auch in der Behindertenpsychiatrie<br />

(Johannes-Anstalten) besteht ein breites Diagnosespektrum. Weiterhin besteht eine gute<br />

Versorgung im Bereich der akutpsychosomatischen stationären Versorgung und<br />

32 Vgl. Internetauftritt Schloss Waldleiningen - www.schloss-waldleiningen.de<br />

51


allgemeinpsychiatrischen (teil-)stationären Versorgung. Die Möglichkeiten für schwer<br />

chronischpsychisch Erkrankte, eine ambulante Komplexbehandlung in einer psychiatrischen<br />

Institutsambulanz in Anspruch zu nehmen, sind ebenfalls gut.<br />

Es besteht eine gute Zusammenarbeit zwischen den krankenkassen-finanzierten<br />

psychiatrischen / psychosomatischen klinischen und ambulanten Behandlungsangeboten<br />

und komplementären Diensten. Insbesondere mit den Mitgliedern im<br />

Gemeindepsychiatrischen Verbund, dem SPDI, den Tagesstätten in Mosbach und Buchen<br />

und Anbietern betreuter und stationärer Wohnformen für psychisch Kranke besteht eine gute<br />

und vernetzte Zusammenarbeit.<br />

Lücken bestehen aus Sicht der Kliniken besonders bei den Arbeits- und<br />

Beschäftigungsangeboten. Auch die Vermittlung in Angebote der beruflichen Rehabilitation<br />

oder des zweiten Arbeitsmarktes ist, bedingt durch die Wirtschafts- und Finanzkrise, aber<br />

auch durch weite Anfahrtswege teilweise nicht einfach.<br />

Weiterhin wird bedauert, dass eine geschlossene Station vor Ort fehlt und die Wartezeiten<br />

bei den niedergelassenen Fachärzten sehr lang sind, obwohl alle vertragsärztlichen Sitze im<br />

Landkreis vergeben sind. Ein Grund dafür ist, dass einige dieser Praxen ihren Schwerpunkt<br />

eher im neurologischen Bereich haben.<br />

3. Angebote für Senioren<br />

3.1. Alter und psychische Erkrankung (Gerontopsychiatrische Erkrankungen)<br />

Unter gerontopsychiatrischen Erkrankungen werden psychische Erkrankungen im<br />

Alter verstanden. Die häufigsten gerontopsychiatrischen Erkrankungen sind:<br />

Demenz<br />

Sie beschreibt einen Zustand fortschreitenden Hirnabbaus mit zunehmendem<br />

Verlust an kognitiven Fähigkeiten, z.B. Gedächtnis, Orientierung, Auffassung,<br />

Rechnen, Lernfähigkeit, Sprechen und Entscheidungsfähigkeit. Gewöhnlich sind<br />

diese von Veränderungen der emotionalen Kontrolle, der Affektlage, des<br />

Sozialverhaltens oder der Motivation begleitet.<br />

Die häufigsten Formen sind die Alzheimersche Krankheit und die vaskuläre<br />

Demenz (Durchblutungsstörungen).<br />

Demenzen sind in höherem Alter die Hauptursache von Pflegebedürftigkeit.<br />

Bundesweit sind derzeit ca. 1,3 Mio. Personen betroffen. Demenzen nehmen mit<br />

steigendem Alter deutlich zu.<br />

65- bis 69- Jährige<br />

70- bis 74- Jährige<br />

75- bis 79- Jährige<br />

80- bis 84- Jährige<br />

85- bis 89- Jährige<br />

über 90- Jährige<br />

Altersgruppe Anteil Demenzkranker<br />

1,2%<br />

2,8%<br />

6,0%<br />

13,3%<br />

23,9%<br />

34,6%<br />

Tabelle 6: Anteil der Demenzerkrankten na der Bevölkerung nach bestimmten Altersgruppen 33<br />

33 Datenquelle: Berliner Altersstudie (1996)<br />

52


Depression<br />

Sie bezeichnet eine psychische Störung, die durch die Hauptsymptome gedrückte<br />

Stimmung, gehemmter Antrieb, Interesselosigkeit und Freudlosigkeit sowie ein<br />

gestörtes Selbstwertgefühl gekennzeichnet ist.<br />

Schizophrenie<br />

Sie beschreibt schwerwiegende Beeinträchtigungen wichtiger psychischer und<br />

kognitiver Fähigkeiten, die zu einer deutlichen Störung des Realitätsbezuges<br />

führen.<br />

3.2. Abgrenzungsproblematik<br />

Da die genannten Erkrankungen nicht nur im Alter auftreten können, ist eine<br />

alterstypische Zuordnung nur schwer möglich. Grundsätzlich ist eine signifikante<br />

Steigerung der Häufigkeit bei steigendem Alter vor allem bei den Demenzen, den<br />

Depressionen bei Pflegebedürftigen sowie den Schizophrenien ab dem 70.<br />

Lebensjahr zu erkennen.<br />

3.3. Ambulante und teilstationäre Angebote<br />

Als ambulante Angebote zur Betreuung von psychisch Kranken kommen eine<br />

Reihe von Möglichkeiten in Frage.<br />

o Tageszentren für Demenzkranke<br />

o Betreuungsgruppen<br />

o Tagespflegeeinrichtungen sowie<br />

o Kurzzeitpflege<br />

Hier werden Demenzkranke stunden- oder tageweise, in den Tageszentren auch<br />

ohne Voranmeldung betreut und versorgt. Angehörige haben hierdurch eine<br />

Entlastungsmöglichkeit im Alltag, die für die vielfältigen Verpflichtungen oder auch<br />

zur Erholung genutzt werden können.<br />

Anbieter<br />

Adressen der Angebote sind der aktuellen Version des Seniorenratgebers zu<br />

entnehmen, der in Behörden sowie bei Beratungsstellen ausliegt, sowie im Internet<br />

unter www.neckar-odenwald-kreis.de heruntergeladen werden kann.<br />

Finanzierung<br />

Die Finanzierung der ambulanten und teilstationären Pflege und Betreuung erfolgt<br />

zunächst durch Eigenmittel der betroffenen Person. Bei Pflegebedürftigkeit nach<br />

SGB XI werden seitens der Pflegekassen Festzuschüsse in Form von Pflegesachleistung,<br />

Pflegegeld, Kombinationsleistung, Verhinderungspflege, Tages- und<br />

Nachtpflege, Kurzzeitpflege sowie Betreuungsleistungen für „Personen mit<br />

eingeschränkter Alltagskompetenz“ gewährt. Reichen die Eigenmittel nicht oder<br />

nicht mehr aus, so können die Restkosten auf Antrag im Rahmen der Hilfe zur<br />

Pflege vom Sozialamt übernommen werden.<br />

3.4. Wohnangebote<br />

3.4.1. Betreute Wohngemeinschaften für Demenzkranke<br />

Eine sinnvolle Alternative für Demenzkranke stellt das Wohnen und Leben in einer<br />

ambulant betreuten Wohngemeinschaft für Demenzkranke dar. Hier kann auf die<br />

speziellen Bedürfnisse und Notwendigkeiten wie Bewegungsdrang, Sicherheit,<br />

Orientierungshilfen u.a. verstärkt eingegangen werden.<br />

53


Anbieter und Platzzahlen<br />

Ein entsprechendes Angebot bietet der Caritasverband <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

e.V. mit 10 Plätzen in Billigheim. Betreut wird dort rund um die Uhr durch speziell<br />

für diesen Personenkreis geschultes Personal („Familienhelfer für Altersverwirrte“),<br />

ergänzt durch Pflegefachkräfte von außerhalb.<br />

Finanzierung<br />

Die Finanzierung erfolgt in der im Kapitel 3.3. genannten Form.<br />

3.4.2. Stationäre Wohnangebote für ältere psychisch kranke Menschen<br />

Anbieter<br />

Mittlerweile haben sich eine Reihe von Alten- und Pflegeheimen durch<br />

unterschiedliche Wohnangebote vor allem auf dementielle Erkrankungen<br />

eingestellt. Hierfür stehen entweder baulich abgegrenzte Wohnbereiche zur<br />

Verfügung, in denen Demenzkranke ständig leben und die sicher und zum Teil<br />

milieutherapeutisch gestaltet sind („segregative Form“) oder Tagesbetreuungsgruppen<br />

ohne räumliche Abgrenzung gegenüber anderen Bewohnern, in denen<br />

Demenzkranke speziell auf sie abgestimmte Betreuungsangebote tagsüber<br />

erhalten („integrierte Form“).<br />

Personen mit Depressionen, Schizophrenien oder anderen psychiatrischen<br />

Erkrankungsformen werden durch individuell auf sie abgestimmte Tagesangebote<br />

und je nach Fähigkeiten innerhalb der Einrichtungen betreut.<br />

Pflegeheim-Plätze<br />

Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> stehen ca. 1930 stationäre Plätze in 30 verschiedenen<br />

Einrichtungen zur Verfügung, von denen erfahrungsgemäß mindestens 3/4 von<br />

Personen mit psychiatrischen Krankheitsbildern belegt sind. Dies sind überwiegend<br />

Menschen mit Demenzerkrankungen, aber auch Depressionen. Für<br />

gerontopsychiatrische Erkrankungen stehen in gut 1/3 der Einrichtungen eigene<br />

abgegrenzte Wohnbereiche mit speziellen therapeutischen Angeboten zur<br />

Verfügung.<br />

Eine aktuelle Übersicht über alle im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> vorhandenen<br />

Angebote sind ebenfalls der aktuellen Version des Seniorenratgebers zu<br />

entnehmen.<br />

Finanzierung<br />

Die Finanzierung der vollstationären Pflege und Betreuung erfolgt zunächst durch<br />

Eigenmittel der betroffenen Person. Bei Pflegebedürftigen nach SGB XI werden<br />

seitens der Pflegekassen Festzuschüsse für die vollstationäre Pflege, für „Personen<br />

mit eingeschränkter Alltagskompetenz“ sowie für „Betreuungsassistenten“ gewährt.<br />

Reichen die Eigenmittel nicht oder nicht mehr aus, so können die Restkosten auf<br />

Antrag im Rahmen der Hilfe zur Pflege vom Sozialamt übernommen werden. Bei<br />

notwendiger stationärer Unterbringung trotz fehlender Pflegebedürftigkeit (Stufe 0),<br />

z.B. bei Verwahrlosung, Selbstpflegedefizit oder bei Personen mit Spätfolgen von<br />

Alkoholkonsum („Korsakov-Syndrom“), findet die Finanzierung neben der<br />

Eigenbeteiligung komplett über das SGB XII statt.<br />

Seit in Kraft treten des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes zum 01.07.2008 stehen<br />

den Heimen seitens der Kassen finanzierte „Betreuungsassistenten für Personen<br />

mit eingeschränkter Alltagskompetenz“ (§45 SGB XI) zur Verfügung, die den<br />

speziellen Bedürfnissen dieses Personenkreises besser gerecht werden.<br />

54


3.5. Medizinische / Therapeutische Versorgung<br />

Hierzu gehören:<br />

Fachärztliche Versorgung<br />

Die fachärztliche Versorgung erfolgt über niedergelassene Fachärzte (Psychiater,<br />

Neurologen). Eine aktuelle Auflistung kann bei den Krankenversicherungen oder<br />

Hausärzten erfragt werden.<br />

Klinische Versorgung<br />

Die Angebote der klinischen Versorgung (Beratung, Diagnostik, Behandlung,<br />

Alltagshilfen, therapeutische Gruppen) von Senioren entsprechen den Angeboten<br />

für Erwachsene wie sie in Kapitel IV. 2.4.2. detailliert beschrieben sind.<br />

Medikamentöse Therapie<br />

Die medikamentösen Therapiemöglichkeiten sind recht unterschiedlich. Vor allem<br />

bei depressiven Erkrankungsformen und zum Teil bei Schizophrenien sind sie<br />

erfolgversprechend. Die Behandlung ist auch im Alter am wirksamsten, wenn<br />

antidepressive Medikamente und Psychotherapie kombiniert werden.<br />

Bei dementiellen Erkrankungen können einzelne, sogenannte „sekundäre<br />

Demenzformen“, die auf Störungen des Stoffwechsels zurückzuführen sind, direkt<br />

ursächlich behandelt und zum Teil sogar geheilt werden. Bei dem weitaus größten<br />

Teil der Erkrankungsformen steht jedoch eine Behandlung der Symptome bzw.<br />

Risikofaktoren im Vordergrund. Eine Heilung ist hier nicht möglich. Die<br />

Lebenserwartung bei Alzheimer beträgt maximal fünf bis sieben Jahre, bei<br />

vaskulärer Demenz ist sie noch kürzer. Die medikamentöse Therapie erfolgt über<br />

die im vorigen Kapitel genannten Einrichtungen sowie über niedergelassene<br />

Fachärzte.<br />

Weitere Therapiemöglichkeiten<br />

Für die Betreuung und Therapie kommen eine Vielzahl an Möglichkeiten in<br />

Betracht, die unterschiedlich erfolgversprechend sind. Hierzu gehören unter<br />

anderem:<br />

o bei Demenzen:<br />

- Orientierungstraining<br />

- Ergotherapie<br />

- Validation<br />

o bei Depressionen und Schizophrenien:<br />

- Psychotherapie<br />

- Verhaltenstherapie<br />

- Ergotherapie<br />

Am meisten erfolgversprechend ist in der Regel eine Kombinationen aus nichtmedikamentösen<br />

und medikamentösen Therapieformen.<br />

Bewertung / Handlungsempfehlung:<br />

Bei der Personengruppe der älteren Menschen mit psychischen Erkrankungen gibt es im<br />

Wesentlichen zwei Personengruppen, deren Versorgung bei steigenden Fallzahlen<br />

sichergestellt werden muss. Einerseits sind es alt werdende psychisch kranke Menschen,<br />

die bereits im Versorgungssystem bekannt sind. Zum anderen sind es Menschen, bei denen<br />

erst durch das Alter psychische Erkrankungen, wie Depression, Sucht, Demenz oder<br />

paranoide Entwicklungen entstehen.<br />

55


Die klassischen Angebote der Altenhilfe haben sich in den letzten Jahren inhaltlich immer<br />

mehr auch diesem Personenkreis geöffnet, ohne die Spezialbedarfe vollständig abzudecken.<br />

In den genannten Angeboten werden in Zukunft nicht nur Demente betreut, sondern auch alt<br />

werdende chronisch psychisch Kranke, depressive und paranoide Personen. Es erscheint<br />

daher notwendig, neue gerontopsychiatrische Hilfen zwischen den beiden Arbeitsfeldern –<br />

Altenhilfe und Gemeindepsychiatrie – aufzubauen.<br />

In den Landkreisen werden in den nächsten Jahren nach der Einschätzung vieler Fachleute<br />

bei steigenden Fallzahlen neue Angebote notwendig (z.B. ein ambulanter<br />

gerontopsychiatrischer Pflegedienst, eine Tagesklinik oder spezielle Tagesstätten und<br />

Tagesgruppen), welche die sehr gemischte Zielgruppe betreuen. Erste Schritte sind hier<br />

bereits z.B. mit den „Tageszentren für Demenzkranke“ der Caritas getan.<br />

Das Thema „psychiatrische Pflege“ ist ein landesweites Thema, das bisher hauptsächlich<br />

deshalb nicht flächendeckend umgesetzt wird, weil die Kassen sehr hohe Anforderungen an<br />

die Zulassung eines solchen Dienstes stellen, der dann in der Regel nicht wirtschaftlich<br />

betrieben werden kann. Diese Problematik wird im Arbeitskreis GPV noch zu erörtern sein.<br />

V. Angebote für Suchtkranke 34<br />

1. Ambulante Angebote<br />

Die ambulanten Angebote für suchtkranke Menschen im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

werden in erster Linie von dem Baden-Württembergischen Landesverband für<br />

Prävention und Rehabilitation (BWLV) - Fachstelle Sucht Mosbach erbracht. Es gibt<br />

Außenstellen in Buchen, Osterburken und in der Justizvollzugsanstalt Adelsheim<br />

(JVA).<br />

Das Team der Fachstelle Sucht in Mosbach ist für den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

zuständig und setzt sich zusammen aus Fachkräften der Psychologie,<br />

Sozialarbeit/Sozialpädagogik, Medizin und Verwaltung.<br />

Als ambulantes Hilfeangebot gibt es die<br />

1.1 Beratungs- und Behandlungsstelle<br />

Definition<br />

Die psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstelle ist ein ambulantes<br />

Beratungsangebot für Menschen mit Suchtproblemen und deren Angehörige und<br />

Partner. Es werden Menschen beraten und behandelt, die Probleme mit Alkohol,<br />

Medikamenten, illegalen Drogen und/oder Spielsucht haben.<br />

Die Beratung und Begleitung erfolgt<br />

o durch ambulante Einzel-, Paar- und/oder Familiengespräche,<br />

o bei der Vermittlung in Entgiftung und Therapie,<br />

o durch Angebote zur psychosozialen Begleitung bei (Drogen-)Substitution,<br />

o durch Angebote nach der Therapie (Nachsorge),<br />

o durch Unterstützung von Selbsthilfegruppen,<br />

o durch Angebote für Angehörige,<br />

o bei Behördengängen,<br />

o durch anonyme Telefonberatung und<br />

o in der Justizvollzugsanstalt.<br />

34 Siehe hierzu Internetauftritt der Fachstelle Sucht Mosbach, http://www.blv-suchthilfe.de/fachstelle-mosbach<br />

56


Ziel: Mit diesem Beratungs- und Behandlungsangebot werden folgende Ziele<br />

verfolgt:<br />

o Orientierung,<br />

o Entscheidungsfindung bei der Wahl geeigneter Beratungs- und Therapieangebote<br />

(ambulant, stationär, Selbsthilfegruppen),<br />

o Hilfestellung für den Umgang mit suchtgefährdeten oder suchtkranken<br />

Personen,<br />

o Unterstützung für Berufsgruppen im Sozialbereich für suchtspezifische<br />

Fragestellungen.<br />

Versorgungszahlen<br />

Hinsichtlich der Versorgung von Suchtkranken werden die Zahlen der Deutschen<br />

Hauptstelle für Suchtfragen auf den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> umgerechnet. Dies<br />

ergibt folgende Problemstellung:<br />

o Alkohol<br />

- riskanter Konsum: ca. 17.000 Personen (16% der 18 – 69-jährigen)<br />

- Missbrauch: ca. 5.200 Personen (5% der 18 – 69-jährigen)<br />

- Abhängigkeit: ca. 3.200 Personen (3% der 18 – 69-jährigen)<br />

o Medikamente<br />

- Abhängigkeit: ca. 3.000 Personen (ca. 3% der 18 – 69-jährigen)<br />

o Tabak<br />

- Raucher: ca. 31.000 Männer und Frauen davon starke Raucher (20<br />

Zigaretten und mehr tgl.): ca. 11.000<br />

o Illegale Drogen<br />

- einschl. Cannabis: Abhängigkeit ca. 500 Personen<br />

o Tatsächlich erreichte Klienten<br />

Im Jahr 2008 hat die Fachstelle mit 1.236 Klienten gearbeitet. Davon wurden<br />

487 in der JVA betreut. Mit 749 Personen wurden 886 Betreuungen im <strong>Kreis</strong><br />

vermittelt. 144 Menschen wurden in stationäre Therapie vermittelt (73 aus dem<br />

<strong>Kreis</strong> und 71 aus der JVA Adelsheim). 2008 wurden 21 laufende ambulante<br />

Therapien (neu begonnen: 19) sowie 21 Nachsorgen nach abgeschlossener<br />

stationärer Entwöhnungsbehandlung durchgeführt.<br />

Finanzierung bzw. Finanzierungsanteil<br />

Die Hauptfinanzierung der Beratungsstelle übernimmt der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

mit jährlich 237.000 €. Einen weiteren Anteil leistet das Land Baden-Württemberg.<br />

1.2 Selbsthilfegruppen<br />

Definition<br />

Selbsthilfegruppen bieten vielen betroffenen Menschen und ihren Angehörigen in<br />

schwierigen Lebenssituationen wertvolle Unterstützung und Beratung bei<br />

Suchtproblemen.<br />

Immer mehr Menschen schließen sich in Selbsthilfegruppen zusammen, um<br />

gemeinsam eine Erkrankung, Behinderung oder eine schwierige Lebenslage<br />

bewältigen zu können. So eröffnen sich ihnen Kontakte zu Gleichbetroffenen und<br />

Gespräche mit verständnisvollen Mitmenschen. Aus der vertrauten Situation<br />

regelmäßiger Treffen und dem Rückhalt der Gruppe heraus, entsteht zudem die<br />

Selbstsicherheit, die der Einzelne zum Angehen seiner speziellen Problematik<br />

benötigt. Die Selbsthilfegruppe ist kein Ersatz für eine ärztliche Behandlung oder<br />

57


professionelle Betreuung, wohl aber eine notwendige und sinnvolle Ergänzung<br />

hierzu.<br />

Anbieter<br />

Es gibt Selbsthilfegruppen, die in enger Kooperation mit der Fachstelle Sucht<br />

stehen, sowie autonome Selbsthilfegruppen wie z.B. die Anonymen Alkoholiker und<br />

Freundeskreis Suchthilfe Obrigheim.<br />

Details kann man auf der Internetseite der Fachstelle Sucht Mosbach<br />

http://www.blv-suchthilfe.de/fachstelle-mosbach unter „Selbsthilfegruppen“ erfahren.<br />

1.3 Arbeitskreis Suchtprophylaxe 35<br />

Der Arbeitskreis Suchtprophylaxe ist ein Arbeitskreis aller im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<br />

<strong>Kreis</strong> mit Suchtprävention beauftragten Institutionen.<br />

Diese sind:<br />

o Landratsamt <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>, Geschäftsbereich Jugendhilfe<br />

o Landratsamt <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>, Fachdienst Gesundheit<br />

o Suchtbeauftragte für Schulen des Regierungspräsidiums Karlsruhe<br />

o Polizeidirektion Mosbach, Kriminalprävention<br />

o Jugendhaus Mosbach<br />

o Caritasverband <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> und die<br />

o Fachstelle Sucht.<br />

Der Arbeitskreis hat das Ziel, suchtprophylaktische Aktivitäten auf örtlicher Ebene<br />

zu initiieren, vorzubereiten, zu vernetzen und umzusetzen. Die Aktivitäten des<br />

Arbeitskreises tragen sich durch Zuwendungen.<br />

1.4 Kommunales Suchthilfenetzwerk<br />

Seit dem 11.12.2008 besteht ein Kooperationsvertrag für ein Kommunales<br />

Suchthilfenetzwerk im Landkreis. Ziel dieses Vertrages ist, dass alle, die ein<br />

Beratungs- und Hilfeangebot für Suchtgefährdete und Suchtkranke im <strong>Neckar</strong>-<br />

<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> vorhalten, ihre Angebote vernetzen. Gemeinsames Ziel ist, von<br />

Suchtproblemen betroffenen Menschen ein individuell angemessenes und<br />

bedarfsgerechtes Beratungs- und Behandlungsangebot zu bieten.<br />

2. Stationäre Angebote 36<br />

Definition<br />

Die stationären Einrichtungen stellen innerhalb des Verbundsystems der<br />

Suchtkrankenhilfe eine besonders intensive Betreuungsform dar. Sie bieten<br />

abhängigkeitskranken Menschen die Möglichkeit, zeitlich befristet aus ihrem<br />

sozialen Umfeld herauszutreten und die Fähigkeit zur eigenverantwortlichen<br />

Lebensgestaltung wiederzugewinnen.<br />

Die Behandlung wird als eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation<br />

überwiegend im Auftrag der Rentenversicherung durchgeführt. Weitere Leistungsträger<br />

sind die Krankenversicherung und in Einzelfällen die Träger der Sozialhilfe.<br />

35<br />

siehe hierzu Internetauftritt des Landratsamtes <strong>Neckar</strong>-Odewald-<strong>Kreis</strong>, http://www.neckar-odenwaldkreis.de/url.php?/page/2121<br />

36<br />

Vgl. hierzu Internetauftritt des bw-lv.de - Rehabilitation<br />

58


Die Ziele der medizinischen Rehabilitation sind:<br />

o die Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit bzw. der Gesundheit,<br />

o Abstinenz von Suchtmitteln und Erwerb konstruktiver Bewältigungsstrategien im<br />

Umgang mit Rückfällen ("zufriedene Nüchternheit"),<br />

o Stärkung der Persönlichkeit, Förderung der Beziehungsfähigkeit,<br />

o Soziale Reintegration (materielle Lebenssicherung, Förderung der familiären<br />

Einbindung, Pflege des Freundes- und Bekanntenkreises, sinnvermittelnde<br />

Freizeitgestaltung, Vorbereitung der beruflichen Rehabilitation),<br />

o Vorbereitung der Nachsorge.<br />

Hierzu gibt es in den Einrichtungen Angebote in unterschiedlicher Form wie z.B.<br />

o Medizinische Versorgung und Behandlung<br />

o Psychotherapie<br />

o Indikationsgruppen<br />

o Arbeitstherapie<br />

o Beschäftigungstherapie<br />

o Kunsttherapie<br />

o Erlebnispädagogik<br />

o Sporttherapie<br />

o Beratung bei Fragen der beruflichen Wiedereingliederung.<br />

Anbieter<br />

Innerhalb des Landkreises:<br />

Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> gibt es für Menschen mit Drogenproblemen eine<br />

stationäre medizinische Rehabilitation und zwar die „Therapie auf dem Bauernhof“<br />

in Mosbach. Hier stehen im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> und in den angrenzenden<br />

<strong>Kreis</strong>en ca. 7 Plätze zur Verfügung.<br />

Außerhalb des Landkreises:<br />

Außerhalb des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es gibt es eine Reihe von anerkannten<br />

Fachkliniken.<br />

Weitere Informationen zu der „Therapie auf dem Bauernhof“ oder zu anderen<br />

Fachkliniken erhält man beim BWLV, http://www.bw-lv.de/<br />

Finanzierung<br />

Die Finanzierung einer solchen Einzelfallhilfe erfolgt durch den Träger der<br />

medizinischen Rehabilitation, überwiegend Deutsche Rentenversicherung,<br />

Gesetzliche Krankenversicherung.<br />

Bewertung / Handlungsempfehlung:<br />

Bewertung der Angebote für Suchtkranke aus Sicht der Fachstelle Sucht:<br />

Die vorhandenen Angebote zur Suchthilfe werden als weitgehend ausreichend angesehen.<br />

Einzelne Teilbereiche bedürfen einer genaueren Prüfung, z.B. der Bedarf für ein Projekt für<br />

abstinenzorientiertes betreutes Wohnen im <strong>Kreis</strong>. Bei der Bedarfsplanung ist darauf zu<br />

achten, ob ein solches Angebot wirtschaftlich betrieben werden kann. Weitere Themen sind<br />

der Ausbau der Psychosozialen Begleitung bei Substitution und die Klärung eines<br />

Tagesklinischen Bedarfes für Suchtkranke im <strong>Kreis</strong>. Durch die Einführung einer<br />

Sprechstunde an zwei Vormittagen an der psychiatrischen Klinik in Mosbach (PKM) wurde<br />

hier ein erster Schritt bereits getan.<br />

59


VI. Zusammenfassung und Perspektiven<br />

Allgemeines<br />

Mit der Verwaltungsreform zum 01.01.2005 wurde die Aufgabe der Eingliederungshilfe von<br />

den Landeswohlfahrtsverbänden auf die Stadt- und Landkreise übertragen. Seitdem ist der<br />

<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> zuständiger Leistungsträger für behinderte Menschen aus dem<br />

Landkreis, die eine Leistung der Eingliederungshilfe in Anspruch nehmen. Auch die<br />

Zuständigkeit für die Planung und Umsetzung der Investitionskostenförderung liegt seither<br />

beim örtlichen Träger der Sozialhilfe. Dieses Mehr an Verantwortung beinhaltet auch ein<br />

Mehr an Gestaltungsspielraum. Die Nähe zu den behinderten Menschen und ihren<br />

Angehörigen, aber auch zu den Trägern vor Ort, bietet große Chancen.<br />

Anders als bei den geistig und körperlich behinderten Menschen, die im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<br />

<strong>Kreis</strong> ein breit gefächertes Angebot eines einzelnen Anbieters vorfinden, werden die<br />

entsprechenden Angebote für seelisch behinderte Menschen von mehreren Trägern<br />

vorgehalten. Diese Trägervielfalt erfordert in der Planung und Umsetzung von Hilfen mehr<br />

Koordinierungsaufwand, um die passgenauen Hilfen anbieten zu können.<br />

Hinzu kommt, dass seelisch behinderte Menschen sehr unterschiedliche Krankheitsverläufe<br />

haben, die eine Zusammenführung in homogene Hilfegruppen erschweren. Somit ist es,<br />

allein auf Grund der geringen Fallzahlen, nicht möglich, alle Bedarfe vor Ort zu decken.<br />

Trotzdem kommt gerade dem Bereich der Menschen mit seelischer Behinderung große<br />

Bedeutung zu.<br />

Die Zahl der geistig und körperlich behinderten Menschen ist relativ konstant, während die<br />

Zahl der seelischen Behinderungen landesweit deutlich ansteigt. Ob es sich dabei um eine<br />

reale Zunahme der Zahl von Erkrankungen handelt, um eine erhöhte Inanspruchnahme von<br />

Ärzten und Therapeuten, eine veränderte Wahrnehmung bei den Betroffenen oder um eine<br />

verbesserte Diagnostik auf Seiten der Ärzteschaft, bleibt offen. Als sicher kann jedoch<br />

gelten, dass der Prozess der Entstigmatisierung der psychiatrischen Einrichtungen die<br />

Schwellenängste deutlich reduziert hat, was zu einer Steigerung der Inanspruchnahme<br />

führte. Vermutlich spielen alle Faktoren eine Rolle. Besorgnis erregend ist dabei vor allem,<br />

dass die Krankheitsverläufe immer früher beginnen und immer kompliziertere Verläufe<br />

nehmen.<br />

Personenkreis und Fallzahlen<br />

Der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> liegt bei den Gesamtfallzahlen in der Eingliederungshilfe in<br />

Baden-Württemberg mit 5,90 Leistungsempfängern (LE) je 1.000 Einwohner über dem<br />

Landesdurchschnitt von 5,18 LE/1.000 Einwohner. Der Anteil der seelisch behinderten<br />

Menschen ist dabei mit 18 % im landesweiten Vergleich eher gering (Spanne 11% bis 39%).<br />

Wie in fast allen anderen Regionen in Baden-Württemberg kann auch im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<br />

<strong>Kreis</strong> beobachtet werden, dass der Trend bei Neuzugängen in Richtung seelische<br />

Behinderung geht. Hierbei ist zu beachten, dass die Fluktuation bei diesem Personenkreis<br />

am größten ist. Die Hilfen werden oftmals für einen kürzeren Zeitraum in Anspruch<br />

genommen, weil sich Bedarfe und Befindlichkeiten der Betroffenen eher ändern, als bei<br />

körperlich oder geistig behinderten Menschen.<br />

Auffällig sind Veränderungen innerhalb des Personenkreises der Menschen mit seelischer<br />

Behinderung. Hierbei sind besonders zwei Personengruppen näher zu betrachten. Es sind<br />

dies die Gruppe der psychisch erkrankten älteren oder alten Personen sowie die Gruppe<br />

tendenziell jüngerer Menschen mit erheblichen Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu<br />

forensischen Tendenzen. Die Krankheitsbilder (viele Doppeldiagnosen), das hohe Maß der<br />

Chronifizierung, sowie die Selbst- und Fremdgefährdung durch diesen Personenkreis wirkt<br />

60


sich in allen Versorgungsbereichen aus und erfordern eine Weiterentwicklung bestehender<br />

Konzepte und Angebote.<br />

Für die Planung im Zusammenhang mit dem Personenkreis der psychisch erkrankten und<br />

seelisch behinderten Menschen gibt es ein grundsätzliches Problem. Es liegen sowohl<br />

landes- als auch bundesweit keine verlässlichen Daten und Vorhersagen über die weitere<br />

Fallzahlenentwicklung in diesem Bereich vor. Die „Aktion Psychisch Kranke e.V“ geht davon<br />

aus, dass 0,5 bis 1 % der Bevölkerung wegen psychischer Erkrankung oder Behinderung<br />

langfristige Unterstützung braucht. Diese Bandbreite drückt die allgemeine Unsicherheit aus,<br />

vorherzusagen, wie sich gesellschaftliche Veränderungen auswirken werden, die bereits<br />

heute z.B. im Frühförderzentrum, in Kindertagesstätten und Schulen zu erkennen sind.<br />

Versorgungslücken<br />

Wie bereits ausgeführt, hat der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> in fast allen Bereichen ein strukturell<br />

gesehen gutes bis sehr gutes Angebot für Menschen mit seelischer Behinderung.<br />

Probleme gibt es jedoch in einigen Bereichen mit der vorhandenen Kapazität. Es sind dies in<br />

erster Linie die medizinische/therapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen und<br />

die Arbeits- und Tagesstruktur für Erwachsene. Beide Bereiche sind genauer zu beleuchten,<br />

um anhand der vorliegenden Zahlen seriöse Aussagen treffen zu können, welche<br />

Kapazitäten langfristig gebraucht werden. Hierbei ist auch der jeweilige Personenkreis nicht<br />

nur quantitativ zu erfassen, sondern auch inhaltlich zu bewerten. Veränderungen innerhalb<br />

des Klientels sind zu analysieren und bezogen auf die Vorhaltung von Angeboten zu<br />

bewerten.<br />

Bei den Angeboten für Senioren ist es erforderlich, über die Angebote der<br />

Gemeindepsychiatrie hinaus auch die Angebote aus dem Bereich der klassischen Altenhilfe<br />

für die Versorgung des beschriebenen Personenkreises zu berücksichtigen. Hier hat sich in<br />

den letzten Jahren viel getan. Bedingt durch die höchste Pflegeplatzdichte aller Landkreise in<br />

Baden-Württemberg haben sich im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> einige klassische<br />

Pflegeeinrichtungen spezialisiert und nehmen nun auch Personen auf, die aus dem<br />

psychiatrischen Versorgungssystem kommen. Somit überschneiden sich teilweise die<br />

Angebote der Gemeindepsychiatrie mit den Angeboten der Altenhilfe. Beide<br />

Angebotsbereiche sind nebeneinander zu bewerten, um nicht in die Gefahr zu kommen,<br />

Doppelstrukturen aufzubauen.<br />

Weitere Versorgungslücken beziehen sich auf Hilfen, die auf Grund geringer Fallzahlen im<br />

Landkreis bisher nicht angeboten werden, oder sehr spezialisierte Personengruppen<br />

betreffen (Essstörungen, Autismus). Von Seiten der Träger werden hier u.a.<br />

beschützte/geschlossene Betreuungsformen, Abstinenzorientiertes betreutes Wohnen und<br />

Psychiatrische Pflege genannt.<br />

Weiterhin wird von den Trägern ein Krisen- und Notfalldienst gefordert.<br />

Diese Bereiche stehen auf der Agenda des Arbeitskreises Gemeindepsychiatrischer<br />

Verbund und werden sukzessive mit den Trägern besprochen, konzeptionell bearbeitet und<br />

einer Lösung zugeführt, die die Gegebenheiten des Landkreises berücksichtigen.<br />

Fazit<br />

Insgesamt ist der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> bei der Versorgung von Menschen mit seelischer<br />

Behinderung gut aufgestellt.<br />

Versorgungslücken zeigen sich dort, wo es bisher auf Grund der geringen Fallzahlen<br />

wirtschaftlich nicht vertretbar war, ein Angebot vorzuhalten. Die betroffenen Personen<br />

erhalten dann Leistungen, die verlässlich außerhalb des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es<br />

vorgehalten und erbracht werden.<br />

61


Neben den genannten Versorgungslücken gibt es einige Bereiche, die Kapazitätsprobleme<br />

signalisieren. Hier ist gemeinsam mit den Trägern zu analysieren, ob diese<br />

Kapazitätsprobleme dauerhaft oder zeitlich befristet sind. Auch hier wird im Arbeitskreis<br />

Gemeindepsychiatrischer Verbund eine ständige Abstimmung mit den Trägern erfolgen, um<br />

Entwicklungen zeitnah zu erkennen und die notwendigen Schritte zu einer jeweils<br />

bedarfsgerechten Versorgung in die Wege zu leiten.<br />

62


Adressenverzeichnis<br />

Kinder und Jugendliche<br />

Beratungsstellen<br />

Arbeitsstelle Kooperation<br />

Andreas Größler und Peter Back, Pfalzgraf-Otto-Str. 14, 74821 Mosbach<br />

Tel.: 0151-10743017<br />

mailto:andreas.groessler@ssa-ma.kv.bwl.de oder<br />

mailto:kooperation-mosbach@web.de<br />

Autismusbeauftragte<br />

Christel Schölch-Stephan, Schwarzbachschule in Schwarzach, Tel.: 06262/22-360<br />

Schulpsychologische Beratungsstelle<br />

Landratsamt <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>, Pfalzgraf-Otto-Str. 14, 74821 Mosbach<br />

Tel.: 06261/84-2175<br />

mailto:spbs-mos@neckar-odenwald-kreis.de<br />

www.neckar-odenwald-kreis.de<br />

Arbeitsstelle Frühförderung<br />

Susanne Weyler, Kontakt über Schulaufsicht oder die Alois-Wißmann-Schule in Buchen,<br />

Tel.: 06281/1401<br />

Präventive Fachberatung für Kindergärten<br />

des Diakonischen Werkes für den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

Bernd Grimm, staatl. anerkannter Heilpädagoge<br />

Marktstraße 13, 74740 Adelsheim, Tel.: 06291/6479934<br />

Psychologische Erziehungs- und Familienberatungsstelle der Caritas<br />

Caritas-Haus, Lohrtalweg 33, 74821 Mosbach, Tel.: 06261/9201-34<br />

Hettinger-Str. 2, 74722 Buchen, Tel.: 06281/3255-0<br />

Adolf-Kolping-Str. 29 (Kinderheim Walldürn), 74731 Walldürn, Tel.: 06282/929304;<br />

www.caritas-nok.de<br />

Psychologische Beratungsstelle für Erziehungs-, Partnerschafts- und Lebensfragen<br />

des Diakonischen Werkes für den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

<strong>Neckar</strong>elzer Str. 1, 74821 Mosbach, Tel.: 06261/9299-0<br />

Marktstraße 13, 74740 Adelsheim, Tel.: 06291/7935<br />

mailto:eb.ad@dwnok.de<br />

www.dwnok.de<br />

Beratungsstelle für Menschen mit Behinderungen und ihre Familien<br />

Landratsamt <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>, <strong>Neckar</strong>elzer Str. 7, 74821 Mosbach<br />

Ansprechpartner:<br />

Jutta Schuele, Tel.: 06261/84-2282, E-Mail: Jutta.Schuele@<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>.de oder<br />

Thomas Bauer, Tel.: 06261/84-2218, E-Mail: Thomas.Bauer@<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>.de<br />

www.neckar-odenwald-kreis.de<br />

63


Erwachsene<br />

Tagesstätten<br />

Diakonisches Werk im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

<strong>Neckar</strong>elzer Straße 1 in Mosbach;<br />

Eisenbahnstraße 7 in Buchen;<br />

aufeinander abgestimmt Montag bis Freitag geöffnet; einmal pro Monat sonntags in Mosbach<br />

AWO <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong> gGmbH<br />

Eisenbahnstraße 18 in Mosbach;<br />

Montag bis Donnerstag 8.30 Uhr bis 16.00 Uhr, freitags von 8.30 Uhr bis 13.00 Uhr geöffnet<br />

Industrie Service <strong>Odenwald</strong> gGmbH (ISO)<br />

Alte <strong>Neckar</strong>elzer Str. 24 in Mosbach;<br />

Montag bis Freitag von 8.00 bis 12.00 Uhr und von 12.30 bis 16.15 Uhr geöffnet<br />

Beratungsangebote<br />

Arbeitskreis Gerontopsychiatrie <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

Ansprechpartnerin: Birgit Nachtmann, Tel: 06281/415692<br />

Arbeiterwohlfahrt <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong> gGmbH<br />

74821 Mosbach, Eisenbahnstraße 18, Tel.: 06261/91890<br />

E-Mail: Felicitas.Tumfart@awo-now.de<br />

Caritasverband für den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> e.V.<br />

74821 Mosbach, Lohrtalweg 33, Tel.: 06261/92010<br />

Bezirksstelle: 74722 Buchen, Walldürner Str. 2, Tel.: 06281/2356<br />

Deutsches Rotes Kreuz<br />

<strong>Kreis</strong>verbände:<br />

74722 Buchen, Henry-Dunant-Str. 1, Tel.: 06281/522213<br />

74821 Mosbach, Sulzbacher Str. 17, Tel.: 06281/92080<br />

Diakonisches Werk für den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

Bezirksstellen:<br />

74821 Mosbach, <strong>Neckar</strong>elzer Str. 1, Tel.: 06261/9299-0<br />

74722 Buchen, Eisenbahnstraße 7, Tel.: 06281/562430<br />

74740 Adelsheim, Marktstraße 13, Tel.: 06291/7935<br />

E-Mail: spdi@dwnok.de<br />

Behindertenbeauftragter<br />

Landratsamt, <strong>Neckar</strong>elzer Str. 7, 74821 Mosbach, Tel.: 06261/84-2213<br />

Christian Köckeritz, E-Mail: Christian.Koeckeritz@<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>.de<br />

Betreuungsbehörde<br />

74821 Mosbach, Ölgasse 5, Tel.: 06261/9187-20, Wolfgang Weißbrod<br />

E-Mail: Wolfgang.Weißbrod@<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>.de<br />

64


Betreuungsverein <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> e.V.<br />

74821 Mosbach, Ölgasse 5, Tel.: 06261/9187-25, Bärbel Juchler-Heinrich<br />

E-Mail: Betreuungsverein@<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>.de<br />

Beratungsstelle für Menschen mit Behinderungen und ihre Familien<br />

Landratsamt <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>, <strong>Neckar</strong>elzer Str. 7, 74821 Mosbach<br />

Ansprechpartner:<br />

Jutta Schuele, Tel.: 06261/84-2282, E-Mail: Jutta.Schuele@<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>.de oder<br />

Thomas Bauer, Tel.: 06261/84-2218, E-Mail: Thomas.Bauer@<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>.de<br />

Selbsthilfegruppen und Clubangebote<br />

Angehörigengruppe – Gesprächsgruppe<br />

Treffen: jeden 2. Mittwoch im Monat<br />

beim Sozialpsychiatrischen Dienst, <strong>Neckar</strong>elzer Str. 1, 74821 Mosbach<br />

Tel.: 06261/9299-0<br />

Club „Lumpenglöckle“ für ältere Menschen<br />

des Diakonischen Werkes der ev. Kirchenbezirke im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />

<strong>Neckar</strong>elzer Str. 1, 74821 Mosbach, Tel.: 06261/9299-0<br />

Biotop e.V.<br />

Vorsitzender: Gerd Powietzka, Drosselweg 4, 74847 Obrigheim, Tel.: 06262/62831<br />

Treffen: Selbsthilfegruppe trifft sich in der Tagesstätte des Diakonischen Werkes,<br />

<strong>Neckar</strong>elzer Str. 1, 74821 Mosbach<br />

Psychosomatische Selbsthilfegruppe „Rosinante“<br />

Treffen jeden 1. und 3. Donnerstag im Monat.<br />

Alte Brückenstraße 1 (AWO), 74821 Mosbach, Tel.: 0175-8003473 oder 0175-1520877<br />

„Das Boot“ e.V.<br />

Schloß Waldleiningen<br />

Werkstätte für Menschen mit Behinderung<br />

<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-Werkstätten der Johannes-Anstalten Mosbach (NOW)<br />

Industriestraße 10 in Mosbach<br />

Integrationsfachdienst<br />

Integrationsfachdienst Mosbach<br />

Renzstraße 8, 74821 Mosbach, Telefon 06261/ 8937-18,<br />

info@ifd-mosbach.de<br />

65

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!