Teilhabeplan WEB - Neckar-Odenwald-Kreis
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Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Landratsamt <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
Renzstraße 10, 74821 Mosbach<br />
Bearbeitung:<br />
Fachbereich Jugend Gesundheit Arbeit und Soziales<br />
Renate Körber<br />
Christian Köckeritz<br />
Melanie Rausch<br />
Peter Roos<br />
Michael Wedler<br />
In Zusammenarbeit<br />
mit dem Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg, Referat 22.<br />
Titelbild: „Unterschiedlichkeit der Menschen“ von Herrn Möller, entstanden während einer<br />
arbeitsbegleitenden Maßnahme zur Persönlichkeitsbildung in den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-Werkstätten<br />
(NOW) für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen in Mosbach<br />
Bei Fragen und Anregungen zum <strong>Teilhabeplan</strong> wenden Sie sich bitte an:<br />
Fachgebiet Eingliederungshilfe (Herrn Christian Köckeritz)<br />
<strong>Neckar</strong>elzer Straße 7, 74821 Mosbach, Tel: 06261/84-2213, Fax 06261/84-4745<br />
Christian.Koeckeritz@neckar-odenwald-kreis.de<br />
Urheberrecht:<br />
Copyright <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>, Mosbach (Deutschland). Alle Rechte vorbehalten.<br />
Haftung:<br />
Alle Angaben in dieser Veröffentlichung erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr und<br />
entsprechen dem Stand zum Zeitpunkt der jeweiligen Erhebung. Angaben in dieser Veröffentlichung<br />
begründen keinen Rechtsanspruch irgendeiner Art.<br />
Hinweis:<br />
Die Angaben und Bezeichnungen beruhen auf dem Stand vom 31.12.2008, soweit keine<br />
abweichenden Zeiträume benannt sind und werden aus Vereinfachungsgründen in der männlichen<br />
Version verwendet.
VORWORT<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
„Niemand plant zu versagen,<br />
aber die meisten versagen beim Planen.“<br />
(Lee Iacocca)<br />
vor Ihnen liegt unser erster <strong>Teilhabeplan</strong> für seelisch behinderte Menschen. Der <strong>Neckar</strong>-<br />
<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> wird damit seiner besonderen Verantwortung in diesem Bereich gerecht.<br />
Eine umfassende Darstellung des vorhandenen Angebotsspektrums, eine konsequente<br />
Analyse der Stärken und Schwächen, eine Abschätzung des künftigen Entwicklungsbedarfs,<br />
vor allem aber eine Vielzahl konkreter Handlungsempfehlungen machen diesen Plan zu<br />
einer ganz zentralen Grundlage unserer weiteren Arbeit.<br />
Menschen, die an einer seelischen Behinderung leiden, sind anders. Viele leben in ihrer<br />
ganz eigenen Welt. Sie dort abzuholen, mitzunehmen und individuell zu fördern, ist eine<br />
große Herausforderung für uns alle. Wir wollen uns dieser Herausforderung aber aktiv<br />
stellen. Deshalb ist unser Psychiatrieplan auch bewusst kein in sich abgeschlossenes Werk,<br />
sondern vielmehr nur der Beginn eines umfassenden Planungsprozesses, der bei sich<br />
ändernden Rahmenbedingungen kontinuierlich fortgeschrieben werden soll.<br />
Jeder von uns erhebt den Anspruch auf ein möglichst selbstbestimmtes, glückliches Leben.<br />
Für Menschen mit einer seelischen Behinderung gilt das in genau derselben Weise. Unser<br />
<strong>Teilhabeplan</strong> soll mithelfen, dass dieser Anspruch Wirklichkeit wird. Nutzen wir deshalb<br />
gemeinsam die Chance, die dieser Plan bietet. Auch wenn uns der Rahmen durch andere<br />
vorgegeben wird: Die konkrete Umsetzung vor Ort haben wir selbst in der Hand.<br />
Dr. Achim Brötel<br />
Landrat
I. AUSGANGSSITUATION 1<br />
1. Zuständigkeit 1<br />
2. Aufgabe und Ziel der <strong>Teilhabeplan</strong>ung 1<br />
3. Vorgehensweise 2<br />
II. GESETZLICHE GRUNDLAGEN UND BEGRIFFSBESTIMMUNGEN 2<br />
1. Rechtsgrundlagen für behinderte Menschen 2<br />
2. Begriffsbestimmungen 3<br />
3. Landesrechtliche Regelungen zum Gemeindepsychiatrischen Verbund (GPV) 4<br />
III. SITUATIONSANALYSE 5<br />
1. Demografische Struktur 5<br />
2. Regionale Struktur 5<br />
3. Behinderte Menschen im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> 6<br />
4. Anteil der Hilfen für seelisch behinderte Menschen und Suchtkranke am Gesamtanteil der Hilfen für<br />
Menschen mit Behinderung im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> 8<br />
5. Versorgung der psychisch erkrankten und seelisch behinderten Menschen 8<br />
IV. ANGEBOTE FÜR SEELISCH BEHINDERTE UND PSYCHISCH KRANKE MENSCHEN IM<br />
NECKAR-ODENWALD-KREIS 9<br />
1. Angebote für Kinder und Jugendliche 9<br />
1.1. Anteil von Kindern und Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung 9<br />
1.2. Tagesstruktur 12<br />
1.3. Wohnangebote 16<br />
1.4. Medizinische / Therapeutische Versorgung 18<br />
2. Angebote für Erwachsene 24<br />
2.1. Ambulante Angebote 24<br />
2.2. Arbeits- und Tagesstruktur 30<br />
2.3. Wohnangebote 41<br />
2.4. Medizinische / Therapeutische Versorgung 47<br />
3. Angebote für Senioren 52<br />
3.1. Alter und psychische Erkrankung (Gerontopsychiatrische Erkrankungen) 52<br />
3.2. Abgrenzungsproblematik 53<br />
3.3. Ambulante und teilstationäre Angebote 53<br />
3.4. Wohnangebote 53<br />
3.5. Medizinische / Therapeutische Versorgung 55<br />
V. ANGEBOTE FÜR SUCHTKRANKE 56<br />
1. Ambulante Angebote 56<br />
1.1 Beratungs- und Behandlungsstelle 56<br />
1.2 Selbsthilfegruppen 57<br />
1.3 Arbeitskreis Suchtprophylaxe 58<br />
1.4 Kommunales Suchthilfenetzwerk 58<br />
2. Stationäre Angebote 58<br />
VI. ZUSAMMENFASSUNG UND PERSPEKTIVEN 60<br />
ADRESSENVERZEICHNIS
Abkürzungsverzeichnis<br />
ADS / ADHS Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitätssyndrom<br />
Arge Arbeitsgemeinschaft<br />
AWO Arbeiterwohlfahrt<br />
BWB Betreutes Wohnen für Behinderte<br />
BWF Begleitetes Wohnen in Familie<br />
BWLV Baden-Württembergischer Landesverband (für Prävention und Rehabilitation)<br />
e.V eingetragener Verein<br />
EGH-VO Eingliederungshilfeverordnung<br />
FFZ Frühförderzentrum<br />
FuB Förder- und Betreuungsgruppe<br />
GG Grundgesetz<br />
GPV Gemeindepsychiatrischer Verbund<br />
HBG Hilfebedarfsgruppe<br />
IFD Integrationsfachdienst<br />
ISO Industrie-Service <strong>Odenwald</strong><br />
JVA Justizvollzugsanstalt<br />
KiTaG Kindertagesbetreuungsgesetz<br />
KJPIA Psychiatrische Institutsambulanz für Kinder und Jugendliche<br />
KJPP Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie<br />
KVJS Kommunalverband für Jugend und Soziaes<br />
LE Leistungsempfänger<br />
MPD Medizinisch Pädagogischer Dienst<br />
NOK <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
NOW <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-Werkstätten<br />
PIA Psychiatrische Institutsambulanz<br />
PKM Psychiatrische Klinik Mosbach<br />
PSM Psychosomatische Medizin<br />
PZN Psychiatrisches Zentrum Nordbaden<br />
SGB Sozialgesetzbuch<br />
SPDi Sozialpsychiatrischer Dienst<br />
SPHV Sozialpsychiatrischer Hilfeverein<br />
SPZ Sozialpädiatrisches Zentrum<br />
WfbM Werkstatt für behinderte Menschen
I. Ausgangssituation<br />
1. Zuständigkeit<br />
Seit der Auflösung der Landeswohlfahrtsverbände in Baden-Württemberg zum<br />
01.01.2005 ist der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> zuständiger Kostenträger für die<br />
Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen.<br />
Daneben ist der Landkreis auch Planungsträger für die Ausgestaltung der Angebote<br />
der Behindertenhilfe im Landkreis. Dazu gehört die Bestätigung des Bedarfs von<br />
Platzzahlen, Standort, Konzeption und der Wirtschaftlichkeit der Angebote.<br />
Eine investive Förderung von Einrichtungen durch das Land Baden-Württemberg<br />
oder durch den Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) erfolgt nur,<br />
wenn der Standortkreis einer Förderung zustimmt. Zur Aufgabenerfüllung ist es<br />
daher unerlässlich, das Spektrum der Angebote im eigenen <strong>Kreis</strong> zu kennen.<br />
2. Aufgabe und Ziel der <strong>Teilhabeplan</strong>ung<br />
Der „<strong>Teilhabeplan</strong> für Menschen mit einer wesentlichen Behinderung“ soll das<br />
Angebotsspektrum für körperlich, geistig und seelisch behinderte Menschen im<br />
eigenen <strong>Kreis</strong> darstellen, es auf seine Stärken und Schwächen hin analysieren und<br />
den Entwicklungsbedarf in der Zukunft vorausschätzen. Er ist der Beginn eines<br />
umfangreichen und kontinuierlichen Planungsprozesses. Der <strong>Teilhabeplan</strong> enthält<br />
eine Vielzahl von Handlungsempfehlungen, die sich an den Lebensphasen von<br />
Menschen mit Behinderung orientieren.<br />
Er untersucht insbesondere die Hilfsangebote für Menschen mit<br />
• einer seelischen Behinderung oder psychischen Erkrankung<br />
• einer Suchterkrankung<br />
• einer geistigen Behinderung<br />
• einer Körperbehinderung oder einer Sinnesbehinderung.<br />
Die verschiedenen Personenkreise lassen sich am besten in zwei Teilplänen<br />
abbilden, dem <strong>Teilhabeplan</strong> für psychisch erkrankte und seelisch behinderte<br />
Menschen (Teil 1) und dem <strong>Teilhabeplan</strong> für geistig und körperlich behinderte<br />
Menschen (Teil 2).<br />
Um dieser gesamtplanerischen Aufgabe nachzukommen, hat die<br />
Landkreisverwaltung in einem ersten Schritt einen <strong>Teilhabeplan</strong> für Menschen mit<br />
psychischen und seelischen Beeinträchtigungen erstellt.<br />
Zielgruppe<br />
Es geht in diesem ersten Teil um Menschen mit einer psychischen Erkrankung, die<br />
auf Grund der Dauer und Schwere ihrer Erkrankung einen besonderen Hilfebedarf<br />
haben. Gemeint sind Personen, die nicht nur einen rein ärztlichen und<br />
medizinischen Versorgungsbedarf, sondern die darüber hinaus auch einen Bedarf<br />
an Leistungen im Bereich der Tagesstrukturierung, des Wohnens oder der Teilhabe<br />
am Leben in der Gemeinschaft haben. Für diese Hilfeleistungen ist größtenteils der<br />
Landkreis zuständiger Kostenträger.<br />
Ziel der <strong>Teilhabeplan</strong>ung ist, der Politik und der Verwaltung eine<br />
Entscheidungsgrundlage für die Steuerung und für sozialplanerische<br />
Entscheidungen zu bieten. Dabei ist wichtig, nicht nur quantitative, sondern auch<br />
qualitative Aspekte herauszuarbeiten. Der <strong>Teilhabeplan</strong> soll der Beginn eines<br />
1
Planungsprozesses sein, der bei sich veränderten Rahmenbedingungen<br />
kontinuierlich fortgeschrieben wird.<br />
3. Vorgehensweise<br />
Zunächst wurden die vorhandenen Angebote für Menschen mit einer psychischen<br />
Erkrankung bzw. einer seelischen Behinderungen im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
erhoben und analysiert. Mit diesem Teil wurde bereits 2008 begonnen.<br />
Der <strong>Teilhabeplan</strong> soll die gemeinsame Verantwortung von Leistungsträgern,<br />
Leistungserbringern, politisch Verantwortlichen, Menschen mit Behinderung und<br />
ihren Angehörigen für eine bedarfsgerechte Angebots- und Teilhabestruktur<br />
dokumentieren. Deshalb stimmte die Verwaltung die einzelnen Bereiche stets mit<br />
den Leistungserbringern ab.<br />
In einem nächsten Schritt wurden die Angebote gemeinsam bewertet und<br />
Handlungsempfehlungen und Vorschläge zur Weiterentwicklung und Vernetzung<br />
der Angebote erarbeitet. Auch bei der Bewertung, Weiterentwicklung und<br />
Vernetzung der Angebote wurden die Träger der Behindertenhilfe im Landkreis<br />
miteinbezogen.<br />
Der weitere Schritt wird nun darin bestehen, diese Handlungsempfehlungen je nach<br />
Dringlichkeit umzusetzen bzw. bei Planungsprozessen zu berücksichtigen, um die<br />
Versorgung im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> für Menschen mit einer seelischen<br />
Beeinträchtigung zu optimieren.<br />
II. Gesetzliche Grundlagen und Begriffsbestimmungen<br />
1. Rechtsgrundlagen für behinderte Menschen<br />
Im Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland wird besonders in Artikel 3<br />
Abs. 3 darauf hingewiesen, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt<br />
werden darf.<br />
Für die Gewährung von Leistungen für psychisch erkrankte bzw. seelisch<br />
behinderte Menschen gibt es verschiedene Leistungsträger und damit auch<br />
verschiedene Rechtsgrundlagen. Dies können insbesondere die gesetzlichen<br />
Kranken- und Pflegeversicherungen, die Rententräger oder aber der<br />
Sozialhilfeträger sein. Besonders im Bereich der psychischen Erkrankungen und<br />
Suchterkrankungen spielen die Leistungen der Krankenkassen eine große Rolle.<br />
Diese Leistungen werden nach dem Fünften Sozialgesetzbuch (Gesetzliche<br />
Krankenversicherung) gewährt und fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich der<br />
Landkreisverwaltung.<br />
Als Verfasser des <strong>Teilhabeplan</strong>es und Planungsträger der Angebote wird sich der<br />
<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> an dieser Stelle auf die gesetzlichen Bestimmungen des<br />
Sozialhilfeträgers beschränken. Rechtliche Grundlage für die Leistungen, aber auch<br />
für die Pflichten, die ein Sozialhilfeträger hat, ist das Sozialgesetzbuch (SGB)<br />
Erstes Buch I (Allgemeiner Teil), Neuntes Buch IX (Rehabilitation und Teilhabe<br />
behinderter Menschen) sowie das Zwölfte Buch - XII (Sozialhilfe).<br />
Im SGB I werden allgemeine Aussagen getroffen sowie Definitionen und<br />
Grundsätze festgelegt. Weiterhin definiert es mögliche Sozialleistungen und nennt<br />
2
ihre Leistungsträger, deren Aufgaben und Pflichten sowie auch die<br />
Mitwirkungspflichten des Leistungsberechtigten.<br />
Das SGB IX selbst ist kein Leistungsgesetz, sondern es trifft vielmehr allgemeine<br />
Regelungen oder solche zur Ausführung von Leistungen zur Rehabilitation und<br />
Teilhabe von behinderten Menschen. In Teil 1 definiert es die einzelnen Teilhabe-<br />
und Rehabilitationsleistungen für behinderte oder von einer Behinderung bedrohte<br />
Menschen. In § 2 SGB IX wird beispielsweise der „Behindertenbegriff“ einheitlich<br />
geregelt (siehe hierzu III. Nr. 2).<br />
Da das SGB IX kein Leistungsgesetz ist, werden Leistungen der Eingliederungshilfe<br />
auf der Grundlage des SGB XII gewährt. Hier werden speziell im sechsten Kapitel<br />
(§§ 53 – 60 SGB XII) die Leistungen für behinderte Menschen geregelt.<br />
Leistungen auf der Grundlage des SGB XII werden immer nur „nachrangig“ gewährt<br />
(§ 2 SGB XII - Nachranggrundsatz). Das bedeutet, wer sich selbst helfen kann oder<br />
die erforderliche Hilfe von anderen erhält, ist nicht berechtigt, Sozialhilfe zu<br />
erhalten. Hierzu zählen auch die Leistungen „Dritter“ wie z.B. anderer (vorrangig<br />
verpflichteter) Sozialleistungsträger. Dies können speziell im Bereich der<br />
Eingliederungshilfe die Leistungen der Agentur für Arbeit, der Deutschen<br />
Rentenversicherung oder der Kranken- oder Pflegeversicherung sein.<br />
Besteht ein Anspruch auf Eingliederungshilfeleistungen nach SGB XII, so kann die<br />
Hilfe als Sachleistung oder als Geldleistung (wie z.B. als Persönliches Budget)<br />
gewährt werden (§ 10 SGB XII).<br />
Neben den hier genannten gesetzlichen Grundlagen gibt es eine Reihe von<br />
Verordnungen, Richtlinien und Verträge, die die gesetzlichen Bestimmungen<br />
konkretisieren und ausgestalten und derer sich die Landkreisverwaltung bei ihrer<br />
täglichen Arbeit bedient.<br />
Zusätzlich wurde im Dezember 2008 durch den Bundestag und Bundesrat die UN-<br />
Konvention über die Rechte behinderter Menschen ratifiziert. Diese ist nun noch in<br />
nationales Recht umzusetzen.<br />
2. Begriffsbestimmungen<br />
Leistungsberechtigt nach dem SGB IX bzw. XII ist, wer wesentlich behindert oder<br />
von einer wesentlichen Behinderung bedroht ist. Daher ist wichtig zu wissen:<br />
a) Wer ist wesentlich behindert im Sinne des SGB IX und SGB XII?<br />
Gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX ist ein Mensch behindert, wenn seine körperliche<br />
Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher<br />
Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen<br />
Zustand abweicht und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft<br />
beeinträchtigt ist. Von einer drohenden Behinderung spricht man, wenn der<br />
Eintritt der Behinderung bzw. die Beeinträchtigung nach fachlicher Erkenntnis<br />
mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.<br />
Das SGB XII bezieht sich in § 53 hinsichtlich der Leistungsvoraussetzungen für<br />
Eingliederungshilfe auf den Behinderungsbegriff des § 2 Abs. 1 SGB IX.<br />
Voraussetzung für eine Leistung nach dem SGB XII ist daher die wesentliche<br />
Behinderung oder eine drohende wesentliche Behinderung.<br />
Die Eingliederungshilfe – Verordnung (EGH-VO) nach § 60 SGB XII<br />
konkretisiert zusätzlich die einzelnen Behinderungsarten.<br />
3
Eingliederungshilfeleistungen werden nur gewährt, wenn und solange nach den<br />
Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere nach Art und Schwere der<br />
Behinderung, die Aussicht besteht, dass mit der gewährten Hilfe die Aufgabe<br />
der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Gemäß § 53 Abs. 3 SGB XII ist<br />
Aufgabe der Eingliederungshilfe, eine drohende Behinderung zu verhüten, eine<br />
bestehende zu vermeiden bzw. deren Folgen zu mildern und den behinderten<br />
Menschen in die Gesellschaft einzugliedern.<br />
b) Wer ist psychisch erkrankt bzw. seelisch behindert?<br />
Die Eingliederungshilfe – Verordnung geht näher darauf ein, welche Personen<br />
seelisch wesentlich behindert sind. Danach spricht man von einer seelischen<br />
Störung, die eine wesentliche Einschränkung der Teilhabefähigkeit im Sinne<br />
des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zur Folge haben könnte, wenn<br />
1. eine körperlich nicht begründbare Psychose,<br />
2. eine seelische Störung als Folge von Krankheiten oder Verletzungen des<br />
Gehirns, von Anfallsleiden oder von anderen Krankheiten oder körperlichen<br />
Beeinträchtigungen,<br />
3. eine Suchtkrankheit oder<br />
4. eine Neurose oder Persönlichkeitsstörung<br />
vorliegt. Eine wesentliche seelische Behinderung besteht, wenn infolge einer<br />
psychischen Störung oder Krankheit die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der<br />
Gesellschaft in erheblichem Umfang beeinträchtigt ist.<br />
3. Landesrechtliche Regelungen zum Gemeindepsychiatrischen Verbund (GPV)<br />
Ziel des Landes ist, die vielfältigen Angebote der psychiatrischen Versorgung zu<br />
vernetzen, und vorhandene Ressourcen besser zu nutzen. Durch den GPV soll<br />
eine verbindliche Zusammenarbeit der Träger vor Ort erreicht werden. Hierzu sollen<br />
neben dem Sozialpsychiatrischen Dienst zumindest die Tagesstätten für psychisch<br />
Kranke, die Psychiatrische Institutsambulanz (PIA) und die Erbringer der<br />
Soziotherapie beteiligt werden.<br />
Weitere Träger (z.B. des Betreuten Wohnens oder niedergelassene Nervenärzte)<br />
sollen gewonnen werden, so dass medizinische und psychosoziale Leistungen als<br />
Komplexleistungen „aus einer Hand“ entwickelt, erbracht und erschlossen werden.<br />
Um die gewünschten Strukturveränderungen zu forcieren, hat das<br />
Sozialministerium die seitherige Förderung der Sozialpsychiatrischen Dienste<br />
(SPDI) zum 01.01.2007 umgestellt. SPDI’s werden nur noch finanziell gefördert,<br />
wenn diese in einem GPV eingebunden sind.<br />
Das Thema GPV wurde durch die Verwaltung bereits im April 2005 in den<br />
Sozialpsychiatrischen Arbeitskreis des Landkreises eingebracht. Eine<br />
Arbeitsgruppe wurde gebildet. Von dieser wurde eine konsensfähige Vereinbarung<br />
erarbeitet, die durch<br />
• den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
• das Diakonische Werk der evangelischen Kirchenbezirke im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<br />
<strong>Kreis</strong> als Träger des Sozialpsychiatrischen Dienstes im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
(SPDI)<br />
• den Johannes-Anstalten Mosbach als Träger einer Psychiatrischen<br />
Institutsambulanz (PIA)<br />
• dem Psychiatrischen Zentrum Nordbaden als Träger einer Psychiatrischen<br />
Institutsambulanz (PIA)<br />
4
• der Arbeiterwohlfahrt <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong> gGmbH sowie dem Diakonischen Werk<br />
der evangelischen Kirchenbezirke im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> und der ISO<br />
gGmbH als Träger der „Tagesstätte für Psychisch Kranke“<br />
unterzeichnet wurde.<br />
Durch diese Vereinbarung wurde die Vorraussetzung für die Gewährung der<br />
Landeszuschüsse geschaffen. Gleichzeitig war sie der Startschuss für weitere<br />
Planungsgespräche mit dem Ziel, trägerübergreifend wohnortnahe und passgenaue<br />
Hilfen zu entwickeln.<br />
III. Situationsanalyse<br />
1. Demografische Struktur<br />
Die Einwohnerzahl im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> ist seit dem Jahr 2005 rückläufig,<br />
wobei gleichzeitig die Anzahl der älteren Menschen wächst.<br />
davon in den Altersgruppen von … bis unter … Jahren<br />
Jahr insgesamt unter 15 15-18 18-25 25-40 40-65 65 und älter<br />
1997 148.360 26.542 5.353 11.486 36.397 45.574 23.008<br />
1998 148.592 26.331 5.318 11.605 35.674 46.476 23.188<br />
1999 148.938 26.167 5.317 11.696 34.930 47.212 23.616<br />
2000 149.424 25.960 5.491 11.818 34.004 47.992 24.159<br />
2001 150.091 25.657 5.604 12.029 33.131 48.944 24.726<br />
2002 150.951 25.559 5.625 12.333 32.305 49.719 25.410<br />
2003 150.920 25.031 5.703 12.512 31.013 50.453 26.208<br />
2004 151.131 24.519 5.782 12.676 29.998 51.140 27.016<br />
2005 150.628 23.803 5.900 12.529 28.939 51.624 27.833<br />
2006 150.022 23.084 5.891 12.428 27.811 52.304 28.504<br />
2007 149.572 22.500 5.764 12.425 26.761 53.274 28.848<br />
2008 148.763 21.815 5.528 12.423 25.822 54.164 29.011<br />
Tabelle 1: Demographische Entwicklung im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> / Stand: 31.12. des Jahres 1<br />
2. Regionale Struktur<br />
Der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> ist ein Flächenlandkreis mit den zwei Mittelzentren<br />
Mosbach und Buchen. Dabei befindet sich der überwiegende Teil der Angebote im<br />
näheren Umkreis von Mosbach.<br />
Mit Hilfe der Sozialplanung und des <strong>Teilhabeplan</strong>es sollen folgende Aspekte<br />
erarbeitet werden:<br />
• Wie ist die Versorgungsstruktur im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>?<br />
• Wo gibt es viele, wo wenig Angebote?<br />
• Wo müssen neue Angebote geschaffen werden?<br />
• Wie kann man die angesteuerten Ziele umsetzen?<br />
1 Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg – Struktur- und Regionaldatenbank – Ergebnisse für den <strong>Neckar</strong>-<br />
<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
5
Bei der Versorgung ist zu beachten, dass Menschen, die einen Hilfebedarf haben,<br />
nicht erst weite Strecken fahren müssen, um die benötigte Hilfe zu erhalten. Bei der<br />
Neuerrichtung von Angeboten ist zu berücksichtigen, dass die Angebote<br />
zueinander passen, d.h. wo beispielsweise ambulante Wohnformen angeboten<br />
werden, sollte auch die Möglichkeit für eine Tagesstrukturierung (z.B. Tagesstätte,<br />
Werkstatt für behinderte Menschen) bestehen.<br />
Beim Personenkreis der psychisch erkrankten und seelisch behinderten Menschen<br />
ist die Mobilität im Vergleich zu geistig behinderten Menschen größer. Öffentliche<br />
Verkehrsmittel können eher genutzt und Fahrdienste müssen weniger in Anspruch<br />
genommen werden. Dennoch ist wünschenswert, dass die Angebote auf „kurzem<br />
Weg“ erreichbar sind.<br />
3. Behinderte Menschen im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
a) Anzahl der schwerbehinderten Menschen nach dem SGB IX (Schwerbehinderteneigenschaft)<br />
2<br />
Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg trifft folgende Kernaussagen<br />
für schwerbehinderte Menschen (Behinderungsgrad ab 50%):<br />
• In Baden-Württemberg waren am 31. Dezember 2008 insgesamt 780.177<br />
schwerbehinderte Menschen registriert. Der Anteil an der Bevölkerung<br />
betrug damit 7,3 %.<br />
• Eine Schwerbehinderung betrifft häufiger Männer als Frauen: 53,6 % sind<br />
Männer, 46,4 % Frauen.<br />
• Mit dem Alter steigt das Risiko einer Schwerbehinderung kontinuierlich an:<br />
Bei Kindern und Jugendlichen ist nur jede 96. Person schwerbehindert, bei<br />
den über 65-Jährigen ist es hingegen jede fünfte Person.<br />
• Fast 91 % aller Schwerbehinderungen werden durch Krankheiten ausgelöst.<br />
• Häufigste Behinderungsart ist eine Beeinträchtigung der inneren Organe<br />
bzw. Organsysteme.<br />
Die Häufigkeit einer Schwerbehinderung ist landesweit keineswegs einheitlich<br />
hoch, sondern zeigt erhebliche regionale Unterschiede. Der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<br />
<strong>Kreis</strong> hat mit einem Anteil von 14,8 % landesweit den höchsten Wert. Im<br />
Landkreis gibt es zum 31.12.2008 insgesamt 21.944 schwerbehinderte<br />
Menschen.<br />
Generell zeigt sich eine gewisse Abhängigkeit der Schwerbehinderung von der<br />
Altersstruktur der Bevölkerung in den Stadt- und Landkreisen. Der starke<br />
Einfluss des Alters auf die Häufigkeit einer Schwerbehinderung hat zur Folge,<br />
dass in <strong>Kreis</strong>en mit einem höheren Anteil älterer Menschen auch anteilig mehr<br />
Schwerbehinderte wohnen.<br />
Ein weiterer Aspekt für den hohen Anteil an schwerbehinderten Menschen im<br />
<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> könnte natürlich auch die Komplexeinrichtung<br />
Johannes-Anstalten Mosbach sein. Viele Menschen mit körperlich und geistiger<br />
Behinderung leben dauerhaft in den Johannes-Anstalten und wirken sich<br />
dadurch auf die Quote des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es aus.<br />
2 Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg; siehe hierzu<br />
http://www.statistik-bw.de/GesundhSozRecht/Landesdaten/Schwerbehinderte<br />
6
Etwa 70 % der Schwerbehinderungen resultieren aus körperlichen<br />
Einschränkungen verschiedenster Art. Bei rund 22 % handelt es sich um<br />
zerebrale Störungen bzw. geistig-seelische Behinderungen und<br />
Suchtkrankheiten.<br />
Abbildung 1: Schwerbehinderte Menschen in Baden-Württemberg 3<br />
b) Anzahl der Hilfen für wesentlich behinderte Menschen im Sinne des SGB XII<br />
Wie bereits erwähnt, können Menschen mit einer wesentlichen Behinderung im<br />
Sinne des SGB IX bzw. SGB XII oder Menschen, die von einer solchen<br />
Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten. Zum<br />
31.12.2008 waren dies im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> 989 Hilfen 4 .<br />
• 162 rein ambulante Maßnahmen (wie z.B. Frühförderung, integrative Hilfen<br />
in Regelkindergärten oder Regelschulen, ambulant betreute<br />
Wohnangebote),<br />
3 Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg; siehe hierzu<br />
http://www.statistik-bw.de/GesundhSozRecht/Landesdaten/Schwerbehinderte<br />
4 Quelle: Eigene Datenerhebung des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es zum 31.12.2008 – alle Leistungsfälle der Eingliederungshilfe;<br />
ausgenommen Landesblindenhilfe<br />
7
• 444 teilstationäre Hilfen (wie z.B. Besuch von Werkstätten für behinderte<br />
Menschen inklusive des Förder- und Betreuungsbereiches, Besuch von<br />
Sonderschulen oder Sonderschulkindergärten),<br />
• 20 sonstige Hilfen (inklusive Blindenhilfe nach SGB XII),<br />
• 11 Persönliche Budgets,<br />
• 352 stationäre Hilfen (davon 310 dauerhaft in Heimen und 42 bei Bedarf in<br />
Kurzzeit- bzw. Verhinderungspflege).<br />
4. Anteil der Hilfen für seelisch behinderte Menschen und Suchtkranke<br />
am Gesamtanteil der Hilfen für Menschen mit Behinderung im <strong>Neckar</strong>-<br />
<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
Von den vorgenannten 989 Hilfen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII,<br />
werden 180 für (überwiegend) seelisch behinderte bzw. von einer solchen<br />
Behinderung bedrohte Menschen erbracht.<br />
Dies bedeutet, dass etwa 18 % der Leistungen für Menschen mit seelischer<br />
Behinderung erbracht werden. Neuzugänge in der Eingliederungshilfe sind immer<br />
häufiger im Bereich der seelischen Behinderungen zu verzeichnen. Dieser Trend<br />
wird auch landesweit beobachtet.<br />
5. Versorgung der psychisch erkrankten und seelisch behinderten Menschen<br />
Die 180 Hilfen für Menschen mit einer seelischen Behinderung werden innerhalb<br />
und außerhalb des Landkreises wie folgt erbracht:<br />
a) Hilfeart und Leistungsort<br />
Personen<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
13<br />
57<br />
ambulante<br />
Hilfen<br />
44<br />
25<br />
vollstationäre<br />
Hilfen<br />
Hilfeart<br />
8<br />
31<br />
teilstationäre<br />
Hilfen<br />
außerhalb<br />
innerhalb<br />
2<br />
Persönliches<br />
Budget<br />
Abbildung 2: Anzahl der Maßnahmen in einer bestimmten Hilfeart, nach Leistungsort<br />
unterschieden 5<br />
5 Eigene Datenerhebung des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es zum 31.12.2008<br />
8
) Wohnformen<br />
Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> befinden sich 44 % in vollstationären und 43 % in<br />
ambulant betreuten Wohnformen. Lediglich 13 % der betroffenen Personen<br />
leben privat.<br />
Tabelle 2: Nutzung von Hilfen für Menschen mit wesentlicher Behinderung im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<br />
<strong>Kreis</strong> und im Land Baden-Württemberg 6<br />
Bewertung / Handlungsempfehlung:<br />
Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> werden deutlich mehr Menschen mit seelischer Behinderung<br />
stationär versorgt als im Landesdurchschnitt.<br />
Zwei Drittel der stationären Hilfen werden außerhalb des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es<br />
erbracht. Es ist noch näher zu untersuchen, warum dies so ist und ob entsprechende<br />
Angebote im Landkreis geschaffen werden können.<br />
IV. Angebote für seelisch behinderte und psychisch kranke<br />
Menschen im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
1. Angebote für Kinder und Jugendliche<br />
Für seelisch behinderte und psychisch beeinträchtigte Kinder gibt es eine Reihe<br />
von Hilfemöglichkeiten, für deren Leistungsgewährung in erster Linie die<br />
Jugendhilfe zuständiger Ansprechpartner ist. Werden Leistungen im Rahmen der<br />
Frühförderung, d.h. bis zum Eintritt in die Schule erbracht, fällt dies jedoch in den<br />
Aufgabenbereich der Eingliederungshilfe. Dies gilt im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> auch<br />
für integrative Leistungen in Regelkindergärten.<br />
Oftmals ist gerade bei kleineren Kindern eine klare Abgrenzung zwischen den<br />
einzelnen Behinderungsarten schwierig. Bei Kindern im Vorschulalter kann in der<br />
Regel eine seelische Behinderung nicht eindeutig diagnostiziert werden, da es sich<br />
auch um eine Entwicklungsverzögerung oder eine geistige Behinderung handeln<br />
kann. Fest steht jedoch, dass bei immer mehr Kindern Verhaltensauffälligkeiten,<br />
Aufmerksamkeitsstörungen und Sprachentwicklungsverzögerungen festgestellt<br />
werden.<br />
1.1. Anteil von Kindern und Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung<br />
Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> leben 148.763 Menschen, davon sind 74.350 männlich<br />
und 74.713 weiblich. Der Anteil von Kindern und Jugendlichen im Alter bis 21<br />
Jahren beträgt 23,9 % der Gesamtbevölkerung.<br />
6 Kommunalverbandes für Jugend und Soziales (KVJS)- "Fallzahlen und Ausgaben in der Eingliederungshilfe in Baden-<br />
Württemberg nach dem SGB XII"<br />
Hilfen für seelisch<br />
behinderte Menschen<br />
Land NOK<br />
stationär 33% 44%<br />
Betreutes Wohnen 40% 43%<br />
Privat 27% 13%<br />
9
1.1.1. Gliederung nach Altersstufen<br />
Dieser Anteil von Kindern und Jugendlichen bis 21 Jahre gliedert sich wie folgt auf<br />
Altersgruppen (in Jahren) Anzahl in %<br />
unter 3 Jahre 5.089 3,4%<br />
von 4 bis 6 Jahre 4.261 2,9%<br />
von 7 bis 10 Jahre 6.324 4,2%<br />
von 11 bis 15 Jahre 8.663 5,7%<br />
von 16 bis 18 Jahre 5.889 3,9%<br />
von 19 bis 21 Jahre 5.441 3,7%<br />
gesamt 35.667 23,9%<br />
Tabelle 3: Anteil von Kindern und Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<br />
<strong>Kreis</strong> – Gliederung nach Altersstufen 7<br />
1.1.2. Leistungsbezug von Kindern und Jugendlichen aufgrund seelischer<br />
Beeinträchtigung<br />
Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick, wie viele Kinder mit einer seelischen<br />
Beeinträchtigung Leistungen der Eingliederungshilfe nach SGB VIII (Jugendhilfe)<br />
oder SGB XII (Sozialhilfe) zum 31.12.2008 erhalten haben:<br />
Hilfeart<br />
stationär in Einrichtungen<br />
teilstationäre Hilfe (Tagesgruppe,<br />
Übernahme Schulgeld etc.)<br />
ambulante Maßnahmen:<br />
(heilpädagogische Förderung,<br />
Integrationshelfer, Einzelbetreuung,<br />
psychologische Lerntherapie)<br />
stationär in Einrichtungen<br />
integrative Hilfen in<br />
Regelkindergärten und Schulen<br />
Hilfe zum Besuch eines<br />
Sonderschulkindergartens<br />
Hilfe zu einer angemessenen<br />
Schulbildung<br />
ambulante Frühförderung<br />
(heilpädagogische Hilfe)<br />
Frühförderung im<br />
Frühförderzentrum Mosbach-<br />
<strong>Neckar</strong>elz<br />
Anzahl<br />
7<br />
(davon 5 außerhalb des NOK)<br />
9<br />
(davon 3 außerhalb des NOK)<br />
25<br />
2<br />
(davon 1 außerhalb des NOK)<br />
10<br />
GESAMT 63<br />
4<br />
1<br />
1<br />
4<br />
Leistungsträger<br />
Jugendhilfe<br />
Jugendhilfe<br />
Jugendhilfe<br />
Sozialhilfe<br />
Sozialhilfe<br />
Sozialhilfe<br />
Sozialhilfe<br />
Sozialhilfe<br />
Sozialhilfe<br />
Tabelle 4: Anzahl der Kinder und Jugendlichen im Hilfebezug des SGB VIII bzw. SGB XII 8<br />
7 Datenquelle: Statistischen Landesamt Baden-Württemberg sowie einer Datenerhebung des Landratsamtes <strong>Neckar</strong>-<br />
<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> in den <strong>Kreis</strong>gemeinden.<br />
10
Innerhalb des<br />
NOK<br />
54 Personen<br />
(86%)<br />
Aufteilung der Versorgung<br />
außerhalb des<br />
NOK<br />
9 Personen<br />
(14%)<br />
Abbildung 3: Versorgung von Kindern und Jugendlichen innerhalb und außerhalb des <strong>Neckar</strong>-<br />
<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es<br />
1.1.3. Voraussetzung für die Gewährung von Eingliederungshilfe<br />
a) nach § 35a SGB VIII<br />
Kinder und Jugendliche, die unter einer psychischen Störung und Erkrankung<br />
leiden und daraus resultierend in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft<br />
beeinträchtigt sind, gehören überwiegend in den Zuständigkeitsbereich der<br />
Jugendhilfe.<br />
Auf der Grundlage einer fachärztlich zu diagnostizierenden seelischen Störung hat<br />
die Jugendhilfe anhand sozialer Indikatoren zu prüfen und zu entscheiden, ob die<br />
festgestellte Erkrankung Auswirkungen auf die Teilhabe des jungen Menschen am<br />
Leben in der Gesellschaft hat und ein Eingliederungshilfebedarf gem. § 35a SGB<br />
VIII besteht.<br />
Die Hilfe wird je nach Bedarf im Einzelfall<br />
• in ambulanter Form,<br />
• in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen,<br />
• durch geeignete Pflegepersonen und<br />
• in Einrichtungen über Tag und Nacht (stationär) sowie sonstigen Wohnformen<br />
geleistet.<br />
b) nach § 53 SGB XII<br />
Handelt es sich bei der beantragten Hilfe um eine Maßnahme der Frühförderung, ist<br />
das Verfahren zur Feststellung einer wesentlichen Behinderung im Bereich der<br />
Sozialhilfe nach §§ 53 ff. SGB XII ein anderes.<br />
Hier stellt der Träger der Sozialhilfe in der Regel auf der Grundlage von<br />
Stellungnahmen des Gesundheitsamtes oder des Medizinisch Pädagogischen<br />
Fachdienstes des KVJS fest, ob eine wesentliche Behinderung vorliegt bzw. droht<br />
und diese mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate andauert. Ergänzend<br />
hierzu kann eine Stellungnahme des Sozialen Dienstes eingeholt werden, um die<br />
Frage zu klären, ob das Kind durch die Behinderung in seiner Fähigkeit an der<br />
Gesellschaft teilzuhaben eingeschränkt ist. Wird dies bejaht, so erhält das Kind<br />
Eingliederungshilfeleistungen nach § 53 ff. SGB XII.<br />
8 Datenquelle: Auswertung der Leistungsdatei des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es<br />
11
1.2. Tagesstruktur<br />
Die Strukturierung des Tagesablaufs von Kindern kann je nach Alter in unterschiedlicher<br />
Form erfolgen. Man unterscheidet in der Regel in vorschulische und<br />
schulische Angebote.<br />
1.2.1. Vorschulische Angebote<br />
Hilfen für den Besuch von Regel- oder Schulkindergärten sowie andere<br />
vorschulische Angebote werden vom Fachgebiet Eingliederungshilfe bearbeitet. Die<br />
Frühförderung endet mit Schuleintritt des Kindes.<br />
In Baden-Württemberg gibt es für Kinder mit einer Behinderung ein zweigliedriges<br />
Vorschulsystem.<br />
1.2.1.1. Integration in Regelkindergärten<br />
Definition und Verfahren<br />
Behinderte Kinder haben Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens. Das<br />
Kindertagesbetreuungsgesetz (KiTaG) regelt, dass Kinder, die auf Grund ihrer<br />
Behinderung einer zusätzlichen Betreuung bedürfen, in Gruppen zusammen mit<br />
nicht behinderten Kindern gefördert werden, soweit dies ihr Hilfebedarf zulässt.<br />
Ob ein Kind mit einer Behinderung in einem Regelkindergarten gefördert werden<br />
kann, hängt von den Besonderheiten im Einzelfall ab. Es gibt verschiedene<br />
Faktoren, die hier eine Rolle spielen wie z.B. 9<br />
- Kann der zusätzliche Förderbedarf eines Kindes mit Behinderung durch den<br />
Kindergartenträger mit den vorhandenen Personal- und Sachmitteln zuzüglich<br />
der Leistungen der Eingliederungshilfe sichergestellt werden?<br />
- Können die Ziele des Kindergartens erreicht werden? 10<br />
- Stehen keine Belange anderer Kinder der Förderung im Kindergarten<br />
entgegen?<br />
Der zusätzliche individuelle Förderbedarf des Kindes kann hinsichtlich<br />
pädagogischer Anleitung zur Teilhabe am Gruppengeschehen bestehen oder aber<br />
an begleitender Hilfe. Hier spricht man von sogenannten „Assistenzdiensten“ wie<br />
z.B. Hilfe bei Toilettengängen, beim An- und Ausziehen, beim Essen und<br />
Hilfestellung bei Alltagshandlungen. Der zusätzliche Förderbedarf kann auch aus<br />
der Kombination von pädagogischer und begleitender Hilfe bestehen. 11<br />
Ziel einer integrativen Förderung ist, dass Kinder mit Behinderung zusammen mit<br />
Nachbarkindern den Kindergarten vor Ort besuchen können und somit in die<br />
Gemeinschaft integriert werden. Die Förderung sollte sowohl auf den Bedarf des<br />
behinderten Kindes, als auch der Kinder ohne Behinderung ausgerichtet sein. Das<br />
Heranführen an eine gemeinsame Lebens- und Lernform steht im Mittelpunkt. Hier<br />
profitieren die Kinder vom gemeinsamen Spielen, der Lebhaftigkeit und der<br />
Unterstützung der anderen Kinder. Das betroffene Kind muss nicht eine<br />
„Sondereinrichtung“ besuchen, sondern kann am Leben in der Gemeinde<br />
teilnehmen.<br />
Kann ein Kind mit Behinderung unter Berücksichtigung der gegebenen<br />
Bedingungen und der Bedürfnisse des Kindes im Kindergarten nicht angemessen<br />
gefördert werden, kommt eine Integration in einen allgemeinen Kindergarten nicht<br />
in Betracht. Für diesen Fall besteht die Möglichkeit, dass das betroffene Kind in<br />
einem Schulkindergarten gefördert wird (siehe hierzu Nr. 1.2.1.2.).<br />
9<br />
Vgl. hierzu Sozialhilferichtlinien von Baden-Württemberg, Randnummer 54.13/2<br />
10<br />
Vgl. § 2 KiTaG<br />
11<br />
Vgl. hierzu Sozialhilferichtlinien von Baden-Württemberg, Randnummer 54.13/2<br />
12
Fallzahlen und Finanzierung<br />
Der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> finanzierte zum 31.12.2008 die Integration von 4<br />
Kindern mit einer seelischen Behinderung in allgemeinen Kindergärten. Zur<br />
Gewährung von Integrationshilfen in allgemeine Kindergärten und Schulen hat der<br />
<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> Richtlinien erlassen. Je nach Einzelfall wird eine Pauschale<br />
für pädagogische Hilfe in Höhe von 460 € pro Monat und/oder eine Pauschale für<br />
begleitende Hilfe von 308 € gewährt. Die Maximalförderung liegt bei 768 € pro<br />
Monat, wenn eine pädagogische und begleitende Hilfe nötig ist.<br />
Die Einkommens – und Vermögensverhältnisse der betroffenen Familien bleiben<br />
hier unberücksichtigt.<br />
1.2.1.2. Schulkindergärten<br />
Definition und Verfahren<br />
Hat das Kind einen sonderpädagogischen Förderbedarf und ist die Integration in<br />
einen Regelkindergarten nicht möglich, kann es einen Schulkindergarten besuchen.<br />
Der Anspruch auf einen Kindergartenplatz kann demnach auch in einem<br />
Schulkindergarten erfüllt werden.<br />
Auf der Grundlage von Stellungnahmen beispielsweise vom Frühförderzentrum,<br />
Kindergartenfachberater und/oder des Gesundheitsamtes stellt das Staatliche<br />
Schulamt den sonderpädagogischen Förderbedarf eines Kindes fest und<br />
entscheidet über die Aufnahme in einen Schulkindergarten. Zu einer Aufnahme in<br />
einen Schulkindergarten ist das Einverständnis der Eltern erforderlich.<br />
Voraussetzung für eine Leistungsgewährung ist, dass das Kind an einer<br />
wesentlichen seelischen Behinderung leidet bzw. davon bedroht ist und der<br />
Schulkindergarten der geeignete Förderort ist.<br />
Anbieter<br />
Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> gibt es insgesamt 4 Schulkindergärten. Davon sind 3 in<br />
privater Trägerschaft. Bei einem Kindergarten ist der Landkreis Träger.<br />
a) Schulkindergarten „Kleckse“ in Mosbach für geistig-, körperlich- und<br />
sprachbehinderte Kinder mit einer Außengruppe im Kindergarten Rittersbach<br />
(private Trägerschaft: Johannes-Anstalten Mosbach)<br />
b) Schulkindergarten „Vogelnest“ in Schwarzach für geistig- und körperbehinderte<br />
Kinder (private Trägerschaft: Johannes-Anstalten Schwarzach)<br />
c) Schulkindergarten „Pusteblume“ in Buchen für geistig-, körper- und<br />
sprachbehinderte Kinder (Trägerschaft: <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>)<br />
d) Schulkindergarten „St. Theresia“ für erziehungsschwierige Kinder in Seckach<br />
(private Trägerschaft: Kinder- und Jugenddorf Klinge)<br />
Finanzierung<br />
Beim Besuch eines Schulkindergartens in öffentlicher Trägerschaft entstehen keine<br />
Kosten, die im Rahmen der Eingliederungshilfe nach SGB XII übernommen werden<br />
müssten. Stellt das staatliche Schulamt jedoch fest, dass der Besuch eines privaten<br />
Schulkindergartens erforderlich ist, fallen hierfür Kosten an, die als Eingliederungshilfeleistung<br />
übernommen werden können. Zum 31.12.2008 erhielten 4 Kinder<br />
entsprechende Leistungen.<br />
Die Höhe der Vergütung für Kindergärten in privater Trägerschaft richtet sich nach<br />
einer zwischen dem Kindergartenträger und dem Stadt- bzw. Landkreis<br />
geschlossenen Leistungs- und Vergütungsvereinbarung.<br />
13
Eine Beteiligung der Eltern aus Einkommen und Vermögen ist hier nicht<br />
vorgesehen. Gegebenfalls fällt für die Eltern eine Kostenbeteiligung für Mahlzeiten<br />
an, die im Kindergarten eingenommen werden.<br />
1.2.2. Schulische Angebote<br />
Da die Frühförderung von Kindern mit Eintritt in die Schule endet, ist für die<br />
Förderung schulischer Maßnahmen für Kinder mit einer seelischen Störung in der<br />
Regel das Fachgebiet Jugendhilfe zuständig.<br />
1.2.2.1. Integration in Regelschulen<br />
Die Förderung von Kindern mit Behinderungen ist Aufgabe aller Schularten.<br />
Behinderte Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf können in allgemeinen<br />
Schulen unterrichtet werden, wenn sie auf Grund der gegebenen Verhältnisse dem<br />
gemeinsamen Bildungsgang in dieser Schule folgen können. Die allgemeinen<br />
Schulen werden von den Sonderschulen unterstützt und arbeiten soweit wie<br />
möglich mit ihnen zusammen 12 .<br />
Definition<br />
Bei einer Integrationshilfe in Regelschulen handelt es sich um eine ambulante<br />
Unterstützung („Integrationshelfer“). Eingliederungshilfeleistungen kommen nur für<br />
begleitende Hilfen durch eine schulfremde Person - sogenannte „Assistenzdienste“<br />
- in Betracht. Dies kann z.B. Hilfe bei Toilettengängen, beim An- und Ausziehen,<br />
beim Essen, in Pausen oder Hilfestellung bei Alltagshandlungen sein. Für<br />
pädagogische Maßnahmen kann keine Eingliederungshilfe gewährt werden, da dies<br />
in den Verantwortungsbereich der Schule fällt.<br />
Betroffen sind zumeist Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung<br />
(ADHS) sowie Kinder mit autistischen Verhaltensweisen.<br />
Wird ein Bedarf festgestellt, so bemisst sich die zu gewährende Eingliederungshilfe<br />
an der im Einzelfall festgestellten notwendigen Begleitung. Der Umfang und die<br />
Erforderlichkeit der Assistenz werden in einem Hilfeplan unter Beteiligung der<br />
Schule und der Eltern festgestellt.<br />
Fallzahlen<br />
Zum Stichtag 31.12.2008 erhielten 6 Kinder bzw. Jugendliche integrative Hilfe in<br />
Grund- und Hauptschulen sowie in Realschulen.<br />
Finanzierung<br />
Auch hier sind die Richtlinien des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es zur Gewährung von<br />
Eingliederungshilfe zur Integration in allgemeinen Kindergärten und Schulen<br />
maßgebend. Bei den Integrationshelfern handelt es sich um Fach- oder Hilfskräfte,<br />
die auf Honorarbasis tätig sind. Die monatliche finanzielle Bandbreite reicht je nach<br />
Bedarf von 800 € bis 2.700 € pro Fall.<br />
Der Einsatz von Einkommen und Vermögen wird bei Hilfen zu einer angemessenen<br />
Schulbildung nicht verlangt.<br />
1.2.2.2. Sonderschulen<br />
Definition und Verfahren<br />
Sonderschulen dienen der Erziehung, Bildung und Ausbildung von behinderten<br />
Schülern und Schülerinnen mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf, der in<br />
allgemeinen Schulen nicht gedeckt werden kann 13 .<br />
12 Vgl. § 15 Abs. 4 und 5 Schulgesetz für Baden-Württemberg<br />
13 § 15 Abs. 1 Schulgesetz für Baden-Württemberg<br />
14
Nach dem Schulgesetz von Baden-Württemberg gibt es je nach Behinderungsart<br />
verschiedene Sonderschultypen wie z.B. Schulen für Blinde und Sehbehinderte,<br />
Schulen für Hörgeschädigte, Schulen für Sprachbehinderte, Schulen für<br />
Geistigbehinderte, Schulen für Körperbehinderte und bei längeren<br />
Krankenhausaufenthalten auch eine Schule für Kranke. Auch in vielen<br />
Sonderschulen können gängige Bildungsabschlüsse erreicht werden.<br />
Das Staatliche Schulamt ist federführend für das Verfahren zur Feststellung der<br />
geeigneten Beschulung für Kinder zuständig. Es entscheidet im Einvernehmen mit<br />
den Eltern, ob ein behinderter Schüler die Pflicht hat, eine Sonderschule zu<br />
besuchen und welche Art von Sonderschule für ihn passend ist 14 .<br />
Anbieter<br />
Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> gibt es 4 Sonderschulen für Erziehungshilfe, die<br />
durch die Eingliederungshilfe belegt werden. Diesen Schultyp bieten an:<br />
• Nardini-Schule am Kinder- und Jugendheim St. Kilian in Walldürn mit einer<br />
Außenklasse in Mosbach (mit Förderschulbereich)<br />
• St. Bernhard-Schule am Kinder- und Jugenddorf Klinge in Seckach (mit<br />
Förderschulbereich)<br />
• Schwarzbachschule der Johannes-Anstalten Mosbach, Schwarzacher Hof (mit<br />
Förderschulbereich)<br />
• Johannesbergschule der Johannes-Anstalten Mosbach (mit Förderschulbereich)<br />
Außerdem gibt es folgende weitere Sonderschulen:<br />
Förderschulen:<br />
• Astrid-Lindgren-Schule in Osterburken-Bofsheim<br />
• Meister-Eckehart-Schule in Buchen<br />
• Gebrüder-Grimm-Schule in Aglasterhausen-Daudenzell<br />
• Hardbergschule in Mosbach<br />
Schule für Geistigbehinderte:<br />
• Alois-Wißmann-Schule in Buchen<br />
Schule für Geistig- und Körperbehinderte:<br />
• Johannesbergschule der Johannes-Anstalten Mosbach<br />
• Schwarzbachschule der Johannes-Anstalten Mosbach, Schwarzacher Hof<br />
Schule für Sprachbehinderte:<br />
• Schule für Sprachbehinderte in Buchen<br />
Schule für Kranke:<br />
• Private Kliniksonderschule der Johannes-Anstalten, Schwarzacher Hof<br />
Außerhalb des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es gibt es eine Vielfalt von Sonderschulen,<br />
die teilweise auch von Schülern aus dem Landkreis besucht werden, wenn das<br />
Angebot vor Ort nicht passend oder nicht ausreichend ist, z.B. für blinde,<br />
sehbehinderte und hörgeschädigte Kinder.<br />
14 Vgl. § 82 Abs. 2 Schulgesetz für Baden-Württemberg<br />
15
Finanzierung<br />
Bei Sonderschulen in Trägerschaft des Landes oder des Landkreises entstehen in<br />
der Regel keine Kosten für den Besuch der Sonderschule, die im Rahmen der<br />
Eingliederungshilfe zu übernehmen wären. Anders hingegen verhält es sich bei<br />
privaten Sonderschulen. Die Träger der privaten Sonderschulen haben mit dem<br />
Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS), der im Auftrag des<br />
Landkreises handelt, eine Vereinbarung über die Vergütung getroffen.<br />
Eingliederungshilfeleistungen werden demnach in Höhe der vereinbarten<br />
Vergütungssätze für den Besuch der Schule übernommen – ein sogenanntes<br />
Schulgeld.<br />
Bewertung / Handlungsempfehlung:<br />
Für einen Landkreis in der Größe des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es wird ein gutes und<br />
flächendeckendes vorschulisches und schulisches Angebot für Kinder mit Behinderung<br />
vorgehalten.<br />
Für Kinder und Jugendliche mit einer wesentlichen seelischen Behinderung gibt es keinen<br />
gesonderten Schultyp. Dies liegt daran, dass die Auswirkungen dieser Behinderungsart so<br />
individuell und unterschiedlich sind, dass keine homogenen Gruppen gebildet werden<br />
können. Somit wird dieser Personenkreis meist integrativ, in einer Spezialeinrichtung oder in<br />
einer Schule für Erziehungshilfe beschult. In einigen Fällen ist der Bedarf so speziell, dass<br />
Kinder- und Jugendliche in weit entfernten Einrichtungen untergebracht und beschult werden<br />
müssen.<br />
Integrative Beschulung in Regelschulen wird häufig durch Klassengrößen und<br />
Lehrerversorgung erschwert. Die zusätzliche Belastung einer Integrationsleistung bringt das<br />
System Schule oft an seine Grenzen. Sehr hohe Forderungen an die Leistungen der<br />
Eingliederungshilfe sind die Folge. Hierbei spielt in zunehmendem Maße das Thema<br />
Schulbegleitung eine Rolle. Diese kann nach bestehender Rechtslage nur in Regelschulen<br />
gewährt werden. Trotz dieser Einschränkung versucht der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>, den<br />
Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls Rechnung zu tragen.<br />
Im Dezember 2008 hat der Bundestag und Bundesrat die UN-Konvention über die Rechte<br />
behinderter Menschen ratifiziert. Hierin sind auch die Grundsätze für die Bildung und<br />
Erziehung niedergelegt. Welche Auswirkungen ein „inclusive education System at all levels“<br />
für die differenzierte Schullandschaft in Baden-Württemberg haben wird, ist noch nicht<br />
absehbar.<br />
1.3. Wohnangebote<br />
Neben den bereits beschriebenen Sonderschulen gibt es für Kinder mit einer<br />
seelischen Behinderung auch Schulangebote mit einer vollstationären<br />
Unterbringung.<br />
Definition<br />
Die Kinder und Jugendlichen wohnen in einer Einrichtung und erhalten dort<br />
zusätzlich auch eine Tagesstruktur. Sie besuchen je nach Alter einen<br />
Schulkindergarten, eine Sonderschule oder eine berufsvorbereitende Maßnahme.<br />
Die Notwendigkeit, dass eine Sonderschule stationär besucht werden muss, kann<br />
verschiedene Gründe haben 15 :<br />
- Schulische Gründe liegen beispielsweise vor, wenn vor Ort keine passende<br />
Sonderschule vorhanden ist oder diese nicht zumutbar erreicht werden kann.<br />
15 siehe hierzu: Grundlagenpapier Fallmanagement in der Eingliederungshilfe des Kommunalverbandes für Jugend und<br />
Soziales Baden-Württemberg<br />
16
- Außerschulische Gründe für eine stationäre Unterbringung mit Schulbesuch<br />
liegen z.B. dann vor, wenn die familiäre Situation des behinderten Kindes<br />
schwierig ist, die Eltern überlastet sind und ein weiterer Verbleib des Kindes in<br />
der Familie nicht sinnvoll ist.<br />
Bei einer vollstationären Beschulung gibt es zwei Arten von Sonderschulen<br />
a) Heimsonderschule:<br />
Eine Heimsonderschule ist ein sogenanntes 5-Tage-Internat. Das heißt, die<br />
Kinder sind in der Regel an Wochenenden und in den Ferien zu Hause. Die<br />
Gründe für den Besuch einer solchen Schule sind meist schulisch. Dies ist der<br />
Fall, wenn sich keine passende Sonderschule in erreichbarer Nähe des<br />
Wohnortes des Kindes befindet. Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> ist das<br />
insbesondere bei sinnesbehinderten Kindern der Fall.<br />
b) Sonderschule am Heim:<br />
Von einer Sonderschule am Heim spricht man, wenn das Kind die meiste Zeit,<br />
also auch an Wochenenden und Schulferien im Heim untergebracht ist. Hier<br />
sind es meist außerschulische Gründe wie z.B. Überlastung der Familien oder<br />
wegbrechende Familien, die eine Unterbringung im Heim erforderlich machen.<br />
Anbieter und Fallzahlen<br />
Im Bereich der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche sind es die gleichen<br />
Anbieter, die Hilfe zur Erziehung gem. § 34 SGB VIII (Heimerziehung) leisten.<br />
Vereinzelt bieten Jugendhilfeeinrichtungen „Spezialgruppen“ für seelisch behinderte<br />
Kinder und Jugendliche an.<br />
Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> nehmen das Kinderheim St. Kilian in Walldürn und das<br />
Kinder- und Jugenddorf Klinge in Seckach auch junge Menschen mit einem<br />
Eingliederungshilfebedarf gem. § 35a SGB VIII auf. Insgesamt werden 7 Kinder und<br />
Jugendliche über die Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Einrichtungen<br />
finanziert.<br />
Auch in den Johannes-Anstalten Mosbach ist 1 Kind untergebracht. Hier kommt zur<br />
seelischen Behinderung eine starke Verhaltsauffälligkeit, eine geistige Behinderung<br />
oder auch autistische Verhaltensweise dazu. Für diese Unterbringungen<br />
wird Eingliederungshilfe nach den Vorschriften des SGB XII gewährt.<br />
Finanzierung<br />
Die Kosten für eine stationäre Unterbringung nach SGB VIII oder SGB XII richten<br />
sich nach den zwischen den Einrichtungsträgern und dem KVJS, der im Auftrag der<br />
Landkreise tätig wird, verhandelten Vergütungssätzen. Bei stationärer oder<br />
teilstationärer Unterbringung wird von den Eltern der Kinder je nach<br />
Einkommenssituation ein Kostenbeitrag erhoben.<br />
Bewertung / Handlungsempfehlung:<br />
Der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> ist in der glücklichen Lage, ein sehr gut ausgebautes<br />
Wohnangebot für den Personenkreis der seelisch behinderten Kinder und Jugendlichen zu<br />
haben.<br />
Sowohl die beiden großen Einrichtungen der Jugendhilfe, das Kinder- und Jugenddorf Klinge<br />
in Seckach und das Kinder- und Jugendheim St. Kilian in Walldürn, als auch die Johannes-<br />
Anstalten Mosbach als Komplexeinrichtung der Eingliederungshilfe bieten ein<br />
breitgefächertes Angebot, das auch überregional genutzt wird.<br />
17
Der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> steht mit den genannten Einrichtungen in einem stetigen<br />
Austausch. Sich ändernde Bedarfe können somit frühzeitig erkannt und entsprechende<br />
Angebote gemeinsam entwickelt werden.<br />
Kinder und Jugendliche mit einer wesentlichen seelischen Behinderung werden in der Regel<br />
integrativ untergebracht. Trotzdem gibt es immer wieder Einzelfälle, die ein spezielles<br />
Angebot benötigen (z.B. Essstörungen, Autismus), welches auf Grund der geringen<br />
Fallzahlen im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> nicht vorgehalten werden kann. In diesen Fällen sind<br />
Unterbringungen außerhalb des Landkreises notwendig, teilweise sogar überregional.<br />
Eine Besonderheit stellt der Übergang von der Kinder- und Jugendpsychiatrie in ein<br />
Wohnangebot der Jugendhilfe dar. Kinder und Jugendliche, die nach einem Aufenthalt in<br />
einer Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht mehr nach Hause entlassen werden können, sind<br />
vielfach noch nicht stabil genug, um in einer Regelgruppe der Jugendhilfe leben zu können.<br />
Dekompensation und Wiedereinweisung sind dann die Folge. Um diesen „Drehtüreffekt“ zu<br />
durchbrechen ist die Einrichtung von speziellen Übergangsgruppen erforderlich.<br />
Insgesamt steigen die Fallzahlen sowohl in den Regelgruppen der Jugendhilfe als auch in<br />
den Spezialeinrichtungen. Hier drückt sich eine ähnliche Symptomatik aus, die auch im<br />
Bereich der Frühförderung zu beobachten ist. Verhaltensproblematiken mit Aktivitäts- und<br />
Aufmerksamkeitsstörungen sind hierbei vielfach der Einstieg in eine Spirale, an deren Ende<br />
die Teilhabe eines Kindes oder eines Jugendlichen am Leben in der Gemeinschaft gefährdet<br />
ist.<br />
1.4. Medizinische / Therapeutische Versorgung<br />
Die Geburt eines kranken oder behinderten Kindes stellt für viele betroffene Eltern<br />
eine große Belastung dar. Ebenso schwierig ist es, wenn sich eine Behinderung<br />
erst im Verlauf der Entwicklung des Kindes abzeichnet. In beiden Situationen<br />
brauchen Eltern von Beginn an eine fachlich kompetente Unterstützung und<br />
Beratung. Durch früh einsetzende Hilfe kann man den betroffenen Kindern und<br />
ihren Familien eine passende Förderung zukommen lassen.<br />
1.4.1. Frühförderzentrum Mosbach-<strong>Neckar</strong>elz (FFZ)<br />
Das Frühförderzentrum in Mosbach-<strong>Neckar</strong>elz vereint ein Sozialpädiatrisches<br />
Zentrum, eine interdisziplinäre Frühförderstelle und eine Sonderpädagogische<br />
Beratungsstelle unter einem Dach.<br />
Das Frühförderzentrum erbringt Leistungen für entwicklungsauffällige und von<br />
einer Behinderung bedrohten bzw. behinderten Kinder im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>.<br />
Es übernimmt einen Großteil der Therapien vor allem bei schwer- und mehrfach<br />
behinderten Kindern.<br />
Bedingt durch die unterschiedlichen Behinderungsformen und ihre Ausprägung<br />
bietet das FFZ ein sehr breites Spektrum an Leistungen an. Dieses Angebot findet<br />
man außerhalb des Zentrums so nicht wieder. Im FFZ werden sowohl ärztliche wie<br />
auch nichtärztliche sozialpädiatrische Leistungen, psychologische und heilpädagogische<br />
Leistungen und psychosoziale Leistungen erbracht. Weiterhin werden soweit<br />
dies erforderlich ist Physiotherapie, Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie sowie<br />
Beschäftigungstherapie angeboten.<br />
Die Leistungen im FFZ werden als Komplexleistung erbracht und können<br />
• ein offenes Beratungsangebot bei der Erstberatung und Erstuntersuchung,<br />
• Interdisziplinäre Diagnostik inkl. Aufstellung eines Förder- und Behandlungsplanes,<br />
18
• Behandlung und Förderung – Medizinische / Therapeutische Leistungen und<br />
heilpädagogische Leistungen sowie<br />
• Kooperation und Beratung von anderen Stellen<br />
umfassen.<br />
Definitionen<br />
a) Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ)<br />
Beim SPZ liegt der Schwerpunkt nicht auf der Behinderung, sondern auf der<br />
Krankheit des Kindes. Die Diagnostik steht hier im Mittelpunkt. Daher sind die<br />
Leistungen überwiegend durch die gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)<br />
abgedeckt.<br />
Behandelt werden Kinder, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung<br />
nicht von niedergelassenen Ärzten oder der interdisziplinären Frühförderstelle<br />
behandelt werden können.<br />
Für die Behandlung im SPZ ist eine Überweisung durch den niedergelassenen<br />
Kinder- oder Hausarzt nötig. Die Leistungen enden nicht zwangsläufig mit dem<br />
Eintritt in die Schule bzw. in den Schulkindergarten, sondern können in der Regel<br />
bis zum 18. Lebensjahr in Anspruch genommen werden.<br />
b) Interdisziplinäre Frühförderstelle<br />
Die Interdisziplinäre Frühförderstelle ist ein familien- und wohnortnaher Dienst bzw.<br />
Einrichtung, die der Früherkennung, Behandlung und Förderung von Kindern dient,<br />
um eine drohende oder bereits eingetretene Behinderung zum frühestmöglichen<br />
Zeitpunkt zu erkennen und die Behinderung durch gezielte Förder- und<br />
Behandlungsmaßnahmen auszugleichen oder zu mildern. Oftmals geht eine<br />
Diagnostikphase im SPZ voraus.<br />
Die Leistungen werden in einer interdisziplinären Zusammenarbeit von medizinischtherapeutischen<br />
und pädagogischen Fachkräften erbracht. Die Frühförderstelle<br />
fördert ausschließlich in ambulanter Form. Im Einzelfall findet die Förderung oder<br />
Beratung auch im Elternhaus statt (aufsuchende Hilfe).<br />
Die Leistungen in der Interdisziplinären Frühförderstelle werden längstens bis zum<br />
Schuleintritt des Kindes bzw. zur Aufnahme in einen Schulkindergarten gewährt.<br />
Der Zugang zur Frühförderstelle ist niederschwellig und wird hinsichtlich der<br />
Beratung auch ohne ärztliche Überweisung gewährleistet.<br />
Die Interdisziplinäre Frühförderstelle und das SPZ erstellen nach dem individuellen<br />
Bedarf des Kindes einen Förder- und Behandlungsplan. Hierin werden die<br />
voraussichtlich erforderlichen Leistungen in Zusammenarbeit mit den Eltern vom für<br />
die diagnostischen Leistungen verantwortlichen Arzt und der verantwortlichen<br />
pädagogischen Fachkraft bestimmt. Die zur Förderung und Behandlung<br />
erforderlichen Leistungen werden als ganzheitliche Komplexleistung erbracht.<br />
Ziel einer Behandlung im FFZ ist, das Kind in seiner körperlichen, geistigen und<br />
seelischen Entwicklung zu erfassen und entsprechend seiner Begabung und<br />
Interessen zu fördern. Durch eine früh beginnende geeignete Fördermaßnahme soll<br />
es den Kindern ermöglicht werden, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erlernen und zu<br />
fördern, die im Alltag und im sozialen Miteinander benötigt werden.<br />
Durch eine gut ausgebaute Hilfe verbessern sich die Chancen des Kindes<br />
erheblich, später ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen zu können. Nach<br />
Möglichkeit sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, um einen Regelkindergarten<br />
oder eine Regelschule zu besuchen.<br />
Zielgruppe sind nicht nur die einzelnen Kinder mit Behinderung, sondern die Familie<br />
als Ganzes. Mit Hilfe der Förderung sollen die Kompetenzen der Familien im<br />
Umgang mit der Behinderung ihres Kindes verbessert und die Akzeptanz des<br />
Kindes gefördert werden.<br />
19
Fallzahlen und Einzugsbereich<br />
Das SPZ versorgt hauptsächlich den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> und behandelt im<br />
Jahr etwa 1.400 Kinder.<br />
In der Interdisziplinären Frühförderstelle werden jährlich etwa 150 Kinder betreut.<br />
Das Angebot des Frühförderzentrums wird auch über die <strong>Kreis</strong>grenzen hinaus z.B.<br />
von den benachbarten Landkreisen Heilbronn, Main-Tauber-<strong>Kreis</strong> und dem Rhein-<br />
<strong>Neckar</strong>-<strong>Kreis</strong> genutzt.<br />
Finanzierung<br />
Das SPZ finanziert sich unter anderem durch eine Pauschale der Krankenkassen in<br />
Höhe von 276 € pro Fall. Hierdurch werden die ärztlichen Leistungen abgedeckt.<br />
Da neben der Diagnostik auch ein starker Schwerpunkt auf nichtärztliche<br />
sozialpädiatrische Leistungen gelegt wird, entstehen hier Kosten, die nicht von der<br />
Krankenversicherung übernommen werden. Hierfür wird von Seiten des<br />
Landkreises eine Fallpauschale von 35 € pro Quartal bezahlt. Nicht zuletzt tragen<br />
die Johannes-Anstalten Mosbach als Träger des FFZ einen Eigenanteil.<br />
Die Interdisziplinäre Frühförderstelle wird über einen Zuschuss durch das<br />
Sozialministerium Baden-Württemberg finanziert. Dieser Zuschuss deckt den<br />
größten Teil der Kosten ab. Werden Leistungen im Bereich der Logo- oder<br />
Physiotherapie erbracht, werden diese von Seiten der Krankversicherung<br />
übernommen, wenn eine Heilmittelverordnung vorliegt. Wird für ein Kind eine<br />
heilpädagogische Förderung für sinnvoll erachtet, ist bezüglich der Kostenübernahme<br />
vor Beginn der Maßnahme ein Antrag beim Fachgebiet<br />
Eingliederungshilfe zu stellen. Hier wird geprüft, ob eine wesentliche Behinderung<br />
droht bzw. vorliegt und die Fähigkeit des Kindes, an der Gesellschaft teilzuhaben,<br />
eingeschränkt ist. Wird dies bejaht, so werden die Kosten für eine heilpädagogische<br />
Förderung als Eingliederungshilfeleistung nach SGB IX und XII übernommen.<br />
1.4.2. Sonderpädagogische Beratungsstellen<br />
Die Sonderpädagogischen Beratungsstellen sind ein weiterer wichtiger Baustein in<br />
der Frühförderung.<br />
Definition<br />
Die Sonderpädagogische Beratungsstelle ist ein ambulantes Hilfeangebot, welches<br />
möglichst früh pädagogische Hilfen sowie eine Vernetzung zu anderen Hilfen<br />
anbietet. Ihr Angebot kann für Kinder ab der Geburt bis zum Eintritt in die Schule<br />
oder in einen Schulkindergarten in Anspruch genommen werden.<br />
Die Sonderpädagogischen Beratungsstellen sind den Sonderschulen zugeordnet.<br />
Es ist deren Aufgabe, die Eltern von Kindern mit besonderem Förderbedarf<br />
hinsichtlich der Fördermaßnahmen, geeigneten Vorschuleinrichtungen,<br />
Integrationsmaßnahmen in Regelkindergärten und geeigneter Schulen zu beraten.<br />
Die Angebote der Sonderpädagogischen Beratungsstellen sind frei für die Eltern<br />
zugänglich. Für die Beratung entstehen keine Kosten. Eine ärztliche Verordnung<br />
oder der Nachweis über eine bestehende Behinderung müssen nicht vorgelegt<br />
werden.<br />
Anbieter<br />
Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> gibt es mehrere Sonderpädagogische<br />
Beratungsstellen 16<br />
a) Sonderpädagogische Beratungsstelle des Frühförderzentrums Mosbach-<br />
<strong>Neckar</strong>elz (private Trägerschaft: Johannes-Anstalten Mosbach)<br />
Wie bereits unter 1.4.1 erwähnt, findet man unter dem Dach des<br />
Frühförderzentrums in Mosbach-<strong>Neckar</strong>elz auch eine Sonderpädagogische<br />
Beratungsstelle. Diese ist der Schwarzbachschule – Schule für Geistig- und<br />
16 Vgl. Broschüre „Hilfsnetzwerk für Schüler/innen mit Schulproblemen“ der Arbeitsstelle Kooperation des staatlichen<br />
Schulamtes Mannheim<br />
20
Körperbehinderte – in Schwarzach zugeordnet. Dort sind eine Sonderschullehrerin,<br />
ein Heilpädagoge und eine Ergotherapeutin Ansprechpartner für die<br />
Diagnostik und Frühförderung von geistig und körperlich behinderten und von<br />
einer solchen Behinderung bedrohten Kindern.<br />
b) Andere Sonderpädagogische Beratungsstellen<br />
Weitere Sonderpädagogische Beratungsstellen befinden sich an den einzelnen<br />
Sonderschulen im Landkreis. Hier wird ein spezielles Beratungsangebot je nach<br />
Fachrichtung der Schule vorgehalten. Die Beratungsstellen erreicht man über<br />
die nachfolgend genannten Sonderschulen.<br />
- für sprachbehinderte Kinder in Buchen (Sprachheilschule)<br />
- für sprachbehinderte Kinder in Mosbach (Hardbergschule)<br />
- für entwicklungsverzögerte Kinder in Bofsheim (Astrid-Lindgren-Schule)<br />
- für erziehungsschwierige Kinder in Walldürn (Nardini-Schule)<br />
- für geistig behinderte Kinder in Buchen (Alois-Wißmann-Schule)<br />
- für unterstützte Kommunikation in Schwarzach (Schwarzbachschule)<br />
Finanzierung<br />
Bei den Fachkräften der Sonderpädagogischen Beratungsstellen handelt es sich in<br />
der Regel um Sonderschullehrerinnen bzw. Sonderschullehrer. Diese werden über<br />
die Kultusverwaltung des Landes Baden-Württemberg finanziert. Die Gebäude- und<br />
Sachkosten werden von den jeweiligen Schulträgern getragen.<br />
1.4.3. Andere Beratungsstellen<br />
Außer den Sonderpädagogischen Beratungsstellen gibt es eine Reihe von weiteren<br />
Beratungsstellen, die das Angebot im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> vervollständigen.<br />
Beratung für Hilfen im Schulsystem erhält man bei folgenden Stellen:<br />
• Arbeitsstelle Kooperation<br />
• Autismusbeauftragte<br />
• Schulpsychologische Beratungsstelle<br />
Hilfe bei allgemeinem Schulversagen, Teilleistungsstörungen (z.B. Lese- und<br />
Rechtschreibschwäche, Rechenschwäche), Lern- und Arbeitsschwierigkeiten,<br />
Verhaltensauffälligkeiten, Schul- und Prüfungsängste, Schulschwänzen,<br />
Hochbegabung und ADHS.<br />
Beratung für Vorschulkinder bezüglich der Schulreife oder Frühförderung gibt es bei<br />
• Arbeitsstelle Frühförderung<br />
• Präventive Fachberatung für Kindergärten<br />
Weitere Beratungsstellen sind:<br />
• Beratungsstellen der Caritas und der Diakonie<br />
Für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Lehrkräfte bei Problemen in allen<br />
Lebenslagen, z.B. Erziehungsfragen, Familienprobleme, Entwicklungsverzögerungen,<br />
Krisen bei Kindern und Jugendlichen, Ängste, seelische Probleme,<br />
Schulprobleme, Verhaltensauffälligkeiten, Scheidungssituationen, Gewalt und<br />
Sexueller Missbrauch.<br />
• Psychologische Erziehungs- und Familienberatungsstelle der Caritas<br />
• Psychologische Beratungsstelle für Erziehungs-, Partnerschafts- und<br />
Lebensfragen des Diakonischen Werkes für den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
21
• Beratungsstelle für Menschen mit Behinderungen und ihre Familien<br />
Information über Betreuungs- und Unterstützungsangebote sowie<br />
Hilfeleistungen für behinderte Menschen und ihre Familien.<br />
Die Adressen und Ansprechpartner der einzelnen Beratungsstellen finden sie im<br />
Anhang.<br />
1.4.4. Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der Johannes-<br />
Anstalten Mosbach (KJPP) Schwarzacher Hof inkl. Psychiatrische<br />
Institutsambulanz 17<br />
Die KJPP komplettiert die Angebotspalette im medizinisch-therapeutischen Bereich<br />
für Kinder und Jugendliche. Unter dem Dach der KJPP werden im ambulanten und<br />
stationären Sektor etwa 900 bis 1.000 Kinder im Jahr behandelt.<br />
Definition und Platzzahlen<br />
Die KJPP verfügt über 40 Betten und versorgt jährlich ca. 250 Kinder und<br />
Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr. Es gibt eine Kinder- und zwei<br />
Jugendstationen. In der Kinderstation werden Kinder bis zum 12. Lebensjahr<br />
behandelt. Hierfür stehen 13 Plätze zur Verfügung. Auf dieser Station gibt es eine<br />
integrierte Kindereinheit. Dies ist ein spezielles Angebot, dass es auch Eltern und<br />
jungen Müttern bis zum 21. Lebensjahr ermöglicht, zusammen mit ihrem Kind<br />
aufgenommen zu werden.<br />
Die Jugendstation 1 hat 13 offene Behandlungsplätze für Jugendliche zwischen 13<br />
und 18 Jahren. Die Station 2 behandelt 14 Jugendliche, die teilweise geschlossen<br />
untergebracht sind. Auch hier sind die Jugendlichen zwischen 13 und 18 Jahren.<br />
Junge Menschen mit einer Intelligenzminderung und einer psychischen Erkrankung<br />
werden gemäß einem integrativen Ansatz auf allen Stationen behandelt.<br />
In der KJPP werden nicht nur Kinder aus dem <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> versorgt,<br />
sondern auch überregional. Die KJPP ist neben dem <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> auch<br />
für den Main-Tauber-<strong>Kreis</strong> Erstansprechpartner in Sachen psychiatrische<br />
Versorgung für Kinder und Jugendliche.<br />
Das Aufgabengebiet der KJPP umfasst Diagnostik, Therapie, Prävention sowie<br />
Rehabilitation von psychischen und psychosomatischen Krankheiten bei Kindern<br />
und Jugendlichen. Behandelt wird das gesamte Spektrum an psychischen<br />
Störungen im Kinder- und Jugendalter wie z.B.<br />
- Psychische Erkrankungen als Folge organischer/hirnfunktioneller Störungen<br />
- Depressive, schizophrene und wahnhafte Störungen<br />
- Angst- und Zwangsstörungen<br />
- Anpassungsstörungen und posttraumatische Belastungsstörungen<br />
- Dissoziative Störungen<br />
- Störungen der Persönlichkeitsentwicklung<br />
- Essstörungen<br />
- Tiefgreifende Entwicklungsstörungen (z.B. frühkindlicher Autismus)<br />
- Umschriebene Entwicklungsstörungen (Sprache, Motorik, Lesen, Schreiben,<br />
Rechnen)<br />
- Störung des Sozialverhaltens<br />
- Emotionale Störungen<br />
- Hyperkinetische Störungen (ADS, ADHS)<br />
17 Vgl. Internetauftritt der Kinder – und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der Johannes-Anstalten Mosbach<br />
www.jamos.de/ge/kjpp/kjpp-start.html<br />
22
- Psychische Erkrankungen und Verhaltensauffälligkeiten durch psychotrope<br />
Substanzen (Alkohol, Drogen)<br />
- Intelligenzstörungen mit Verhaltensauffälligkeiten.<br />
Die Diagnostik in der KJPP ist mehrdimensional und umfasst eine medizinische,<br />
psychologische und pädagogische Diagnostik.<br />
Für die Kinder und Jugendlichen, die in der KJPP behandelt werden, gibt es eine<br />
Vielzahl von Beschäftigungsmöglichkeiten sowie pädagogisch begleitete bzw.<br />
erlebnispädagogisch gestaltete Freizeitmöglichkeiten. Die Zusammenarbeit mit den<br />
Eltern und Familien der Patienten ist ein wesentlicher Baustein in der Behandlung.<br />
Hierzu finden regelmäßig Gesprächsgruppen, Beratungen, Elterntrainings,<br />
Hospitationen, Videointeraktionsanalysen, familientherapeutische Sitzungen,<br />
Angehörigengruppen und Elterncafé statt.<br />
Die jungen Patienten werden während ihres Aufenthaltes von einem<br />
multiprofessionellen Team aus Fachärzten, Ärzten, Psychologen, Fachpflegern für<br />
Psychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie, Erzieher, Heilerziehungspfleger und<br />
Krankenschwestern/-pflegern betreut.<br />
An der KJPP gibt es auch eine Klinikschule. Die Schule ist eine allgemeinbildende<br />
Schule, die Schüler aller Schularten während ihres stationären Aufenthaltes betreut.<br />
Der Unterricht berücksichtigt die psychische Störung und orientiert sich am<br />
Leistungsstandard, der aktuellen Leistungsfähigkeit und am Stoffplan der<br />
Heimatschule.<br />
Mit der angeschlossenen Psychiatrischen Institutsambulanz (KJPIA) für Kinder<br />
und Jugendliche, die seelisch krank sind oder von seelischer Erkrankung oder<br />
seelischer Behinderung bedroht sind, wird mit einem eigenen Team auch die<br />
ambulante Versorgung im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> sicher gestellt. Durch eine<br />
Behandlung in der KJPIA sollen Behandlungsabläufe optimiert, Krankenhausaufnahmen<br />
vermieden und stationäre Behandlungszeiten verkürzt werden.<br />
Die ambulante Diagnostik und Therapie kann per Überweisungsschein in der<br />
Institutsambulanz durchgeführt werden. Eine stationäre Aufnahme erfolgt auf<br />
Einweisung eines Facharztes, der Institutsambulanz oder Verlegung aus einem<br />
anderen Krankenhaus.<br />
Finanzierung<br />
Die Leistungen, die Kinder und Jugendliche in der KJPP erhalten, sind<br />
medizinische Leistungen und werden daher von den Krankenkassen übernommen.<br />
Bewertung / Handlungsempfehlung:<br />
Durch das Frühförderzentrum, die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie den<br />
anderen genannten Angeboten hat der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> strukturell ein<br />
hervorragendes Angebot. Beide Einrichtungen sind sehr innovativ und entwickeln ihre<br />
Angebote ständig weiter. Jüngstes Beispiel ist die Einrichtung einer Psychiatrischen<br />
Institutsambulanz der KJPP zur ambulanten Versorgung.<br />
Auffallend ist, dass im Bereich der neurologischen Krankheiten (z.B. Epilepsien,<br />
Muskelerkrankungen) die Fallzahlen bei Kindern und Jugendlichen seit Jahren konstant<br />
sind. Stark wachsend ist der Anteil der Kinder und Jugendlichen mit Verhaltensproblemen<br />
und mit Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen. Hier drückt sich eine gesellschaftliche<br />
Problematik aus, die bereits jetzt zu einem erheblichen Kapazitätsproblem und langen<br />
23
Wartezeiten führt. Auffälligkeiten und Krankheitsbilder werden durch zu spätes Eingreifen<br />
verfestigt, so dass niederschwellige Angebote nicht mehr ausreichend wirken. Aus diesem<br />
Grund sollte besonders bei den frühen Hilfen eine möglichst zeitnahe Versorgung der<br />
Betroffenen ermöglicht werden. Neue konzeptionelle Ansätze im Bereich der so genannten<br />
„Frühen Hilfen“ weisen in die gewünschte Richtung.<br />
Ein weiteres Problemfeld stellt der Übergang von der KJPP ins Elternhaus oder ein<br />
Wohnangebot der Jugendhilfe dar. Diese Übergänge sind so zu gestalten, dass der<br />
„Drehtüreffekt“ ständiger Einweisungen und Entlassungen unterbrochen wird. Hierzu<br />
müssen Angebote entwickelt werden, die es den Betroffenen erlauben, außerhalb der KJPP<br />
zunächst einen gewissen Schutzraum zu erleben, um sich zu stabilisieren. Hierbei ist jedoch<br />
darauf zu achten, dass der Sozialhilfeträger nicht zum Ausfallbürgen medizinischer<br />
Leistungen wird.<br />
2. Angebote für Erwachsene<br />
2.1. Ambulante Angebote<br />
Für die ambulante Versorgung von psychisch kranken Menschen gibt es eine Reihe<br />
von unterstützenden Angeboten. Sie sind geeignet, diesen Personenkreis fachgerecht<br />
so zu unterstützen, dass ein weitgehend selbstbestimmtes Leben in der<br />
Gemeinde dauerhaft möglich ist.<br />
2.1.1. Sozialpsychiatrischer Dienst (SpDi) für Menschen mit psychischen Erkrankungen<br />
Definition<br />
Der SpDi betreut und berät ambulant und wohnortnah Menschen mit psychischen<br />
Erkrankungen und ihre Angehörigen. Die Angebote sind einfach erreichbar und<br />
nutzbar, kostenfrei und unterliegen der Schweigepflicht. Die Leistungen werden von<br />
Fachkräften wie z.B. Sozialarbeitern und Sozialpädagogen erbracht.<br />
Durch den SpDi soll die Grundversorgung chronisch psychisch kranker Menschen<br />
im <strong>Kreis</strong>gebiet sichergestellt und durch die Vernetzung von Versorgungsstrukturen<br />
erweitert werden.<br />
Im Einzelnen bietet der SpDi<br />
- Beratung in Einzel- und Familiengesprächen,<br />
- Besuche während und nach einem stationären Aufenthalt, Begleitungen,<br />
- Unterstützung im Umgang mit Behörden und Institutionen, sozialadministrative<br />
Beratung und Begleitung,<br />
- Unterstützung bei der praktischen Alltagsbewältigung,<br />
- Vermittlung zu anderen Einrichtungen, Diensten und weitergehenden Hilfen, zu<br />
tagesstrukturierenden Angeboten,<br />
- Unterstützung bei der (Wieder-) Aufnahme sozialer Kontakte,<br />
- Fachliche Begleitung einer Selbsthilfe- und einer Angehörigengruppe, die dem<br />
Diakonischen Werk assoziiert sind sowie<br />
- Durchführung von Soziotherapie nach Verordnung durch einen Facharzt.<br />
Mit Hilfe des SpDi soll dem chronisch psychisch kranken Menschen ein weitgehend<br />
eigenständiges Leben in der Gemeinde ermöglicht werden.<br />
Anbieter<br />
Das Diakonische Werk der evangelischen Kirchenbezirke im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<br />
<strong>Kreis</strong> ist Träger des SpDi. Um den Dienst möglichst niederschwellig erreichbar zu<br />
24
machen, hält das Diakonische Werk an drei verschiedenen Standorten des<br />
Landkreises Dienststellen vor: in Adelsheim, Buchen und Mosbach.<br />
Um den Bedürfnissen chronisch psychisch erkrankter Menschen gerecht zu<br />
werden, arbeitet der SpDi vorwiegend aufsuchend (Hausbesuche, Begleitungen).<br />
Als Mitglied im Trägerverbund der Tagesstätte unterhält das Diakonische Werk in<br />
Mosbach und Buchen auch einfach zugängliche tagesstrukturierende<br />
Gruppenangebote, die ebenfalls von SpDi-Mitarbeitern geleitet werden. Dadurch ist<br />
gewährleistet, dass Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen eine Vielfalt von<br />
leicht erreichbaren, fachlich qualifizierten Beratungs- und Betreuungsleistungen<br />
vorfinden. Dies ist auch im Hinblick auf die räumlichen und infrastrukturellen<br />
Bedingungen im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> sinnvoll.<br />
Der SpDi des Diakonischen Werkes wird mit seinen Fachkenntnissen und seiner<br />
Erfahrung bei Bedarf auch in Hilfeplanungsprozesse der Eingliederungshilfe des<br />
Landkreises für psychisch Kranke einbezogen.<br />
Fallzahlen und Struktur der Hilfeempfänger<br />
Laut Dokumentation des SpDi für das Jahr 2008 wurden insgesamt 121 Personen<br />
(79 weiblich, 42 männlich) betreut, davon erhalten 100 eine längerfristige<br />
Betreuung.<br />
Alterstruktur der SpDi - Nutzer<br />
28 - 40 Jahre<br />
20%<br />
41 - 60 Jahre<br />
61%<br />
18-27 Jahre<br />
2%<br />
über 60 Jahre<br />
17%<br />
Abbildung 4: Alterstruktur der längerfristig betreuten SpDi Klienten<br />
Die Zuweisungen neuer langfristiger Betreuungen in den SpDi erfolgten im Verlauf<br />
des Jahres 2008 durch folgende Bereiche:<br />
• Psychiatrisches Krankenhaus (10)<br />
• Niedergelassener Nervenarzt/Arzt (5)<br />
• Sozialamt/ARGE (4)<br />
• Nachbarn, Angehörige, Ehrenamtliche (3)<br />
• Eigeninitiative des Patienten (3)<br />
• Sonstige, z.B. Allgemeiner Sozialdienst, gesetzlicher Betreuer, Therapeut (6)<br />
25
Psychische und Verhaltensstörungen<br />
durch psychotrope Substanzen<br />
weiblich männlich gesamt<br />
0 2 2<br />
Schizophrenie 23 17 40<br />
Affektive Störungen<br />
(z.B. Depressionen, Manie)<br />
Neurotische Belastungsund<br />
somatoforme Störung<br />
Verhaltensauffälligkeiten mit körperlicher<br />
Störung (z.B. Essstörung)<br />
Persönlichkeits- und Verhaltensstörung<br />
(z.B. Boderline-Persönlichkeit)<br />
Nicht näher bezeichnete<br />
psychische Störung<br />
18 14 32<br />
5 0 5<br />
1 0 1<br />
8 1 9<br />
0 1 1<br />
Nichtpsychische Störung 1 0 1<br />
Unklare Diagnoseformulierungen 1 1 2<br />
Unbekannt / Ärztliche Diagnose nicht<br />
vorhanden<br />
6 1 7<br />
Summe 63 37 100<br />
Tabelle 5: psychiatrischen Hauptdiagnosen der längerfristig betreuten SpDI – Klienten 18<br />
Finanzierungsanteil<br />
Im SpDi sind 2,5 Fachkräfte tätig. Der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> fördert den SpDi mit<br />
einem Zuschuss in Höhe von 137.100 €/Jahr. Darin enthalten ist eine Förderung<br />
des Landes Baden-Württemberg in Höhe von 29.100 €/Jahr.<br />
2.1.2. Tagesstätten<br />
Die Situation von psychisch kranken Menschen ist oft dadurch gekennzeichnet,<br />
dass sie nur sehr begrenzt an den gesellschaftlichen Angeboten teilhaben können.<br />
Sie benötigen zur schrittweisen Wiedereingliederung möglichst niederschwellige<br />
Angebote. Soziale und alltagsrelevante Kompetenzen gingen im Verlauf der<br />
Erkrankung teilweise verloren und müssen neu erlernt und trainiert werden.<br />
Antriebslosigkeit und Rückzugstendenzen setzen oft enge persönliche Grenzen.<br />
Chronisch psychisch kranke Menschen sollen die Chance haben, in einem<br />
geschützten Umfeld persönliche Ressourcen und Kompetenzen neu zu entdecken<br />
und weiterzuentwickeln. Hierzu bieten die Tagesstätten gute Voraussetzungen.<br />
Definition<br />
Bei einer Tagesstätte für psychisch behinderte Menschen handelt es sich um ein<br />
offenes Angebot für psychisch erkrankte Menschen. Den Klienten werden dort<br />
tagesstrukturierende Hilfen z.B. in Form von Gruppen angeboten. Die Tagesstätte<br />
dient dem Training sozialer Kompetenzen mit dem Ziel, die Teilhabe und<br />
Wiedereingliederung ins soziale Leben der Gemeinde zu ermöglichen.<br />
18 Datenquelle: Jahresbericht 2008 SPDI Diakonisches Werk im NOK<br />
Freiwillige Dokumentation der Sozialpsychiatrischen Dienste in Baden Württemberg<br />
26
Die Tagesstätte ist Bestandteil der wohnortnahen Versorgung psychisch kranker<br />
Menschen. Sie ist eine wichtige Säule im Gemeindepsychiatrischen Verbund (GPV)<br />
und vervollständigt die vor Ort vorhandenen Versorgungsstrukturen. Das Angebot<br />
der Tagesstätte ist offen. Es besteht keine Verbindlichkeit an den Angeboten<br />
teilzunehmen. Die Nutzung der Tagesstätten hängt, insbesondere in einem<br />
Flächenlandkreis wie dem <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>, auch von einer guten<br />
Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln ab.<br />
Das Angebot richtet sich an nicht nur vorübergehend wesentlich psychisch<br />
erkrankte Menschen. Diese sind auf Grund ihres eingeschränkten Leistungsvermögens<br />
oftmals nicht in der Lage, einer Beschäftigung auf dem allgemeinen<br />
Arbeitsmarkt oder in einer Werkstatt für behinderte Menschen nachzugehen.<br />
Tagesstättenbesucher können insbesondere Klienten des SpDi, des BWB und<br />
BWF, allein oder bei Angehörigen lebende psychisch kranke Personen oder aber<br />
auch Personen sein, die eine Nachsorge nach einer stationären Behandlung<br />
brauchen. Für all diese Menschen kann ein tagesstrukturierendes Angebot zur<br />
Alltagsbewältigung erforderlich sein.<br />
Die Angebote der Tagesstätte sind primär nicht für suchtkranke und geistig<br />
behinderte Menschen vorgesehen.<br />
Ziel<br />
Die Tagesstätte soll die Betroffenen unterstützen, um mit den Anforderungen eines<br />
selbständigen Lebens in der Gesellschaft zurecht zu kommen. Weitere<br />
Förderaspekte sind das Herstellen und die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte,<br />
Eingliederung in das soziale Umfeld und das Training von lebenspraktischen<br />
Kompetenzen. Mit Hilfe von Kontakt- und gemeinsamen Freizeitangeboten soll der<br />
sozialen Isolation entgegengetreten werden. Der Klient soll zu möglichst großer<br />
Selbständigkeit bei der Bewältigung der täglichen Anforderungen befähigt werden.<br />
Anbieter<br />
Die nachfolgenden Anbieter haben sich zu einem Trägerverbund zusammengeschlossen.<br />
Der Verbund betreibt gemeinsam eine Tagesstätte für psychisch<br />
Kranke im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> an 4 Standorten. Grundlage der Kooperation ist<br />
eine gemeinsam erstellte Konzeption. Jeder Träger bietet verschiedene Angebote<br />
an. Die Beratungs-, Betreuungs- und Freizeitangebote sind aufeinander<br />
abgestimmt.<br />
a) Diakonisches Werk im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> (Diakonie)<br />
Das Diakonische Werk unterhält zwei Tagesstätten – eine in Mosbach mit<br />
Raum für ca. 30 Personen und eine in Buchen mit einem Raum für ca. 20<br />
Personen. Beide Tagesstätten haben auf einander abgestimmte Öffnungszeiten<br />
und werden von ca. 60 Personen wöchentlich genutzt. Das Diakonische Werk<br />
bietet folgende Aktivitäten an<br />
- Kontaktgruppe<br />
- gemeinsames Kochen und Mittagessen,<br />
- Arbeitstreff „Mach Mit“ in Kooperation mit der ISO,<br />
- Offener Treff,<br />
- Club- und Aktivierungstreffs,<br />
- Angehörigengruppe,<br />
- Tagesausflüge,<br />
- Reisefreizeiten sowie<br />
- Regelmäßige Angebote des Selbsthilfevereins „Biotop e.V.“.<br />
27
) AWO <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong> gGmbH<br />
Die Tagesstätte in Mosbach wird regelmäßig von ca. 30 Personen genutzt. Der<br />
Großteil der Besucher befindet sich gleichzeitig in einem Betreuten<br />
Wohnangebot (BWB und BWF) der AWO. Dies ermöglicht eine hohe<br />
Betreuungsdichte der BWB- und BWF-Klienten.<br />
Auch für externe Nutzer steht die Tagesstätte offen. Angeboten werden z.B.<br />
- Frühstückstreffs,<br />
- Brunch,<br />
- Kaffeetreff („BEUP-Café“)<br />
- Einkaufs- und Kochtreff,<br />
- Spieletreff,<br />
- Werk- und Computergruppe,<br />
- Kreativtreff sowie<br />
- „Dienstags-Treff“.<br />
Außerdem ist es möglich, dass die Tagesstättenbesucher den Mittagstisch<br />
nutzen.<br />
c) Industrie Service <strong>Odenwald</strong> gGmbH (ISO)<br />
Die ISO ist eine Integrationsfirma und bietet neben sozialversicherungspflichtigen<br />
Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte vor allem Zuverdienstmöglichkeiten<br />
im Bereich Arbeitstraining und Beschäftigung für psychisch Kranke<br />
an.<br />
Folgende Beschäftigungsmöglichkeiten werden angeboten:<br />
- einfaches, offenes niederschwelliges Beschäftigungsangebot „Mach Mit“ in<br />
den Räumen der ISO in Mosbach. In Buchen findet das Angebot dezentral<br />
in den Gruppenräumen der Tagesstätten des Diakonischen Werkes statt.<br />
- Arbeitstraining: Hier steht die Heranführung an Arbeit und<br />
Leistungsfähigkeit, aber auch die Tagestruktur durch Arbeit im Vordergrund.<br />
Wenig verbindlicher Charakter – geringe Leistungserwartung.<br />
- Zuverdienstbereich: Die ca. 45 Arbeitsgelegenheiten sind niederschwellig<br />
und dienen der Tagesstruktur und dem Training von sozialen- und<br />
arbeitsrelevanten Fähigkeiten. Hier gelten feste Absprachen über<br />
verbindliche Arbeitszeiten und Entlohnung. Die Arbeit,<br />
Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit und Konzentrationsfähigkeit stehen<br />
im Vordergrund. Es wird auf weiterführende Maßnahmen oder einen<br />
sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplatz vorbereitet.<br />
Finanzierungsanteil<br />
Die Tagesstättenangebote sind ohne Bedarfsprüfung offen zugänglich und für die<br />
Nutzer in der Regel kostenfrei. Sie werden vom <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> pauschal<br />
mit einem Betrag von jährlich 83.000 € gefördert. Der Förderbetrag wird auf der<br />
Grundlage eines Kooperationsvertrages unter den drei Trägern aufgeteilt.<br />
2.1.3. Beratungsangebote<br />
Manchmal ist ein beratendes Gespräch hilfreich. Hierfür gibt es im <strong>Neckar</strong>-<br />
<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> neben dem bereits erwähnten SpDi einige Beratungsstellen für<br />
seelisch behinderte oder psychisch kranke Menschen.<br />
Anbieter<br />
a) Arbeitskreis Gerontopsychiatrie <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
Information, Beratung und Unterstützung Demenzerkrankter und deren<br />
Angehörigen<br />
28
) Arbeiterwohlfahrt <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong> gGmbH<br />
c) Caritasverband für den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> e.V.<br />
d) Deutsches Rotes Kreuz<br />
e) Diakonisches Werk der evangelische Kirchenbezirke im <strong>Neckar</strong>-<br />
<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
f) Altenhilfefachberatung sowie Behindertenbeauftragter<br />
g) Betreuungsbehörde<br />
h) Betreuungsverein <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> e.V.<br />
i) Beratungsstelle für Menschen mit Behinderungen und ihre Familien<br />
Information über Betreuungs- und Unterstützungsangebote sowie<br />
Hilfeleistungen für behinderte Menschen und ihre Familien<br />
Finanzierung<br />
Die Nutzung der Beratungsstellen ist in der Regel kostenlos. Die Beratungsstellen<br />
werden institutionell bzw. durch ihre Träger finanziert.<br />
2.1.4. Selbsthilfegruppen und Clubangebote<br />
Für psychisch kranke Menschen und auch für deren Angehörige ist es wichtig,<br />
mehr über ihre Erkrankung zu erfahren. Auch der Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten<br />
und anderen Betroffenen ist hilfreich. Hierfür gibt es eine Reihe von<br />
Selbsthilfegruppen<br />
• Angehörigengruppe – Gesprächsgruppe<br />
beim Sozialpsychiatrischen Dienst <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
Mitglied im Landesverband der Angehörigen psychisch Kranker e.V.<br />
• Club „Lumpenglöckle“ für ältere Menschen<br />
des Diakonischen Werkes der evangelischen Kirchenbezirke im <strong>Neckar</strong>-<br />
<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
• Biotop e.V.<br />
• Psychosomatische Selbsthilfegruppe „Rosinante“<br />
• „Das Boot“ e.V.<br />
Bewertung / Handlungsempfehlung:<br />
Mit dem SpDi und der Tagesstätte gibt es zwei wichtige Bausteine zur ambulanten<br />
Versorgung von Menschen mit psychischer Erkrankung und seelischer Behinderung.<br />
Der SpDi wurde im Jahr 2008 personell erheblich aufgestockt und hat dadurch wieder mehr<br />
Handlungsspielraum, um die wohnortnahe Versorgung zu gewährleisten. Diese zentrale<br />
Rolle als erste Anlauf- und Koordinierungsstelle wird dadurch unterstrichen, dass der SpDi<br />
bei Bedarf in das Gesamtplanverfahren der Eingliederungshilfe eingebunden wird.<br />
In der täglichen Arbeit des SpDi ist festzustellen, dass die Klienten immer älter werden. Dies<br />
ist damit zu erklären, dass viele betreute Personen langfristig auf die Betreuung des SpDi<br />
angewiesen sind und sich damit der Altersschnitt insgesamt nach oben bewegt. Jüngere<br />
Klienten scheinen eher weniger den Zugang zum SpDi zu finden.<br />
Nach Einschätzung des SpDi ist daher davon auszugehen, dass zunehmend<br />
Fachkenntnisse des Dienstes in der Beratung von Menschen im höheren Lebensalter<br />
abgerufen werden. Für die Zielgruppe der demenziell erkrankten Personen ist eine eigene<br />
Versorgungsstruktur bereits erkennbar, nicht jedoch für Personen, die an Depressionen,<br />
bipolaren Störungen, Psychosen oder Persönlichkeitsstörungen leiden.<br />
29
Für diese Gruppe der psychisch erkrankten älteren Personen sind angesichts der<br />
demografischen Entwicklung zusätzlich Beratungs- und Betreuungskapazitäten zu<br />
entwickeln.<br />
Die Tagesstätte in der bisherigen Konzeption wird derzeit anhand der aktuellen Bedarfslage<br />
überprüft und neu verhandelt.<br />
2.2. Arbeits- und Tagesstruktur<br />
Die Tages – und Arbeitsstruktur ist für einen psychisch beeinträchtigten Menschen<br />
ein wichtiger Punkt. Gerade bei diesen Personen ist von großer Bedeutung, dass<br />
der Tag strukturiert ist und der Betroffene die Motivation hat, morgens aufzustehen<br />
und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.<br />
Oberstes Ziel ist, den Betroffenen in die Gesellschaft zu integrieren. Bei den<br />
nachfolgend genannten Angeboten im Bereich der Arbeits- und Tagesstruktur<br />
werden die Kompetenzen und Fähigkeiten, die im Arbeitsalltag von Nöten sind, neu<br />
erlernt, trainiert und verbessert. Der psychisch beeinträchtigte Mensch soll wieder<br />
an den Arbeitsalltag herangeführt und in Prozesse integriert werden.<br />
2.2.1. Arbeitsmarktsituation<br />
Allgemeine Arbeitsmarktsituation<br />
Der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> ist ein ländlicher und strukturschwacher <strong>Kreis</strong>. Die<br />
Arbeitslosenquote liegt mit 4,9% (Stand 31.12.09) geringfügig unter dem<br />
Landesdurchschnitt von 5,1%. Sie ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich<br />
angestiegen. Der Arbeitsmarkt im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> ist durch kleine und<br />
mittelständische Unternehmen geprägt. Diese suchen tendenziell eher gut<br />
ausgebildete Mitarbeiter und Fachkräfte. Im Vergleich zu anderen Landkreisen ist<br />
die Arbeitsplatzdichte sehr gering. Viele der Beschäftigten haben ihren Arbeitsplatz<br />
außerhalb des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es und pendeln täglich.<br />
Situation für psychisch beeinträchtigte und seelisch behinderte Menschen<br />
Unter den genannten Bedingungen ist es für Personen mit psychischen<br />
Beeinträchtigungen im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> besonders schwierig, beschäftigt zu<br />
werden. Diesen Menschen fehlen oft die von Arbeitgebern geforderten<br />
Schlüsselqualifikationen wie z.B. Ausdauer, Eigeninitiative, Motivation und<br />
Pünktlichkeit.<br />
Die Betroffenen werden häufig aus dem gesellschaftlichen Leben – auch im Bereich<br />
„Arbeit“ ausgegrenzt. Oftmals hat man kein Verständnis für ihr Verhalten und für<br />
ihre geringe Belastbarkeit. Krisen, Leistungsschwankungen, soziale<br />
Schwierigkeiten und auch Einschränkungen auf Grund von<br />
Medikamenteneinnahme sind an der Tagesordnung und müssen berücksichtigt<br />
werden. Dabei ist gerade ein strukturierter Arbeitsalltag für diesen Personenkreis<br />
besonders wichtig und dient nicht nur dem „Geldverdienen“, sondern auch der<br />
Reintegration in das Arbeitsleben.<br />
Durch Arbeit wird dem psychisch beeinträchtigten Menschen Anerkennung und<br />
Wertschätzung entgegengebracht. Natürlich braucht dieser Personenkreis ein<br />
Umfeld, das auf seine besondere Situation eingestellt ist und damit umzugehen<br />
weiß.<br />
30
Kosten-<br />
träger:<br />
Die nachfolgend aufgeführten Angebote sollen dem Betroffenen Möglichkeiten<br />
bieten, seinen Tag sinnvoll zu gestalten bzw. an einer Arbeitsmaßnahme<br />
teilnehmen zu können.<br />
Allgemeiner Arbeitsmarkt<br />
Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen<br />
Qualifizierung<br />
Ausgelagerte<br />
Arbeitsgruppe /<br />
Einzelarbeitsplatz<br />
Rehabilitationsträger / Integrationsamt<br />
Eingliederungshilfe und Integrationsamt<br />
Integrationsprojekt<br />
(Unternehmen)<br />
regulärer Bereich<br />
Reha-Bereich<br />
ausgelagerte<br />
Arbeitsplätze<br />
Produktionsbereich<br />
Abbildung 5: Drei Säulen des Arbeitsmarktes für Menschen mit Behinderungen 19<br />
Werkstatt für behinderte<br />
Menschen<br />
Berufsbildungsbereich<br />
2.2.2. Angebote nach dem Sozialgesetzbuch (SGB III) - Arbeitsförderung<br />
Um Arbeitslose wieder in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren, gelten die<br />
Bestimmungen des SGB III. Hierbei gibt es eine Reihe von Maßnahmen und<br />
Instrumenten, die für alle Arbeitslosen zur Verfügung stehen.<br />
Die dort genannten Maßnahmen können auch von psychisch beeinträchtigten bzw.<br />
seelisch behinderten Klienten in Anspruch genommen werden.<br />
Zusätzlich zu diesen allgemeinen Förderleistungen gibt es die spezielle Förderung<br />
der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben (§§ 100 ff SGB III). Durch<br />
diese Unterstützungsmöglichkeiten soll die Erwerbsfähigkeit des behinderten<br />
Menschen erhalten, verbessert, hergestellt bzw. wieder hergestellt und die Teilhabe<br />
am Arbeitsleben gesichert werden.<br />
19 Quelle: KVJS – Service Behindertenhilfe, Handlungsempfehlungen im Rahmen der gemeinsamen Grundlagen zur Förderung<br />
von Übergängen wesentlich behinderter Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt<br />
31
Allgemeine Leistungen zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am<br />
Arbeitsleben<br />
Zu den allgemeinen Leistungen gehört z.B.<br />
a) Vermittlungsunterstützende Leistungen (§ 100 SGB III)<br />
b) Vermittlungsunterstützende Leistungen bei der Aufnahme einer Beschäftigung.<br />
Hierzu gehören z.B. die Mobilitätshilfen oder auch die Zahlung von<br />
Lohnkostensubventionen an einen Arbeitgeber. Eine Mobilitätshilfe kann bei<br />
Aufnahme einer Beschäftigung auch dann erbracht werden, wenn der<br />
behinderte Mensch nicht arbeitslos ist und durch die Mobilitätshilfe eine<br />
dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben erreichen kann (§ 101 SGB III).<br />
c) Die Förderung zur Berufsausbildung. Dies kann z.B. durch die Gewährung einer<br />
Berufsausbildungsbeihilfe erfolgen (§ 100 SGB III).<br />
2.2.3. Angebote nach dem Sozialgesetzbuch (SGB II) – Grundsicherung für<br />
Arbeitssuchende<br />
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II erhält<br />
derjenige, der seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den<br />
Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht<br />
oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht<br />
1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,<br />
2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen<br />
sichern kann (erwerbsfähige Hilfebedürftige).<br />
Das SGB II – Grundsicherung für Arbeitssuchende - gewährt auch Leistungen zur<br />
Integration erwerbsfähiger Hilfebedürftiger in den Arbeitsmarkt. Darunter fallen auch<br />
erwerbsfähige, behinderte bzw. psychisch beeinträchtigte Klienten. Hinsichtlich der<br />
Art der Hilfeleistungen verweist das SGB II überwiegend auf die Regelungen des<br />
SGB III – Arbeitsförderung (siehe 2.2.2).<br />
Darüber hinaus stehen für Arbeitslosengeld II-Empfänger spezielle Leistungen zur<br />
Integration in den Arbeitsmarkt nach dem SGB II zur Verfügung. Dazu zählen<br />
insbesondere<br />
Arbeitsgelegenheiten (§ 16d SGB II)<br />
Zur Reintegration psychisch beeinträchtigter Menschen können Arbeitsgelegenheiten<br />
geschaffen werden. Es handelt sich dabei nicht um eine<br />
versicherungspflichtige Beschäftigung. Es wird kein Arbeitsverhältnis im Sinne des<br />
Arbeitsrechts begründet. Der Teilnehmer erhält eine Mehraufwandsentschädigung<br />
von 1,50 € pro geleisteter Arbeitsstunde. Die Beschäftigungszeit bei einer<br />
Arbeitsgelegenheit darf 100 Stunden im Monat nicht übersteigen. Die<br />
Mehraufwandsentschädigung ist an den Teilnehmer als „Lohn“ weiterzugeben.<br />
Daneben erhält der Beschäftigte weiterhin Arbeitslosengeld II.<br />
Leistungen zur Beschäftigungsförderung (§ 16e SGB II)<br />
Arbeitgeber können zur Eingliederung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit<br />
Vermittlungshemmnissen in Arbeit einen Beschäftigungszuschuss als Ausgleich der<br />
zu erwartenden Minderleistung des Arbeitnehmers erhalten.<br />
Voraussetzung für diese Leistung ist u.a., dass mehrere Vermittlungshemmnisse<br />
und eine Langzeitarbeitslosigkeit beim Betroffenen vorliegen.<br />
32
2.2.4. Angebote nach dem Sozialgesetzbuch (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe<br />
behinderter Menschen und dem Sozialgesetzbuch (SGB II) – Sozialhilfe<br />
Fachausschuss<br />
Planung / Beratung =><br />
Fachausschussempfehlung<br />
Hinzuziehung des IFD<br />
Information an den Sozialhilfeträger<br />
Agentur für Arbeit / ggf. sonstiger Reha- Träger<br />
- Berufs-/ Rehaberatung / Planung und Durchführung vorrangiger<br />
Leistungen unter Beteiligung des IFD und frühzeitige Information,<br />
- Beteiligung des Sozialhilfeträgers als möglichen nachfolgenden<br />
Kostenträger<br />
Allgemeiner Arbeitsmarkt<br />
inc. Integrationsprojekt<br />
weitere Begleitung durch IFD,<br />
solange notwendig<br />
regelmäßiger Infoaustausch<br />
aller Beteiligten<br />
Beteiligung<br />
IFD<br />
Abbildung 6: Fachausschussverfahren nach SGB IX 20<br />
WfbM (Eingangs-/Berufsbildungsbereich)<br />
- Erstellung Eingliederungsplan<br />
- Interne Vorbereitung (z.B. Mobilitätstraining<br />
und Training der zeitlichen und psychischen<br />
Arbeitsbelastung)<br />
- Betriebliche Erprobung (z.B. Praktikum)<br />
Vorabinformation an Sozialhilfeträger<br />
Bei Scheitern<br />
Rückkehroption<br />
Arbeitsbereich WfbM<br />
- Ggf. weitere Qualifizierung für<br />
allgemeinen Arbeitsmarkt<br />
- Ggf. befristeter Außenarbeitsplatz<br />
zur Qualifizierung<br />
Frühzeitige Beteiligung des IFD<br />
20 Quelle: Grafik des KVJS – Service Behindertenhilfe, Handlungsempfehlungen im Rahmen der gemeinsamen Grundlagen zur<br />
Förderung von Übergängen wesentlich behinderter Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt<br />
33
2.2.4.1. Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfbM):<br />
Definition<br />
Werkstätten für behinderte Menschen sind Einrichtungen zur Teilhabe und zur<br />
Eingliederung von Menschen mit Behinderungen am bzw. in das Arbeitsleben. Sie<br />
bieten den Betroffenen einen Arbeitsplatz und die Gelegenheit zur Ausübung einer<br />
ihren Eignungen und Neigungen entsprechenden Tätigkeit.<br />
Die Tätigkeit in einer WfbM ist für psychisch beeinträchtigte und seelisch behinderte<br />
Menschen gedacht, die auf Grund psychischer Beeinträchtigung nicht, noch nicht<br />
oder noch nicht wieder in der Lage sind, einer Beschäftigung auf dem allgemeinen<br />
Arbeitsmarkt nachzugehen.<br />
Beschäftigte einer WfbM haben einen arbeitnehmerähnlichen Status. Sie erhalten<br />
im Arbeitsbereich ein Arbeitsentgelt und zusätzlich ein Arbeitsförderungsgeld.<br />
Außerdem übernimmt der Leistungsträger die Beiträge zur Sozialversicherung für<br />
den behinderten Menschen. Somit kann dieser sich durch seine eigene Tätigkeit<br />
selbst einen Rentenanspruch erwerben.<br />
Ein Werkstattbeschäftigter kann sowohl in betreuten Wohnformen als auch<br />
selbständig im privaten bzw. familiären Umfeld wohnen.<br />
Voraussetzungen<br />
Um in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten zu können, muss der<br />
Betroffene ein Mindestmaß an „wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung“<br />
erbringen können. Soll ein Mensch mit Behinderung in einer Werkstatt<br />
aufgenommen werden oder steht ein Wechsel von einem Bereich in den anderen<br />
bevor, wird der Fachausschuss beteiligt. Der Fachausschuss, der aus Vertretern<br />
der Werkstatt, des Sozialhilfeträgers und der Bundesagentur für Arbeit oder<br />
gegebenenfalls des Rentenversicherungsträgers besteht, gibt eine Stellungnahme<br />
zur geplanten Maßnahme ab.<br />
Ziel<br />
Durch die Beschäftigung in einer WfbM soll der seelisch behinderte Mensch<br />
entsprechend seiner Möglichkeiten gefördert werden. Er soll ins Arbeitsleben<br />
eingegliedert und somit auch in das soziale Leben integriert werden. Der psychisch<br />
Beeinträchtigte erhält die Möglichkeit, seine Leistungs- und/oder Erwerbsfähigkeit<br />
zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei seine<br />
Persönlichkeit weiterzuentwickeln.<br />
Ziel ist, dass er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt integriert werden kann. Ist dieses<br />
Ziel nicht zu erreichen, so soll dem Betroffenen zumindest eine angemessene<br />
Beschäftigung geboten werden.<br />
Eine WfbM hat nachstehende Teilbereiche:<br />
• Eingangsverfahren (§ 40 SGB IX)<br />
Das Eingangsverfahren dient der Feststellung, ob die Werkstatt die geeignete<br />
Einrichtung für die Teilhabe des Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen<br />
am Arbeitsleben ist sowie zur Ermittlung, welche Bereiche der Werkstatt und<br />
welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Betracht kommen. Das<br />
Eingangsverfahren dauert in der Regel 3 Monate, während dieser Zeit wird ein<br />
Eingliederungsplan erstellt.<br />
• Berufsbildungsbereich (§ 40 SGB IX)<br />
Im Berufsbildungsbereich soll der Mensch mit Behinderung in seiner<br />
Leistungsfähigkeit und Persönlichkeitsentwicklung soweit gefördert werden,<br />
34
dass eine geeignete Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder im<br />
Arbeitsbereich der WfbM möglich ist. Die Kosten werden in der Regel von der<br />
Bundesagentur für Arbeit übernommen. Die Förderung im<br />
Berufsbildungsbereich dauert längstens 2 Jahre.<br />
Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben kommen nur nachrangig in<br />
Betracht. Das heißt, die Hilfemöglichkeiten der Agentur für Arbeit, des<br />
Integrationsamtes, der ARGE oder anderer Rehabilitationsträger sind immer<br />
vorrangig in Anspruch zu nehmen. Sind die Leistungen der anderen<br />
Rehabilitationsträger nicht mehr ausreichend oder sind sie ausgeschöpft, so<br />
kann der chronisch psychisch beeinträchtigte Mensch im Arbeitsbereich tätig<br />
sein.<br />
• Arbeitsbereich<br />
Die Werkstatt für Menschen mit Behinderungen verfügt im Arbeitsbereich über<br />
ein breites Spektrum an Arbeitsplatzangeboten, um den unterschiedlichen<br />
Voraussetzungen dieser Personen, wie Leistungsfähigkeit, Entwicklungsmöglichkeit,<br />
Eignung und Neigung Rechnung tragen zu können. Der<br />
Beschäftigte im Arbeitsbereich muss in der Lage sein, ein „Mindestmaß an<br />
wirtschaftlich verwertbarer Arbeit“ erbringen zu können.<br />
Aufgabe der WfbM ist unter anderem, den Übergang geeigneter Personen auf<br />
den allgemeinen Arbeitsmarkt zu fördern. Die Beschäftigung muss nicht<br />
zwingend in der Werkstatt selbst stattfinden. Um Erfahrungen auf dem<br />
allgemeinen Arbeitsmarkt zu sammeln oder um auf eine Tätigkeit auf dem<br />
allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten, kann der Beschäftigte auf<br />
ausgelagerten Arbeitsplätzen eingesetzt werden.<br />
Die Beschäftigung im Arbeitsbereich dauert so lange an, wie die<br />
Voraussetzungen hierfür vorliegen. Grundsätzlich endet die Beschäftigung –<br />
wie auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt – spätestens mit Erreichen des<br />
Rentenalters.<br />
Anbieter und Fallzahlen<br />
Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> gibt es nur einen Träger, der Arbeit in einer WfbM<br />
speziell für psychisch beeinträchtigte und seelisch behinderte Menschen anbietet:<br />
• <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-Werkstätten der Johannes-Anstalten Mosbach (NOW)<br />
Die <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-Werkstätten verfügen über 40 anerkannte Plätze für<br />
Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, die den Bedarf bei weitem nicht<br />
decken und deshalb stark überbelegt sind (Stand 31.12.2008: 60 Personen).<br />
Die NOW hat Beschäftigungsangebote im Bereich Montage-, Sortier- und<br />
Verpackungsarbeiten, Arbeiten mit Maschinen, Textilarbeiten, Arbeiten im<br />
hauswirtschaftlichen Bereich und im Dienstleistungssektor, Arbeiten in der<br />
Landschaftspflege sowie Fertigung von Kreativ- und Eigenprodukten. Im<br />
Arbeitsbereich befinden sich 30 Personen, für die der Landkreis zuständiger<br />
Kostenträger ist.<br />
• Andere Anbieter außerhalb des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es<br />
Einige psychisch beeinträchtigte Personen besuchen außerhalb des<br />
Landkreises eine Werkstatt, weil sie dort eine für sie geeignete Wohnform<br />
gefunden haben. Es arbeiten 7 Menschen mit einer seelischen Behinderung in<br />
einer Werkstatt außerhalb des <strong>Kreis</strong>es. Von diesen leben 4 im Ambulant<br />
Betreuten Wohnen und 3 in einer stationären Einrichtung.<br />
35
Finanzierung<br />
Die Beschäftigung in einer WfbM wird je nach Bereich von unterschiedlichen<br />
Kostenträgern finanziert. Für den Arbeitsbereich ist in der Regel der<br />
Sozialhilfeträger zuständiger Kostenträger. Die Kosten werden in Höhe der<br />
verhandelten Vergütungssätze unabhängig von Einkommen und Vermögen des<br />
Werkstattbeschäftigten als Eingliederungshilfeleistung übernommen. Hierzu<br />
gehören auch die Fahrtkosten zur Werkstatt sowie Sozialversicherungsbeiträge.<br />
2.2.4.2. Tagesstrukturierung und Förderung für psychisch erkrankte und seelisch<br />
behinderte Menschen<br />
Alternativ zu einer Beschäftigung in einer Werkstatt für Menschen mit<br />
Behinderungen oder anderen beschäftigungsfördernden oder berufsbildenden<br />
Angeboten gibt es innerhalb einer stationären Einrichtung auch eine Tagesstruktur<br />
und Förderung für psychisch behinderte Menschen (Leistungstyp I.4.5 b).<br />
Definition<br />
Diese Tagesstruktur kommt in der Regel nur in Verbindung mit einer vollstationären<br />
Wohnform für psychisch erkrankte Menschen in Betracht. Es ist ein Angebot zur<br />
Förderung durch psychosoziale Hilfen und tagesstrukturierende Maßnahmen,<br />
Anregung und Begleitung, hauswirtschaftliche Versorgung, Pflege bzw. die<br />
Erschließung dieser Angebote.<br />
Im Einzelfall kann die Tagesstruktur auch als Übergangszeitraum nach einer<br />
stationären Maßnahme als Ergänzung eines BWB- oder BWF-Angebotes benötigt<br />
werden.<br />
Ziel<br />
Mit Hilfe dieser Leistung wird der Tagesablauf innerhalb der Einrichtung strukturiert.<br />
Psychische Krisensituationen sollen bewältigt werden. Eine weitere<br />
Verschlechterung des Gesundheitszustandes (Dekompensation) soll durch<br />
Maßnahmen<br />
- zur Tagesstrukturierung,<br />
- zur Förderung individueller Lebenszufriedenheit,<br />
- zur Entwicklung der Persönlichkeit,<br />
- zum Erhalt von Fähigkeiten und Fertigkeiten,<br />
- zur Förderung der Kompetenzen mit dem Ziel der Beschäftigung in einer WfbM<br />
bzw. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und<br />
- zum Ertragen von subjektiv erlebten Kränkungen<br />
im Rahmen der Tagesbetreuung verhindert werden.<br />
Anbieter und Fallzahlen<br />
Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> gibt es einen Träger, der die Tagesstruktur für<br />
psychisch Erkrankte und seelisch Behinderte anbietet:<br />
• AWO <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong> gGmbH<br />
Die AWO versorgt 32 Personen im stationären Wohnen mit dem<br />
tagesstrukturierenden Angebot. Davon sind 22 Personen aus dem <strong>Neckar</strong>-<br />
<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>. Weitere Personen, die außerhalb des stationären<br />
Wohnangebotes leben, nehmen dieses Angebot nicht in Anspruch.<br />
36
• Andere Anbieter außerhalb des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
Außerhalb des Landkreises werden insgesamt 31 Personen, die einer<br />
vollstationären Wohnform bedürfen, durch 13 Anbieter im Rahmen der<br />
Tagesstruktur Leistungstyp I. 4.5. b betreut.<br />
Finanzierung<br />
Die Kosten für die Tagesstruktur werden als Leistung der Eingliederungshilfe nach<br />
§§ 53 und 54 SGB XII vom Sozialhilfeträger bezahlt. Für ihre Betreuungsarbeit<br />
erhalten die Träger die mit den zuständigen Landkreisen und überörtlichen<br />
Sozialhilfeträgern ausgehandelten Vergütungssätze.<br />
2.2.5. Integrationsprojekte<br />
Ergänzend zu den bereits genannten Angeboten nach SGB II, III, IX und XII gibt es<br />
für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen auch die Möglichkeit in<br />
Integrationsprojekten zu arbeiten.<br />
2.2.5.1. Integrationsprojekte<br />
Definition<br />
Es gibt verschiedene Arten von Integrationsprojekten. Ein Integrationsprojekt kann<br />
- ein rechtlich und wirtschaftlich selbständiges Unternehmen (Integrationsunternehmen)<br />
oder<br />
- ein unternehmensinterner Integrationsbetrieb oder aber<br />
- eine Integrationsabteilung sein.<br />
In Integrationsunternehmen werden mindestens 25% und höchstens 50%<br />
schwerbehinderte Menschen beschäftigt. Um in einer Integrationsfirma tätig sein zu<br />
können, muss der psychisch beeinträchtigte Mensch mindestens 6 Arbeitsstunden<br />
am Tag leistungsfähig sein.<br />
Eine derartige Beschäftigung ist für Personen gedacht, deren Eingliederung in<br />
sonstigen Unternehmen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Grund der Art und<br />
Schwere ihrer seelischen Beeinträchtigung und Ausschöpfung aller<br />
Fördermöglichkeiten erschwert ist. Im Vordergrund steht dabei der<br />
Aufgabenbereich Beschäftigung und arbeitsbegleitende Betreuung.<br />
Ziel<br />
Die Beschäftigung in einem Integrationsunternehmen soll dem psychisch<br />
Beeinträchtigten dabei helfen, wieder „fit“ für den allgemeinen Arbeitsmarkt zu<br />
werden. Dies soll durch arbeitsbegleitende Betreuung, berufliche Weiterbildung und<br />
der Teilnahmemöglichkeit an außerbetrieblichen Training- und Bildungsmaßnahmen<br />
erreicht werden. Ein strukturierter Arbeitsalltag soll der Reintegration<br />
in den Arbeitsprozess dienen.<br />
Anbieter und Fallzahlen<br />
• Industrie Service <strong>Odenwald</strong> gGmbH (ISO)<br />
Die ISO ist bisher die einzige Integrationsfirma im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>. Sie<br />
bietet sozialversicherungspflichtige Voll- und Teilzeitarbeitsplätze für<br />
schwerbehinderte insbesondere für psychisch beeinträchtigte Menschen an. Die<br />
ISO beschäftigte Ende 2008 10 schwerbehinderte Menschen dauerhaft.<br />
Sie hat sich auf Montage-, Sortier- und Verpackungsarbeiten sowie auf Arbeiten<br />
im Bereich Kabelkonfektion spezialisiert.<br />
37
Finanzierung<br />
Ein Integrationsunternehmen kann hinsichtlich des Aufbaus, der Erweiterung, der<br />
Modernisierung, der Ausstattung und der betriebswirtschaftlichen Beratung von<br />
Seiten des Integrationsamtes aus Mitteln der Ausgleichsabgabe gefördert werden.<br />
Die Kosten des laufenden Betriebes sowie die Personalkosten hat die Firma selbst<br />
zu tragen bzw. zu erwirtschaften. Jedoch wird der „besondere Aufwand“, der durch<br />
die Beschäftigung einer Vielzahl von schwerbehinderten Menschen entsteht und die<br />
Wettbewerbsfähigkeit teilweise beeinträchtigt, vom Integrationsamt mit einer<br />
monatlichen Pauschale abgegolten.<br />
Personen<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
45<br />
Zuverdienstbereich<br />
(ISO)<br />
Beschäftigungsformen<br />
10<br />
Integrationsbereich<br />
(ISO)<br />
24<br />
Berufsbildungsbereich<br />
(NOW)<br />
36<br />
Arbeitsbereich<br />
39 % 9 % 21 %<br />
(NOW )<br />
31 % n=115<br />
Abbildung 7: Anzahl der Personen in den entsprechenden Bereichen der NOW und der ISO 21<br />
2.2.5.2. Zuverdienstbereich<br />
Definition<br />
Zuverdienst ist eine Form der Teilhabe am Arbeitsleben. Als niederschwelliges<br />
Angebot bietet der Zuverdienst auch psychisch beeinträchtigten Menschen, die auf<br />
Grund ihrer Erkrankung nur eingeschränkt arbeits- und leistungsfähig sind,<br />
stundenweise Beschäftigung. Der Zuverdienst hat eine wichtige Funktion im<br />
Rahmen der sozialpsychiatrischen Versorgung. Er ermöglicht soziale Teilhabe.<br />
Der Zuverdienst zeichnet sich durch folgende Rahmenbedingungen aus:<br />
- Flexibilität der Arbeitszeiten<br />
- Vereinbarungen von Tages- und Wochenarbeitszeiten in wenig bestimmten<br />
Absprachen und nach individuellen Bedürfnissen<br />
- Abgestufte Anforderungen an Arbeitsgeschwindigkeit und Arbeitsproduktivität<br />
- Keine zeitliche Beschränkung der Beschäftigungsdauer<br />
- Kein „REHA-Druck“ zur Erreichung vorgegebener Ziele.<br />
Personenkreis:<br />
- Seelisch behinderte Menschen im Sinne des § 53 SGB XII<br />
- Menschen, die aufgrund ihrer Beeinträchtigung/Behinderung dauerhaft<br />
erwerbsgemindert sind im Sinne des § 42 SGB XII<br />
- Menschen, die aufgrund ihrer Beeinträchtigung/Behinderung vorübergehend<br />
erwerbsgemindert sind im Sinne des § 11 Abs. 2 SGB XII.<br />
Die Arbeitsaufnahme erfolgt ohne umfangreiche Begutachtung, ohne Antragsverfahren<br />
und ohne bürokratischen Aufwand.<br />
21 Datenquelle: Erhebung bei den Leistungsanbietern (Stichtag 31.12.08)<br />
38
Ziel<br />
- Aufbau einer Tagesstruktur für Menschen, die nach gesetzlichen Standards<br />
nicht mehr oder noch nicht wieder arbeitsfähig sind<br />
- Gesundheitliche Stabilisierung durch eine Tagesstruktur<br />
- Soziale Teilhabe und Stabilisierung der Beschäftigten<br />
- Sanfte Heranführung an einen geregelten Arbeitsalltag<br />
- Abklärung der Leistungsfähigkeit und Training von arbeitsrelevanten Basisfähigkeiten<br />
- Heranführung an weiterführende Maßnahmen wie REHA; Ausbildung oder an<br />
sozialversicherte Arbeitsverhältnisse innerhalb einer Integrationsfirma oder auf<br />
dem freien Arbeitsmarkt<br />
- Übergang in eine WfbM.<br />
Positive Effekte:<br />
- Deutliche Verbesserung der Lebenssituation der Beschäftigten<br />
- Aufbesserung des Einkommens<br />
- Steigerung der Selbständigkeit, der Kontaktfähigkeit, der Ausdauer und des<br />
Antriebes<br />
- Gesundheitliche Stabilisierung.<br />
Anbieter<br />
Industrie Service <strong>Odenwald</strong> gGmbH (ISO)<br />
Die ISO gGmbH ist bisher der einzige Anbieter von Zuverdienstarbeitsplätzen im<br />
<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>. Die ISO hat sich spezialisiert auf Montage-, Sortier- und<br />
Verpackungsarbeiten sowie auf Arbeiten im Bereich Kabelkonfektion.<br />
Finanzierung<br />
Der Zuverdienstbereich wird bisher nur durch einen kleinen Anteil aus dem Budget<br />
der Tagesstätten-Finanzierung unterstützt.<br />
Die ARGE fördert bis zu 15 Arbeitsgelegenheiten (1 Euro-Jobs) mit einer kleinen<br />
Betreuungspauschale. Ansonsten muss sich der Zuverdienstbereich alleine<br />
finanzieren. Es gibt keinerlei rechtlich abgesicherte Fremdfinanzierung. Die<br />
unmittelbaren Kosten der Produktion und relevante Anteile der Entlohnung der<br />
Beschäftigten müssen aus eigener Leistung erwirtschaftet werden.<br />
34%<br />
ISO<br />
2% 5%<br />
44%<br />
15%<br />
Empfänger von Grusi<br />
Empfänger von HLU<br />
Rentner/-in<br />
ALG I oder II<br />
Übergangsgeld<br />
sonstiges Einkommen<br />
Abbildung 8: Einkommenssituation der ISO und NOW Beschäftigten 22<br />
22 Datenquelle: Erhebung bei den Leistungsanbietern (Stichtag 31.12.08)<br />
17%<br />
45%<br />
NOW<br />
39<br />
23%<br />
15%
2.2.6. Integrationsfachdienst (IFD) 23<br />
Definition und Aufgabe<br />
Der Integrationsfachdienst ist ein Dienst, der sowohl arbeitssuchende als auch<br />
bereits beschäftigte (schwer)behinderte Menschen wie auch deren Arbeitgeber<br />
berät und unterstützt.<br />
Er analysiert zusammen mit dem behinderten Menschen, wo seine Interessen und<br />
Fähigkeiten liegen und wie die Chancen für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen<br />
Arbeitsmarkt stehen.<br />
Er vermittelt Menschen mit Behinderungen, die trotz ihrer Behinderung<br />
leistungsfähig sind. Mit Hilfe von Praktika oder auch befristeten Arbeitsverträgen<br />
können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer kennen lernen und annähern. Der IFD<br />
bereitet bei Bedarf die Einarbeitungsphase vor und begleitet diese.<br />
Der IFD berät außerdem Arbeitgeber über mögliche Zuschüsse, wenn diese einen<br />
schwerbehinderten Menschen einstellen. Er ist bei der Beantragung von Leistungen<br />
behilflich.<br />
Auch bei der betrieblichen Integration von Menschen mit Behinderungen berät der<br />
IFD den Arbeitgeber. Die Behinderung eines Arbeitnehmers kann verschiedene<br />
Auswirkungen auf die Arbeitsleistung haben wie z.B. Probleme bei der Motivation,<br />
bei besonderer Belastung oder krankheitsbedingten Fehlzeiten. Hier steht der IFD<br />
als neutraler Berater bei allen Fragen zur Beschäftigung von Menschen mit<br />
Behinderungen zur Verfügung. Er ist Ansprechpartner für den behinderten<br />
Arbeitnehmer und den Arbeitgeber.<br />
Bewertung / Handlungsempfehlung:<br />
Arbeit und Tagesstruktur sind ganz entscheidende Faktoren, wenn es darum geht,<br />
Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen zu stabilisieren und Selbstbewusstsein zu<br />
geben.<br />
Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> ist das Angebot strukturell gesehen gut und breit gefächert.<br />
Leider werden die entsprechenden Angebote nahezu ausschließlich im Raum Mosbach<br />
vorgehalten. Trotz dieser örtlich eingeschränkten Verfügbarkeit bestehen sowohl in der<br />
NOW, als auch in der ISO erhebliche Wartelisten. Signifikant ist hierbei, dass es im <strong>Neckar</strong>-<br />
<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> nur halb so viele Leistungsempfänger in einer Werkstatt für Menschen mit<br />
seelischer Behinderung gibt als im Landesdurchschnitt. Dieses sich deutlich abzeichnende<br />
Kapazitätsproblem soll teilweise durch die Schaffung von weiteren 35 NOW-Plätzen am<br />
Standort Buchen entschärft werden. Hierdurch kann auch eine bessere Versorgung des<br />
nördlichen Landkreisteils erreicht werden.<br />
Weiterhin ist geplant, die Finanzierung des Zuverdienstbereiches durch eine<br />
Landkreisförderung zu unterstützen, um diese Beschäftigungsplätze dauerhaft zu erhalten.<br />
Daneben ist es wichtig, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten genügend Aufträge zu<br />
generieren. Hier bedarf es der Anstrengung aller gesellschaftlichen Gruppen, um<br />
niederschwellige Arbeitsangebote vorhalten zu können. Aufträge an Werkstätten und<br />
Integrationsbetriebe zu vergeben ist ein wichtiger Motor zur Förderung und Integration von<br />
Menschen mit Behinderung.<br />
Im Rahmen der beschriebenen Arbeitsangebote scheint sich eine Veränderung beim Klientel<br />
abzuzeichnen. Es gibt ein zunehmendes Problem mit Menschen, deren psychische<br />
Erkrankung im Wesentlichen drogen- und alkoholinduziert ist. Auch ein wachsender<br />
23 Quelle: IFD: Veröffentlichungen des Kommunalverband für Jugend und Soziales und des Integrationsamt<br />
40
Personenkreis mit herausforderndem und gewaltbereitem Verhalten ist mit den bisherigen<br />
Betreuungskonzepten kaum noch zu erreichen. Hier ist über neue Betreuungsformen<br />
nachzudenken.<br />
Im Bereich der geistig- und körperlich behinderten Menschen gibt es innerhalb des<br />
Werkstattsystems den Förder- und Betreuungsbereich (FUB), der für Menschen mit einem<br />
höheren Bedarf ein passgenaues Angebot darstellt. Eine vergleichbare Angebotsform ist für<br />
Menschen mit seelischer Behinderung bisher nicht vorhanden. Sollte sich die beschriebene<br />
Entwicklung fortsetzen, sind entsprechende Konzepte zu entwickeln.<br />
2.3. Wohnangebote<br />
Bei den Leistungen der Eingliederungshilfe nach SGB XII ist der gesetzliche Auftrag<br />
„ambulant vor stationär“ nach § 13 SGB XII zu beachten. Der behinderte Mensch<br />
und dessen Bedarf stehen im Vordergrund. Ziel ist, eine bedarfsgerechte Leistung<br />
anzubieten und stationäre Leistungen auf das notwendige Maß zu begrenzen. Das<br />
Wunsch und Wahlrecht des psychisch erkrankten Menschen ist zu berücksichtigen,<br />
soweit es verhältnismäßig ist. Auch unter der Maßgabe der Wirtschaftlichkeit ist<br />
dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ hohe Priorität einzuräumen.<br />
stationär<br />
49 %<br />
außerhalb<br />
37 Personen<br />
Nutzung der Wohnformen<br />
(Zuständigkeitsbereich <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>)<br />
AW O<br />
24 Personen<br />
AWO<br />
2 Personen<br />
SPHV<br />
2 Personen<br />
BWF<br />
4 %<br />
außerhalb<br />
(SPHV)<br />
1 Person<br />
außerhalb<br />
8 Personen<br />
Diakonie<br />
14 Personen<br />
BWB<br />
47 %<br />
AW O<br />
36 Personen<br />
n=124<br />
Abbildung 9: Nutzung der verschiedenen Wohnformen innerhalb und außerhalb des Landkreises 24<br />
2.3.1. Ambulant Betreutes Wohnen für psychisch kranke Menschen (BWB)<br />
Definition<br />
Das Betreute Wohnen ist die Verbindung einer selbständigen Lebensführung in<br />
privatem Wohnraum mit einer planmäßig organisierten regelmäßigen Beratung und<br />
persönlichen Betreuung durch Fachpersonal. Die Betreuung ist auf die individuellen<br />
Bedürfnisse des psychisch kranken Menschen ausgerichtet.<br />
Das Betreute Wohnangebot richtet sich an chronisch psychisch kranke Menschen,<br />
die vorübergehend oder auf Dauer in ihrer Lebensführung beeinträchtigt sind, eine<br />
stationäre Behandlung nicht bzw. nicht mehr erforderlich ist und die Angebote<br />
sozialer oder sozialpsychiatrischer Dienste nicht ausreichen.<br />
24 Datenquelle: Erhebung bei Leistungserbringern und Auswertung eigener Leistungsdaten (Stichtag: 31.12.08)<br />
41
Um im Ambulant Betreuten Wohnen leben zu können, wird ein Mindestmaß an<br />
Selbstversorgungsfähigkeiten bzw. lebenspraktischer Fähigkeiten vorausgesetzt.<br />
Der psychisch kranke Mensch soll in der Lage sein, bei regelmäßiger Betreuung<br />
seinen Lebensbereich selbständig zu gestalten. Er wird vorwiegend durch<br />
aufsuchende Betreuung und Begleitung, sozialpädagogische Beratung und<br />
Unterstützung sowie Erschließung externer Hilfen bei der Organisation und<br />
Bewältigung seines Alltags individuell begleitet.<br />
Das BWB umfasst bedarfsgerechte Hilfen wie<br />
- Unterstützung im Umgang mit der Erkrankung und den Folgen,<br />
- die Anleitung und Einübung von alltagspraktischen Fähigkeiten,<br />
- Hilfe bei der Planung und Umsetzung einer Tagesstruktur und Förderung der<br />
Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft,<br />
- bei Bedarf Begleitung zu diversen Terminen wie z.B. Arztterminen,<br />
- Unterstützung und Begleitung in Krisensituationen,<br />
- Unterstützung bei der Regelung der finanziellen Situation und im Umgang mit<br />
Behörden,<br />
- Aufbau und Pflege von sozialen Kontakten,<br />
- die Koordination von notwendigen Hilfen<br />
- Planung und Gestaltung im beruflichen Bereich.<br />
Neben dem Ambulant Betreuten Wohnen kann der psychisch kranke Mensch auch<br />
ein Angebot im Bereich der Tagesstruktur benötigen. Das Betreute Wohnen deckt<br />
nicht einen eventuell bestehenden Bedarf an Tagesstruktur ab.<br />
Ziel<br />
Das betreute Wohnangebot bildet eine wichtige Grundlage für die gesellschaftliche<br />
Integration und die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Es hat zum Ziel, dass<br />
der psychisch kranke Mensch auf Dauer ein möglichst eigenständiges Leben führen<br />
und selbst gesteckte Ziele in die Tat umsetzen kann.<br />
Anbieter und Fallzahlen<br />
Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> gibt es folgende Träger, die Ambulant Betreutes<br />
Wohnen anbieten:<br />
• Wohngemeinschaften und Betreutes Einzel- und Paarwohnen (AWO<br />
<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong> gGmbH)<br />
Die AWO bietet insgesamt 41 Betreute Wohnmöglichkeiten an. Davon werden<br />
36 Plätze mit Klienten aus dem <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> belegt. Zum<br />
Jahreswechsel 2008/2009 wurden weitere 4 Plätze in Buchen geschaffen.<br />
• Betreutes Einzel- und Paarwohnen (Diakonisches Werk <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<br />
<strong>Kreis</strong>)<br />
Beim Diakonischen Werk werden 14 Klienten betreut, für die der Landkreis<br />
zuständiger Kostenträger ist.<br />
• Andere Anbieter außerhalb des Landkreises<br />
Zusätzlich sind außerhalb des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es 8 Personen bei 7<br />
Anbietern untergebracht.<br />
Finanzierung<br />
Das Ambulant Betreute Wohnen wird durch Eingliederungshilfeleistungen nach §§<br />
53 ff. SGB XII in Verbindung mit den Richtlinien des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es zum<br />
Ambulant Betreuten Wohnen finanziert. Der Träger des BWB erhält für seine<br />
Betreuungsarbeit je nach Betreuungsstufe eine monatliche Pauschale in Höhe von<br />
325 € (Stufe 1), 519 € (Stufe 2) oder 741 € (Stufe 3) für jeden Klienten<br />
42
(Neuregelung der Pauschalen ab 01.07.2009). Liegt beim Klienten keine<br />
Bedürftigkeit im Sinne des SGB XII vor, so kann er das Betreuungsangebot auch<br />
als Selbstzahler in Anspruch nehmen.<br />
2.3.2. Begleitetes Wohnen in Familien (BWF)<br />
Ähnlich wie das Ambulant Betreute Wohnen ist das „Begleitete Wohnen in<br />
Familien“ ein Hilfeangebot, das sich an psychisch kranke Menschen richtet, die<br />
wesentlich seelisch behindert sind. Das BWF stellt eine alternative Betreuungsform<br />
zu einem Wohnheimplatz dar, wenn der Betroffene die Bereitschaft, die Fähigkeit<br />
sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen hat, in einem familiären Rahmen zu<br />
leben.<br />
Definition<br />
Die Hilfeform des BWF ist eine Wohnmöglichkeit für erwachsene chronisch<br />
psychisch kranke bzw. seelisch behinderte Menschen in familiärer Betreuung bei<br />
einer Gastfamilie. Die Betreuung kann auch durch nahe Angehörige mit Ausnahme<br />
von den Eltern und Kindern des Klienten übernommen werden. Das Wohnen in der<br />
Familie wird durch den Träger des Angebots beratend begleitet.<br />
Ziel des Angebotes ist es, dem behinderten Menschen eine gemeindenahe<br />
Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft durch die Einbindung in die Familie zu<br />
ermöglichen und einen stationären Aufenthalt zu vermeiden. Besonders in einer<br />
Familie ist die Möglichkeit gegeben, alltagspraktische und soziale Fähigkeiten<br />
wieder zu erlernen und die Unterstützung hierzu in einem familiären Rahmen zu<br />
erhalten. Es wird ein „normales“ Leben mit Familienanschluss geboten.<br />
Der begleitende Träger stellt im Vorfeld die Eignung der aufnehmenden Familie<br />
bzw. Person(en) fest. Zwischen der Familie, dem Träger, dem behinderten<br />
Menschen und dem Sozialhilfeträger werden schriftliche Vereinbarungen getroffen,<br />
in der die Rahmenbedingungen des Betreuungsverhältnisses geregelt werden. Bei<br />
regelmäßigen Besuchen steht der Träger der Familie und dem Klienten mit<br />
fachlicher Beratung, Begleitung und Unterstützung zur Seite. Die Betreuung des<br />
Klienten erfolgt durch die Familie.<br />
Auch hier kann der psychisch kranke Mensch ein Angebot im Bereich der<br />
Tagesstruktur benötigen. Das Begleitete Wohnen in Familien deckt nicht einen<br />
eventuell bestehenden Bedarf an Tagesstruktur ab.<br />
Anbieter<br />
Aus dem <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> gibt es einen Träger, der die Betreuungsform<br />
BWF anbietet. Ein weiterer Träger aus dem Rhein-<strong>Neckar</strong>-<strong>Kreis</strong> bietet ebenfalls<br />
Plätze im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> an.<br />
• AWO <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong> gGmbH<br />
Die AWO bietet seit dem Jahr 2007 das Begleitete Wohnen in Familien für<br />
psychisch kranke Menschen im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> an. Momentan werden<br />
2 Klienten durch die Eingliederungshilfe finanziert.<br />
• Sozialpsychiatrischer Hilfsverein Rhein-<strong>Neckar</strong> e.V. (SPHV)<br />
3 Personen werden vom SPHV für den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> betreut, davon<br />
wohnen 2 Klienten innerhalb des Landkreises.<br />
Finanzierung<br />
Die betreuende Familie erhält nach den Richtlinien des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es<br />
für Betreutes Wohnen in Familien vom Sozialhilfeträger ein Betreuungsentgelt von<br />
bis zu 420 € pro Monat. Hinzu kommt der Anteil des Betreuten an Unterkunft und<br />
Verpflegung. Dieser kann sich auf bis zu 483 € belaufen. Dem behinderten<br />
43
Menschen steht in jedem Fall ein Taschengeldbetrag von 96,93 € pro Monat zur<br />
freien Verfügung.<br />
Der Träger des BWF erhält für seine Betreuungsarbeit je nach Betreuungsstufe<br />
eine monatliche Pauschale in Höhe von 325 € (Stufe 1) oder 519 € (Stufe 2) für<br />
jeden Klienten (Neuregelung der Pauschalen ab 01.07.2009).<br />
Details zum gesamten genutzten Angebot des Betreuten Wohnens innerhalb<br />
des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es<br />
Während 59 Personen innerhalb des Landkreises betreut werden, sind 10<br />
Personen des <strong>Kreis</strong>es außerhalb versorgt. Folgende Auswertungen spiegeln die<br />
Belegung innerhalb des Landkreises wieder. Dabei werden 92 % der zur Verfügung<br />
stehenden 59 Plätze durch den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> selbst genutzt.<br />
18 Personen in<br />
Wohngemeinschaften<br />
4 Personen<br />
mit Familie/angehörigen<br />
Lebenssituation der BWB/BWF-Klienten<br />
4 Personen<br />
im betreuten Wohnen<br />
in Familien<br />
33 Personen<br />
Einzel- und<br />
Paarwohnen<br />
Abbildung 10: Wohnverhältnisse der Klienten des Betreuten Wohnens innerhalb des Landkreises<br />
(Stand: 31.12.08) 25<br />
Jahre<br />
> 10 Jahre<br />
6 bis 10 Jahre<br />
3 bis 5 Jahre<br />
< 3 Jahre<br />
Verweildauer in Betreuten Wohnangeboten<br />
6 Personen<br />
12 Personen<br />
20 Personen<br />
21 Personen<br />
0 5 10 15 20 25<br />
Abbildung 11: Verweildauer der Personen des Betreuten Wohnens innerhalb des Landkreises<br />
(Stand: 31.12.08) 26<br />
25 Datenquelle: Erhebung bei Leistungserbringern (Stichtag: 31.12.08)<br />
26 Datenquelle: Erhebung bei Leistungserbringern (Stichtag: 31.12.08)<br />
44
2.3.3. Stationäre Wohnangebote<br />
Manche psychischen Erkrankungen sind so tiefgreifend und schwerwiegend, dass<br />
bei dem Betroffenen ein erhöhter Hilfebedarf besteht, der nicht im Rahmen des<br />
BWB oder BWF gedeckt werden kann. Um diesen Menschen ein adäquates<br />
Lebensumfeld zu bieten, gibt es stationäre Wohnangebote.<br />
Definition<br />
Die Versorgung in einem Wohnheim ist eine intensive Form der Betreuung und<br />
sollte für chronifizierte psychisch Kranke in Anspruch genommen werden, wenn<br />
andere niedrigschwelligere Angebote nicht ausreichen.<br />
Durch die Betreuung in einer stationären Einrichtung erhält der chronisch psychisch<br />
kranke Mensch entsprechend seinem Hilfebedarf eine engmaschige auf ihn<br />
abgestimmte Hilfe. Ein Hilfebedarf kann in unterschiedlichem Ausmaß in den<br />
verschiedenen Bereichen gegeben sein, wie zum Beispiel<br />
- in der individuellen Basisversorgung,<br />
- der Haushaltsführung,<br />
- dem Umgang mit und der Bewältigung von psychischen Krisen,<br />
- den medizinischen oder pflegerischen Hilfen,<br />
- den individuellen und soziale Hilfen zur Alltagsbewältigung und Gestaltung der<br />
Freizeit,<br />
- im Bereich der Aktivitäten zur Erlangung von Selbständigkeit und Eigenverantwortung,<br />
- beratende Tätigkeiten zur Abklärung und Sicherstellung von Rechtsansprüchen.<br />
Der Bedarf des seelisch behinderten Menschen wird in Zusammenarbeit mit dem<br />
Medizinisch Pädagogischen Fachdienst (MPD) beim Kommunalverband für Jugend<br />
und Soziales (KVJS) erhoben. Es gibt 5 Hilfebedarfsgruppen (HBG), in die der<br />
Hilfebedarf eines psychisch Kranken einzustufen ist.<br />
Damit der Klient eine möglichst bedarfsorientierte und passgenaue Hilfe erhält, wird<br />
mit dem Betroffenen und allen Beteiligten ein individueller Gesamtplan erstellt.<br />
Hierin werden Ziele und Maßnahmen zur Zielerreichung festgeschrieben.<br />
Das Ziel ist, den psychisch erkrankten Menschen so gut als möglich in das soziale<br />
Leben wiedereinzugliedern. Die Folgen seiner psychischen Behinderung sollen<br />
gemildert und die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft soll ihm erleichtert<br />
werden. Das Ziel der Verselbständigung des Klienten steht auch im stationären<br />
Bereich immer an oberer Stelle. Wenn möglich sollte eine selbständigere<br />
Wohnform, wie z.B. das Ambulant Betreute Wohnen oder gar ein privates Wohnen<br />
angestrebt werden.<br />
Die stationäre Betreuung beinhaltet auch eine passende Tagesstruktur für den<br />
Klienten (z.B. die Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder<br />
eine Tagesstrukturierung und Förderung für psychisch wesentlich beeinträchtigte<br />
Menschen), so dass hier kein gesondertes Angebot in Anspruch genommen<br />
werden muss.<br />
Anbieter und Fallzahlen<br />
• Dezentrales Wohnheim der AWO <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong> gGmbH<br />
Die AWO bietet 37 Plätze im Dezentralen Wohnheim an. Hiervon werden 24<br />
Klienten über Eingliederungshilfeleistungen des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es<br />
finanziert.<br />
• Andere Anbieter außerhalb des Landkreises<br />
Außerhalb des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es gibt es zahlreiche Einrichtungen für<br />
psychisch kranke und seelisch behinderte Menschen. Für 37 Klienten aus dem<br />
<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> wurde außerhalb des Landkreises eine Einrichtung<br />
gefunden. Im Moment arbeitet der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> mit 13 Anbietern<br />
zusammen.<br />
45
Finanzierung<br />
Die Kosten für eine vollstationäre Betreuung eines psychisch kranken Menschen<br />
belaufen sich je nach Einstufung des Hilfebedarfes (HBG 1 bis 5) von ca. 1.500 €<br />
bis zu 6.500 € pro Monat. Die Mehrzahl der Personen wird in die<br />
Hilfebedarfsgruppe 1 bis 3 eingestuft.<br />
Liegt beim Klienten keine finanzielle Bedürftigkeit im Sinne des SGB XII vor, so<br />
kann er das Betreuungsangebot auch als Selbstzahler in Anspruch nehmen.<br />
Anzahl<br />
der<br />
Nutzer<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Wohnangebot und Nutzung des NOK<br />
innerhalb<br />
Plätze (Angebot)*<br />
innerhalb<br />
Nutzung NOK<br />
außerhalb<br />
Nutzung NOK<br />
Stationär 37 24 37<br />
BWF 4 4 1<br />
BWB 55 50 8<br />
Abbildung 12: Platzangebot bzw. die genutzten Plätze (betreutes Wohnen) der verschiedenen<br />
Wohnformen 27<br />
* Das stationäre Wohnangebot stellt die tatsächlich aufgebaute Platzzahl dar. Im Bereich BWB und BWF werden die derzeit<br />
belegten Plätze dargestellt. Das mögliche Potenzial kann nicht genau abgebildet werden, da es von der jeweiligen Nachfrage<br />
abhängt.<br />
Bewertung / Handlungsempfehlung:<br />
Menschen mit seelischer Behinderung im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> nehmen deutlich öfter<br />
ambulante Wohnangebote in Anspruch, als geistig- oder körperlich behinderten Menschen.<br />
Beim Anteil der seelisch behinderten Menschen, die in betreuten Wohnangeboten versorgt<br />
werden, liegt der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> im Landesschnitt. Der weitere Ausbau des<br />
Betreuten Wohnens in Familien (BWF) als Alternative zu stationären Unterbringungen ist zu<br />
forcieren. Dieses Angebot ist in anderen Regionen besser etabliert und dort ein wichtiger<br />
Baustein der Versorgungslandschaft.<br />
Im Bereich der stationären Hilfen liegt der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> über dem Landesschnitt,<br />
wobei der überwiegende Teil dieser Hilfen (59%) außerhalb des Landkreises erbracht wird.<br />
Dies liegt teilweise an fehlenden Spezialeinrichtungen, die aufgrund der Art und Schwere der<br />
Behinderung notwendig wären. Weitere Ursachen hierfür müssen noch genauer untersucht<br />
werden.<br />
Auch bei den Klienten ergeben sich in den letzten Jahren deutliche Veränderungen.<br />
Von Seiten der Träger wird darauf hingewiesen, dass innerhalb der Wohnangebote eine<br />
Zunahme von Klienten mit Doppel- bzw. Mehrfachdiagnosen zu verzeichnen ist. Durch die<br />
damit verbundene Chronifizierung ist zukünftig mit noch längeren Verweildauern und einem<br />
Einhergehen von älter werdenden Klienten zu rechnen, die zusätzlich verschiedene<br />
Altersgebrechen entwickeln werden.<br />
27 Datenquelle: Erhebung bei Leistungserbringern und Auswertung eigener Leistungsdaten (Stichtag: 31.12.08)<br />
46
In der derzeitigen Struktur können vor Ort keine pflegebedürftigen, selbst- oder<br />
fremdgefährdeten Personen auf Dauer betreut werden.<br />
Sollte sich diese Entwicklung auch in den nächsten Jahren bestätigen, müssen entsprechende<br />
Angebote (u.a. beschützte/geschlossene und gerontopsychiatrische Betreuungsformen<br />
möglicherweise kombiniert mit Grundpflegeangeboten) entwickelt werden.<br />
2.4. Medizinische / Therapeutische Versorgung<br />
2.4.1. Soziotherapie durch den Sozialpsychiatrischen Dienst (SpDi) für Menschen mit<br />
psychischen Erkrankungen (Diakonisches Werk <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>)<br />
Definition und Verfahren<br />
Eine Soziotherapie ist eine medizinische Leistung für psychisch kranke Menschen,<br />
die von einem Facharzt für Psychiatrie verordnet wird. Gemeinsam mit dem<br />
Betroffenen und dem Soziotherapeut stellt der Arzt einen Betreuungsplan auf.<br />
Hierin werden Hilfen zur Förderung psychosozialer Kompetenzen wie<br />
Kontaktfähigkeit und Initiative festgelegt 28 . Der Betreuungsplan wird zur<br />
Genehmigung der Therapie bei der Krankenkasse vorgelegt. Die Soziotherapie wird<br />
in Form von Beratungs-, Begleitungs-, Koordinierungs- und/oder<br />
Trainingsmaßnahmen erbracht. Nach Genehmigung durch die Krankenkassen<br />
können höchstens 120 Stunden in einem Zeitraum von 3 Jahren in Anspruch<br />
genommen werden.<br />
Ziel<br />
Mit Hilfe der Soziotherapie soll erreicht werden, dass<br />
- Menschen mit einer psychischen Erkrankung selbständig ärztliche Leistungen in<br />
Anspruch nehmen,<br />
- Krankenhausaufenthalte durch ambulant medizinische Hilfen in vertrauter<br />
häuslicher Umgebung vermieden oder verkürzt werden können,<br />
- Psychosoziale Defizite mit Hilfe von Motivationsarbeit und strukturierten<br />
Trainingsmaßnahmen abgebaut und das Leben in der Gemeinschaft erleichtert<br />
werden kann,<br />
- Kontaktfähigkeit, Eigeninitiative und Umgang mit der Krankheit gefördert wird.<br />
Ein besonderes Augenmerk wird auch auf die Einbeziehung der Angehörigen bzw.<br />
des Umfeldes gelegt.<br />
Anbieter und Fallzahlen<br />
Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> gibt es einen Träger, der Soziotherapie anbietet. Dies<br />
ist das Diakonische Werk im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>. Laut dem Jahresbericht 2008<br />
haben 13 Personen (7 weiblich, 6 männlich) eine Soziotherapie erhalten.<br />
Finanzierung<br />
Die Soziotherapie ist eine Leistung der Krankenkasse und muss von einem<br />
Facharzt verordnet werden.<br />
2.4.2. Krankenhäuser und Tageskliniken<br />
Die Psychiatrische Klinik Mosbach (PKM), die Neurologisch-Psychiatrische Klinik<br />
sowie die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sind wichtige<br />
Bausteine eines wohnortnahen psychiatrisch/psychosomatisch-psychotherapeutischen<br />
Versorgungssystem für den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> 29 .<br />
28 Vgl. Internetauftritt des Diakonischen Werkes<br />
29 Internetauftritt und Flyer des PZN Wiesloch – Außenstelle Mosbach - www.pzn-wiesloch.de<br />
47
Definition und Anbieter<br />
a) Psychiatrische Klinik Mosbach - Außenstelle der Klinik für Allgemeinpsychiatrie,<br />
Psychotherapie und Psychosomatik II des Psychiatrischen<br />
Zentrums Nordbaden (PZN) in Wiesloch<br />
Die Psychiatrische Klinik Mosbach (PKM) besteht aus einer psychiatrischen<br />
Fachambulanz und einer allgemeinpsychiatrischen Akut-Tagesklinik.<br />
o Psychiatrische Fachambulanz<br />
Die Psychiatrische Fachambulanz bietet eine intensive ambulante<br />
Komplexbehandlung durch ein multiprofessionelles Team an. Das<br />
Behandlungsangebot ist konzipiert für psychisch kranke Menschen, bei<br />
denen längerfristig eine krankenhausnahe ambulante Behandlung<br />
medizinisch notwendig ist. In erster Linie werden Patienten behandelt, bei<br />
denen durch eine reine ambulante psychiatrische Behandlung beim<br />
niedergelassenen Facharzt keine ausreichende Stabilität erreicht werden<br />
kann. Durch das Angebot sollen (teil-)stationäre Aufenthalte vermieden bzw.<br />
verkürzt werden.<br />
Neben der Versorgung allgemeinpsychiatrischer Patienten gibt es ein<br />
Spezialangebot für Patienten mit Suchterkrankungen.<br />
o Psychiatrische Akut-Tagesklinik<br />
Das Angebot der psychiatrischen Akut-Tagesklinik ist für Menschen ab 18<br />
Jahren mit einer psychischen Erkrankung gedacht, die nicht oder nicht mehr<br />
einer stationären Behandlung bedürfen oder sich in einer akuten<br />
psychischen Krise befinden. Dort erhalten sie eine intensive psychiatrischpsychotherapeutische<br />
Behandlung. In der Akut- und Tagesklinik stehen 18<br />
Behandlungsplätze von Montag bis Samstag zur Verfügung.<br />
Angebote in der Tagesklinik:<br />
- Ärztliche Visiten,<br />
- Einzel-, Gruppen- und Familientherapie,<br />
- Medikamentöse Therapie,<br />
- Kognitive Verhaltenstherapie,<br />
- Informationen zur Krankheitsbewältigung,<br />
- Entspannungsverfahren,<br />
- Ergo- und Bewegungstherapie,<br />
- Arbeitsdiagnostik,<br />
- Strukturierung des Tages- und Wochenablaufes mit Unterstützung der<br />
Freizeitgestaltung,<br />
- Soziales Kompetenztraining,<br />
- Hausbesuche uvm.<br />
b) Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (PSM) der<br />
<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-Kliniken in Kooperation mit dem PZN 30<br />
Das Behandlungsangebot richtet sich an Menschen ab 18 Jahren in akuten<br />
psychischen Krisen oder mit psychischen Beeinträchtigungen. Bei den<br />
behandelten psychosomatischen Krankheitsbildern sind seelische, körperliche<br />
und soziale Faktoren an der Auslösung und/oder Aufrechterhaltung der<br />
Erkrankung beteiligt. Im Zentrum der stationären Behandlungen stehen<br />
psychotherapeutische Verfahren in Einzel- und Gruppentherapien. Hierfür<br />
stehen 18 Betten zur Verfügung.<br />
30 Internetauftritt der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-Kliniken – www.neckar-odenwald-kliniken.de<br />
48
Häufige Krankheitsbilder sind beispielsweise<br />
- Depressionen,<br />
- Angststörungen,<br />
- Zwangsstörungen,<br />
- Arbeits- und Beziehungsstörungen (z.B. Burn-Out-Syndrom,<br />
Erschöpfungssyndrom),<br />
- somatoforme Störungen (körperliche Beschwerden ohne ausreichende<br />
körperliche Erklärung),<br />
- chronische Schmerzerkrankungen,<br />
- Störungen der Krankheitsbewältigung sowie<br />
- Störungen aus dem Bereich der gynäkologischen Psychosomatik.<br />
Durch die enge fachliche Kooperation mit anderen Abteilungen der <strong>Neckar</strong>-<br />
<strong>Odenwald</strong>-Kliniken, Standort Mosbach können sowohl körperliche Symptome<br />
und Erkrankungen als auch damit verbundene psychische Beeinträchtigungen<br />
ganzheitlich behandelt werden.<br />
Die Behandlung in der Psychiatrischen Klinik Mosbach (PKM) und in der Klinik<br />
für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie erfolgt auf der Basis eines<br />
individuellen Behandlungsplanes, der von einem multiprofessionellen Team aus<br />
Ärzten, Psychologen, Pflegepersonal, Ergo- und Bewegungstherapeuten und<br />
Sozialarbeitern zusammen mit dem Patienten erstellt wird.<br />
Für eine Behandlung ist eine Überweisung oder Verordnung durch den Arzt<br />
(Hausarzt, Facharzt, Klinikarzt) nötig.<br />
Zu den Zielen einer psychiatrisch/psychosomatisch-psychotherapeutischen<br />
Behandlung in der PKM und der PSM gehören<br />
- die Bewältigung akuter psychischer Krisen,<br />
- Symptomfreiheit bzw. Besserung und Stabilisierung der psychischen<br />
Erkrankung und körperlicher Symptome,<br />
- eine umfassende medizinisch-psychiatrische und psychosomatische<br />
Diagnostik,<br />
- die Erhaltung und Stärkung vorhandener Fähigkeiten und sozialer<br />
Kontakte,<br />
- die Förderung und Unterstützung bei der Wiedereingliederung in das<br />
berufliche Umfeld.<br />
Die räumliche, organisatorische und personell enge Vernetzung der<br />
psychiatrischen und psychosomatischen Behandlungsangebote in den <strong>Neckar</strong>-<br />
<strong>Odenwald</strong>-Kliniken am Standort Mosbach ermöglichen es, die<br />
Behandlungsverfahren und die Behandlungsintensität individuell dem<br />
Krankheitsbild der Patienten anzupassen.<br />
c) Neurologisch-Psychiatrische Klinik der Johannes-Anstalten Mosbach mit<br />
Tagesklinik 31<br />
Es bestehen folgende Behandlungsangebote<br />
o die Psychiatrische Institutsambulanz<br />
Die Psychiatrische Institutsambulanz bietet eine intensive ambulante<br />
Komplexbehandlung durch ein multiprofessionelles Team an. Das<br />
Behandlungsangebot ist konzipiert für psychisch kranke Menschen, bei<br />
denen längerfristig eine krankenhausnahe ambulante Behandlung<br />
medizinisch notwendig ist. In erster Linie werden Patienten behandelt, bei<br />
denen durch eine reine ambulante psychiatrische Behandlung beim<br />
31 Vgl. Internetauftritt der Neurologisch-Psychiatrischen Klinik der Johannes-Anstalten Mosbach - www.jamos.de/ge/gesund<br />
49
niedergelassenen Facharzt keine ausreichende Stabilität erreicht werden<br />
kann. Durch das Angebot sollen (teil-)stationäre Aufenthalte vermieden bzw.<br />
verkürzt werden.<br />
Es besteht ein Spezialangebot für behinderte Menschen.<br />
o Kassenärztliche Ambulanz<br />
Die kassenärztliche Ambulanz umfasst einen neurologisch-psychiatrischen<br />
Konsiliardienst und steht für nervenärztliche Diagnostik und ambulante<br />
Weiterbehandlung nach einem stationären oder tagesklinischen Aufenthalt<br />
in den Johannes-Anstalten Mosbach zur Verfügung.<br />
o Neurologische Institutsambulanz<br />
Hier können Bewohner/-innen und Beschäftigte der Werkstätten für<br />
behinderte Menschen der Johannes-Anstalten Mosbach neurologisch<br />
untersucht und behandelt werden.<br />
o Psychiatrische Tagesklinik<br />
Die Tagesklinik ist ein Bindeglied zwischen den ambulanten Betreuungen<br />
wie z.B. durch niedergelassene Psychiater, Nervenärzte,<br />
Psychotherapeuten, Psychiatrische Institutsambulanzen und einer<br />
stationären psychiatrischen Krankenhausbehandlung. Die Behandlung ist an<br />
das stationäre Angebot angegliedert. Die Tagesklinik ist von Montag bis<br />
Freitag geöffnet.<br />
Die Tagesklinik bietet betroffenen Personen Diagnostik und Behandlung an,<br />
ohne dass diese ihr soziales Umfeld verlassen müssen. Die Diagnostik und<br />
das Therapieangebot entspricht weitestgehend dem der vollstationären<br />
Behandlung. Das Angebot richtet sich an Betroffene, bei denen eine<br />
ambulante Behandlung nicht ausreichend ist, eine vollstationäre<br />
Behandlung jedoch nicht (mehr) benötigt wird. In der Tagesklinik stehen 5<br />
Plätze zur Verfügung.<br />
o Neurologisch-Psychiatrischen Stationen<br />
Für Patienten, die stationär behandlungsbedürftig sind, stehen je nach<br />
Erkrankung zwei differenziert ausgestattete Stationen zur Verfügung<br />
- Station I<br />
Hier werden erwachsene psychiatrisch und/oder neurologisch erkrankte<br />
Menschen mit einer leichten bis schweren Intelligenzminderung<br />
behandelt. Die Station verfügt über 12 stationäre Plätze und ist<br />
heilpädagogisch ausgerichtet.<br />
- Station II<br />
Bei Station II handelt es sich um eine offen geführte<br />
allgemeinpsychiatrische Station für erwachsene Patienten (ohne<br />
Altersbegrenzung nach oben). Hier stehen 20 stationäre Plätze zur<br />
Verfügung.<br />
Das Behandlungsangebot beider Stationen ist auf die individuellen<br />
Bedürfnisse des Patienten abgestimmt.<br />
Die Klinik und Tagesklinik bieten den Patienten neben der notwendigen<br />
Diagnostik gemäß dem aktuellen Stand der Medizin folgende Therapieangebote<br />
- Ärztliche Visiten,<br />
- Einzel- und Gruppenpsychotherapie mit integrativem Ansatz,<br />
- Medikamentöse Behandlung,<br />
- Wachtherapie, Lichttherapie (bei Depressionen),<br />
- Entspannungstherapie,<br />
50
- Soziotherapie in Einzel- und Gruppensetting,<br />
- Ergotherapie (Beschäftigungs- und Arbeitstherapie),<br />
- Mototherapie, Reittherapie, Schwimmen,<br />
- Soziales Belastungstraining,<br />
- Beratung und Hilfe zur Wiedereingliederung in den Beruf,<br />
- Vermittlung in weiterführende Behandlungen und in Rehamaßnahmen,<br />
- Fachkundiges Pflegepersonal als Ansprechpartner (Krankenpfleger,<br />
Heilerziehungspfleger).<br />
Das Klinikteam ist multiprofessionell und besteht aus Ärzten, Psychologen,<br />
Sozialpädagogen, Ergo- und Bewegungstherapeuten, Pflegepersonal,<br />
Sekretärinnen und medizinisch-technischen Assistentinnen.<br />
Ziel aller Behandlungsmaßnahmen ist<br />
- die Symptomfreiheit oder Verbesserung der Symptomatik und<br />
Steigerung des Selbstwertgefühls und der Lebensqualität,<br />
- Krankheitsbewältigung bei chronischen psychischen Erkrankungen,<br />
- eine bessere Integration in der Familie, am Arbeitsplatz und im<br />
gesellschaftlichen Leben.<br />
Der Zugang in die Klinik erfolgt genau wie bei den vorgenannten Angeboten auf<br />
Überweisung und Verordnung eines Arztes (Haus-, Fach-, Klinikarzt). Die<br />
Behandlung ist eine Leistung der Krankenversicherung.<br />
d) Psychosomatische Klinik Schloss Waldleiningen in Mudau 32<br />
Das Schloss Waldleiningen ist eine stationäre Psychosomatische Klinik mit 102<br />
Plätzen. Die Behandlung dauert durchschnittlich 4 bis 6 Wochen. Eine Therapie<br />
ist für Menschen mit psychovegetativen Störungen und psychosomatischen<br />
Erkrankungen, Neurosen, Depressionen, Erschöpfungssyndrom, Psychosen<br />
des manisch – depressiven und schizophrenen Formenkreises,<br />
Posttraumatische Belastung, Suchterkrankungen nach der Entgiftungsphase,<br />
chronische Schmerzzustände, Schlafstörungen und Anfallsleiden möglich.<br />
Die integrative Psychotherapie in Form von Gruppen- oder Einzeltherapien<br />
orientiert sich schwerpunktmäßig an der Persönlichkeit, dem Beschwerdebild<br />
und den individuellen Fertigkeiten zur Problembewältigung des Patienten.<br />
Angeboten werden weiterhin<br />
- eine kognitive und allgemeine Verhaltenstherapie<br />
- eine systemische und hypnotherapeutische Psychotherapie sowie<br />
- eine psychodynamisch orientierte Psychotherapie und Psychodrama.<br />
Mit Hilfe der Therapie soll eine Besserung der Krankheitssymptome, das Lösen<br />
der eigenen Verstrickungen und der Aufbau von weiteren<br />
Bewältigungsstrategien ermöglicht werden.<br />
Die Behandlung im Schloss Waldleiningen ist eine Leistung der Kranken- oder<br />
Rentenversicherung.<br />
Bewertung / Handlungsempfehlung:<br />
Gemessen an vergleichbaren ländlichen Regionen besteht im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> eine<br />
hohe Ausdifferenzierung und Verfügbarkeit von Angeboten für Menschen mit seelischer<br />
Behinderung. Sowohl in der Allgemeinpsychiatrie, als auch in der Behindertenpsychiatrie<br />
(Johannes-Anstalten) besteht ein breites Diagnosespektrum. Weiterhin besteht eine gute<br />
Versorgung im Bereich der akutpsychosomatischen stationären Versorgung und<br />
32 Vgl. Internetauftritt Schloss Waldleiningen - www.schloss-waldleiningen.de<br />
51
allgemeinpsychiatrischen (teil-)stationären Versorgung. Die Möglichkeiten für schwer<br />
chronischpsychisch Erkrankte, eine ambulante Komplexbehandlung in einer psychiatrischen<br />
Institutsambulanz in Anspruch zu nehmen, sind ebenfalls gut.<br />
Es besteht eine gute Zusammenarbeit zwischen den krankenkassen-finanzierten<br />
psychiatrischen / psychosomatischen klinischen und ambulanten Behandlungsangeboten<br />
und komplementären Diensten. Insbesondere mit den Mitgliedern im<br />
Gemeindepsychiatrischen Verbund, dem SPDI, den Tagesstätten in Mosbach und Buchen<br />
und Anbietern betreuter und stationärer Wohnformen für psychisch Kranke besteht eine gute<br />
und vernetzte Zusammenarbeit.<br />
Lücken bestehen aus Sicht der Kliniken besonders bei den Arbeits- und<br />
Beschäftigungsangeboten. Auch die Vermittlung in Angebote der beruflichen Rehabilitation<br />
oder des zweiten Arbeitsmarktes ist, bedingt durch die Wirtschafts- und Finanzkrise, aber<br />
auch durch weite Anfahrtswege teilweise nicht einfach.<br />
Weiterhin wird bedauert, dass eine geschlossene Station vor Ort fehlt und die Wartezeiten<br />
bei den niedergelassenen Fachärzten sehr lang sind, obwohl alle vertragsärztlichen Sitze im<br />
Landkreis vergeben sind. Ein Grund dafür ist, dass einige dieser Praxen ihren Schwerpunkt<br />
eher im neurologischen Bereich haben.<br />
3. Angebote für Senioren<br />
3.1. Alter und psychische Erkrankung (Gerontopsychiatrische Erkrankungen)<br />
Unter gerontopsychiatrischen Erkrankungen werden psychische Erkrankungen im<br />
Alter verstanden. Die häufigsten gerontopsychiatrischen Erkrankungen sind:<br />
Demenz<br />
Sie beschreibt einen Zustand fortschreitenden Hirnabbaus mit zunehmendem<br />
Verlust an kognitiven Fähigkeiten, z.B. Gedächtnis, Orientierung, Auffassung,<br />
Rechnen, Lernfähigkeit, Sprechen und Entscheidungsfähigkeit. Gewöhnlich sind<br />
diese von Veränderungen der emotionalen Kontrolle, der Affektlage, des<br />
Sozialverhaltens oder der Motivation begleitet.<br />
Die häufigsten Formen sind die Alzheimersche Krankheit und die vaskuläre<br />
Demenz (Durchblutungsstörungen).<br />
Demenzen sind in höherem Alter die Hauptursache von Pflegebedürftigkeit.<br />
Bundesweit sind derzeit ca. 1,3 Mio. Personen betroffen. Demenzen nehmen mit<br />
steigendem Alter deutlich zu.<br />
65- bis 69- Jährige<br />
70- bis 74- Jährige<br />
75- bis 79- Jährige<br />
80- bis 84- Jährige<br />
85- bis 89- Jährige<br />
über 90- Jährige<br />
Altersgruppe Anteil Demenzkranker<br />
1,2%<br />
2,8%<br />
6,0%<br />
13,3%<br />
23,9%<br />
34,6%<br />
Tabelle 6: Anteil der Demenzerkrankten na der Bevölkerung nach bestimmten Altersgruppen 33<br />
33 Datenquelle: Berliner Altersstudie (1996)<br />
52
Depression<br />
Sie bezeichnet eine psychische Störung, die durch die Hauptsymptome gedrückte<br />
Stimmung, gehemmter Antrieb, Interesselosigkeit und Freudlosigkeit sowie ein<br />
gestörtes Selbstwertgefühl gekennzeichnet ist.<br />
Schizophrenie<br />
Sie beschreibt schwerwiegende Beeinträchtigungen wichtiger psychischer und<br />
kognitiver Fähigkeiten, die zu einer deutlichen Störung des Realitätsbezuges<br />
führen.<br />
3.2. Abgrenzungsproblematik<br />
Da die genannten Erkrankungen nicht nur im Alter auftreten können, ist eine<br />
alterstypische Zuordnung nur schwer möglich. Grundsätzlich ist eine signifikante<br />
Steigerung der Häufigkeit bei steigendem Alter vor allem bei den Demenzen, den<br />
Depressionen bei Pflegebedürftigen sowie den Schizophrenien ab dem 70.<br />
Lebensjahr zu erkennen.<br />
3.3. Ambulante und teilstationäre Angebote<br />
Als ambulante Angebote zur Betreuung von psychisch Kranken kommen eine<br />
Reihe von Möglichkeiten in Frage.<br />
o Tageszentren für Demenzkranke<br />
o Betreuungsgruppen<br />
o Tagespflegeeinrichtungen sowie<br />
o Kurzzeitpflege<br />
Hier werden Demenzkranke stunden- oder tageweise, in den Tageszentren auch<br />
ohne Voranmeldung betreut und versorgt. Angehörige haben hierdurch eine<br />
Entlastungsmöglichkeit im Alltag, die für die vielfältigen Verpflichtungen oder auch<br />
zur Erholung genutzt werden können.<br />
Anbieter<br />
Adressen der Angebote sind der aktuellen Version des Seniorenratgebers zu<br />
entnehmen, der in Behörden sowie bei Beratungsstellen ausliegt, sowie im Internet<br />
unter www.neckar-odenwald-kreis.de heruntergeladen werden kann.<br />
Finanzierung<br />
Die Finanzierung der ambulanten und teilstationären Pflege und Betreuung erfolgt<br />
zunächst durch Eigenmittel der betroffenen Person. Bei Pflegebedürftigkeit nach<br />
SGB XI werden seitens der Pflegekassen Festzuschüsse in Form von Pflegesachleistung,<br />
Pflegegeld, Kombinationsleistung, Verhinderungspflege, Tages- und<br />
Nachtpflege, Kurzzeitpflege sowie Betreuungsleistungen für „Personen mit<br />
eingeschränkter Alltagskompetenz“ gewährt. Reichen die Eigenmittel nicht oder<br />
nicht mehr aus, so können die Restkosten auf Antrag im Rahmen der Hilfe zur<br />
Pflege vom Sozialamt übernommen werden.<br />
3.4. Wohnangebote<br />
3.4.1. Betreute Wohngemeinschaften für Demenzkranke<br />
Eine sinnvolle Alternative für Demenzkranke stellt das Wohnen und Leben in einer<br />
ambulant betreuten Wohngemeinschaft für Demenzkranke dar. Hier kann auf die<br />
speziellen Bedürfnisse und Notwendigkeiten wie Bewegungsdrang, Sicherheit,<br />
Orientierungshilfen u.a. verstärkt eingegangen werden.<br />
53
Anbieter und Platzzahlen<br />
Ein entsprechendes Angebot bietet der Caritasverband <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
e.V. mit 10 Plätzen in Billigheim. Betreut wird dort rund um die Uhr durch speziell<br />
für diesen Personenkreis geschultes Personal („Familienhelfer für Altersverwirrte“),<br />
ergänzt durch Pflegefachkräfte von außerhalb.<br />
Finanzierung<br />
Die Finanzierung erfolgt in der im Kapitel 3.3. genannten Form.<br />
3.4.2. Stationäre Wohnangebote für ältere psychisch kranke Menschen<br />
Anbieter<br />
Mittlerweile haben sich eine Reihe von Alten- und Pflegeheimen durch<br />
unterschiedliche Wohnangebote vor allem auf dementielle Erkrankungen<br />
eingestellt. Hierfür stehen entweder baulich abgegrenzte Wohnbereiche zur<br />
Verfügung, in denen Demenzkranke ständig leben und die sicher und zum Teil<br />
milieutherapeutisch gestaltet sind („segregative Form“) oder Tagesbetreuungsgruppen<br />
ohne räumliche Abgrenzung gegenüber anderen Bewohnern, in denen<br />
Demenzkranke speziell auf sie abgestimmte Betreuungsangebote tagsüber<br />
erhalten („integrierte Form“).<br />
Personen mit Depressionen, Schizophrenien oder anderen psychiatrischen<br />
Erkrankungsformen werden durch individuell auf sie abgestimmte Tagesangebote<br />
und je nach Fähigkeiten innerhalb der Einrichtungen betreut.<br />
Pflegeheim-Plätze<br />
Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> stehen ca. 1930 stationäre Plätze in 30 verschiedenen<br />
Einrichtungen zur Verfügung, von denen erfahrungsgemäß mindestens 3/4 von<br />
Personen mit psychiatrischen Krankheitsbildern belegt sind. Dies sind überwiegend<br />
Menschen mit Demenzerkrankungen, aber auch Depressionen. Für<br />
gerontopsychiatrische Erkrankungen stehen in gut 1/3 der Einrichtungen eigene<br />
abgegrenzte Wohnbereiche mit speziellen therapeutischen Angeboten zur<br />
Verfügung.<br />
Eine aktuelle Übersicht über alle im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> vorhandenen<br />
Angebote sind ebenfalls der aktuellen Version des Seniorenratgebers zu<br />
entnehmen.<br />
Finanzierung<br />
Die Finanzierung der vollstationären Pflege und Betreuung erfolgt zunächst durch<br />
Eigenmittel der betroffenen Person. Bei Pflegebedürftigen nach SGB XI werden<br />
seitens der Pflegekassen Festzuschüsse für die vollstationäre Pflege, für „Personen<br />
mit eingeschränkter Alltagskompetenz“ sowie für „Betreuungsassistenten“ gewährt.<br />
Reichen die Eigenmittel nicht oder nicht mehr aus, so können die Restkosten auf<br />
Antrag im Rahmen der Hilfe zur Pflege vom Sozialamt übernommen werden. Bei<br />
notwendiger stationärer Unterbringung trotz fehlender Pflegebedürftigkeit (Stufe 0),<br />
z.B. bei Verwahrlosung, Selbstpflegedefizit oder bei Personen mit Spätfolgen von<br />
Alkoholkonsum („Korsakov-Syndrom“), findet die Finanzierung neben der<br />
Eigenbeteiligung komplett über das SGB XII statt.<br />
Seit in Kraft treten des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes zum 01.07.2008 stehen<br />
den Heimen seitens der Kassen finanzierte „Betreuungsassistenten für Personen<br />
mit eingeschränkter Alltagskompetenz“ (§45 SGB XI) zur Verfügung, die den<br />
speziellen Bedürfnissen dieses Personenkreises besser gerecht werden.<br />
54
3.5. Medizinische / Therapeutische Versorgung<br />
Hierzu gehören:<br />
Fachärztliche Versorgung<br />
Die fachärztliche Versorgung erfolgt über niedergelassene Fachärzte (Psychiater,<br />
Neurologen). Eine aktuelle Auflistung kann bei den Krankenversicherungen oder<br />
Hausärzten erfragt werden.<br />
Klinische Versorgung<br />
Die Angebote der klinischen Versorgung (Beratung, Diagnostik, Behandlung,<br />
Alltagshilfen, therapeutische Gruppen) von Senioren entsprechen den Angeboten<br />
für Erwachsene wie sie in Kapitel IV. 2.4.2. detailliert beschrieben sind.<br />
Medikamentöse Therapie<br />
Die medikamentösen Therapiemöglichkeiten sind recht unterschiedlich. Vor allem<br />
bei depressiven Erkrankungsformen und zum Teil bei Schizophrenien sind sie<br />
erfolgversprechend. Die Behandlung ist auch im Alter am wirksamsten, wenn<br />
antidepressive Medikamente und Psychotherapie kombiniert werden.<br />
Bei dementiellen Erkrankungen können einzelne, sogenannte „sekundäre<br />
Demenzformen“, die auf Störungen des Stoffwechsels zurückzuführen sind, direkt<br />
ursächlich behandelt und zum Teil sogar geheilt werden. Bei dem weitaus größten<br />
Teil der Erkrankungsformen steht jedoch eine Behandlung der Symptome bzw.<br />
Risikofaktoren im Vordergrund. Eine Heilung ist hier nicht möglich. Die<br />
Lebenserwartung bei Alzheimer beträgt maximal fünf bis sieben Jahre, bei<br />
vaskulärer Demenz ist sie noch kürzer. Die medikamentöse Therapie erfolgt über<br />
die im vorigen Kapitel genannten Einrichtungen sowie über niedergelassene<br />
Fachärzte.<br />
Weitere Therapiemöglichkeiten<br />
Für die Betreuung und Therapie kommen eine Vielzahl an Möglichkeiten in<br />
Betracht, die unterschiedlich erfolgversprechend sind. Hierzu gehören unter<br />
anderem:<br />
o bei Demenzen:<br />
- Orientierungstraining<br />
- Ergotherapie<br />
- Validation<br />
o bei Depressionen und Schizophrenien:<br />
- Psychotherapie<br />
- Verhaltenstherapie<br />
- Ergotherapie<br />
Am meisten erfolgversprechend ist in der Regel eine Kombinationen aus nichtmedikamentösen<br />
und medikamentösen Therapieformen.<br />
Bewertung / Handlungsempfehlung:<br />
Bei der Personengruppe der älteren Menschen mit psychischen Erkrankungen gibt es im<br />
Wesentlichen zwei Personengruppen, deren Versorgung bei steigenden Fallzahlen<br />
sichergestellt werden muss. Einerseits sind es alt werdende psychisch kranke Menschen,<br />
die bereits im Versorgungssystem bekannt sind. Zum anderen sind es Menschen, bei denen<br />
erst durch das Alter psychische Erkrankungen, wie Depression, Sucht, Demenz oder<br />
paranoide Entwicklungen entstehen.<br />
55
Die klassischen Angebote der Altenhilfe haben sich in den letzten Jahren inhaltlich immer<br />
mehr auch diesem Personenkreis geöffnet, ohne die Spezialbedarfe vollständig abzudecken.<br />
In den genannten Angeboten werden in Zukunft nicht nur Demente betreut, sondern auch alt<br />
werdende chronisch psychisch Kranke, depressive und paranoide Personen. Es erscheint<br />
daher notwendig, neue gerontopsychiatrische Hilfen zwischen den beiden Arbeitsfeldern –<br />
Altenhilfe und Gemeindepsychiatrie – aufzubauen.<br />
In den Landkreisen werden in den nächsten Jahren nach der Einschätzung vieler Fachleute<br />
bei steigenden Fallzahlen neue Angebote notwendig (z.B. ein ambulanter<br />
gerontopsychiatrischer Pflegedienst, eine Tagesklinik oder spezielle Tagesstätten und<br />
Tagesgruppen), welche die sehr gemischte Zielgruppe betreuen. Erste Schritte sind hier<br />
bereits z.B. mit den „Tageszentren für Demenzkranke“ der Caritas getan.<br />
Das Thema „psychiatrische Pflege“ ist ein landesweites Thema, das bisher hauptsächlich<br />
deshalb nicht flächendeckend umgesetzt wird, weil die Kassen sehr hohe Anforderungen an<br />
die Zulassung eines solchen Dienstes stellen, der dann in der Regel nicht wirtschaftlich<br />
betrieben werden kann. Diese Problematik wird im Arbeitskreis GPV noch zu erörtern sein.<br />
V. Angebote für Suchtkranke 34<br />
1. Ambulante Angebote<br />
Die ambulanten Angebote für suchtkranke Menschen im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
werden in erster Linie von dem Baden-Württembergischen Landesverband für<br />
Prävention und Rehabilitation (BWLV) - Fachstelle Sucht Mosbach erbracht. Es gibt<br />
Außenstellen in Buchen, Osterburken und in der Justizvollzugsanstalt Adelsheim<br />
(JVA).<br />
Das Team der Fachstelle Sucht in Mosbach ist für den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
zuständig und setzt sich zusammen aus Fachkräften der Psychologie,<br />
Sozialarbeit/Sozialpädagogik, Medizin und Verwaltung.<br />
Als ambulantes Hilfeangebot gibt es die<br />
1.1 Beratungs- und Behandlungsstelle<br />
Definition<br />
Die psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstelle ist ein ambulantes<br />
Beratungsangebot für Menschen mit Suchtproblemen und deren Angehörige und<br />
Partner. Es werden Menschen beraten und behandelt, die Probleme mit Alkohol,<br />
Medikamenten, illegalen Drogen und/oder Spielsucht haben.<br />
Die Beratung und Begleitung erfolgt<br />
o durch ambulante Einzel-, Paar- und/oder Familiengespräche,<br />
o bei der Vermittlung in Entgiftung und Therapie,<br />
o durch Angebote zur psychosozialen Begleitung bei (Drogen-)Substitution,<br />
o durch Angebote nach der Therapie (Nachsorge),<br />
o durch Unterstützung von Selbsthilfegruppen,<br />
o durch Angebote für Angehörige,<br />
o bei Behördengängen,<br />
o durch anonyme Telefonberatung und<br />
o in der Justizvollzugsanstalt.<br />
34 Siehe hierzu Internetauftritt der Fachstelle Sucht Mosbach, http://www.blv-suchthilfe.de/fachstelle-mosbach<br />
56
Ziel: Mit diesem Beratungs- und Behandlungsangebot werden folgende Ziele<br />
verfolgt:<br />
o Orientierung,<br />
o Entscheidungsfindung bei der Wahl geeigneter Beratungs- und Therapieangebote<br />
(ambulant, stationär, Selbsthilfegruppen),<br />
o Hilfestellung für den Umgang mit suchtgefährdeten oder suchtkranken<br />
Personen,<br />
o Unterstützung für Berufsgruppen im Sozialbereich für suchtspezifische<br />
Fragestellungen.<br />
Versorgungszahlen<br />
Hinsichtlich der Versorgung von Suchtkranken werden die Zahlen der Deutschen<br />
Hauptstelle für Suchtfragen auf den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> umgerechnet. Dies<br />
ergibt folgende Problemstellung:<br />
o Alkohol<br />
- riskanter Konsum: ca. 17.000 Personen (16% der 18 – 69-jährigen)<br />
- Missbrauch: ca. 5.200 Personen (5% der 18 – 69-jährigen)<br />
- Abhängigkeit: ca. 3.200 Personen (3% der 18 – 69-jährigen)<br />
o Medikamente<br />
- Abhängigkeit: ca. 3.000 Personen (ca. 3% der 18 – 69-jährigen)<br />
o Tabak<br />
- Raucher: ca. 31.000 Männer und Frauen davon starke Raucher (20<br />
Zigaretten und mehr tgl.): ca. 11.000<br />
o Illegale Drogen<br />
- einschl. Cannabis: Abhängigkeit ca. 500 Personen<br />
o Tatsächlich erreichte Klienten<br />
Im Jahr 2008 hat die Fachstelle mit 1.236 Klienten gearbeitet. Davon wurden<br />
487 in der JVA betreut. Mit 749 Personen wurden 886 Betreuungen im <strong>Kreis</strong><br />
vermittelt. 144 Menschen wurden in stationäre Therapie vermittelt (73 aus dem<br />
<strong>Kreis</strong> und 71 aus der JVA Adelsheim). 2008 wurden 21 laufende ambulante<br />
Therapien (neu begonnen: 19) sowie 21 Nachsorgen nach abgeschlossener<br />
stationärer Entwöhnungsbehandlung durchgeführt.<br />
Finanzierung bzw. Finanzierungsanteil<br />
Die Hauptfinanzierung der Beratungsstelle übernimmt der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
mit jährlich 237.000 €. Einen weiteren Anteil leistet das Land Baden-Württemberg.<br />
1.2 Selbsthilfegruppen<br />
Definition<br />
Selbsthilfegruppen bieten vielen betroffenen Menschen und ihren Angehörigen in<br />
schwierigen Lebenssituationen wertvolle Unterstützung und Beratung bei<br />
Suchtproblemen.<br />
Immer mehr Menschen schließen sich in Selbsthilfegruppen zusammen, um<br />
gemeinsam eine Erkrankung, Behinderung oder eine schwierige Lebenslage<br />
bewältigen zu können. So eröffnen sich ihnen Kontakte zu Gleichbetroffenen und<br />
Gespräche mit verständnisvollen Mitmenschen. Aus der vertrauten Situation<br />
regelmäßiger Treffen und dem Rückhalt der Gruppe heraus, entsteht zudem die<br />
Selbstsicherheit, die der Einzelne zum Angehen seiner speziellen Problematik<br />
benötigt. Die Selbsthilfegruppe ist kein Ersatz für eine ärztliche Behandlung oder<br />
57
professionelle Betreuung, wohl aber eine notwendige und sinnvolle Ergänzung<br />
hierzu.<br />
Anbieter<br />
Es gibt Selbsthilfegruppen, die in enger Kooperation mit der Fachstelle Sucht<br />
stehen, sowie autonome Selbsthilfegruppen wie z.B. die Anonymen Alkoholiker und<br />
Freundeskreis Suchthilfe Obrigheim.<br />
Details kann man auf der Internetseite der Fachstelle Sucht Mosbach<br />
http://www.blv-suchthilfe.de/fachstelle-mosbach unter „Selbsthilfegruppen“ erfahren.<br />
1.3 Arbeitskreis Suchtprophylaxe 35<br />
Der Arbeitskreis Suchtprophylaxe ist ein Arbeitskreis aller im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<br />
<strong>Kreis</strong> mit Suchtprävention beauftragten Institutionen.<br />
Diese sind:<br />
o Landratsamt <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>, Geschäftsbereich Jugendhilfe<br />
o Landratsamt <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>, Fachdienst Gesundheit<br />
o Suchtbeauftragte für Schulen des Regierungspräsidiums Karlsruhe<br />
o Polizeidirektion Mosbach, Kriminalprävention<br />
o Jugendhaus Mosbach<br />
o Caritasverband <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> und die<br />
o Fachstelle Sucht.<br />
Der Arbeitskreis hat das Ziel, suchtprophylaktische Aktivitäten auf örtlicher Ebene<br />
zu initiieren, vorzubereiten, zu vernetzen und umzusetzen. Die Aktivitäten des<br />
Arbeitskreises tragen sich durch Zuwendungen.<br />
1.4 Kommunales Suchthilfenetzwerk<br />
Seit dem 11.12.2008 besteht ein Kooperationsvertrag für ein Kommunales<br />
Suchthilfenetzwerk im Landkreis. Ziel dieses Vertrages ist, dass alle, die ein<br />
Beratungs- und Hilfeangebot für Suchtgefährdete und Suchtkranke im <strong>Neckar</strong>-<br />
<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> vorhalten, ihre Angebote vernetzen. Gemeinsames Ziel ist, von<br />
Suchtproblemen betroffenen Menschen ein individuell angemessenes und<br />
bedarfsgerechtes Beratungs- und Behandlungsangebot zu bieten.<br />
2. Stationäre Angebote 36<br />
Definition<br />
Die stationären Einrichtungen stellen innerhalb des Verbundsystems der<br />
Suchtkrankenhilfe eine besonders intensive Betreuungsform dar. Sie bieten<br />
abhängigkeitskranken Menschen die Möglichkeit, zeitlich befristet aus ihrem<br />
sozialen Umfeld herauszutreten und die Fähigkeit zur eigenverantwortlichen<br />
Lebensgestaltung wiederzugewinnen.<br />
Die Behandlung wird als eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation<br />
überwiegend im Auftrag der Rentenversicherung durchgeführt. Weitere Leistungsträger<br />
sind die Krankenversicherung und in Einzelfällen die Träger der Sozialhilfe.<br />
35<br />
siehe hierzu Internetauftritt des Landratsamtes <strong>Neckar</strong>-Odewald-<strong>Kreis</strong>, http://www.neckar-odenwaldkreis.de/url.php?/page/2121<br />
36<br />
Vgl. hierzu Internetauftritt des bw-lv.de - Rehabilitation<br />
58
Die Ziele der medizinischen Rehabilitation sind:<br />
o die Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit bzw. der Gesundheit,<br />
o Abstinenz von Suchtmitteln und Erwerb konstruktiver Bewältigungsstrategien im<br />
Umgang mit Rückfällen ("zufriedene Nüchternheit"),<br />
o Stärkung der Persönlichkeit, Förderung der Beziehungsfähigkeit,<br />
o Soziale Reintegration (materielle Lebenssicherung, Förderung der familiären<br />
Einbindung, Pflege des Freundes- und Bekanntenkreises, sinnvermittelnde<br />
Freizeitgestaltung, Vorbereitung der beruflichen Rehabilitation),<br />
o Vorbereitung der Nachsorge.<br />
Hierzu gibt es in den Einrichtungen Angebote in unterschiedlicher Form wie z.B.<br />
o Medizinische Versorgung und Behandlung<br />
o Psychotherapie<br />
o Indikationsgruppen<br />
o Arbeitstherapie<br />
o Beschäftigungstherapie<br />
o Kunsttherapie<br />
o Erlebnispädagogik<br />
o Sporttherapie<br />
o Beratung bei Fragen der beruflichen Wiedereingliederung.<br />
Anbieter<br />
Innerhalb des Landkreises:<br />
Im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> gibt es für Menschen mit Drogenproblemen eine<br />
stationäre medizinische Rehabilitation und zwar die „Therapie auf dem Bauernhof“<br />
in Mosbach. Hier stehen im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> und in den angrenzenden<br />
<strong>Kreis</strong>en ca. 7 Plätze zur Verfügung.<br />
Außerhalb des Landkreises:<br />
Außerhalb des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es gibt es eine Reihe von anerkannten<br />
Fachkliniken.<br />
Weitere Informationen zu der „Therapie auf dem Bauernhof“ oder zu anderen<br />
Fachkliniken erhält man beim BWLV, http://www.bw-lv.de/<br />
Finanzierung<br />
Die Finanzierung einer solchen Einzelfallhilfe erfolgt durch den Träger der<br />
medizinischen Rehabilitation, überwiegend Deutsche Rentenversicherung,<br />
Gesetzliche Krankenversicherung.<br />
Bewertung / Handlungsempfehlung:<br />
Bewertung der Angebote für Suchtkranke aus Sicht der Fachstelle Sucht:<br />
Die vorhandenen Angebote zur Suchthilfe werden als weitgehend ausreichend angesehen.<br />
Einzelne Teilbereiche bedürfen einer genaueren Prüfung, z.B. der Bedarf für ein Projekt für<br />
abstinenzorientiertes betreutes Wohnen im <strong>Kreis</strong>. Bei der Bedarfsplanung ist darauf zu<br />
achten, ob ein solches Angebot wirtschaftlich betrieben werden kann. Weitere Themen sind<br />
der Ausbau der Psychosozialen Begleitung bei Substitution und die Klärung eines<br />
Tagesklinischen Bedarfes für Suchtkranke im <strong>Kreis</strong>. Durch die Einführung einer<br />
Sprechstunde an zwei Vormittagen an der psychiatrischen Klinik in Mosbach (PKM) wurde<br />
hier ein erster Schritt bereits getan.<br />
59
VI. Zusammenfassung und Perspektiven<br />
Allgemeines<br />
Mit der Verwaltungsreform zum 01.01.2005 wurde die Aufgabe der Eingliederungshilfe von<br />
den Landeswohlfahrtsverbänden auf die Stadt- und Landkreise übertragen. Seitdem ist der<br />
<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> zuständiger Leistungsträger für behinderte Menschen aus dem<br />
Landkreis, die eine Leistung der Eingliederungshilfe in Anspruch nehmen. Auch die<br />
Zuständigkeit für die Planung und Umsetzung der Investitionskostenförderung liegt seither<br />
beim örtlichen Träger der Sozialhilfe. Dieses Mehr an Verantwortung beinhaltet auch ein<br />
Mehr an Gestaltungsspielraum. Die Nähe zu den behinderten Menschen und ihren<br />
Angehörigen, aber auch zu den Trägern vor Ort, bietet große Chancen.<br />
Anders als bei den geistig und körperlich behinderten Menschen, die im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<br />
<strong>Kreis</strong> ein breit gefächertes Angebot eines einzelnen Anbieters vorfinden, werden die<br />
entsprechenden Angebote für seelisch behinderte Menschen von mehreren Trägern<br />
vorgehalten. Diese Trägervielfalt erfordert in der Planung und Umsetzung von Hilfen mehr<br />
Koordinierungsaufwand, um die passgenauen Hilfen anbieten zu können.<br />
Hinzu kommt, dass seelisch behinderte Menschen sehr unterschiedliche Krankheitsverläufe<br />
haben, die eine Zusammenführung in homogene Hilfegruppen erschweren. Somit ist es,<br />
allein auf Grund der geringen Fallzahlen, nicht möglich, alle Bedarfe vor Ort zu decken.<br />
Trotzdem kommt gerade dem Bereich der Menschen mit seelischer Behinderung große<br />
Bedeutung zu.<br />
Die Zahl der geistig und körperlich behinderten Menschen ist relativ konstant, während die<br />
Zahl der seelischen Behinderungen landesweit deutlich ansteigt. Ob es sich dabei um eine<br />
reale Zunahme der Zahl von Erkrankungen handelt, um eine erhöhte Inanspruchnahme von<br />
Ärzten und Therapeuten, eine veränderte Wahrnehmung bei den Betroffenen oder um eine<br />
verbesserte Diagnostik auf Seiten der Ärzteschaft, bleibt offen. Als sicher kann jedoch<br />
gelten, dass der Prozess der Entstigmatisierung der psychiatrischen Einrichtungen die<br />
Schwellenängste deutlich reduziert hat, was zu einer Steigerung der Inanspruchnahme<br />
führte. Vermutlich spielen alle Faktoren eine Rolle. Besorgnis erregend ist dabei vor allem,<br />
dass die Krankheitsverläufe immer früher beginnen und immer kompliziertere Verläufe<br />
nehmen.<br />
Personenkreis und Fallzahlen<br />
Der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> liegt bei den Gesamtfallzahlen in der Eingliederungshilfe in<br />
Baden-Württemberg mit 5,90 Leistungsempfängern (LE) je 1.000 Einwohner über dem<br />
Landesdurchschnitt von 5,18 LE/1.000 Einwohner. Der Anteil der seelisch behinderten<br />
Menschen ist dabei mit 18 % im landesweiten Vergleich eher gering (Spanne 11% bis 39%).<br />
Wie in fast allen anderen Regionen in Baden-Württemberg kann auch im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<br />
<strong>Kreis</strong> beobachtet werden, dass der Trend bei Neuzugängen in Richtung seelische<br />
Behinderung geht. Hierbei ist zu beachten, dass die Fluktuation bei diesem Personenkreis<br />
am größten ist. Die Hilfen werden oftmals für einen kürzeren Zeitraum in Anspruch<br />
genommen, weil sich Bedarfe und Befindlichkeiten der Betroffenen eher ändern, als bei<br />
körperlich oder geistig behinderten Menschen.<br />
Auffällig sind Veränderungen innerhalb des Personenkreises der Menschen mit seelischer<br />
Behinderung. Hierbei sind besonders zwei Personengruppen näher zu betrachten. Es sind<br />
dies die Gruppe der psychisch erkrankten älteren oder alten Personen sowie die Gruppe<br />
tendenziell jüngerer Menschen mit erheblichen Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu<br />
forensischen Tendenzen. Die Krankheitsbilder (viele Doppeldiagnosen), das hohe Maß der<br />
Chronifizierung, sowie die Selbst- und Fremdgefährdung durch diesen Personenkreis wirkt<br />
60
sich in allen Versorgungsbereichen aus und erfordern eine Weiterentwicklung bestehender<br />
Konzepte und Angebote.<br />
Für die Planung im Zusammenhang mit dem Personenkreis der psychisch erkrankten und<br />
seelisch behinderten Menschen gibt es ein grundsätzliches Problem. Es liegen sowohl<br />
landes- als auch bundesweit keine verlässlichen Daten und Vorhersagen über die weitere<br />
Fallzahlenentwicklung in diesem Bereich vor. Die „Aktion Psychisch Kranke e.V“ geht davon<br />
aus, dass 0,5 bis 1 % der Bevölkerung wegen psychischer Erkrankung oder Behinderung<br />
langfristige Unterstützung braucht. Diese Bandbreite drückt die allgemeine Unsicherheit aus,<br />
vorherzusagen, wie sich gesellschaftliche Veränderungen auswirken werden, die bereits<br />
heute z.B. im Frühförderzentrum, in Kindertagesstätten und Schulen zu erkennen sind.<br />
Versorgungslücken<br />
Wie bereits ausgeführt, hat der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> in fast allen Bereichen ein strukturell<br />
gesehen gutes bis sehr gutes Angebot für Menschen mit seelischer Behinderung.<br />
Probleme gibt es jedoch in einigen Bereichen mit der vorhandenen Kapazität. Es sind dies in<br />
erster Linie die medizinische/therapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen und<br />
die Arbeits- und Tagesstruktur für Erwachsene. Beide Bereiche sind genauer zu beleuchten,<br />
um anhand der vorliegenden Zahlen seriöse Aussagen treffen zu können, welche<br />
Kapazitäten langfristig gebraucht werden. Hierbei ist auch der jeweilige Personenkreis nicht<br />
nur quantitativ zu erfassen, sondern auch inhaltlich zu bewerten. Veränderungen innerhalb<br />
des Klientels sind zu analysieren und bezogen auf die Vorhaltung von Angeboten zu<br />
bewerten.<br />
Bei den Angeboten für Senioren ist es erforderlich, über die Angebote der<br />
Gemeindepsychiatrie hinaus auch die Angebote aus dem Bereich der klassischen Altenhilfe<br />
für die Versorgung des beschriebenen Personenkreises zu berücksichtigen. Hier hat sich in<br />
den letzten Jahren viel getan. Bedingt durch die höchste Pflegeplatzdichte aller Landkreise in<br />
Baden-Württemberg haben sich im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> einige klassische<br />
Pflegeeinrichtungen spezialisiert und nehmen nun auch Personen auf, die aus dem<br />
psychiatrischen Versorgungssystem kommen. Somit überschneiden sich teilweise die<br />
Angebote der Gemeindepsychiatrie mit den Angeboten der Altenhilfe. Beide<br />
Angebotsbereiche sind nebeneinander zu bewerten, um nicht in die Gefahr zu kommen,<br />
Doppelstrukturen aufzubauen.<br />
Weitere Versorgungslücken beziehen sich auf Hilfen, die auf Grund geringer Fallzahlen im<br />
Landkreis bisher nicht angeboten werden, oder sehr spezialisierte Personengruppen<br />
betreffen (Essstörungen, Autismus). Von Seiten der Träger werden hier u.a.<br />
beschützte/geschlossene Betreuungsformen, Abstinenzorientiertes betreutes Wohnen und<br />
Psychiatrische Pflege genannt.<br />
Weiterhin wird von den Trägern ein Krisen- und Notfalldienst gefordert.<br />
Diese Bereiche stehen auf der Agenda des Arbeitskreises Gemeindepsychiatrischer<br />
Verbund und werden sukzessive mit den Trägern besprochen, konzeptionell bearbeitet und<br />
einer Lösung zugeführt, die die Gegebenheiten des Landkreises berücksichtigen.<br />
Fazit<br />
Insgesamt ist der <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> bei der Versorgung von Menschen mit seelischer<br />
Behinderung gut aufgestellt.<br />
Versorgungslücken zeigen sich dort, wo es bisher auf Grund der geringen Fallzahlen<br />
wirtschaftlich nicht vertretbar war, ein Angebot vorzuhalten. Die betroffenen Personen<br />
erhalten dann Leistungen, die verlässlich außerhalb des <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>es<br />
vorgehalten und erbracht werden.<br />
61
Neben den genannten Versorgungslücken gibt es einige Bereiche, die Kapazitätsprobleme<br />
signalisieren. Hier ist gemeinsam mit den Trägern zu analysieren, ob diese<br />
Kapazitätsprobleme dauerhaft oder zeitlich befristet sind. Auch hier wird im Arbeitskreis<br />
Gemeindepsychiatrischer Verbund eine ständige Abstimmung mit den Trägern erfolgen, um<br />
Entwicklungen zeitnah zu erkennen und die notwendigen Schritte zu einer jeweils<br />
bedarfsgerechten Versorgung in die Wege zu leiten.<br />
62
Adressenverzeichnis<br />
Kinder und Jugendliche<br />
Beratungsstellen<br />
Arbeitsstelle Kooperation<br />
Andreas Größler und Peter Back, Pfalzgraf-Otto-Str. 14, 74821 Mosbach<br />
Tel.: 0151-10743017<br />
mailto:andreas.groessler@ssa-ma.kv.bwl.de oder<br />
mailto:kooperation-mosbach@web.de<br />
Autismusbeauftragte<br />
Christel Schölch-Stephan, Schwarzbachschule in Schwarzach, Tel.: 06262/22-360<br />
Schulpsychologische Beratungsstelle<br />
Landratsamt <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>, Pfalzgraf-Otto-Str. 14, 74821 Mosbach<br />
Tel.: 06261/84-2175<br />
mailto:spbs-mos@neckar-odenwald-kreis.de<br />
www.neckar-odenwald-kreis.de<br />
Arbeitsstelle Frühförderung<br />
Susanne Weyler, Kontakt über Schulaufsicht oder die Alois-Wißmann-Schule in Buchen,<br />
Tel.: 06281/1401<br />
Präventive Fachberatung für Kindergärten<br />
des Diakonischen Werkes für den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
Bernd Grimm, staatl. anerkannter Heilpädagoge<br />
Marktstraße 13, 74740 Adelsheim, Tel.: 06291/6479934<br />
Psychologische Erziehungs- und Familienberatungsstelle der Caritas<br />
Caritas-Haus, Lohrtalweg 33, 74821 Mosbach, Tel.: 06261/9201-34<br />
Hettinger-Str. 2, 74722 Buchen, Tel.: 06281/3255-0<br />
Adolf-Kolping-Str. 29 (Kinderheim Walldürn), 74731 Walldürn, Tel.: 06282/929304;<br />
www.caritas-nok.de<br />
Psychologische Beratungsstelle für Erziehungs-, Partnerschafts- und Lebensfragen<br />
des Diakonischen Werkes für den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
<strong>Neckar</strong>elzer Str. 1, 74821 Mosbach, Tel.: 06261/9299-0<br />
Marktstraße 13, 74740 Adelsheim, Tel.: 06291/7935<br />
mailto:eb.ad@dwnok.de<br />
www.dwnok.de<br />
Beratungsstelle für Menschen mit Behinderungen und ihre Familien<br />
Landratsamt <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>, <strong>Neckar</strong>elzer Str. 7, 74821 Mosbach<br />
Ansprechpartner:<br />
Jutta Schuele, Tel.: 06261/84-2282, E-Mail: Jutta.Schuele@<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>.de oder<br />
Thomas Bauer, Tel.: 06261/84-2218, E-Mail: Thomas.Bauer@<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>.de<br />
www.neckar-odenwald-kreis.de<br />
63
Erwachsene<br />
Tagesstätten<br />
Diakonisches Werk im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
<strong>Neckar</strong>elzer Straße 1 in Mosbach;<br />
Eisenbahnstraße 7 in Buchen;<br />
aufeinander abgestimmt Montag bis Freitag geöffnet; einmal pro Monat sonntags in Mosbach<br />
AWO <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong> gGmbH<br />
Eisenbahnstraße 18 in Mosbach;<br />
Montag bis Donnerstag 8.30 Uhr bis 16.00 Uhr, freitags von 8.30 Uhr bis 13.00 Uhr geöffnet<br />
Industrie Service <strong>Odenwald</strong> gGmbH (ISO)<br />
Alte <strong>Neckar</strong>elzer Str. 24 in Mosbach;<br />
Montag bis Freitag von 8.00 bis 12.00 Uhr und von 12.30 bis 16.15 Uhr geöffnet<br />
Beratungsangebote<br />
Arbeitskreis Gerontopsychiatrie <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
Ansprechpartnerin: Birgit Nachtmann, Tel: 06281/415692<br />
Arbeiterwohlfahrt <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong> gGmbH<br />
74821 Mosbach, Eisenbahnstraße 18, Tel.: 06261/91890<br />
E-Mail: Felicitas.Tumfart@awo-now.de<br />
Caritasverband für den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> e.V.<br />
74821 Mosbach, Lohrtalweg 33, Tel.: 06261/92010<br />
Bezirksstelle: 74722 Buchen, Walldürner Str. 2, Tel.: 06281/2356<br />
Deutsches Rotes Kreuz<br />
<strong>Kreis</strong>verbände:<br />
74722 Buchen, Henry-Dunant-Str. 1, Tel.: 06281/522213<br />
74821 Mosbach, Sulzbacher Str. 17, Tel.: 06281/92080<br />
Diakonisches Werk für den <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
Bezirksstellen:<br />
74821 Mosbach, <strong>Neckar</strong>elzer Str. 1, Tel.: 06261/9299-0<br />
74722 Buchen, Eisenbahnstraße 7, Tel.: 06281/562430<br />
74740 Adelsheim, Marktstraße 13, Tel.: 06291/7935<br />
E-Mail: spdi@dwnok.de<br />
Behindertenbeauftragter<br />
Landratsamt, <strong>Neckar</strong>elzer Str. 7, 74821 Mosbach, Tel.: 06261/84-2213<br />
Christian Köckeritz, E-Mail: Christian.Koeckeritz@<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>.de<br />
Betreuungsbehörde<br />
74821 Mosbach, Ölgasse 5, Tel.: 06261/9187-20, Wolfgang Weißbrod<br />
E-Mail: Wolfgang.Weißbrod@<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>.de<br />
64
Betreuungsverein <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong> e.V.<br />
74821 Mosbach, Ölgasse 5, Tel.: 06261/9187-25, Bärbel Juchler-Heinrich<br />
E-Mail: Betreuungsverein@<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>.de<br />
Beratungsstelle für Menschen mit Behinderungen und ihre Familien<br />
Landratsamt <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>, <strong>Neckar</strong>elzer Str. 7, 74821 Mosbach<br />
Ansprechpartner:<br />
Jutta Schuele, Tel.: 06261/84-2282, E-Mail: Jutta.Schuele@<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>.de oder<br />
Thomas Bauer, Tel.: 06261/84-2218, E-Mail: Thomas.Bauer@<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong>.de<br />
Selbsthilfegruppen und Clubangebote<br />
Angehörigengruppe – Gesprächsgruppe<br />
Treffen: jeden 2. Mittwoch im Monat<br />
beim Sozialpsychiatrischen Dienst, <strong>Neckar</strong>elzer Str. 1, 74821 Mosbach<br />
Tel.: 06261/9299-0<br />
Club „Lumpenglöckle“ für ältere Menschen<br />
des Diakonischen Werkes der ev. Kirchenbezirke im <strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-<strong>Kreis</strong><br />
<strong>Neckar</strong>elzer Str. 1, 74821 Mosbach, Tel.: 06261/9299-0<br />
Biotop e.V.<br />
Vorsitzender: Gerd Powietzka, Drosselweg 4, 74847 Obrigheim, Tel.: 06262/62831<br />
Treffen: Selbsthilfegruppe trifft sich in der Tagesstätte des Diakonischen Werkes,<br />
<strong>Neckar</strong>elzer Str. 1, 74821 Mosbach<br />
Psychosomatische Selbsthilfegruppe „Rosinante“<br />
Treffen jeden 1. und 3. Donnerstag im Monat.<br />
Alte Brückenstraße 1 (AWO), 74821 Mosbach, Tel.: 0175-8003473 oder 0175-1520877<br />
„Das Boot“ e.V.<br />
Schloß Waldleiningen<br />
Werkstätte für Menschen mit Behinderung<br />
<strong>Neckar</strong>-<strong>Odenwald</strong>-Werkstätten der Johannes-Anstalten Mosbach (NOW)<br />
Industriestraße 10 in Mosbach<br />
Integrationsfachdienst<br />
Integrationsfachdienst Mosbach<br />
Renzstraße 8, 74821 Mosbach, Telefon 06261/ 8937-18,<br />
info@ifd-mosbach.de<br />
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