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pdf- amulette, am roten faden der geschichte - Katholisches Bibelwerk

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DIE REPORTAGEAmulette ... <strong>am</strong> <strong>roten</strong> Faden<strong>der</strong> Geschichte8Nah <strong>am</strong> Körper sollen sie sein, etwa als Kette o<strong>der</strong> Armband. Seit Jahrtausendensind sie Teil <strong>der</strong> Frömmigkeit. Sie sind nicht rational und funktionierennur, wenn ihr Träger o<strong>der</strong> ihre Trägerin daran glaubt und die Umwelt ihnenKraft zugesteht ... In Freiburg (Schweiz) ist eine große S<strong>am</strong>mlung <strong>der</strong> kleinenGlücksbringer entstanden – nun werden sie ausgestellt. Von Thomas Staubli74 56Objekt<strong><strong>am</strong>ulette</strong> (Abb. 8–14)8 Herz9 Männliches Glied10 Weiße Krone (für Oberägypten)11 Dschedpfeiler (Symbol <strong>der</strong> Ewigkeit)12 Mimusops (aphrodisierende Frucht)13 Palmette14 Nivelliergerät (verwendet beim Bau)9Das Bedürfnis nach Schutz, Glückund Wohlbefinden begleitet unsMenschen ein Leben lang. Um eszu befriedigen, muss nicht nur <strong>der</strong>Leib, son<strong>der</strong>n auch unser Geist zufriedengestelltwerden. Dies ist wohl ein Hauptgrund,weshalb Amulette bis heute nicht ausgedienthaben. Sie werden daher auch in <strong>der</strong>neuen Son<strong>der</strong>ausstellung des BIBEL+ORI -ENT Museums, „1001 Amulett“, nicht nur alsein Thema <strong>der</strong> Vergangenheit abgehandelt,son<strong>der</strong>n auch als Zeitzeugen einer langen,nie gerissenen Kette. Diese „vertikale Ökumene”<strong>der</strong> Amulette (siehe Kasten rechts)beginnt im Alten Ägypten.„Gott hat ihnen den Zauber geschaffen“Ägyptische AmuletteDie Entdeckung, dass durch die Vergegenwärtigungvon Gottheiten in einem Bild <strong>der</strong>enKräfte mobilisiert werden können, wurdein Ägypten während Jahrtausenden äußerstdifferenziert kultiviert, und zwar <strong>am</strong>Anfang vor allem von Frauen für sich und ihreKin<strong>der</strong>. Untersuchungen von mittelägyptischenGräbern des 3. Jahrtausends vC zeigen,dass Amulette zunächst fast ausschließlichin Frauen- und Kin<strong>der</strong>gräbern<strong>der</strong> einfachen Landbevölkerung vorkommen.Erst mit <strong>der</strong> Zeit werden sie an Höfengetragen und dort u. a. für den offiziellen Totenkultweiterentwickelt. Die „Zaubersprüchefür Mutter und Kind“ auf dem BerlinerPapyrus 3027 illustrieren den Gebrauch vonAmuletten sehr anschaulich:„Ein Spruch beim Umbinden (eines Amuletts)für ein Kind, einen jungen Vogel: ,Ist dirwarm im Nest? Ist dir warm im Gebüsch? Istdeine Mutter nicht bei dir? Ist keine Schwesterda, um atmen zu lassen? Ist keine Amme da,um Schutz zu bereiten? Lass mir eine Kugel ausGold, ein Kügelchen aus Granat, ein Siegel, einKrokodil und eine Hand bringen, um diesenWunsch zu fällen und zu vertreiben, den Körperzu erwärmen und diesen Feind/diese Feindindes Westens zu fällen.Mögest duzerfließen!’ Dasist <strong>der</strong> Schutz.Man soll diesenSpruchüber einerKugel aus Gold,einem Kügel chenaus Granat, einem Siegel,einem Krokodil und einerHand rezitieren; es werde auf feinsten Fadenaufgezogen, zu einem Amulett gemachtund an den Hals des Kindes gegeben. Gut.“Die Freiburger Ausstellung zeigt nicht nurdie beeindruckende Formen- und Materialvielfalt<strong>der</strong> ägyptischen Amulette, die grobin Figuren- und Objekt<strong><strong>am</strong>ulette</strong> unterteiltwerden können (Abb. 1–14), son<strong>der</strong>n kannmit einer Beson<strong>der</strong>heit aufwarten. Zu sehensind auch die Model (Gussformen), in denenFayence<strong><strong>am</strong>ulette</strong> hergestellt worden sind(Abb. 15–21). Sie st<strong>am</strong>men aus Pir<strong>am</strong>esse,<strong>der</strong> Hauptstadt <strong>der</strong> R<strong>am</strong>essiden (13./12. Jh.vC) im nordöstlichen Nildelta, wo es einegroße Fayencewerkstätte gab. Die Stadt erscheintin <strong>der</strong> Bibel unter zwei N<strong>am</strong>en,Pitom und R<strong>am</strong>ses, und ist mit <strong>der</strong> Erinnerungverbunden, dass dort die Hebräer/innenals Sklaven des Pharaos Vorratsstädtegebaut haben (Ex 1,11).„Sie (L<strong>am</strong>aschtu) ist wütend, sie istschrecklich …“Mesopot<strong>am</strong>ische AmuletteDie Kenntnis außerordentlich komplexerBeschwörungsrituale gehörte zur Grundausbildungvon Schreibkundigen in Mesopot<strong>am</strong>ien.Bei Beschwörungen wurdensehr oft Amulette verwendet. Auf dem sogenannten„Großen Amulett” wird die Beschwörungdes Kranken durch Priester imFischkostüm sogar dargestellt. Über <strong>der</strong> Beschwörungsieht man alle großen GötterMesopot<strong>am</strong>iens, darunter die VertreibungWas ist ein Amulett?Das Amulett ist ein kleines tragbares Objekt, dasgute Kräfte för<strong>der</strong>n und schlechte abwehren soll.An<strong>der</strong>s als beim Asyl, wo <strong>der</strong>/die Asylsuchende denAltar berührt und sich durch diesen Kontakt in denSchutz <strong>der</strong> Gottheit begibt, wird beim Amulett dieGottheit an die schutzbedürftige Person gebunden.Das Amulett hat einen intimen, nach außen hin abermanchmal auch werbenden Charakter. Es symbolisiertauf kleinstem Raum eine Allianz von guten,schützenden Mächten und ist Teil einer von institutionellerBindung freien, persönlichen Frömmigkeit– daher bis heute ungebrochen aktuell. Die Herkunftdes Wortes „Amulett” ist nicht ge sichert.Einige leiten es vom lateinischen <strong>am</strong>uletum,„Speise aus Kraftmehl“, ab. Wahrscheinlicher ist dieHerkunft vom lateinischen Wort <strong>am</strong>olimentum, „Abwendungsmittel,Amulett”. Das synonym verwen -dete Wort „Talisman“ geht auf das griechische Worttelesma, „Geld, Abgabe, geweihter Gegenstand“,zurück und ist über seine arabische Version tilasman,„Zaubergegenstand”, ins Deutsche gelangt.Was ist „vertikale Ökumene“?Das Freiburger BIBEL+ORIENT Museum willnicht nicht nur zeigen, wie es einmal war – vorlanger Zeit. „Noch wichtiger scheint uns, zuerklären, wie und warum das, was einmal war,noch immer wirkt und lebendig ist, wie esunser Denken und Handeln beeinflusst. UnserThema sind die <strong>roten</strong> Fäden <strong>der</strong> Geschichtes<strong>am</strong>t ihren Knoten und Rissen. Wir sprechenin diesem Zus<strong>am</strong>menhang von <strong>der</strong> vertikalenÖkumene: Das Judentum hat Kanaanäischesund Arabisches geerbt, das Chris tentum Paganesund Jüdisches, <strong>der</strong> Isl<strong>am</strong> Jüdisches undChristliches und auch die säkulare Welt trägtdieses Erbgut in sich, ob sie es wahrhabenwill o<strong>der</strong> nicht.Für ein verständnisvolles Gespräch <strong>am</strong> rundenTisch <strong>der</strong> Kulturen und Religionen ist es gutund wichtig, über Stärken, Schwächen undTraumata im religiösen Erbgut <strong>der</strong> MenschenBescheid zu wissen.“(Dr. Thomas Staubli, BIBEL+ORIENT Museum)Figuren<strong><strong>am</strong>ulette</strong> (Abb. 1–7)1 Re (aus Lapislazuli)2 Schu (Luftgott; vgl. dengriechischen Atlas)3 Mantelpavian (Symboltier des Thot)4 Hathorkuh5 Thoëris(Beschützerin <strong>der</strong> Geburt)6 Bes (Beschützer <strong>der</strong> Schwangerenund Wöchnerinnen)7 Gebundener Feind1 2 310 11 12 13 142 welt und umwelt <strong>der</strong> bibel 1/2011welt und umwelt <strong>der</strong> bibel 1/2011 3


XXXXXXXXXXXXXXDIE REPORTAGE■<strong>der</strong> Fieberdämonin L<strong>am</strong>aschtu durch denDämon Pazuzu (Abb. 22). Der Kopf Pazuzusschaut zudem über das Amulett. Er konnteauch als Einzel<strong>am</strong>ulett getragen werden.Die Charakterisierung des Übels als Frauund des Übelvertreibers als Mann hat lei<strong>der</strong>in jüdischen, christlichen und muslimischenKreisen viel Nachahmung erfahren.„JHWH segne und behüte dich“Levantinische Amuletteund die BibelIn <strong>der</strong> an Ägypten angrenzenden Levante(die Region <strong>der</strong> östlichen Mittelmeerküste,etwa die Gebiete <strong>der</strong> heutigen Staaten Syrien,Libanon, Israel/Palästina, Jordanien)erfreuten sich ägyptische Amulette über vieleJahrhun<strong>der</strong>te hinweg größter Popularität.Dies haben die sorgfältigen Bestandsaufnahmendes Amulettforschers ChristianHerrmann (siehe Kasten) <strong>der</strong> letzten dreiJahrzehnte gezeigt. Dabei gab es deutlicheFavoriten aus dem reichhaltigen ägyptischenRepertoire (Abb. 23–24), während an<strong>der</strong>eMotive ganz fehlen.Bevorzugtes Material für die einheimischenAmulette war Knochen (Abb. 25–26).Die fein polierten Keulen-, SchminkpalettenundStempelsiegel<strong><strong>am</strong>ulette</strong> sind oft kaumvom Elfenbein zu unterscheiden, das dievor<strong>der</strong>asiatischen Eliten als Werkmaterialbevorzugten. Ab dem 8. Jh. vC setzt sich in<strong>der</strong> Levante die Schrift mehr und mehr alsLeitmedium durch. Schriftmagie wird fortan,teilweise nebst Bil<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Symbolen,auch auf den Amuletten <strong>der</strong> monotheistischenReligionen verwendet.Die Bibel enthält Texte, die sich als Amuletttextegrößter Beliebtheit erfreuten, ja dievielleicht zum Teil sogar eigens für Amuletteangefertigt worden sind. Dazu gehören <strong>der</strong>Priestersegen (Num 6,24-26), <strong>der</strong> auf Silber<strong><strong>am</strong>ulette</strong>ndes 7. Jh. vC in den Gräbern desHinnomtals bei Jerusalem gefunden wordenist, Psalm 67, <strong>der</strong> aus magischen 7 x 7 Wortenbesteht und Passagen aus dem Priestersegenfast wörtlich zitiert, sowie Psalm 91, in dem2223 24Das „Große Amulett“ (Abb. 22)zur Beschwörung <strong>der</strong> Fieber dämoninL<strong>am</strong>aschtu (babylonisch).Die beliebtesten ägyptischen Import -<strong><strong>am</strong>ulette</strong> in Palästina (Abb. 23–24)23 Udschatauge (geheiltes Auge des Horus) und24 Patäke (Ptah als wehrhaftes Kind)„Nichts ist internationalerals Magie.” (Gershom Sholem,jüdischer Mystikforscher) 15Amulettmodel für Fayencen vongroßen ägyptischen Gottheiten(Abb. 15–21)15 Das Sonnenkind (Horus)16 Isis (die große Zauberin und Throngöttin)17 Thot (<strong>der</strong> große Zauberer und Gott <strong>der</strong>Wissenschaft)18 Chnum (ein mächtiger Schöpfergott)19 Sachmet (die mächtige Hüterin <strong>der</strong>Krankheiten)20 Amun (<strong>der</strong> in allen Dingen verborgene Gott)21 Osiris (die Verkörperung <strong>der</strong> regenerativenKräfte des Todes)182116191720unter an<strong>der</strong>em das bezaubernde Bild desHoruskindes, das über Drachen hinwegschreitet,beschworen wird.„Im N<strong>am</strong>en Gottes, des Barm herzigen“Amulette in Judentum,Christentum und Isl<strong>am</strong>Das Judentum hat das Amulettwesen mitden beim Gebet an Stirne und Arm zu tragendenTefillin mitten in die eigene Frömmigkeithineingenommen. Darüber, ob an<strong>der</strong>eFormen von Amuletten erlaubt sind,streiten sich die Rabbiner seit Jahrhun<strong>der</strong>ten.Das Christentum hat Amulette strikt abgelehnt,jedoch erfolglos, um nicht zu sagen:mit gegenteiligem Erfolg. Der Isl<strong>am</strong> glaubtan Geister und akzeptiert daher auch Amulette,die ihrer Beschwörung dienen.Trotz unterschiedlicher Doktrin gleichtsich die Amulettpraxis in den drei Religionenüber weite Strecken. So finden wir zumBeispiel überall auffällig viele Metall<strong><strong>am</strong>ulette</strong>,Zitate aus heiligen Schriften nebstSymbolen, Bil<strong>der</strong>n und wirkmächtigen N<strong>am</strong>en.Die beson<strong>der</strong>s alten s<strong>am</strong>aritanischenAmulette sind streng auf Buchstaben beschränkt.Gottesbezeichnungen wie „Held“und „Heiler“ beschwören die göttliche Hilfe(Abb. 27). Auf christlichen Amuletten kanndas auch im Bild geschehen. Dabei greiftman auf das in <strong>der</strong> Levante tief verwurzelteBild des Drachentöters zurück (Abb. 28).Doch aus dem altorientalischen Gott Baalwurde ein Reiter nach römischem Vorbildund aus <strong>der</strong> Schlange eine weibliche Dämonin.Die meisten jüdischen Amulette beschränkensich ebenfalls auf Schriftzeichen,etwa in <strong>der</strong> Mezuza. Erst ab <strong>der</strong> Renaissancekommen vermehrt auch Symbole wie <strong>der</strong> Davidschild(Hexagr<strong>am</strong>m) dazu (Abb. 29). Dochaus dem antiken Alexandria sind selbstAmulette bekannt, die Darstellungen desjüdischen Gottes JHWH zeigen. Demgegenüberwirken muslimische Amulette extremnüchtern und korankonform (Abb. 30).Allerdings finden wir selbst hier magischeQuadrate und den Drudenfuß (Pentagr<strong>am</strong>m)und an<strong>der</strong>e magische Symbole wie dieHand. Sie gehört zu den ältesten Amulettmotivenüberhaupt und hat sich durch allereligiösen Umwälzungen hindurch haltenkönnen: als Hand Gottes im Judentum, alsMarienhand im Christentum und als Fatimahando<strong>der</strong> H<strong>am</strong>sa („Fünf“) im Isl<strong>am</strong>(Abb. 31–33).Bei <strong>der</strong> Beschäftigung mit Amuletten ausden monotheistischen Religionen fällt ganzgenerell auf, mit welcher Freizügigkeit religiöseGrenzen überschritten werden. Esgibt antike Amulette, da ist es gar nichtleicht zu bestimmen, ob es sich um jüdische,christliche o<strong>der</strong> heidnische handelt.Gottes-, Engel- und Dämonenn<strong>am</strong>en werdenum des Heiles willen in sorglosemGrenzverkehr munter ausgeliehen. Der großejüdische Mystikforscher Gershom Sholemkommt denn auch zum Schluss:„Nichts ist internationaler als Magie.“ Vielleichtsind wir hier an <strong>der</strong> religiösen Basisangekommen, wo die pragmatische Rettungin <strong>der</strong> Not an erster Stelle steht, langeVon <strong>der</strong> Einzelform zum Schmuck:Nachbildung des Falkenkragens <strong>der</strong> PrinzessinChenmet (um 1820 vC). Auf vielfältige Weisewurden die Amulette – je nach Bedürfnis undVorlieben – zus<strong>am</strong>mengestellt.Abb. 25–26: In Judaheimische Knochen<strong><strong>am</strong>ulette</strong>mit lokalen Motiven.25 264 welt und umwelt <strong>der</strong> bibel 1/2011welt und umwelt <strong>der</strong> bibel 1/2011 5


XXXXXXXXXXXXXX DIE REPORTAGE■vor <strong>der</strong> Frage, welche Mittel denn dazu erlaubtsind und bei wem die Rechte dafüreingeholt werden müssen.Zeit ist Geld: Amulette <strong>der</strong>säkularisierten GegenwartFalls Sie nun denken sollten, dass gerade dieAmulette beweisen, wie archaisch und zurückgebliebendoch die Religionen sind, lohntsich zum Schluss ein Blick in die säkulareWelt. Am Handgelenk, seit jeher ein bevorzugterKörperort für Amulette, tragen heuteviele Menschen eine Armbanduhr, das Mandalades Calvinismus und ein memento mori,das uns angesichts unserer Vergänglichkeitzu einer sinnvollen Lebensführung antreibenkann. Oft steht <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>ne Mensch geradezuim Banne <strong>der</strong> sich bewegenden Zeigero<strong>der</strong> Ziffern. Zeit ist Geld und Geld steht imZentrum <strong>der</strong> globalen Marktwirtschaft. Terminesind heilig, wehe dem, <strong>der</strong> sie verpasstDas Christentum hat Amulette strikt abgelehnt, jedocherfolglos, um nicht zu sagen: mit gegen teiligem ErfolgChristian HerrmannDer Pfarrer, S<strong>am</strong>mler undForscher wurde 1957 inSiebenbürgen geboren.Er hat in Hermannstadtzunächst die Kunstgewerbeschulebesuchtund dann dort sowie inJerusalem, Fribourg und Zürich Theologiestudiert. Seit Beendigung seines Theologiestudiumsmit Promotion bei OthmarKeel wirkt er als Pfarrer von Gachnang imKanton Thurgau. Gleichzeitig hat er esgeschafft, in seiner Freizeit dank einerengen Zus<strong>am</strong>menarbeit mit zahlreichenArchäologen und Ägyptologinnen zumweltweit bestausgewiesenen Fachmannfür alt ägyptische Amulette in Palästina/Israel zu werden. Initialzündung zu seinemungewöhnlichen „Hobby” war 1982die Entdeckung einer großen S<strong>am</strong>mlungvon Amulettmodel aus dem ägyptischenQantir auf dem Jerusalemer Antikenmarkt.Seine Publikationen erschienen in <strong>der</strong> Serie„Orbis Biblicus et Orientalis”, die in Fribourgund Göttingen herausgebracht wird.o<strong>der</strong> nicht pünktlich in <strong>der</strong> Schule o<strong>der</strong> zurArbeit erscheint! Davor soll uns dieses mo<strong>der</strong>neAmulett schützen und die Steigerungdes Bruttosozialproduktes för<strong>der</strong>n. Wohl istdie Lebenszeit unverfügbar, doch mit <strong>der</strong>Uhr scheinen wir sie auf fast magische Weisein den Griff bekommen zu wollen.Die mo<strong>der</strong>ne Medizin verabreicht ihreAmulette, die Placebos, in vielerlei Form:Schlucktabletten, Infusionen, Injektionen ...Medizinisch gesehen wirken sie nicht an<strong>der</strong>sals die alten christlichen Schluckbildchen:Sie erwecken die Selbstheilkräfte <strong>der</strong> Menschen,zum Beispiel in Gestalt von körpereigenenEndorphinen, die <strong>der</strong> Glaube nachweislichzu mobilisieren vermag.Ganz an<strong>der</strong>s, nämlich als Appell an unsereVernunft und Moral, wirkt die rote Schlaufe,das bekannte Bewusstheitssymbol aus<strong>der</strong> AIDS-Prävention (Abb. 34). Die Sitte,zum Gedenken o<strong>der</strong> als Wunsch Schleifenan Bäume zu binden, ist im Orient weit verbreitetund wohl über orientalische Einwan<strong>der</strong>erin die USA gelangt. Im Alten Ägyptenbedeutete die Schleife „Schutz“. Sie findetsich zum Beispiel auf vielen Skarabäen(Abb. 35–36). Eindrücklich wird an diesemBeispiel sichtbar, wie noch heute ein Jahrtausendealtes Symbol eine Allianz <strong>der</strong> gutenMächte zu beschwören vermag. ■Informationen zur Ausstellung:1001 AmulettAltägyptischer Zauber,monotheisierte Talismane,säkulare Magie5. November 2010 bis 31. Juli 2011Eine frei zugängliche Ausstellung desBIBEL+ORIENT Museums in den Gängen<strong>der</strong> Universität Miséricorde,Avenue de l’Europe 20, Freiburg/Schweizwww.bible-orient-museum.chDer Katalog zur Ausstellung:Chr. Herrmann/Th. Staubli (Hg.),1001 Amulett. Altägyptischer Zauber,monotheisierte Talismane, säkulare Magie.<strong>Katholisches</strong> <strong>Bibelwerk</strong> e. V.,ISBN 978-3-940743-61-9, EUR 28,–Siehe Bestellschein im Heft„Amulettglaube brauchtdie Gottesbeziehung“Wir haben Dr. Thomas Staubli vomBIBEL+ORIENT Museum zur Bedeutung<strong>der</strong> Amulette für ihre Träger/innen befragt.Wi<strong>der</strong>spricht sich das nicht, an den einenGott zu glauben und gleichzeitig in einerNotlage die Rettung an wirkmächtigeSchriftzeichen o<strong>der</strong> Bildchen zu knüpfen?Da <strong>der</strong> eine Gott <strong>der</strong> Bibel ein „Gott gerneklein“ist, wie es <strong>der</strong> Dichter Kurt Martiausdrückt, wi<strong>der</strong>spricht sich das nicht.Sein Wort und sein Bild sind gerne nah anunseren Herzen, d<strong>am</strong>it sich unsere Gedanken,Worte und Werke stets an ihm orientieren.Falsch ist ein Amulettglaube ohnelebendige Gottesbeziehung. Das ist wieein Ehering ohne Ehe.Stehen Amulette gleich für Aberglauben?Das Judentum und <strong>der</strong> Isl<strong>am</strong> haben keineProbleme mit Amuletten. Die Tefillin inden jüdischen Gebetsriemen sind sogareine beson<strong>der</strong>s ehrwürdige Form vonAmuletten. Die christliche Theologie hates verpasst, die Amulette in den Glaubeneinzubinden. Aber das natürliche religiöseEmpfinden des Volkes hat das nachgeholt.Das als Aberglauben abzutun, halte ich fürüberheblich.Was ist mit Heiligenbildchen, Marienstatuen,Kruzifixen? Haben sie eine ähnlicheFunktion für Gläubige wie Amulette?Nein, das sind Andachtsbil<strong>der</strong>, die man insKirchengesangbuch legt, in den Herrgottswinkelstellt o<strong>der</strong> an die Wand hängt.Amulette dagegen werden <strong>am</strong> Körper getragen.Im Gegensatz zum Asyl hängt sich<strong>der</strong> Mensch nicht an das Symbol Gottes,den Altar, son<strong>der</strong>n Gott wird in einemSymbol an den Menschen gehängt.Haben Amulette, etwa die gegen denbösen Blick, etwas mit existenziellerUnsicherheit zu tun?Sie haben etwas mit den bald kleineren,bald größeren Nöten des Alltags zu tun.Angst vor Neid und Missgunst gehörendazu. Im Krieg kann es aber auch um denSchutz des Lebens gehen. Eine BaslerStudie hat gezeigt, dass über 10% <strong>der</strong>Medizinstudierenden beim ersten Ex<strong>am</strong>enein Amulett mit in die Prüfung nehmen …27352831Abb. 35–36: Schlaufen mit <strong>der</strong>Bedeutung „Schutz“ auf ca. 3700Jahre alten ägyptischen und kanaanäischenSkarabäen.3629Abb. 27–30: Monotheistische Metall <strong><strong>am</strong>ulette</strong>27 S<strong>am</strong>aritanisches Schrift<strong>am</strong>ulett28 Christliches „Bildnis für die Not“ mit einemReiterheiligen (später meistens St. Georg)29 Jüdisches Amulett mit Engeln<strong>am</strong>en und Davidschild30 Muslimischer Amulettbehälter mit Amulettzettel33323034Abb. 34: Die rote Schlaufe,die in den 1980er-Jahren für dieAIDS-Prävention designt worden ist.Abb. 31–33: Schutzhand31 Altägyptische Fayence-Handin mittelalterlich-muslimischerSilberfassung32 Muslimische Fatimahand33 Mo<strong>der</strong>ne jüdische Gotteshand6welt und umwelt <strong>der</strong> bibel 1/2011welt und umwelt <strong>der</strong> bibel 1/2011 7

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