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Sucht zuhause? - Niedersächsisches Ministerium für Soziales ...

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4 VORwort 5Dr. Sabine Brägelman-Tan<strong>Niedersächsisches</strong> <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> <strong>Soziales</strong>, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration<strong>Sucht</strong> Zuhause?Familien und <strong>Sucht</strong> – Problemlagenund Handlungsmöglichkeiten.<strong>Sucht</strong>probleme im häuslichen Umfeldrücken immer mehr in das Blickfeldvon Medien sowie Angeboten der<strong>Sucht</strong>hilfe und Gesundheitsversorgung.Liegt eine Abhängigkeit oderein Missbrauch von Alkohol, illegalenDrogen, Medikamenten oder Tabakeines oder beider Elternteile vor, sobestehen neben der gesundheitlichenProblematik in der Regel auch massivepsychosoziale Probleme, die dieganze Familie betreffen. Ist eine Frausuchtmittelabhängig und schwanger,spitzt sich die Fragestellung noch zu.Eine <strong>Sucht</strong>mittel missbrauchendeoder abhängige Schwangere kannje nach <strong>Sucht</strong>mittel ihr ungeborenesKind physisch und psychisch schädigenund das <strong>für</strong> das ganze Leben.Genaue Zahlen zu den sogenanntenAlkohol- und Drogenembryopathiengibt es nicht. Wissenschaftlich fundierteSchätzungen gehen <strong>für</strong> Niedersachsenvon ca. 3.000 bis 6.000potenziell geschädigten Kindern aus.Wie viele Kinder insgesamt in Familienleben, in denen Elternteile <strong>Sucht</strong>problemehaben, ist gar nicht erstbekannt. In diesem Bereich ist dieDunkelziffer hoch.Ein Kind kann aber in seiner EntwicklungSchaden nehmen, wenn Elternihrem Erziehungsauftrag nicht gerechtwerden können oder sogar durch ihrHandeln das Kind gefährden.Es kann davon ausgegangen werden,dass die meisten betroffenen Elternim Rahmen ihrer Fähigkeiten undMöglichkeiten gute Eltern sein wollen.Wir wissen aber, dass Kinder aussuchtbelasteten Familien häufiger undfrüher selbst <strong>Sucht</strong>mittel abhängigwerden, häufiger an Angststörungen,Depression oder Essstörungen erkranken,stärker hyperaktiv und aggressivsind. Sie haben häufig Defizite inschulischen Leistungen bzw. erhaltennicht die notwendige intellektuelleFörderung, weil die Eltern mit sichselbst und ihrem <strong>Sucht</strong>druck beschäftigtsind.Wegen der besonderen Risiken mussdeshalb das gesunde Aufwachsenvon Kindern und Jugendlichen insuchtbelasteten Familien ein gesamtgesellschaftlichesAnliegen und einegesamtgesellschaftliche Aufgabe sein.Die Gesellschaft darf ihre Augen nichtdavor verschließen, wenn Eltern,Verwandte und Beziehungspersonenihren Auftrag in Bezug auf ihrenSchützling, nicht gerecht werdenbzw. nicht gerecht werden können.Die Kinder selbst haben auch einAnrecht darauf, altersgemäß über dieErkrankung des Elternteils informiertzu sein und insbesondere zu wissen,dass sie selbst nicht Schuld an derErkrankung sind. Wegen der besonderenRisiken, die <strong>für</strong> das Wohl dieserKinder bestehen, tragen alle, diemit Eltern, werdenden Eltern oderElternteilen mit <strong>Sucht</strong>problematikenzu tun haben, auch eine besondereVerantwortung <strong>für</strong> den Schutz vorGefährdungen des Kindeswohls desbetroffenen Kindes.Gefragt sind natürlich und im Besonderendie gesundheitlichen odersozialen Hilfesysteme, die hier thematischbefasst sind. Dieses sind Allgemeinarztpraxengenauso wie Klinikenoder kommunale soziale Beratungsstellen,Kinder- und Jugendschutzeinrichtungen,Jugendämter, Fachstellen<strong>für</strong> <strong>Sucht</strong> und <strong>Sucht</strong>prävention, dieAgentur <strong>für</strong> Arbeit und andere.Wie aber kann Kindern aus suchtbelastetenFamilien fundiert geholfenwerden?22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012 22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012


8 VORTRÄGEVORTRÄGE 9Prof. Dr. Rainer Thomasius, Dr. Sonja BröningFamiliäre Einflussfaktoren auf die Entstehung und den Verlauf von <strong>Sucht</strong>erkrankungenFamiliäre Einflussfaktorenauf die Entstehung und den Verlaufvon <strong>Sucht</strong>erkrankungenPersonale / familiäreFaktorenAlter, Geschlecht, Persönlichkeit,genetische / biologische Vulnerabilität,familiäre Faktoren, frühepsychische StörungenPsychosozialeStressorenSubstanzspezifische Wirksamkeitserwartung,psychische Probleme,anhaltende Belastungen,Coping, Life skills, Verfügbarkeit,PeersAkute KonsequenzenSoziale Probleme, Unfälle,Gewaltbereitschaft, medizinischeKomplikationenEinführungBei einer <strong>Sucht</strong>erkrankung darfnicht nur das Individuum <strong>für</strong> sichallein betrachtet werden. Die gan-Familiäre Einflüsseauf die Entstehung von<strong>Sucht</strong>erkrankungenEin allgemein gültiges Erklärungsmo-tanzen entwickelt sich dann, wenneine entsprechende Vulnerabilitätdurch die in der Abbildung beschriebenenpersonalen, familiären bzw.Soziale FaktorenSubstanzgebrauchSubstanzabhängigkeitze Familie ist mitbetroffen, wenndell über die Entstehung und den Ver-sozialen Faktoren gegeben ist, undGesellschaft, Region, Familie,Langfristige Konsequenzenein Familienmitglied alkohol- oderlauf von substanzbezogenen Störun-proximale Risikofaktoren das Auftre-soziales Netz, Einstellungen,BiologischeSoziale, psychische, sozialedrogenabhängig ist. Die Beziehungengen gibt es nicht, vielmehr versuchtten von <strong>Sucht</strong>problemen zusätzlichNormen, Rituale, BildungVeränderungenEinschränkungen / Störungeninnerhalb der Familie werden dadurchman, unter dem Begriff eines «multi-begünstigen. Dabei kann der Subs-beeinträchtigt, so dass professionellefaktoriellen Bedingungsgefüges» dietanzabhängigkeit ein missbräuchlicherHilfen das gesamte Familiensystemvielen Forschungsergebnisse, die esKonsum vorangehen, dies ist aberim Blick behalten müssen. Auch beibisher gibt, zusammenzufassen. Fürnicht immer der Fall. Solche oder ähn-Vulnerabilität modifizierende / proximale Variablen Konsequenzender Behandlung der <strong>Sucht</strong>erkrankungdie Darstellung familiärer Einflüsse istliche Modelle liegen vielen Studienist entscheidend, wie die anderendas Modell von Edwards et al. (1981)zur Entstehung von <strong>Sucht</strong>störungenFamilienmitglieder mit der <strong>Sucht</strong>besonders geeignet, da es verschie-zugrunde, die dann prüfen, welcheAbbildung 1: Modell zur Entstehung von substanzbezogenen Störungen (modifiziert nach Lieb et al., 2000; Thomasius et al., 2005)umgehen. Im Folgenden werdendene Dimensionen unter der Einbe-Einflüsse besonders bedeutsam sind,zunächst familiäre Einflüsse auf dieziehung des Entwicklungsaspekteswie diese untereinander in BeziehungEntstehung von <strong>Sucht</strong>störungenverbindet, und die Herkunftsfamiliestehen, und ob weitere Aspekte wieangesprochen. Anschliessend werdenaus dieser Perspektive naturgemässGeschlechtsunterschiede oder die ZeitBedeutsame Zusammenhänge• Genetische Prädisposition, Fällein der Art der familialen Kommu-familiäre Einflüsse auf den Verlaufeinen hohen Stellenwert hat.des Auftretens bestimmter Stressorenzwischen familiären Risikofaktorenvon Psychopathologie in dernikation, unklare Grenzen zwischeneiner <strong>Sucht</strong>erkrankung diskutiert undeine Rolle spielen. Die Ergebnisseund Substanzmissbrauch sind gutFamiliengeschichteFamilienmitgliedernSchlussfolgerungen <strong>für</strong> präventivesWie in Abbildung 1 zu sehen ist, wirddieser Studien zeigen, dass empirischbelegt. Substanzkonsum bei Kin-• Gewalt- und Missbrauchserfah-• Erziehungsstil der Eltern: gleich-Handeln gezogen.in der Entstehung von Substanzstörun-vor allem die in Tabelle 1 aufge-dern und Jugendlichen beginnt zurungen des Kindes (auch ingültig oder autoritärgen zwischen Vulnerabilitätsfaktoren,führten Einflüsse den Beginn undeinem Zeitpunkt, wo diese noch beiZeugenschaft)• Soziale Isolation der Familie nachd.h. Einflüssen die zu einer allgemei-negativen Verlauf eines Substanzmiss-ihren Herkunftsfamilien wohnen – in• Mehrgenerational tradierte gestörteaussennen Anfälligkeit <strong>für</strong> die Störung füh-brauchs begünstigen (vgl. z.B. PhillipsEuropa und Nordamerika im Alter vonFamilienverhältnisse• Armut oder sozialer Abstieg derren, und modifizierenden proximalenet al, 2000; Loxley et al., 2004).etwa 14–15 Jahren. Insgesamt lassen• Probleme der Eltern untereinander,FamilieRisikofaktoren unterschieden. LetztereGrundsätzlich hat sich gezeigt, dasssich folgende familiäre Risikofaktorendissoziales Verhalten der Eltern• Überforderung, Krankheit, StressRisikofaktoren werden als proximal<strong>für</strong> das Kindesalter personale Fakto-festhalten (vgl. z.B. Reinherz et al.,• Eltern und/oder Geschwister alseines Familienmitglieds(= „am nächsten gelegen“ bezeichnet,ren sowie Eltern- und Familienmerk-2000):negative soziale Modelle des Subs-• Scheidung, Todesfall in der Familieweil es sich um Einflüsse handelt, diemale die besseren Prädiktoren <strong>für</strong>tanzgebrauchs• Zugehörigkeitsgefühl zur Herkunfts-nicht so sehr stabil und personal sind,spätere substanzbezogene Störungen• Fehlende elterliche Wärme, geringefamilie geringer als zu Gleichaltri-sondern auch stark von der jeweili-sind, während im Jugendalter eherEltern-Kind-Bindung (v. a. in Bezuggengen Situation abhängen, in der diePeer- und sozioökonomische Merk-auf die Mutter), fehlende OffenheitPerson sich befindet. Missbrauch odermale <strong>Sucht</strong>probleme vorhersagenAbhängigkeit von psychoaktiven Subs-(nach Kaplow et al. 2002).22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012 22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012


12 VORTRÄGEVORTRÄGE 13Prof. Dr. Rainer Thomasius, Dr. Sonja BröningFamiliäre Einflussfaktoren auf die Entstehung und den Verlauf von <strong>Sucht</strong>erkrankungenLiteratursystemischer Interventionen vorallem <strong>für</strong> jugendliche, aber auch <strong>für</strong>erwachsene <strong>Sucht</strong>kranke konstatiert(vgl. von Sydow et al., 2010). In derPraxis der therapeutischen Behandlungvon <strong>Sucht</strong>kranken sind familienbezogeneTheorien und Methodenmittlerweile verbreitet und kommenin unterschiedlichen stationären undambulanten Behandlungssettingszum Einsatz.Bröning, S., Wiedow, A., Wartberg, L., Ruths, S.,Haevelmann, A., Kindermann, S., Moesgen, D.,Schaunig-Busch, I., Klein, M. & Thomasius, R.(2012). Targeting children of substance-using parentswith the community-based group intervention TRAMPO-LINE: A randomised controlled trial – design, evaluation,recruitment issues. BMC Public Health, 12:223.Edwards, G. / Arif, A. / Hodgson, R. (1981): Nomenclatureand classification of drug- and alcohol-relatedproblems: A WHO Memorandum. Bulletin World HealthKlein, M. (2001): Kinder aus alkoholbelasteten Familien:Ein Überblick zu Forschungsergebnissen und Handlungsperspektiven.<strong>Sucht</strong>therapie 2: 118–124.Kumpfer, K. L. / Olds, D. L. / Alexander, J. F. /Zucker, R. A. / Gary, L. E. (1998): Family Etiologyof Youth Problems. Pp. 42–77 in: R. S. Ashery / E. B.Robertson / K. L. Kumpfer (Eds.), Drug Abuse Preventionthrough Family Intervention. NIDA Research Monograph177. Rockville MD: National Institute of Health, NationalInstitute on Drug Abuse.Reinherz, H. Z. / Giaconia, R. M. / Carmola Hauf, A.M. /Wasserman, M. S. / Paradis, A. D. (2000): Generaland Specific Childhood Risk Factors for Depression andDrug Disorders by Early Adulthood. Journal of AmericanAcademy Child Psychiatry 39: 223–231.Sack, P.-M. / Thomasius, R. (2009): Familiäre Einflüsse.S. 147–151 in: R. Thomasius / M. Schulte-Markwort / U.J.Küstner / P. Riedesser (Hrsg.), <strong>Sucht</strong>störungen im KindesundJugendalter. Das Handbuch: Grundlagen und Praxis.Stuttgart: Schattauer.Organization 59: 225–242.FazitEssau, C. A. / Stigler. H. / Scheipl, J. (2002):Lieb, R. / Schuster, P. / Pfister, H. / Fuetsch, M. /Höfler, M. / Isensee, B. / Müller, N. / Sonntag, H.Silbereisen, R. K. (1995): EntwicklungspsychologischeAspekte von Alkohol- und Drogengebrauch. S.Festgehalten werden kann, dass einetherapeutische Arbeit mit Substanzkonsumentenund -konsumentinnenfamiliäre Hintergründe abklären undam besten die Herkunftsfamilie miteinbeziehen sollte. In der präventivenArbeit sollte vor allem eine Orientierungan proximalen Ressourcen erfolgen,gleichzeitig ist die Arbeit an Interaktionsmusternin der Familie unddie Einbeziehung von Familienmitgliedernauch im Bereich der Präventionsinnvoll. Familiäre Risikofaktoren <strong>für</strong>Substanzmissbrauch überlappen sichgrossteils mit denen <strong>für</strong> Delinquenzund Verhaltensstörungen, weswegenPräventionsprogramme <strong>für</strong> Risikogruppendiese Störungen gemeinsamansprechen sollten (vgl. Kumpfer etal., 1998). Ein Beispiel <strong>für</strong> ein derartigesPräventionsprogramm ist dasneue Angebot «Familien Stärken»,das derzeit in einer multizentrischenStudie am Deutschen Zentrum <strong>für</strong><strong>Sucht</strong>fragen des Kindes- und Jugendaltersevaluiert wird.Epidemiology and Co-Morbidity. Pp. 63–85 in: C.A. Essau(Ed.), Substance Abuse and Dependence in Adolescence.Hove UK: Brunner-Routledge.Fewell, C. H. (2011). An attachment and mentalizingperspective on children of substance abusing parents.In S.L.A. Straussner and C.H. Fewell (Eds.), Children ofsubstance abusing parents: Dynamics and treatment.NY: Springer.Klein, M. (2005): Alkoholabhängigkeit. S. 61–71 in:R. Thomasius / U. J. Küstner (Hrsg.), Familie und <strong>Sucht</strong>.Grundlagen, Therapiepraxis, Prävention. Stuttgart:Schattauer.Dodgen, C. E., & Shea, W. M. (2000). Substanceuse disorders. Assessment and treatment. San Diego:Academic Press.Grob, A. / Jaschinski, U. (2003): Erwachsen werden.Weinheim: Beltz PVU.Kaplow, J. B.; Curran, P. J. & Dodge, K. A. (2000).The Conduct Problems Prevention Research Group.Child, parent and peer predictors of early-onsetsubstance use: a multisite longitudinal study.J Abnorm Child Psychol 30; 199–226 (2002)./ Wittchen, H-U. (2000): Epidemiologie des Konsums,Missbrauchs und der Abhängigkeit von legalen und illegalenDrogen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen:Die prospektiv-longitudinale Verlaufsstudie EDSP. <strong>Sucht</strong>46: 18–31.Loxley, W., Toumbourou, J.W. & Stockwell, T.(2004). The prevention of substance use, risk and harmin Australia: A review of the evidence. Canberra: Commonwealthof Australia.Milne, B. J., Caspi, A., Harrington, H. 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14 VORTRÄGEVORTRÄGE 15Prof. Dr. Heino StöverProf. Dr. Heino Stöver Resilienz bei Kindern aus suchtbelastete Familien fördernFörderung von Resilienz bei Kindernaus suchtbelastete Familienentwickelt haben, Krisen durch Rückgriffauf persönliche und sozial vermittelteRessourcen zu bewältigen undals Anlass <strong>für</strong> Entwicklungen zu nut-Wie lässt sich Widerstandsfähigkeitunterstützen?Extern fördern kann man Kinder undEinsicht: Wissen/Wahrhaben überdie Krankheit „<strong>Sucht</strong>“ in der Familie,Unabhängigkeit: gefühlsmäßigeszen. Wie können sich diese MenschenJugendliche aus suchtbelastetenund räumliches Distanzieren vondennoch zu erfolgreich sozialisiertenFamilien, indem man sie bei derden Eltern, besonders in belastendenErwachsenen entwickeln?Balance zwischen Stress erzeugendenfamiliären Situationen,Zunächst haben Kinder in suchtbelas-Lebensereignissen und stärkendenSozial BenachteiligtenGesundheitschancenermöglichenHohe Vulnerabilitätder Kinderein Drittel). Hier zeigt sich, dass Präventionund Ernstnehmen bestimmterprotektiver Verhaltensweisen zu Endeteten Familien immer eine bestimmteFunktion, die sie ausüben und die siedie Belastungen ertragen lassen: derHeld, der Sündenbock, das verlore-Schutzfaktoren unterstützt, dennResilienz ist ein Prozess. Das Gleichgewichtkann sich im individuellenLebensverlauf oder durch neueBeziehungen: altersgemäße Entwicklungstabiler wechselseitiger Beziehungenzu Personen außerhalb derFamilie (soziales Netzwerk),Gerade <strong>für</strong> Familien mit Eltern(teilen),gedacht und passgenaue Konzeptene Kind, der Clown (n. WegscheiderKrisensituationen auch verändern.Etwa 2,65 Mio. Kinder leben indie von illegalisierten Substanzen,entwickelt werden müssen – auch1988). In der Regel haben resilien-Es ist keine starre und allen äußerenInitiative: Überwindung des GefühlsDeutschland in Familien mit mindes-z.T. auch mehrfach, abhängig sind,gegenüber ‚gelegentlichem’ Alkohol-,te (junge) Menschen bereits frühFaktoren immune Form von Wider-der Hilflosigkeit durch Ausprobierentens einem suchtkranken Elternteil.bedeutet die Geburt und insbeson-Tabak- oder übrigem Drogenkonsum.Verantwortung übernommen undstandsfähigkeit.neuer Verhaltensweisen bis hin zuIn Deutschland werden jedes Jahretwa 10.000 Neugeborene mitdere die ersten Entwicklungsjahreeine enorme Belastung. Wenn dieseResilienzentwicklungden Alltag mit süchtigen Eltern(teilen)bzw. anderen Geschwistern erfolg-Aber wie fördern und unterstützen?zielgerichteten Verhaltensstrategien,Alkoholschäden zur Welt gebracht –Familien sich nicht in einer prä- undreich bewältigt. Deshalb erfahren sieKreativität: künstlerische Ausdrucks-davon etwa 4.000 mit dem Vollbildperinatalen Betreuung oder TherapieTrotz aller widriger Umstände scheintbereits früh, dass sie es sind, die überEinige grundsätzliche Unterstützungs-formen, um innere Konflikte darzu-des fetalen Alkoholsyndroms (FAS).befinden, keine wesentlichen Unter-jedoch ein nicht unerheblicher Teilihr eigenes Schicksal bestimmen. Sierichtungen, aus der Forschung (vgl.stellen,Sie sind lebenslang körperlich undstützungen aus dem gesellschaftli-der Kinder die Phase der suchtbe-bilden Kontrollüberzeugungen undJordan 2010) abgeleitet, lassen sichgeistig schwerbehindert. Für die übri-chen Umfeld erfahren, Risikogeburtendingten Belastungen im Elternhaus immachen Erfahrungen von Selbstwirk-hier benennen:Humor: Kreativität, um die Absurditätgen etwa 6.000 Kinder kann durchausoder Entzüge gar unter der GeburtKindes- und Jugendalter nahezu un-samkeit. Sie vertrauen nicht auf Glückdes problematischen Familienlebensauch eine Schädigung des zentralennicht wahrgenommen, und nichtbeschadet zu überstehen. Woran liegtoder Zufall, sondern nehmen diezu erkennen,Nervensystems (ZNS) vorliegen, mitdem Jugendamt gemeldet werden,das? Welche Ressourcen und welcheDinge selbst in die Hand. Sie ergreifenabgeschwächter Symptomatik (z.T.entstehen hier besonders schwereSchutzfaktoren braucht es? Kann manMöglichkeiten, wenn sie sich bieten.Moral: Entwicklung eines eigenenkognitive und verhaltensbezogeneLebensausgangspositionen. SindResilienz (Widerstandsfähigkeit) garSie haben oft ein realistisches Bildfamilienunabhängigen Wertesystems,Störungen). Hier spricht man vondie Eltern(teile) gar noch aktuell imfördern? Wie kann man Kinder starkvon ihren Fähigkeiten.um Andere zu unterstützen und ihnenFetalen Alkoholeffekten (FAE). Da-<strong>Sucht</strong>kreislauf von Finanzierung, Be-machen, die z.T. erheblichen Belas-Gutes zu tun.rüber hinaus gibt es auch Schädigun-schaffung und Befriedigung aktiv, undtungen ohne größere Schäden zugen Neugeborener durch Tabak, Ben-nicht in einer medizinischen Behand-überstehen?zodiazepine und auch durch illegalelung und/oder psychosozialen Betreu-Analog zur Umkehr der DenkrichtungSubstanzen, wie Opioide, Kokain etc.ung, besteht laut verschiedener Studieneine hohe Wahrscheinlichkeit derin der Gesundheitsförderung hat sichauch hier ein Wechsel in der Blickrich-LiteraturVulnerabilität der Kinder. Diese drückttung ergeben: wir gucken nicht nursich darin aus, dass sie später eben-nach den Risikofaktoren und Vulnera-Jordan, S. (2010): Die Förderung von Resilienz undfalls eine <strong>Sucht</strong>erkrankung ausbildenbilitäten – wir untersuchen auch, wieSchutzfaktoren bei Kindern suchtkranker Eltern,(etwa ein Drittel), oder erheblicheMenschen die biologischen, psycholo-Bundesgesundheitsblatt 53: 340–346gesundheitlich-soziale Chancenun-gischen und psychosozialen Entwick-gleichheiten bei der gesellschaftlichenlungsrisiken und RisikobelastungenWegscheider, S. (1988): Es gibt doch eine Chance.Teilhabe erfahren (ebenfalls geschätztmeistern, d.h. welche Fähigkeit sieHoffnung und Heilung <strong>für</strong> die Alkoholiker-Familie.Wildberg: Verlag Mona Bögner-Kaufmann, 198822. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012 22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012


16 VORTRÄGEVORTRÄGE 17Dipl. Psych. Ines Andre-LägelInes Andre-Lägel Helden, Sündenböcke und FriedensstifterHelden, Sündenböcke und FriedensstifterWas brauchen Kinder aussuchtbelasteten Familien?Im glücklichen Fall, wachsen wir in einemUmfeld auf, das uns durch Wärmeund verlässliche Zugewandtheit,durch Zuspruch, Lob und Förderung,bei klaren Regeln, angemessenerFörderung und stabilen StrukturenSchutz, Sicherheit und Geborgenheitgibt. Wir können erleben, dass wir<strong>Sucht</strong>verhalten schränkt dieErziehungskompetenzen einBei suchterkrankten Eltern ist dasElternverhalten selten konsistent undverlässlich. Wie sich das konsumierendeElternteil in einer Situation gegenüberseinem Kind verhält, hängt nichtWir finden in Familien mit <strong>Sucht</strong>verhaltenzudem vermehrt Streit undheftige Gefühlsausbrüche 2 . Häufigerals in unbelasteten Familien kommtes zu psychischer oder körperlicherGewalt oder zu Vernachlässigung.Begünstigt wird dies auch durch diein Rauschzuständen erkennbare,liebens- und schützenswert sind,vom kindlichen Verhalten ab, sondernverminderte Fähigkeit zur Impulskont-dass wir Teil eines Systems sind, indavon, wann, was und wie viel kon-rolle und die eingeschränkte Fähigkeitdem wir einen sicheren Platz habensumiert wurde. Das bedeutet, dasszum Perspektivwechsel.Kinder suchtkranker Eltern haben,<strong>für</strong> die Kinder zur Normalität wird.sibilisierte Blick ermöglicht uns eine– einen Platz, der nie in Frage gestelltein Kind <strong>für</strong> das gleiche gezeigte Ver-im Vergleich zu Kindern nicht abhän-Eine Patientin sagte mir einmal:Einschätzung, welche Bedingungen inwird.halten das eine Mal gelobt und dasEine andere Patientin beschrieb:gigkeitserkrankter Eltern, ein bis zu„Ich habe nicht gewusst, dass meinesuchtbelasteten Familien unter Um-andere Mal bestraft werden kann. Als„Wenn mein Vater abends nach Hau-sechsfach erhöhtes Risiko <strong>für</strong> eineEltern Alkoholiker waren. Ich dachte,ständen nicht immer verlässlich erfülltAls Kinder sind uns zudem dieFolge richten die Kinder ihr eigenesse kam, habe ich immer an meinemspätere eigene <strong>Sucht</strong>erkrankungdas sei immer so: Kinder trinken Limowerden können:Spielregeln der Welt noch fremd,Verhalten nicht nach ihren eigenenFenster gesessen und auf ihn gewar-oder eigenen <strong>Sucht</strong>mittelmissbrauch.oder Saft, Erwachsene trinken ebenebenso wie der Umgang mit unse-Bedürfnissen, den situativen Erforder-tet. Wenn er das Gartentor aufmachte,Auch sind sie stärker gefährdet, eineAlkohol.“Nach Klaus Grawe zählen zu diesenren Gefühlen. Wir sind daher daraufnissen oder Interessen, sondern nachkonnte ich sehen, wenn er viel ge-psychische Störung, vor allem eineEinige Betroffene vertreten auchelementaren Grundbedürfnissen, dieangewiesen, eine Vertrauenspersondem <strong>Sucht</strong>verhalten der Eltern aus.trunken hatte. Dann hab ich gewartet,Depression, Angst- oder Persönlich-den Standpunkt, dass es niemandenalle Menschen von frühester Kindheitzu haben, die uns ein angemessenesbis er die Haustür aufschloss und binkeitsstörung zu entwickeln 1 .etwas angeht, ob und was sie konsu-an zu erfüllen suchen,Bild der Welt vermittelt und uns lehrt,<strong>Sucht</strong>erkrankte Eltern haben abhän-durchs Fenster abgehauen.“mieren – vor allem ihre Kinder nicht.• das Bedürfnis nach Bindungunsere Gefühle wahrzunehmen undgig von ihrem <strong>Sucht</strong>mittelkonsumAuf den folgenden Seiten werden die• das Bedürfnis nach Selbstwert-zu regulieren.mitunter sehr starke Wechsel in ihrerNach dem Genuss spezifischer <strong>Sucht</strong>-Bedürfnisse und Belastungen näherAber die <strong>Sucht</strong> eines Familienmitglie-erhöhung und SelbstwertschutzStimmung und ihrem Verhalten. Auchmittel oder einer großen Menge einesbetrachtet, die wir bei Kindern fest-des betrifft nicht nur den Konsumie-• das Bedürfnis nach LustgewinnWerden diese Bedürfnisse nurihre gezeigte Aufmerksamkeit und Zu-<strong>Sucht</strong>mittels, ist der Elternteil mitunterstellen können, deren Eltern an einerrenden selbst – sie betrifft alle, dieund Unlustvermeidungungenügend oder gar nicht erfüllt,wendung schwankt – ebenso wie ihrgar nicht mehr handlungsfähig. Als<strong>Sucht</strong>erkrankung leiden.mit dem bzw. der Betroffenen leben.• das Bedürfnis nach Orientierungentwickeln wir Strategien, um ihneneigenes Bedürfnis nach ZuwendungBeispiel möge hier ein übermäßig al-Die <strong>Sucht</strong> betrifft jeden inder FamilieInsbesondere Kinder, die <strong>für</strong> ihregesunde Entwicklung auf die stabileemotionale Verfügbarkeit ihrer versor-und Kontrolle.zumindest zeitweilig nahe zu kommen.Ein Kind, das demnach keineWärme und Zuwendung um seinerund Kontakt. Abhängig vom aktuellenZustand der Eltern erleben die KinderAnklammerung oder Zurückweisung –koholisierter Erwachsener dienen, dersich selbst nicht mehr auf den Beinenhalten kann, verwaschen spricht,genden Bezugspersonen angewiesenselbst willen erhält, wird sich Wegevöllig unabhängig von ihren eigenenkeinen klaren Gedankengang mehr„Unter meiner <strong>Sucht</strong> leide nur ich“,sind, können durch das elterlichesuchen, Aufmerksamkeit oder Zuwen-Bedürfnissen oder Verhaltensweisen.äußern und keine Gefahren einschät-scheinen manche Eltern, die an einer<strong>Sucht</strong>verhalten stark belastet werden.dung zu bekommen – durch Leistung,zen kann. Zur verantwortungsvollenAbhängigkeitserkrankung leiden, an-durch Witze oder irgendeine Aktion,Auch die Fähigkeit zur Empathie wirdBetreuung, Versorgung und Erziehungzunehmen. Wenn sie nur nicht direktvor den Augen ihres Kindes konsumieren,würde es ja gar nichts davonmitbekommen. Sie wollen oderDoch wie weit reicht diese Belastung?Welche Bereiche des kindlichen Erlebenskönnen beeinträchtigt werdenund müssen daher vom Umfeld beiBindung &ZuwendungSelbstwerterhöhung& Selbstschutzdie das ersehnte Ziel – elterlicher Aufmerksamkeit– zeitweilig sicherstellenkann. Diese entwickelten Strategienkönnen hilfreich sein, sie können aberdurch den <strong>Sucht</strong>mittelkonsum beeinträchtigt.So ist es den Eltern dannnicht möglich, die Emotionen ihrerKinder wahrzunehmen und sich ein-eines Kindes ist in diesem Zustandsicher niemand in der Lage. DasKind ist auf sich selbst gestellt, ohneFührung oder Unterstützung durch diekönnen sich nicht vorstellen, dassdie Wirkungen, die der Konsum des<strong>Sucht</strong>mittels bei ihnen auslöst, vonihren Angehörigen bemerkt werdender Einschätzung von UnterstützungsundHilfebedarf berücksichtigt werden?Um uns dies zu verdeutlichen,bietet sich ein Blick auf die kindlichenOrientierung& KontrolleLustgewinn &Unlustvermeldungauch ungünstige Verhaltensmusterdarstellen, die das Kind in seinergesunden Entwicklung stören.zufühlen. Die emotionale Verfügbarkeitist abhängig vom <strong>Sucht</strong>verhaltenund daher zeitweilig reduziert oderausgeschlossen. Sie können ihrenEltern. Die mit dem <strong>Sucht</strong>mittelkonsumeinhergehenden Veränderungenin der Wahrnehmung und im Verhaltenkönnen die Erziehungsfähigkeitoder ihre Kinder seelisch belastenGrundbedürfnisse an, also jene Be-Kindern in diesem Zustand nicht dender Eltern erheblich einschränken.können.dingungen, die ein Kind grundsätzlichangemessenen Umgang mit belasten-Andere wiederum konsumieren sobraucht, um sich psychisch gesundden Gefühlen vermitteln.offen und selbstverständlich, dass esentwickeln zu können. Dieser sen-Abb. 1: Grundbedürfnisse nach Grawe22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012 22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012


18 VORTRÄGEVORTRÄGE 19Ines Andre-Lägel Helden, Sündenböcke und FriedensstifterInes Andre-Lägel Helden, Sündenböcke und FriedensstifterImplizite, stabilisierendeFamilienregelnDoch wieso sind diese erkranktenSysteme stabil? Wie können sich dieschädigenden Strukturen oft überJahre halten und Hilfe von außenverhindern?Ein Grund könnte in den unausgesprochenenFamilienregeln liegen,die wir bei <strong>Sucht</strong>erkrankungen häufigfinden. Sie müssen nicht explizit festgelegtoder festgeschrieben werden,sondern entwickeln sich in der Regelimplizit und werden von den einzelnenFamilienmitgliedern nicht offenkommuniziert.Demnach bestimmt die <strong>Sucht</strong> denAlltag der Familie. Sie bildet den Mittelpunktaller Aktivitäten. An ihr wirddas Leben jedes Einzelnen ausgerichtetund der Umgang der Familienmitgliederuntereinander und gegenüberAußenstehenden bestimmt.Abb. 2: Familienregeln nach WegscheiderDer bzw. die <strong>Sucht</strong>erkrankte selbstträgt nach diesem Modell keine Verantwortung.Er oder sie ist das Opferungünstiger Umstände oder schwierigund ungerecht assoziierter Lebenssituationen.(Man trinkt z.B., weil manso unter Druck steht, zu viel oder zuwenig Arbeit hat.) Der Zustand inder Familie wird zwar als schwierigeingeschätzt, gilt aber dennoch alserhaltenswert – es könnte schließlichdurch Veränderungen noch schlimmerwerden. Die tatsächliche eigeneBefindlichkeit, die aus den Auswirkungender <strong>Sucht</strong> des bzw. der Einzelnenresultiert, darf von den Familienmitgliedernnicht ausgesprochen werden.Für Kinder hat dies recht erheblicheFolgen: Sie können sich mit niemandeminner- oder außerhalb derFamilie über das Erlebte austauschenund sich somit auch keine Unterstützungholen. Sie können die eigenenGefühle von Ärger, Wut, Angst, Schamoder Traurigkeit nicht äußern undziehen sich von anderen zurück. Auchbefinden sie sich in einem erheblichenLoyalitätskonflikt.Unausgesprochene Familienregeln:• Das Wichtigste im Familienleben ist die <strong>Sucht</strong>.• Niemand darf erzählen, was <strong>zuhause</strong> tatsächlich passiert.• Die <strong>Sucht</strong> ist nicht die Ursache von Problemen.• Der Abhängige ist <strong>für</strong> seine <strong>Sucht</strong> nicht verantwortlich.• Der Status quo muss erhalten bleiben.• Niemand darf sagen, wie es ihm wirklich geht.Mögliche Auswirkungenauf die KinderAls Folge der vermehrten Isolation zeigenKinder mit suchterkrankten Elternhäufig Defizite im Bereich der sozialenKompetenzen. Sie haben wederin ihren Eltern verlässliche Lernmodelle,noch können sie aufgrund deseigenen Rückzugs in anderen sozialenKontexten die entsprechenden Verhaltensweisenund Strategien erlernen.Kinder aus suchtbelasteten Familienfallen häufiger durch Hyperaktivitätoder durch Störungen in ihrer Aufmerksamkeitauf, als ihre Altersgenossen.Sie zeigen auch häufiger depressiveSymptome und/oder Ängste.Die Belastungen der Kinder äußernsich vermehrt durch somatische undpsychosomatische Symptome undschlechtere Schulleistungen.Nach Zobel beschreiben Kinder, derenEltern an einer Abhängigkeitserkrankungleiden, dass sie sich häufigerunsicher und unbehütet fühlen undihre Umgebung eher als chaotischeinschätzen. Die eigene Familienatmosphärewird von den Kindernals dysfunktional bewertet. Auch dieEltern selbst werden von den Kindernals negativ erlebt, als verständnislosund wenig liebenswert beschrieben.Vergegenwärtigen wir uns die Auswirkungender <strong>Sucht</strong> auf die sozialenund die erzieherischen Kompetenzen,können wir diese Sicht der Kindersicher nachvollziehen.Erschreckend ist vor allem, dassKinder mit suchtkranken Elternvermehrt die Erfahrungen körperlicheroder seelischer Gewalt machenund häufiger sexuellem Missbrauchausgesetzt sind als Kinder in unbelastetenFamilien 3 . Ungünstig ist vordiesem Hintergrund auch, dass sie inihrem Umfeld weniger vertrauensvollePersonen benennen können undauch bei nahen Angehörigen wenigerRückhalt bekommen.Der vorherrschende Bindungsstil istdaher ein Unsicherer. Wir wissen vonunsicher gebundenen Kindern, dasssie weniger Selbstvertrauen zeigenund weniger in Gruppen von Gleichaltrigenintegriert sind. Sie verfolgenkaum beziehungsorientierte Strategienund können über ihr Lebenvorwiegend nur unklare Äußerungenmachen. Insgesamt verhalten sichbindungsunsichere Kinder sozial auffälligerals sicher gebundene. 4Kindliche BewältigungsstrategienUm auch in einem ungünstigenFamilienumfeld bestmöglich zurechtzu kommen, versuchen die Kinder,sich anzupassen. Sie entwickelnunterschiedliche Strategien, um ihreBedürfnisse nach Schutz, Bindung,Orientierung, Selbstwert, Autonomieund anderem zu erfüllen. Diese Strategienkönnen zwar <strong>für</strong> den Augenblickhilfreich erscheinen, sich aberlangfristig auch erheblich nachteiligauf die Entwicklung und seelischeGesundheit der Kinder auswirken.Wegscheider, Ackermann, Lambrou,Black und Jacob haben dabei bestimmteVerhaltenstypen ausgemacht,die sich bei Kindern gehäuft zeigen.Sie werden hier exemplarisch alsmögliche Bewältigungswege aufgezeigt.5Der HeldDieser Stil wird in der Literatur auchals „Macher“, „das verantwortungsbewussteKind“, „Elternkind„ oder„Vorzeigekind“ beschrieben. Wenndie Eltern nicht in ausreichendemMaß vermitteln können, dass dasKind selbst liebenswert ist, sucht essich andere Wege, um sein Bedürfnisnach elterlicher Aufmerksamkeit zubefriedigen.Es bemüht sich um sehr gute Leistungenin der Schule, im Sport oder inanderen Aktivitäten, um Anerkennungund Lob zu erhalten. Sein Bedürfnisnach Orientierung erfüllt es sichdurch gerichtete Aktivitäten. Es regeltProbleme allein und verlässt sichnur auf sich selbst, nicht auf andere.„Helden“-Kinder leiden häufig unterÄrger, psychosomatischen Problemenund Perfektionismus.Der SündenbockDieser Stil wird auch als „das ausagierendeKind“ oder „das schwarzeSchaf“ bezeichnet. Im Gegensatz zum„Helden“ sichert sich „der Sündenbock“Aufmerksamkeit durch oppositionellesVerhalten und Auflehnung.Das Kind äußert Gefühle von heftigerWut, Trotz und Feindseligkeit. Dabeizeigt es wenig Selbstvertrauen. Mitseinem problematischen Verhaltenlenkt das Kind von dem Problem des<strong>Sucht</strong>mittelkonsums der Eltern ab.Das verlorene KindKinder, die dieses Verhalten zeigen,werden auch als „das fügsame Kind“,„das unsichtbare Kind“ oder „Schweiger“bezeichnet. Sie schützen sichdurch den Rückzug in ihre eigeneWelt, verhalten sich unauffällig undvermeiden Konflikte. Diese Kinder habenSchwierigkeiten, Entscheidungenzu treffen, fühlen sich einsam undunwichtig. Wenn sie Anerkennungerhalten, dann meist <strong>für</strong> ihr angepasstesVerhalten.Der FriedensstifterDiese Kinder werden auch „derClown“, „das Maskottchen“ oder „das„Nesthäkchen“ genannt. Sie verschaffensich Aufmerksamkeit durchSpaß und Aufgeschlossenheit. Dabeiwirken sie unreif, wenig belastbar undwerden, wenn Geschwister vorhandensind, geschützt. Es besteht eineNeigung zu Konzentrationsstörungen,Lernstörungen oder Hyperaktivität.Nach Black (1998) haben dieseKinder wenig Kontakt zu den eigenenBedürfnissen und fühlen sichschuldig, wenn sie sich um sich selbstkümmern.22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012 22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012


20 VORTRÄGEVORTRÄGE 21Ines Andre-Lägel Helden, Sündenböcke und FriedensstifterDr. Elke Bruns-Philipps, Christina Torbrügge,Lena Richter, Christel ZühlkeHerausforderungen in derKontaktherstellungWir können nicht erwarten, dass einKind, das unter der <strong>Sucht</strong>erkrankungeines Elternteils leidet, aktiv umHilfe bittet. Die impliziten oder auchexpliziten Kommunikationsverboteerschweren es den Kindern, sichanderen anzuvertrauen und Hilfe vonaußen anzunehmen. Auch befindensich die Kinder in einem Loyalitätskonflikt.Sie möchten nichts Negativesoder Beschämendes über ihre Familienach außen tragen.Es kann daher vorkommen, dassein Kind belastende Zuständeverschweigt, sie beschönigt oderabschwächt. Das Kind hat ein hohesBedürfnis nach Transparenz im Beratungskontextund <strong>für</strong>chtet in derRegel massive Eingriffe, welche dieFamilie durcheinander bringen können.Mitarbeiter und Mitarbeiterinnender Jugendhilfe und des Gesundheitswesenssind daher aufgefordert, sichden Kindern als verlässliche Ansprechpartnerund -partnerinnen zu präsentieren.Sie sollten sich bewusstmachen, dass das Kind unter Umständenzum ersten Mal mit einem/einerAußenstehenden über die familiärenSchwierigkeiten spricht. Ein zu heftigesoder druckvolles Vorgehen kanndazu führen, dass das Kind den Kontaktabbricht und sich zurückzieht,schweigt oder die häusliche Belastungleugnet. Es ist daher wichtig,dem Kind zuzuhören, ohne die Elternabzuwerten oder zu verurteilen. Ansonstenkönnte es meinen, die Elternschützen zu müssen und würde sichnicht weiter anvertrauen. Hilfreich istein ruhiges Vorgehen, um Verantwortlichkeitenund Möglichkeiten auf zugezeigt und dem Kind Raum zu gegeben,sich zu entlasten und eigeneWünsche anbringen zu können.Wenn wir die potentiellen Auswirkungendes <strong>Sucht</strong>mittelkonsums vonEltern auf die in der Familie lebendenKinder kennen, können wir eventuelleGefährdungen des Kindeswohls sicherererkennen. Wir sind damit besser inder Lage, gezielte und angemesseneHilfen zu entwickeln. So können wirdie Kinder dabei unterstützen, trotzmöglicherweise erheblicher Belastungen,psychisch gesund zu bleiben.1 Klein M: Kinder suchtkranker Eltern. In: Prävention extra - Zeitschrift <strong>für</strong> Gesundheitsförderung, 2/20072 Klein & Zobel: Kinder in suchtbelasteten Familien-Psychologische <strong>Sucht</strong>forschung unter transgenerationaler und soziologischer Perspektive3 Zobel, M: Kinder aus alkoholbelasteten Familien, Hogrefe 20064 Grossmann und Grossmann: Bindungen - das Gefüge psychischer Sicherheit, Klett-Cotta 20045 Zobel, M: Kinder aus alkoholbelasteten Familien, Hogrefe 2006Kooperationsvereinbarungzum besseren Schutz von Kindernsuchtmittelabhängiger ElternHintergrundIn Deutschland leben nach Angabender Bundesdrogenbeauftragten (Mai2009) ca. 1,3 Millionen Alkoholabhängigeund ca. 200.000 Menschen,die von illegalen Drogen abhängigsind Untersuchungen zufolge leben34 % der opiatabhängigen Frauen mitmindestens einem Kind zusammen(Stand Jahrbuch <strong>Sucht</strong> 2009).Für den Raum Hannover als städtischesBallungsgebiet mit einer überdem Landesdurchschnitt liegendenZahl Opiatabhängiger liegen lediglichSchätzungen vor, nach denen es4.000 bis 5.000 Heroin- bzw. Kokainabhängige,16.000 bis 18.000 Alkoholabhängige,9.000 bis 10.000 Medikamentenabhängigesowie 3.000 bis4.000 Konsumenten von Designerdrogen(Ecstasy, LSD, Amphetaminenetc.) gibt (Angaben des Drogenbeauftragtender Landeshauptstadt Hannover).Während es in der Vergangenheit nurwenige Drogenabhängige mit Kinderngab, ist die Zahl der drogenabhängigenEltern u.a. mit der Einführung derSubstitutionsbehandlung und ihremstabilisierenden Effekt gestiegen. Hierausergibt sich die dringende Notwendigkeitzur effektiveren Verknüpfungzwischen dem medizinischen Bereich,der <strong>Sucht</strong>hilfe und der Kinder- undJugendhilfe, um die Belange der Betroffenenbesser zu berücksichtigen.Kooperationsvereinbarungdes Arbeitskreis „Familieund <strong>Sucht</strong> Hannover“Aus einer 1997 im Rahmen einerLandtagsanfrage gegründeten Arbeitsgruppe„Substitution und Schwangerschaft“(FachbereichJugend und Familie/LandeshauptstadtHannover)und der Arbeitsgruppe „Drogenembryopathie“(<strong>Niedersächsisches</strong> Landesgesundheitsamt,NLGA) entstandAnfang 2006 der Arbeitskreis „Familieund <strong>Sucht</strong> Hannover“.Das an der Praxis und Arbeit vor Ortausgerichtete Ziel des neuen, vomNiedersächsischen Landesgesundheitsamtmoderierten Arbeitskreiseswar und ist es, über ein Kooperationsmodelleine Verbesserung der Versorgungsstruktur<strong>für</strong> geborene undungeborene Kinder aus suchtbelastetenFamilien zu erreichen.Dabei hat die gemeinsam erarbeiteteVereinbarung nur empfehlendenCharakter. Sie soll die Zusammenarbeitder beteiligten Einrichtungenim Rahmen der Hilfen <strong>für</strong> Kinder aussuchtbelasteten Familien und <strong>für</strong>deren Eltern in der Stadt und RegionHannover transparenter und effektivergestalten. Dadurch soll auch erreichtwerden, dass eine Kindesvernachlässigungoder Kindesmisshandlungvermieden oder zumindest frühzeitigerkannt und eine schnelle und angemesseneKooperation bei der Erbringungvon Hilfen, mit sich zum Teilüberschneidenden Zuständigkeiten,sicher gestellt wird.Als Zielgruppen wurden gemeinsamfestgelegt: Kinder und ihre Eltern,wenn die Eltern <strong>Sucht</strong>mittelmissbrauchbetreiben oder suchtmittelabhängigsind bzw. substituiertwerden sowie schwangere Frauen,die <strong>Sucht</strong>mittelmissbrauch betreibenoder suchtmittelabhängig sind bzw.substituiert werden.Die Kooperationsvereinbarung hatzum Ziel dem Wohlergehen von Kindernsuchtmittelabhängiger Elternauch in den nicht originär <strong>für</strong> den Kinderschutzzuständigen Institutionenstärkere Aufmerksamkeit zu widmen.Betroffene Familien können so frühzeitigin adäquate Unterstützungsstruktureneingebunden werden.Durch eine gelebte Vernetzung undineinander greifende Zusammenarbeitzwischen den Einrichtungen der<strong>Sucht</strong>hilfe, den Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen,den Familienhebammensowie den medizinischen22. 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22 VORTRÄGEVORTRÄGE23Dr. Elke Bruns-Philipps, Christina Torbrügge, Lena Richter, Christel ZühlkeKooperationsvereinbarung zum besseren Schutz von Kindern suchtmittelabhängiger ElternBei Kontakt der Schwangeren, der Mutter, des Vaters oder der Eltern mit eiinem Kooperationspartner:Ausübung der fachspezifischen Aufgaben, Abklärung der Problemstellung und der Gefährdung des KIndes.Motivation der Mutter / des Vaters / der Eltern zur Zusammmenarbeit im Rahmen des Hilfenetzwerks.Versorgungsbereichen von Eltern undKindern sollen Probleme und Fehlentwicklungenzeitnah erkannt und eineSchädigung der Kinder vermiedenwerden. Ziel ist es, den Familien dauerhaftein gemeinsames Leben undgesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.Ziele der Kooperationsvereinbarung• Sicherung des Kindeswohls• Unterstützung <strong>für</strong> ein dauerhaftgemeinsames Leben von Elternund Kindern• Förderung der elterlichenKompetenzen• Erkennung und Stärkung vorhandenerRessourcen bei Eltern undKindern• Förderung des altersgerechtenUmgangs mit dem Kind• Vermeidung bzw. frühzeitiges Erkennenvon Fehlentwicklungenund Schädigungen der Kindermit Eltern, die einen <strong>Sucht</strong>mittelmissbrauchbetreiben und ggf.Einleitung wirksamer Gegenmaßnahmen• Größtmögliche Teilhabe von Elternund Kindern am gesellschaftlichenLeben (sozial, schulisch undberuflich)• Frühzeitige Vernetzung der beteiligtenInstitutionen, um doppelteund ungeeignete Hilfen zu vermeiden• Vermittlung geeigneter Hilfenmit dem Ziel der Überwindung der<strong>Sucht</strong>erkrankung der Eltern, z.B.durch die Einleitung einer stabilenSubstitutionsbehandlung• Unterstützung des Ausstiegsschwangerer Frauen und Elternaus der <strong>Sucht</strong>mittelabhängigkeit• Schärfung des gesellschaftlichenBewusstseins <strong>für</strong> die Notwendigkeitsachgerechter Hilfen <strong>für</strong> diebetroffenen Schwangeren/Eltern/KinderUm diese Ziele zu erreichen, war derProzess der gemeinsamen Erarbeitungder Vereinbarung wesentlich, erbewirkte ein gegenseitiges Kennenlernender Organisationen, ihresAuftrags und ihrer Aufgaben, derverwendeten Instrumente und Methodensowie der Möglichkeiten undGrenzen in der Arbeit. Das beinhalteteauch die Akzeptanz der spezifischenKompetenzen der beteiligten Berufsgruppenund Institutionen. Wichtigwar im Verlauf eine gleichberechtigteund hierarchiefreie Kommunikationmiteinander, die verbindliche Koordinationund Verantwortung, Kontinuitätund Verlässlichkeit der Beteiligtensowie deren Konfliktfähigkeit.Kernelemente der Kooperationsvereinbarungsind neben Beschreibungender beteiligten Partner und derenErreichbarkeiten ausführliche Darstellungenvon Aufgaben und Zugangswegenim Bereich der Betreuungsuchtmittelabhängiger Eltern und ihrerKinder sowie ein schematisches Ablaufdiagramm,welches aufzeigt was<strong>für</strong> Schritte bei einem entsprechendenKontakt unter welchen Bedingungeneingeleitet werden müssen.Standards gemeinsamenHandelns: AblaufdiagrammDas Ablaufdiagramm ist in der Regelnur anwendbar bei einem fortlaufendenBetreuungsverhältnis. Bei Kindernsuchtmittelabhängiger Elternist grundsätzlich von einem Gefährdungsrisikoauszugehen.Bei gewichtigen Anhaltspunkten <strong>für</strong>eine Gefährdung des Kindes ist einefrühzeitige Information des Jugendamtes– möglichst mit Wissen derEltern – jederzeit möglich.Evaluierung derKooperationsvereinbarungAuch nach der Verabschiedung derKooperationsvereinbarung im Jahr2010 wird die Arbeit im Arbeitskreisfortgesetzt. Zum einen soll anhandvon Fallvorstellungen analysiert werden,ob sich die Vereinbarung amkonkreten Beispiel bewährt, zum anderensollen im Rahmen einer EvaluationErkenntnisse gewonnen werden,welche förderlichen und hinderlichenBedingungen die Verbreitung undUmsetzung der Kooperationsvereinbarungin der Praxis beeinflussen.Im Detail wird untersucht, ob und inwelchem Umfang die Vereinbarungin der praktischen Arbeit umgesetztwird, ob die formulierten Ziele erreichtwerden und ob es Änderungsbzw.Ergänzungsbedarf hinsichtlichder vereinbarten Inhalte gibt.Hierzu werden zwei Untersuchungsmethodenangewandt. Mit Hilfe einesFragebogens werden Bekanntheitsgrad,Relevanz und Handhabbarkeitder Kooperationsvereinbarung inden beteiligten Institutionen erfasst.Darüber hinaus werden qualitativeExperteninterviews mit Multiplikatorender Akteure und Akteurinnen imHilfesystem geführt, um neben hemmendenFaktoren sowie Erfolgsfaktorenauch möglichen Änderungs- undErgänzungsbedarf zu ermitteln. DieErkenntnisse aus der Evaluation sollengenutzt werden, um gegebenenfallsÄnderungen der Kooperationsstrukturvorzunehmen und in der Folge dieAufbau einer Vertrauensbasis unter Berücksichtigung, dass die Kinder in verschiedenen Settings oftmals nicht gesehenwerden. Eine aufsuchende Arbeit kann nicht / nicht umfassend in allen Arbeitsbereichen geleistet werden.Bereitschaft zur Zusammenarbeitim Rahmen des Hilfenetzwerks. (Schweigepflichtentbindung,Einverständnis zur Kooperation mit gesamtenHilfesystem)Keine Bereitschaft zur Zusammenarbeitmit dem gesamten Hilfenetzwerk (nur eingeschränkteSchweigepflichtentbindung, Ablehnung zumindest vonTeilen des Hilfesystems)Aktivierung der Unterstützung von Kooperationspartnern Keine akute Gefährdung desmit den da<strong>für</strong> vereinbarten Instrumenten(Fallbesprechung, Fallberatung, Fallkonferenz)Information über die Situation / ProblemeAustausch zwischen den KooperationspartnernKindes, ggf. Akzeptanz voneinzelnen HilfeangebotenWeiterhin Arbeit mit denEltern, Beobachtung desKindesKein Kontaktmehr zu Kind undEltern, Risikoeinschätzungnicht möglichKlärung der VorgehensweisePlanung / Koordinierung der HilfenFestlegung von Frequenz und Umfang der HilfenVereinbarung zwischen den KooperationspartnernSituation der Eltern /des Kindes verbessert sichAkute Gefährdungdes Kindesund ElternAbklärung der Fallverantwortung / ProzessverantwortungProzessverantwortliche/r organisiert, koordiniert undkontrolliert den Prozess, informiert, macht Krisenmanagementnicht, Hilfen greifen nichtund legt die Frequenz entsprechend demHilfebedarf fest (nicht zwangsläufig Jugendamt)Meldung an das Jugendamt und /oder Treffen geeigneter Maßnahmen zurHilfen greifenArbeit mit Eltern /KindEnde des KooperationsbedarfsHilfen greifen nicht und /oder akute Gefährdung desKindeswohlsEinleitung von Schutzmaßnahmen/ Kriseninterventiondurch öffentliche JugendhilfeSicherung des Kindeswohls, z.B. stationäreEinweisung oder Kontaktaufnahme mit<strong>Sucht</strong>beratung der Eltern wenn bekanntoder Einberufung einer anonymisiertenFallberatung / FallkonferenzEnde des KooperationsbedarfsZusammenarbeit mit der Zielgruppe <strong>für</strong> Betroffene wächst und der Ausbauweiter zu verbessern. Der Arbeitskreisvergleichbarer Netzwerke vorangetrie-erhofft sich als Nebeneffekt, ben wird.dass auch über die Region Hannoverhinaus das Bewusstsein <strong>für</strong> die Erste Ergebnisse der Evaluation sollenNotwendigkeit sachgerechter Hilfen im April 2013 präsentiert werden.22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012 22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012


24 VORTRÄGEVORTRÄGE 25Veronika Breer, Claudia MierzowskyVeronika Bresser, Claudia MierzowskyTrampolin – Kinder aus suchtbelasteten Familien entdecken ihre StärkenTrampolinKinder aus suchtbelasteten Familienentdecken ihre StärkenWie haben wir Elternund Kinder <strong>für</strong> dasTrampolinprojektgewinnen können?lien zur Teilnahme zu finden und zuüberzeugen. Zur Unterstützung beider Durchführung des Projektes wurdeeine Jahrespraktikantin frei gestellt.In der Vorbereitungsphase wurde vomsie ein, ihren Kindern zu Hause denRaum zu geben, über die Gruppeund ihre Themen zu sprechen, siedabei nicht auszufragen, sondernerzählen zu lassen. Nach anfänglicherDie Leitung des Sozialdienstes stimm-Jugendamt kontinuierlich Kontakt zuZurückhaltung berichteten viele de-te der Beteiligung des Jugendamtesden betreffenden Familien gepflegttailliert von ihren familiären Hinter-als Projektpartner zu und stellte zurund die Familien positiv motiviert.gründen und Erziehungsschwierigkei-Unterstützung einen weiteren Mit-Parallel fand zu diesem Zeitpunktten. Uns wurde durch das zögerliche,Auf einem Netzwerktreffen 2010den Kindern fand in den Monatenkonnten diese erproben und erfuhrenarbeiter. Nach positiver Resonanzeine große Berichterstattung in dermisstrauische Verhalten der Elternhörte ich, Präventionsfachkraft derMärz, April und Mai 2011 in Hildes-dabei, wie Freiheit und Unabhängig-bei den pädagogischen FachkräftenLokalpresse statt, die auf reges Inte-bestätigt, dass die Elternarbeit einenDrogenhilfe Hildesheim zum erstenheim statt.keit sich anfühlen können. Sie er-wurde vereinbart, dass jede Sozial-resse stieß.sehr sensiblen Umgang erfordert undMal von „Trampolin“, einem neuenKurzinterventionsprojekt <strong>für</strong> Kinderaus suchtbelasteten Familien. DasDas Projekt Trampolin hat nichtsmit Trampolinspringen zu tun, aber„es schützt und fängt sanft auf“. Eslebten eine psychische Entlastungdurch das Aufbrechen des Tabuthemas<strong>Sucht</strong> in der Familie. Dadurcharbeiterin und jeder Sozialarbeiter imjeweiligen Bereich bekannte Familienmit <strong>Sucht</strong>problematik ansprach.Die praktischeDurchführungdie eigene Haltung ständig reflektiertwerden musste. Das betraf sowohldie wahrnehmbare AlkoholfahneProjekt wird von dem Deutschenumfasst ein Gruppenangebot <strong>für</strong>konnten Sie sie mehr SelbstvertrauenHatte die Familie Interesse an demeines Elternteils als auch inhaltlicheZentrum <strong>für</strong> <strong>Sucht</strong>fragen des Kindes-Kinder zwischen 8 und 12 Jahren,gewinnen. Wie nach jedem gelun-Programm, wurde diese an die Pro-Jetzt begann die spannendste PhaseDarstellungen von Familienabläufenund Jugendalters (DZSK) in Koopera-die in einer Familie mit Alkohol- odergenen Sprung auf dem Trampolin!jektmitarbeiter und -mitarbeiterinnendes Projektes, der praktische Teil.und dem Verhalten ihrer Kinder.tion mit der Katholischen FachhochschuleKöln bundesweit in seinerWirksamkeit erforscht.In Hildesheim gab es bisher leiderDrogenproblematik leben. Darüberhinaus werden zwei Begleitveranstaltungen<strong>für</strong> die betroffenen Elternangeboten.Wie kann man so einProjekt in der eigenenStadt durchführen?weitergeleitet. Zeitgleich wurde <strong>für</strong>das Projekt bei stationären undambulanten Jugendhilfeeinrichtungen,Erziehungs- und <strong>Sucht</strong>beratungs-Wir starteten mit 8 Kindern in einer„Trampolingruppe“ und parallel mitmit 7 Kindern in der Kontrollgruppe„Hüpfburg“.Auf dem Elternabend, der nach Projektendeim Mai stattfand, berichtetendie Eltern von positiven Veränderungenihrer Kinder. Sie erzählten, dasskeine Angebote <strong>für</strong> Kinder ausDie Interventionsgruppe mit fünf bisstellen, Hildesheimer Kinderärzten,Für uns Projektmitarbeiter und Pro-ihre Kinder offener geworden seien,suchtbelasteten Familien.acht Kindern, traf sich mehrmalsNach der vertraglichen Vereinbarung-ärztinnen, und -therapeuten undjektmitarbeiterinnen war besonderses mehr Gespräche und Fragen überDann kam ein dringender Suchaufrufwöchentlich, um mit Hilfe des modul-mit den Forschungseinrichtungen-therapeutinnen sowie besondersinteressant, wie die Eltern und ihre<strong>Sucht</strong> gegeben habe und dass sie ihrenach weiteren Praxisstandorten zurartig aufgebauten Programms Bewäl-starteten wir Anfang 2011 mit derintensiv beim Familienzentrum in derKinder auf das Projekt reagierten undKinder fröhlicher erlebt hätten. WirForschungsteilnahme. Ich überprüfte,tigungs- und Handlungsstrategien anAkquise der Kinder <strong>für</strong> die beidenHildesheimer Nordstadt vorgestellt.ob wir Auswirkungen durch dieseselbst konnten beobachten, dass dieob es nicht doch Möglichkeiten einerdie Hand zu bekommen und dadurchGruppen. Wir organisierten einenDas Familienzentrum in der NordstadtKurzintervention bei Kindern undEltern sich gegenseitig aufmerksam zuUmsetzung in Hildesheim gebenbesser mit ihren schwierigen Lebens-geeigneten Gruppenraum undist eine große Einrichtung <strong>für</strong> FamilienEltern bemerken würden.hörten und die Beiträge mit eigenenkönnte. Ich nahm Kontakt zu, einerlagen umgehen zu können. Es wurdearrangierten weitere Rahmenbedin-in der Stadt Hildesheim. Wir bekamenWir starteten mit dem ersten Eltern-Beobachtungen ergänzten. Sie wirk-Mitarbeiterin des Hildesheimer Ju-ein zentrales Thema pro Modul mitgungen, wie Zeitplanung der Grup-von ihnen Räumlichkeiten <strong>für</strong> dieabend der Trampolingruppe im Märzten auf uns als Gruppenleitung ge-gendamts auf, die ihre Unterstützungden Kindern gemeinsam in 1,5 Stun-penangebote, ÖffentlichkeitsarbeitDurchführung des Projekts, in Form2011. Der Abend verlief positiv. Eslockert und möglicherweise erleich-zusagte.den erarbeitet. Die Kinder erfuhrenund die Trampolinschulung <strong>für</strong> dieeines großen, hellen, kindgerechtwurde eine Schweigepflicht innerhalbtert, dass sie als betroffene Eltern inDas Trampolin-Projekt wurde vonin der Gruppe ein sicheres Umfeld, inbeteiligten Mitarbeiterinnen undgestalteten Raums mit Stuhlkreis,der Gruppe vereinbart und die Elternihrer Erziehungskompetenz trotz derJanuar bis Juli 2011 durchgeführt. Wirdem sie keine Angst haben mußtenMitarbeiter in Hildesheim.Basteltisch, Sofaecke und Teeküchenach ihren Wünschen <strong>für</strong> das Zusam-<strong>Sucht</strong>belastung wahrgenommen undbenötigten zwei Kindergruppen, einezu sagen, was sie denken und fühlen.zur Verfügung gestellt. Ebenso wur-menleben mit ihren Kindern gefragt.angesprochen wurden. Sie konnten„Trampolin“-Gruppe, in der mit demSie entdeckten durch ein abwechs-den wir vom Familienzentrum beiSie wünschten sich vor allem, dasssich in diesem Rahmen ohne schlech-Trampolin-Manual suchtpädagogischlungsreiches Programm u.a. mit Ge-der Suche nach geeigneten Familiendie Kinder mehr von sich selbst er-tes Gewissen mit anderen Eltern aus-gearbeitet wurde und eine Kontroll-schichten, Gesprächen und Fantasier-unterstützt.zählten und mehr gemeinsam unter-tauschen.gruppe, in der ausschließlich gespielteisen, mit Rollenspielen oder mitZeitgleich unternahm die Drogenhilfenommen würde. Wir stellten ihnenund das Thema <strong>Sucht</strong> nicht angespro-Entspannungs-, Bewegungsspieleneine intensive Aktenrecherche, Ge-die Inhalte und Ziele der Gruppen-chen wurde. Die direkte Arbeit mitihre Stärken und Fähigkeiten. Siespräche und Schriftverkehr, um Fami-stunden der Kinder vor und luden22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012 22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012


26 VORTRÄGEVORTRÄGE 27markus wirtzVeronika Bresser, Claudia MierzowskyTrampolin – Kinder aus suchtbelasteten Familien entdecken ihre StärkenPraxiserfahrungen ausden Gruppenstundenmit den KindernIn der Kindergruppe sollen die Kindereffektive Stressbewältigungsstrategienerlernen, insbesondere einen kons-Praxiserfahrungen mitder Kooperation vor OrtDie Durchführenden des Programmsmussten viel Zeit, Geduld und Beharrlichkeitaufbringen. Besondersdie Akquise der Familien war sehrMit Ende des Projekts sind dieThemen noch nicht zu Ende: „Es warviel Arbeit. Es war eine gute Arbeitund es hat sich gelohnt.“Das ESCapade ProjektEin familienorientiertes Interventionsprogramm<strong>für</strong> Jugendliche mitproblematischer Computernutzung 1truktiven Umgang mit Emotionen.aufwändig und erforderte sanftenSie sollen psychische EntlastungDruck, um zur Teilnahme zu motivie-durch Auflösung des Tabuthemas„<strong>Sucht</strong>“ erfahren, hilfreiches Wissenren. Mit der Erstellung des Trampolin-Manuals durch die Projektleitung istDie Ausgangslagenicht zu vernachlässigen. So ließenfamilienorientierten Interventions-zur Wirkung von Alkohol und Drogenschon sehr viel vorgearbeitet worden.sich in den vergangenen zehn Jahrenansatz neben den individuellen Pro-erwerben, ihr Selbstwertgefühl stei-Dieses Programm lässt sich in derDas Internet ist längst zu einem festenvermehrt exzessive oder sogar patho-blemlagen des Jugendlichen auchgern und erfahren, dass sie auf ihreArbeit mit Kindern aus suchtbelaste-Bestandteil unseres Alltags geworden.logische Nutzungsmuster im Zusam-die familiären Konflikte mit einzube-Situation Einfluss nehmen können.ten Familien gut anwenden. Es bietetSeine Vielfältigkeit, die Schnelligkeitmenhang mit dem Internet beobach-ziehen. Die Erarbeitung von systemi-Schnell haben sich die Kinder an dendie Möglichkeit der Flexibilität undder Kommunikation und die Band-ten.schen und individuellen Lösungs-allgemeinen, ritualisierten Ablaufder individuellen Anpassung je nachbreite der Dienstleistungen machenEtwa 560.000 der 14- bis 64-Jährigenstrategien sollen so ermöglicht undder Gruppenstunden gewöhnt. DieseGruppe und Rahmenbedingungenes unter anderem zu dem beliebtes-gelten in Deutschland heute lauteine langfristige Stabilisierung desbegannen nach der Begrüßung mitvor Ort. Wir empfehlen, die Inhalteten und meistgenutzten Medium dereiner aktuellen Studie des Bundes-Jugendlichen begünstigt werden. Umder Abfrage ihrer momentanen Be-und die Reihenfolge der Module12 bis 19 Jährigen (mpfs).ministeriums <strong>für</strong> Gesundheit alsdie Wirksamkeit der Intervention zufindlichkeit und dem Zeigen ent-der Gruppenstunden beizubehalten,internetabhängig 2 . Weitere 2,5 Mio.überprüfen, wurde das Projekt übersprechender Wetterkarten „Sonne“,da die Themen gut aufeinanderDie Faszination der Online-Welt istvon ihnen nutzen das Internet aufdie gesamte Laufzeit von der katho-„Gewitter“, „bewölkt“ oder „Regen“.aufbauen.schnell nachvollziehbar. Das Angebotproblematische Weise. Die Alters-lischen Hochschule in Köln wissen-Das machten sie schnell, unaufgefordertund gerne. Die Hausaufgaben,genannt „Idee <strong>für</strong> die kommendeWoche“ interessierte die KinderReflexion und Ausblickzum Einsatz des Trampolinprojektsin Hildesheimist vielfältig und reichhaltig. Nebeneinem weiten Spektrum an Interaktionsmöglichkeiten,das den Austauschuntereinander mit einemgruppe der 14- bis 24-Jährigen ist mit250.000 Abhängigen und 1,4 Mio.problematischen Nutzern bzw. Nutzerinnenbesonders betroffen (PINTAschaftlich begleitet und evaluiert.Die Zielgruppeweniger. Auch fiel es ihnen schwer,gemeinsamen Thema schnell undStudie; Bundesministerium <strong>für</strong> Ge-Hintergrund waren die Ergebnisse deram Ende der Stunde mit dem Wei-Es gab eine starke Resonanz auf dasausführlich ermöglicht, bietet diesundheit; 2011). Wenn JugendlicheJim-Studie aus dem Jahr 2010 (mpfs,terreichen des Glückssteins Komp-Angebot und der von uns vermutetevirtuelle Erlebniswelt Erfahrungen vonin Onlinespielwelten und Chatforen2010) die belegen, dass mittlerweilelimente an den Sitznachbarn bzw.Bedarf wurde bestätigt. Durch großeMacht, Herrschaft und Kontrolle an.abtauchen, kommt es nicht selten zualle deutschen Haushalte über einendie Sitznachbarin zu verteilen. AmAufmerksamkeit in der Öffentlichkeit,Zudem lässt sie genügend Raum <strong>für</strong>Konflikten in der Familie. Auseinan-Internetzugang und 52 % der Jugend-liebsten bastelten sie, machtenwurde die Sensibilisierung beteiligterpersönliche Gestaltungsmöglichkeitendersetzungen über die Computernut-lichen im Alter von 12–17 Jahren überRollenspiele und kommentiertenund nicht beteiligter Einrichtungen <strong>für</strong>und erlebbares Gruppengefühl. Derzung können eskalieren und belasteneinen eigenen Zugang im Kinder-Geschichten zum Thema <strong>Sucht</strong> mitdas Thema <strong>Sucht</strong> mit Blick auf KinderNutzende ist nicht länger nur Rezi-alle Familienmitglieder.bzw. Jugendzimmer verfügen. Dahereigenen Erfahrungen. Gegen Endegestärkt. Es gibt bereits Nachfragenpient, sondern handelnder AkteurHierauf hat die Drogenhilfe Köln imrichtete sich das Projekt ESCapadejeder Stunde wurde in der Sofaeckenach einem Folgeprojekt und Anmel-bzw. Akteurin in einer Welt, die aktivJahr 2010 reagiert und mit dem voman die Familien mit Jugendlichen imeine Entspannungsgeschichte vor-dungen einzelner Kinder. Gewünschtmitgestaltet werden kann.Bundesministerium <strong>für</strong> GesundheitAlter zwischen 13 und 18 Jahren.gelesen. Für einige waren diesewird ein Folgeprojekt 2013 <strong>für</strong> Stadtgeförderten BundesmodellprojektDie Familien mussten folgendeGeschichten schön entspannend,fast einschläfernd, <strong>für</strong> andere warund Landkreis Hildesheim sowiemittelfristig die Installierung einesVielen, insbesondere jugendlichenNutzern und Nutzerinnen, fällt esESCapade ein familienorientiertesInterventionsprogramm geschaffen.Voraussetzungen erfüllen:» problematisches Computernut-das Zuhören schwer auszuhalten undfesten Trampolinangebots <strong>für</strong> denschwer, die Zeit mit dem Medium zuZiel des Projektes war es sich nichtzungsverhalten des Jugendlichen,wurde mit „langweilig“ kommentiert.Raum Hildesheim.begrenzen und dabei Schule, Beruf,einseitig auf mögliche <strong>Sucht</strong>risikenjedoch noch keine manifesteFamilie und andere Freizeitaktivitätenzu fokussieren, sondern durch einenAbhängigkeit22. 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28 VORTRÄGEVORTRÄGE 29markus wirtz Das ESCapade-Projektmarkus wirtz Das ESCapade-Projekt» psychosoziale Folgeerscheinungenbei der Entscheidungsfindung zurDie Projektstandortetative als auch qualitative Datenerhoben. Befragt wurden alle am» Inventar zur Erfassung der Lebensqualitätbei Kindern und Jugendli-Die Ergebnissedurch die Computernutzung wieTeilnahme am Programm und führenProgramm teilnehmenden Familien-chen (ILK), Mattejat und Rem-Bundesweit haben 65 Familien undz.B. Leistungsabfall in der Schule,sozialer Rückzug oder Konflikte inein Screening anhand des OSVK-S(Screeningbogen, Wölfling et al.,Das ESCapade Projekt wurde vomBundesministerium <strong>für</strong> Gesundheitmitglieder sowie die durchführendenFachkräfte.schmidt 2006» Brief Symptom Inventory (BSI)85 Jugendliche am Programm teilgenommen.In den Ergebnissen derder Familie. (Screening anhand des2010) mit den teilnehmenden<strong>für</strong> die Zeit vom 01. Oktober 2010 bisUntersucht wurde, inwieweit die ZieleL.R. Derogatis 2000, deutschequalitativen und quantitativen Befra-OSVK-S von Wölfling et al. 2010)» Bereitschaft und EinverständnisJugendlichen durch.Mit dem Erstgespräch beginnt derzum 30. September 2012 bewilligt.Die Koordination lag bei der Fach-des Programms erreicht wurden, dieHaltequote sowie die Akzeptanz undFassung Franke» Familienbögen, Inventar zurgungen konnten ausschließlich dieBefragungsergebnisse der männlichenmindestens eines Elternteils bzw.Hauptteil des Programms. Es fördertstelle <strong>für</strong> <strong>Sucht</strong>prävention der Drogen-die Praktikabilität.Einschätzung von Familienfunk-Jugendlichen berücksichtigt werden,gesetzlichem Vormund sowie deroder des Jugendlichen, an ESCa-durch gezielte Interventionen dieTeilnahmebereitschaft der Familien,hilfe Köln.Insgesamt wurde das Projekt bundes-Hierzu wurden folgende Instrumentetionen, Cierpka und Frevert 1994» Fragebogen Konfliktverhalten inda nur fünf Mädchen teilgenommenhaben und nur zwei von diesen zupade teilzunehmen» ausreichende Kenntnisse derdeutschen SpracheDie primäre Zielsetzung von ESCapadelag in der Reduktion der psychosozialenAuffälligkeiten des Jugend-schafft eine Vertrauensbasis underfasst <strong>für</strong> das Programm entscheidendeInformationen. Ein wichtigesElement der gesamten Interventionist der Familienseminartag. An diesemnehmen alle Familien einesProgrammdurchlaufes teil. Durchweit an fünf Standorten durchgeführt:» Villa Schöpflin,Lörrach, Baden- Württemberg» Evangelische <strong>Sucht</strong>krankenhilfeSchwerin, Mecklenburg-Vorpommern» Fachstelle <strong>für</strong> <strong>Sucht</strong>präventioneingesetzt:» Scala zum Onlinesuchtverhaltenbei Kindern und Jugenlichen(OSVk-S) Wölfling, Müller, Beutel2010» Fragebogen <strong>für</strong> Jugendliche(YSR/11-18), Döpfner, Berner undder Familie (KV-Fam), Klemm undPietrass 2007» Evaluationsbogen ESCapade-Familien, KatHo Köln 2010» Evaluationsbogen ESCapade-Fachkräfte, KatHo Köln 2010» Evaluationsbogen Familienseminar-beiden Messzeitpunkten die benötigtenFragebögen ausfüllten. Für eineaussagekräftige Unterstichprobe, umbeispielsweise die Wirksamkeit desProgramms bei Mädchen und beiJungen zu vergleichen, reichten dieseDaten nicht aus. Zudem bestand dielichen und in der Veränderung ihresmethodisches Arbeiten in Kleingrup-der Drogenhilfe Köln,Lehmkuhl 1994tag Fachkräfte, KatHo Köln 2010Gefahr, dass die GesamtergebnisseComputernutzungsverhaltens. Durchdie Teilnahme am Programm solltepen und im Plenum haben die teilnehmendenFamilien Gelegenheit,Nordrhein-Westfahlen» exZesS – Kompetenzzentrumdie erlebte Belastung aller teilneh-in unterschiedlichen Zusammenset-<strong>für</strong> <strong>Sucht</strong>prävention Freising,menden Familienmitglieder aufgrundvon Auseinandersetzungen rund umdie Computernutzung reduziert undzungen die Inhalte zu bearbeiten undmit anderen Jugendlichen und Elterndarüber ins Gespräch zu kommen.Bayern» Lost in Space des Caritasverbandes,BerlinAbbildung 1Kognitive, emotionale und soziale Aspekte der InternetnutzungMittelwerte (Skalen von 0–4)die Familie damit wieder befähigtwerden, gemeinsame Regeln undVereinbarungen auszuhandeln undeinzuhalten.Das ESCapade ProgrammDas zielgruppenspezifische und familienorientierteInterventionsprogrammgliedert sich in vier Module:» Clearinggespräch» Erstgespräch mit der Familie» Familienseminartag» Drei individuelle FamiliengesprächeIm Clearinggespräch wird die Situationder Familie erfasst und dasProgramm ESCapade vorgestellt. DieBeratenden unterstützen die FamilieAuf dieser Basis werden möglichekonkrete Interventionsstrategiengemeinsam erarbeitet. IndividuelleFamiliengespräche im Anschlussdienen dazu, das neu erworbeneWissen auf den jeweiligen familiärenAlltag anzuwenden und gemeinsamangemessene und konkrete Handlungsstrategienzu vereinbaren.Ein Abschlussgespräch, das mit einemzeitlichen Abstand von 4 Wochenstattfindet, resümiert das gemeinsamErarbeitete. In diesem Setting könnenVereinbarungen überprüft beziehungsweisekorrigiert werden. DieTerminierung aller Angebote berücksichtigtdie Berufstätigkeit derteilnehmenden Eltern und dieSchulpflicht der Jugendlichen.Die praktische Durchführung desProgramms, sowie die Begleitungund das vierteljährliche Coaching derProjektstandorte, starteten im Jahr2011.Die wissenschaftlicheEvaluationDie wissenschaftliche Begleitevaluationwurde über die gesamte Projektlaufzeitvon der Katholischen HochschuleNordrhein-Westfalen (KatHoNWR) durchgeführt. An zwei Messzeitpunkten,vor und nach der Intervention,wurden anhand psychometrischerTestverfahren und teilstandardisierterFragebögen sowohl quanti-t 0t 121,81,61,41,210,80,60,40,20Gefühl, zu viel / zu lange online*Verlangen nach Onlineaktivitätenentgegen der Absicht online*Versuche, Oa einzuschränkenWichtiges vergessen wegen Oagedankl. Beschäftigung mit Oa*Vermeidung neg. Gefühleübermächtiges Verlangen*schlechtes Gefühl ohne Oa*Oa, um sich wieder gut zu fühlenMittelwerte und Standardabweichungen der Fragen der Skala zum Onlinesuchtverhalten (OSVK.-S.) nach Einschätzung der männlichenJugendlichen vor (t0) und nach (t1) der Intervention.22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012 22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012


30 VORTRÄGEVORTRÄGE 31markus wirtz Das ESCapade-Projektmarkus wirtz Das ESCapade-Projektdurch die geringe Datenmenge verzerrtwürden, so dass sie aus derStichprobe herausgenommen werdenmussten.Der Großteil der teilnehmenden Jugendlichenwar zwischen 14 und16 Jahren alt. Vor der Interventionverbrachten sie im Durchschnitt4,5 Stunden täglich vor dem PC,insbesondere zum Chatten oder<strong>für</strong> die Nutzung von Onlinespielen.Nach der Intervention durch ESCapadereduzierte sich die Nutzungan Werktagen um durchschnittlich13,5% und am Wochenende um10,8%. Dies entspricht ca. einerhalben Stunde weniger Computernutzungtäglich.Neben der reinen Nutzungsdauerwurden noch weitere Aspekte untersucht,wie z.B. kognitive und emotionaleAspekte, sowie auftretendeFolgen durch das Computernutzungsverhalten.Nach der Intervention waren signifikanteVerbesserungen bei den männlichenJugendlichen messbar. So hattensie seltener das Gefühl, zu vieloder zu lange online gewesen zu sein,sie waren seltener entgegen ihrer Absichtonline und auch ihr Verlangennach Onlineaktivitäten nahm deutlichab. (Abb. 1)Auch das Auftreten von Problemenbei den Jugendlichen aufgrund desOnlineverhaltens reduzierte sich nachder Intervention. Am deutlichstenwaren die Verbesserungen in denBereichen „Probleme mit Familie,Partner, Freunden“ und „Problememit der Gesundheit“. (Abb. 2)Abbildung 2t 0t 180706050403020100Probleme aufgrund des OnlineverhaltensNennung „ja“, in Prozentmit Familie, Partnern, Freunden*mit der Schule, AusbildungFragen der Skala zum Onlinesuchtverhalten (OSVK.-S.). „JA“ und NEIN“ Nennungenin Prozent nach Einschätzung männlicher Jugendlichen vor (t0) und nach (t1)der Intervention.Abbildung 3t 0t 180706050403020100Vernachlässigung Freizeitakt.Probleme mit der GesundheitVernachlässigung von Freunden…GeldproblemeÄnderung des Onlineverhaltens*in ProzentAbbildung 4t 0t 158565452504846444240Familienfunktionen (allg. Famillienbogen)T-WerteAufgabenerfüllung*Rollenverhalten*Kommunikation*Emotionalität*Mittelwerte und Standardabweichungen der Fragen der Skala zum Onlinesuchtverhalten (OSVk-S) nach Einschätzung der männlichenJugendlichen vor (t0) und nach (t1) der Intervention.Abbildung 5t 0t 158565452504846444240Aufgabenerfüllung*Rollenverhalten*Kommunikation*Emotionalität*Affektive BeziehungenFamilienfunktionen (Selbstbeurteilungsbogen)T-WerteAffektive BeziehungenKontrolleKontrolle*Werte und NormenWerte und Normen*Summenwert*Summenwert*Fragen der Skala zum Onlinesuchtverhalten (OSVK.-S.). „JA“ undNEIN“ Nennungen in Prozent nach Einschätzung männlicherJugendlichen vor (t0) und nach (t1) der Intervention.Mittelwerte und Standardabweichungen der Fragen der Skala zum Onlinesuchtverhalten (OSVk-S) nach Einschätzung der männlichenJugendlichen vor (t0) und nach (t1) der Intervention.22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012 22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012


32 VORTRÄGEVORTRÄGE 33markus wirtz Das ESCapade-Projektmarkus wirtz Das ESCapade-ProjektNeben der Quantität, änderte sichauch die Qualität der Onlinenutzungbei den befragten Jugendlichen.Gefragt wurde, ob die Jugendlichenin der Vergangenheit bereits einmalversucht haben ihr Onlineverhaltenzu verändern oder einzuschränkenund ob sie es geschafft haben. DieErgebnisse weisen auf eine Steigerungder Kompetenz im Umgang mitdem Internet bei den Jugendlichenhin. Die Zahl derjenigen, die es schoneinmal geschafft haben ihr Onlineverhaltenzu verändern, erhöhte sichnach der Intervention signifikant von48,9% auf 68,1%.Bei den Jugendlichen, die vor der Interventionvon ihren OSVK-S WertenJugendlicheelternN Mittelwert SD N Mittelwert SDDas Programm ESCapade war <strong>für</strong> mich und meineFamilie sehr hilfreich. 1 68 2,35 (1,23) 92 1,88 (0,98)Das Programm ESCapade hat meine Erwartungen erfüllt. 1 68 2,53 (1,18) 92 2,18 (0,99)Meine Anliegen wurden im Programm berücksichtigt. 1 68 1,99 (1,04) 91 1,81 (0,97)Durch die Teilnahme an ESCapade hat sich in meinerFamilie einiges geändert. 1 68 2,37 (1,34) 92 2,30 (0,99)Die Gestaltung des Familienseminartages war anregendund abwechslungsreich. 1 67 2,00 (1,19) 89 1,57 (0,82)Der Austausch mit anderen Teilnehmenden im Rahmendes Familienseminartages war sehr hilfreich. 1 67 2,00 (1,10) 89 1,92 (1,12)Ich würde das Programm ESCapade weiterempfehlen. 1 68 2,10 (1,25) 92 1,54 (0,92)Wie beurteilst Du / beurteilen Sie das Verhalten derFachkräfte im Rahmen des Familienseminartages? 2 68 1,54 (0,68) 90 1,31 (0,53)Wie beurteilst Du / beurteilen Sie das Verhalten derFachkräfte im Rahmen der Beratungsgespräche? 2 68 1,54 (0,84) 91 1,33 (0,58)Dem Programm ESCapade gebe ich insgesamtdie Note … 3 68 2,04 (1,10) 86 1,96 (1,01)1 (5 Stufen von 1 = „trifft völlig zu“ bis 5 = „trifft nicht zu“)2 (5 Stufen von 1 = „sehr gut“ bis 5 = „sehr schlecht“)3 (6 Stufen von 1 = „sehr gut“ bis 6 = „ungenügend“)Tabelle 1: Mittelwerte und Standardabweichungen in den Abschlussbewertungender männlichen Jugendlichen und der Elternin einem besonders kritischen Bereichzur Abhängigkeit lagen, war die Verbesserungnach der Intervention amdeutlichsten. (Abb. 3)Der allgemeine Familienbogen zeigtdie sieben Dimensionen des Problemlöseverhaltensund die Veränderungenim Familiensystem auf.Mit dem Selbstbeurteilungsbogenwurde der Fokus auf die Funktionjedes einzelnen Familienmitgliedesgelegt.Die Ergebnisse, bezogen auf das Problemlöseverhaltenim System Familiezeigen, dass nach Einschätzung derJugendlichen eine deutliche Verbesserungin allen Bereichen zu verzeichnenist.Die deutlichsten (und statistisch signifikanten)Verbesserungen gab esin den Bereichen Aufgabenerfüllung,Kommunikation, Rollenverhaltenoder Emotionalität. (Abb. 4)Die Einschätzung der Eltern zeigteine noch deutlichere Verbesserungder Familiensituation. In fünf der achtgemessenen Dimensionen war nachder Intervention eine signifikanteVerbesserung messbar. Besondersdeutlich waren die Verbesserungenin den Bereichen Rollenverhalten,Kommunikation und Emotionalität.(Abb. 5)N Mittelwert SDWie hoch war Ihr Aufwand <strong>für</strong> die Akquise geeigneterFamilien <strong>für</strong> ESCapade? 1 15 2,87 (1,06)Wie beurteilen Sie die Praktikabilität des gesamtenProgramms ESCapade? 2 15 2,27 (0,70)Wie beurteilen Sie die Gesamtstruktur des Programms(Clearing, Erstgespräch, Familienseminartag, Familiengesprächeund Abschlussgespräch)? 2 15 1,93 (0,59)Die Materialien (Checklisten, Arbeitsblätter etc.) desProgramms waren gut einsetzbar und hilfreich. 3 15 1,87 (0,74)In der Durchführung des Programms wurden vonmir geschlechtsspezifische Aspekte berücksichtigt. 3 15 2,40 (0,74)Das Programm ESCapade hatte bei den teilnehmendenFamilien eine hohe Akzeptanz. 3 15 2,13 (0,83)Die teilnehmenden Familien waren den Inhaltendes Programms ESCapade gegenüber offen. 3 15 2,20 (0,78)Das Programm konnte bei den teilnehmendenFamilien positive Veränderungen initiieren. 3 15 2,13 (0,83)Die Durchführung des Programms ESCapademachte mir insgesamt Spaß. 3 15 1,80 (0,68)Die Durchführung des Programms ESCapadewar <strong>für</strong> mich insgesamt befriedigend. 3 15 2,00 (0,85)Dem Programm ESCapade gebe ich die Note … 4 15 2,10 (0,54)1 (5 Stufen von 1 = “sehr hoch“ bis 5 = „sehr gering“)2 (5 Stufen von 1 = “sehr gut“ bis 5 = „sehr schlecht“)3 (5 Stufen von 1 = “trifft völlig zu“ bis 5 = „trifft nicht zu“)4 (6 Stufen von 1 = “sehr gut“ bis 6 = „ungenügend“)Tabelle 2: Mittelwerte und Standardabweichungen in den Bewertungender Durchführungen des ESCapade-Programms durch die FachkräfteDie Resultate bezogen auf das Familiensystemsprechen da<strong>für</strong>, dass dieFamilien durch das Programm nunbesser mit der belastenden Situationumgehen. Die Rollen werden bessergeklärt, die Kommunikation hat sichverbessert und das Interesse dereinzelnen Familienmitglieder <strong>für</strong>einander,sowie die gegenseitigeWertschätzung sind gestiegen.Nach Abschluss des Programmswurden die Jugendlichen wie auchdie Eltern darum gebeten, verschiedeneAspekte von ESCapade zu be-werten. Die Bewertungen liegen injedem einzelnen Aspekt im positivenBereich, d.h. sie sind besser als dieBewertung „teils/teils“. (Tab. 1) Dieetwas besseren Bewertungen derEltern sind sicherlich nicht verwunderlich,da diese in den meistenFällen die Teilnahme an ESCapadeim Vorfeld als notwendig erachteten,um eine Veränderung des Computernutzungsverhaltensihrer Kinder zubewirken. Auffällig sind jedoch diedurchweg äußerst positiven Bewertungender Jugendlichen, da diesemeist der Teilnahme an ESCapademit einer gewissen Skepsis gegenüberstanden. Allem Anschein nach ist esdurch ESCapade, wie beabsichtigt,gelungen eine Veränderung desgesamten Familiensystems herbeizuführen,so dass auch die Jugendlichenvon der Programmteilnahme profitierenkonnten.Zur Bewertung der Praktikabilität vonESCapade wurden alle Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter des Projektesgebeten, einen Fragebogen hinsichtlichverschiedener Aspekte der Programmdurchführungzu beantworten.Die Mittelwerte befinden sich auchhier in den meisten Punkten impositiven Bereich (Tab. 2). Es zeigtesich jedoch auch, dass der Aufwandin der Akquise geeigneter Familienhäufig als hoch angegeben wurde.Dies und noch weitere Rückmeldungenseitens der Fachkräfte liefernwichtige Erkenntnisse <strong>für</strong> die Optimierungdes Programms, insbesonderemit Blick auf die Transferphase imJahr 2013.Um zu überprüfen, ob durch ESCapadeauch länger anhaltende Effekteerreicht werden konnten, wurden imRahmen der ebenfalls vom Bundesministerium<strong>für</strong> Gesundheit finanziertenKatamnese alle Familien ein halbesJahr nach der Intervention erneutbefragt. Die vollständigen Ergebnisse,die der Katamnese sowie weitereInformationen zu ESCapade, könnenSie in Kürze dem Abschlussberichtentnehmen.(www.escapade-projekt.de)22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012 22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012


34 VORTRÄGEVORTRÄGE 35markus wirtz Das ESCapade-ProjektIrene EhmkeLiteraturCierpka, M. & Frevert, G. (1994).Die Familienbögen. Ein Inventar zurEinschätzung von Familienfunktionen.Göttingen: Hogrefe.Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt,Mattejat, F. & Remschmidt, H. (2006). ILK.Inventar zur Erfassung der Lebensqualität beiKindern und Jugendlichen. Bern: Huber.Medienpädagogischer ForschungsverbundSüdwest (Hrsg.):Wölfling, K., Müller, K. W. & Beutel, M. E.(2010, in Druck). Skala zum Onlinesuchtverhaltenbei Kindern und Jugendlichen(OSVk-S).Wölfling, K., Müller, K. W. & Beutel, M. E.connect – Hilfe <strong>für</strong> Kinder suchtbelasteterEltern – Kooperation und Vernetzung 1Instrumente – Strategien – ÜbertragbarkeitM. H. (2000). Internationale KlassifikationJIM-Studie 2011. Jugend, Information,(2011). Reliabilität und Validität der Skalapsychischer Störungen, ICD-10. Bern: Huber.(Multi-)Media. Basisuntersuchung zumzum Computerspielverhalten (CSV-S).Medienumgang 12- bis 19-Jähriger, 2011.Psychotherapie Psychosomatik MedizinischeDöpfner, M., Berner, W. & Lehmkuhl, G.Psychologie, 61, 216–224.Netze <strong>für</strong> Kinder suchtbelasteterBeeinträchtigungen und Behinderun-von suchtbelasteten Kindern und(1994). Handbuch: Fragebogen <strong>für</strong> Jugendliche.Müller, K. W. & Wölfling, K. (2010).Eltern – Netzwerkarbeit gilt heutegen sind. Die BindungsentwicklungFamilien genutzt werden. Aber zweiForschungsergebnisse zur deutschen FassungPathologische Computerspiel- und Internet-als anerkannter Königsweg und istals wichtige Basis <strong>für</strong> die Lebens-grundlegende Probleme verhindern,des Youth Self-Report (YSR) der Child Behaviornutzung – Wissenschaftliche Erkenntnisse zuzum Zauberwort effektiver Hilfe ge-chancen aller Kinder ist gefährdet.dass effektive Hilfe realisiert werdenChecklist. Köln: Arbeitsgruppe Kinder-,Phänomenologie, Epidemiologie, Diagnostikworden. Dies im Alltag zu realisierenIm Familienalltag leiden sie unter derkann.Jugend- und Familiendiagnostik.und Komorbidität. <strong>Sucht</strong>medizin in Forschungbleibt dennoch eine Herausforderung,mit dem <strong>Sucht</strong>mittelkonsum verbun-und Praxis, 12, 45–55.die immer wieder neue Impulse, klaredenen mangelnden VerlässlichkeitenErstens: Familien, die vielfältigeFranke, G. H. (2000). BSI, Brief Symptomaber durchlässige Strukturen und einder Eltern, den Stimmungsschwan-Schwierigkeiten zu bewältigen haben,Inventory von L. R. Derogatis (Kurzform derRumpf, H.J., Meyer, C., Kreuzer, A., &gegenseitiges Aufeinanderzugehenkungen und sehr häufig unter ver-nutzen oft verschiedenste Angebote.SCL-90-R). Deutsches Manual. Göttingen:John, U., (2011) Prävalenz der Internet-erforderlich macht. Mit dem Projektbaler und körperlicher Gewalt. SieJeder Helfende hat jedoch ein an-Beltz Test Gesellschaft.abhängigkeit (PINTA), Bundesministeriumconnect konnten hier neue Wegeleben in einem verwobenen Systemderes Ziel vor Augen, im ungünstigs-<strong>für</strong> Gesundheitbeschritten werden – förderlichevon psychischen Belastungen, Trau-ten Fall arbeiten sie alle gegeneinan-Klemm, T. & Pietrass, M. (2007).Meilensteine zu interdisziplinäremmata und verwirrten Gefühlen. Sieder statt miteinander, so dass eineKonfliktverhalten in der Familie (KV-Fam).SaSS, H., Wittchen, H. U., Zaudig, M. &Miteinander von Regeleinrichtungenmeinen selbst Schuld am Verhaltenwirksame Hilfe nicht entstehen kann.Verfahren zur Erfassung von KonfliktmusternHouben, I. (2003). Diagnostische Kriterienwie Kita und Schule sowie Hilfeein-der Eltern zu haben und empfindenDas hat sich durch die zunehmendein familiären Situationen. Handbuch zumdes Diagnostischen und Statistischen Manualsrichtungen wie Jugendhilfe und <strong>Sucht</strong>-einen geringen Selbstwert. Sie habenOrientierung auf Kooperation undFragebogen. Leipzig: Erata.Psychischer Störungen DSM-IV-TR. Göttingen:hilfe sowie Medizinischer Versorgunggelernt, ein funktionales VerhaltenVernetzung in den letzten zehn JahrenHogrefe.sind entstanden und bieten Beispielzu entwickeln, das ihnen hilft zu über-durchaus verändert, dennoch bleibenund Anregung, die Strukturen zuleben: Sie übernehmen Verantwor-die darunter liegenden, über Jahr-übertragen und auch in anderentung <strong>für</strong> den Familienalltag wie einzehnte gewachsenen Strukturen oftRegionen zu implementieren.Erwachsener und nehmen selbstsehr versäult. Die Profilierung derKinder in suchtbelastetenFamilien – Ein kurzer Blickauf die Ausgangslageschwierigste Situationen hin, um nichtaufzufallen, tauchen ab oder aberreagieren auffallend und aggressiv.Das Risiko selbst eine <strong>Sucht</strong> oder eineeinzelnen, <strong>für</strong> sich stehenden Einrichtungwird oft durch Konkurrenz umdie knappen Budgets gefördert, wenngleich Kooperation und Vernetzungandere psychosomatische Erkrankungzunehmend zu einem Vergabekrite-Kinder, deren Eltern durch Alkohol,zu entwickeln ist um das Sechsfacherium bei Zuwendungen oder aberDrogen oder andere <strong>Sucht</strong>verhaltens-erhöht. 2 Es ist klar: diese Kinder be-auch bei Best-Practice-Projekten und1 Jugendliche, bei denen häufig Konflikte mit Freunden oder in der Familie aufgrund der Computernutzung auftreten, die Nutzung jedochweisen belastet sind, haben vielfältigenötigen spezielle AufmerksamkeitWettbewerben 3 werden.noch nicht pathologisch ist.Schwierigkeiten zu bewältigen.und Hilfe.2 Es existiert noch keine allgemeingültige Definition von Internetabhängigkeit. Die aufgestellte Definition im Rahmen dieser Studie undSind die Kinder bereits währendZweitens: Es fällt oft erst spät auf,die eingesetzten Erhebungsinstrumente können Sie dem Abschlussbericht entnehmen: http://www.drogenbeauftragte.de/fileadmin/der Schwangerschaft der Mutter denRegeleinrichtungen wie KiTa, Schule,dass ein Kind suchtbelastete Elterndateien-dba/Drogenund<strong>Sucht</strong>/Computerspiele_Internetsucht/Downloads/PINTA-Bericht-Endfassung_280611.pdfEffekten von Alkohol ausgesetzt ge-das medizinische Versorgungssystem,hat. Die Dynamik der <strong>Sucht</strong>erkran-wesen, ist das Auftreten von unter-Jugendhilfe, <strong>Sucht</strong>hilfe und Stadtteil-kung beinhaltet auch sie zu Negieren.schiedlichen Alkoholspektrumsstö-einrichtungen bieten alle Begleitung,Menschen mit <strong>Sucht</strong>belastung mobi-rungen wahrscheinlich, deren FolgeUnterstützung und Hilfen an, die auchlisieren viel Energie, um diese zu22. 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36 VORTRÄGEVORTRÄGE 37Irene Ehmke connect – Hilfe <strong>für</strong> Kinder suchtbelasteter ElternIrene Ehmke connect – Hilfe <strong>für</strong> Kinder suchtbelasteter Elternverstecken und zu verheimlichen.Erzieher und Erzieherinnen sowieLehrerkräfte bemerken lediglichäußere Unstimmigkeiten, vermuteneine (<strong>Sucht</strong>)Problematik im Hintergrundund stehen vor der Frage:Wie kann ich diesem Kind helfen?Darauf gibt es oft keine befriedigendenAntworten. Spreche ich das Kindoder die Eltern an? Wie spreche ichdas Thema an? Wer kann den Elternhelfen und gibt es auch Unterstützung<strong>für</strong> mich? Wo finde ich die optimaleHilfe? Habe ich nur die Möglichkeitmich an das Jugendamt zu wendenoder gibt es auch andere sinnvolleWege?connect – Ziele und Strukturder Projektgestaltung 4Das Projekt hat zum Ziel, nicht neueHilfen zu schaffen, sondern die oftvielfältigen vorhandenen Hilfen aufzugreifen,die Fachkräfte in allen Arbeitsfeldern<strong>für</strong> die Thematik der<strong>Sucht</strong>belastung zu sensibilisierenund das Thema quer zu bereits vorhandenenGremien und Netzwerken– gewissermaßen verbindend –zu implementieren.Aus den oben genannten Erfahrungenheraus entstand das Anliegen, unterEinbeziehung vorhandener Struktureneine Vernetzung vor Ort zu entwickeln.Dort wo die Kinder leben, sollten aufregionalen Ebenen interdisziplinär alleEinrichtungen rund um Kind und Familiezusammenfinden. Hierbei solltenalle, die an der Unterstützung, bzw.der Gestaltung des Lebensalltags derKinder und Familien beteiligt sind,einbezogen werden. Da<strong>für</strong> hat dasBüro <strong>für</strong> <strong>Sucht</strong>prävention der HamburgischenLandesstelle <strong>für</strong> <strong>Sucht</strong>fragen(HLS) e.V. im Jahr 2002 Projekt-partnerinnen und -partner aus denFachstellen und der Verwaltung zurgemeinsamen Planung eingeladen.Bereits im Vorfeld wurde also einevertikale Vernetzung geschaffen,die die Basis <strong>für</strong> das Gelingen derhorizontalen Vernetzung 5 vor Ortdarstellte.Dieses systematische strukturelleHerangehen auf den relevantenEbenen, zusätzlich zum inhaltlichenKonzept, kennzeichnet das Netzwerkprojektconnect. Es wird bei der regionalenImplementierung angesetzt,denn hier müssen die <strong>für</strong> das Gelingeneiner neuen Initiative relevantenEbenen – auf bezirklicher, also kommunalerEbene und auf Stadtteilebene– frühzeitig einbezogen undgewonnen werden. In der Modellregionwaren dies auf bezirklicherEbene die Leitungen der FachämterJugend und Gesundheit, im Stadtteilz.B. die Leiterinnen und Leiter derJugendämter/ASDs und das damalssehr aktive Projekt der Stadtteilentwicklung.Die vorhandenen Gremienmüssen recherchiert und informiertwerden. Da das Thema eine Querschnittsaufgabedarstellt, ist es sinnvoll,alle relevanten Arbeitsgruppenund Initiativen zusammenzustellen.Nicht alle müssen dauerhaft besuchtwerden, jedoch gilt das Angebot, dieneuen Möglichkeiten zu nutzen, <strong>für</strong>alle Gremien und Personen. Dieconnect-Struktur stellt keine neueArbeitsgruppe dar, sondern bildeteine inhaltlich-fachliche Initiative(s.u. und Grafik, Abb.1). Darüberhinaus spielt die Infra-Struktur desStadtteils bzw. der Region eine wichtigeRolle bei den Aktivitäten zurNetzwerkentwicklung: welche Einrichtungensind vor Ort vorhanden,welche Arbeitsfelder sind präsentDie Basisfortbildung zur Situation vonsuchtbelasteten Familien zu Beginnder Arbeit in der Modellphase hatsich bewährt und gehört zum Auftaktder Initiative in einer jeden Region.Inhalte sind die Bedeutung des <strong>Sucht</strong>mittelkonsums<strong>für</strong> das Familien- undBeziehungsgefüge. Es wird den Fragennachgegangen, was sich dadurch inwelcher Weise verändert und welcheRolle darin die professionellen Helferund Helferinnen spielen, die nur allzuschnell ein Bestandteil des Familienbzw.welche fehlen und welcheInteressenlagen finden wir vor? Ist esmöglich, mit dem Projekt auch dieInfra-Struktur zu verbessern, denBedarf <strong>für</strong> neue Einrichtungenöffentlich zu machen oder werdenvorhandene Initiativen eingeschränkt?Für die Akteure und Akteurinnen vorOrt war auch der auf <strong>Sucht</strong>hilfebezogene Bedarf wichtig: Vonmanchen Einrichtungen, in manchenRegionen wurde der Bedarf eherbestritten und angegeben, dass dievorhandene Versorgung ausreichendsei. Zumeist, auch in der Modellregion,war der Wunsch nach mehrund niedrigschwellig erreichbarenregionalen Angeboten jedoch sehrgroß. Die gewünschte Niedrigschwelligkeitbezog sich dabei zwar aufdie Erreichbarkeit <strong>für</strong> Betreute undKlienten und Klientinnen, aber auchdie Fachkräfte selbst zeigten sicherfreut über die unbürokratischenKontaktmöglichkeiten zu <strong>Sucht</strong>hilfeexpertenund -e xpertinnen.Ein weiteres im Vorfeld zu berücksichtigendesThema ist die Bedeutungder informellen Beziehungen undKraftfelder in einer Region. Hier mussaufmerksam und sorgfältig recherchiertund auf Augenhöhe agiertwerden. Wichtig ist an dieser Stelleauch die Auswahl derjenigen Personen,die sich mit der konkreten Implementierungdes Netzwerks beschäftigenwerden, die Koordinationskräfte.Ihre persönlichen und professionellenEigenschaften und die ihnen entgegengebrachteAkzeptanz in dieserRolle ist das wichtige Pendant zueiner guten Struktur und einemrespektvollen Miteinander zwischenden verschiedenen Arbeitsfeldern.Inhalte und Instrumenteder connect-NetzwerkeQualifikation und Kooperations- bzw.Netzwerkentwicklung sind die beidenFelder, durch die das Projekt realisiertwird. Kommunikation, Sensibilisierung<strong>für</strong> das Thema und interdisziplinäreFortbildung und Fallberatung sind dieInstrumente, durch die die Zusammenarbeitintensiviert und qualitativauf eine neue Stufe gebracht werdenkann. Die Verstetigung wird durch dieKooperationsvereinbarung als Basisder Zusammenarbeit und die Koordinationskraftals zentrale Instanz <strong>für</strong>die konkrete Umsetzung des Themasim Arbeitsalltag erreicht.Abb. 1 StrukturmodellInstitutionen /EinrichtungenStadtteilBezirkLandGeburtshilfe /Med. VersorgungStadtteilkonferenzBBSBehörde <strong>für</strong> Bildungund SportKitaBorner RundeQualifikation und Kooperationdurch interdisziplinäreFortbildung – Fachwissenund professionelle HaltungSchule / RebusKind / FamilieJugendhilfe, ASD,FamilienförderungConnect KooperationsnetzwerkNetzwerk<strong>Sucht</strong>Systems werden. Die dadurch angelegteVermischung von fachlichen undemotionalen Faktoren kann die Hilfestark beeinträchtigen. Eine Supervisionkann helfen dieses Risiko zu vermeiden.Die connect-Fallberatung(s.u.) bietet eine solche Reflexion derArbeit.Das Vorwissen der Fachkräfte ist sehrunterschiedlich und häufig durch einrelativ unscharfes, oft nur auf einzelneFakten oder auf Erfahrungen basiertesWissen gekennzeichnet. Verbreitete,eher vorprofessionelle Haltungenprägen die Meinung und das Vorgehen:nur selten wird <strong>Sucht</strong>verhaltenkonsequent als seelische Erkrankung<strong>Sucht</strong>präventionund -hilfeenge ZusammenarbeitGIB 15 Projektgruppe /SozialraumteamIntensivierung des kollegialen Austausches, Sensibilisierung<strong>für</strong> das Thema „Kinder aus suchtbelasteten Familien“Bezirkliche Gremien der Bereiche Jugend und GesundheitBUGBehörde <strong>für</strong> Umweltund GesundheitAndereConnectFallberatungBSFBehörde <strong>für</strong> <strong>Soziales</strong>und Familie22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012 22. 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38 VORTRÄGEVORTRÄGE 39Irene Ehmke connect – Hilfe <strong>für</strong> Kinder suchtbelasteter ElternIrene Ehmke connect – Hilfe <strong>für</strong> Kinder suchtbelasteter Elterneingestuft und als Faktor gesehen,der bereits im Vorfeld von massivenErkrankungen begleitet einer eigenständigenHilfe bedarf. Es herrschenfalsche Annahmen bezüglich der Veränderbarkeitvor, und zwar in beideRichtungen:Es wird entweder angenommen,das Verhalten sei tendenziell dochdurch mehr Disziplin und Willensstärkeveränderbar oder aber es wirdals unveränderbare Größe angesehen,die die jeweilige Fachkraft sowiesonicht wandeln oder erst bearbeitetwerden könne, wenn Faktoren imsozialen Kontext wie Arbeitslosigkeit,fehlende Ausbildung, Gewaltverhaltenetc. gelöst wären und das Umfeldinsgesamt ein anderes wäre. Dasgesamte Spektrum zwischen diesenbeiden Extremen tritt auf.Selbstverständlich prägt der jeweiligeberufsfeldspezifische Auftrag die Einstellunggegenüber den Betreutenund ihren Kindern: Sind es z.B. Kundenbzw. Kundinnen oder Klientenbzw. Klientinnen, Ratsuchende,Patienten oder Patientinnen bzw.Mandanten oder Mandantinnen.Akzeptanz <strong>für</strong> den Auftrag des anderenist ebenso ein Ziel des Netzwerkswie die Sensibilisierung und Qualifizierung<strong>für</strong> die Thematik. Außerdemspielt das <strong>Sucht</strong>mittel oder das <strong>Sucht</strong>verhalteneine Rolle dabei, welcheHaltung gegenüber Frauen und Männernmit suchthaften Verhaltensweiseneingenommen wird. Konsumillegaler Drogen ist offensichtlicherund wird verständlicherweise ernstergenommen, da die Kriminalisierungeine zusätzliche Belastung darstellt,die <strong>für</strong> die Kinder elementare Folgenhaben kann. Alkoholkonsum erfährtdadurch jedoch häufig eine Unterschätzungund auch Verhaltenssüchtewie Essstörungen, Medienkonsum(von Eltern, z.B. exzessive Aktivitätenim Chat und in Social-Network-Formaten)werden erst in letzter Zeitauch in ihrer Bedeutung <strong>für</strong> den Erziehungsalltaggesehen. Es geht dabeiwohlgemerkt nicht (gleich) um dieFrage der Kindeswohlgefährdung,sondern darum, die Thematik in dieHilfegestaltung einzubeziehen.Im Bereich der <strong>Sucht</strong>hilfe ist erstseit wenigen Jahren der Blick auf dieKinder standardisiert und zu einemfesten Bestandteil der Anamnesegeworden. Dennoch ist die Umsetzungim Beratungs- und Hilfealltagnoch nicht überall zu einer Selbstverständlichkeitgeworden.Um im Kontext der suchtbelastetenFamilie nun eine gemeinsame Basis<strong>für</strong> das Wahrnehmen und Handelnin einer Region zu schaffen wird dieFortbildung interdisziplinär angebotenund durchgeführt. Je breiter das Spektrumder vertretenen Berufs- undArbeitsfelder ist, desto intensiver wirdein Prozess angestoßen, der gegenseitigesVerständnis und eine neueHaltung gegenüber den unterschiedlichenPerspektiven ermöglicht. Zielauf der persönlichen Ebene ist es,einen differenzierten Blick in Bezugauf die <strong>Sucht</strong>erkrankung einnehmenzu können, der die eigene Handlungssicherheiterhöht und das Handlungsspektrumerweitert. Für alle Beteiligtenkann die Arbeit im oben genanntenSinne effektiver und zufriedenstellender gestaltet werden.Durch connect konnte die Nähe zuden jeweils anderen Arbeitsfeldernerhöht werden, was die Evaluationsergebnisse(s. Grafik/Abbildungen2 und 3) deutlich zeigen. DieserProzess wird durch die Fallberatung(s.u.) noch deutlich intensiviert.Die anschließenden regelmäßigen,ein- bis zweimal jährlich durchgeführtenFortbildungsveranstaltungenfördern zusätzlich die Intensität derBeschäftigung mit der Thematik unddie Qualität der Zusammenarbeit. ImVordergrund stehen hier methodischebzw. auf den Arbeitsalltag bezogeneThemen: Das Erkennen von Resilienz,ressourcenorientiertes Arbeiten,Gesprächsführung und Theaterpädagogik,Beschäftigung mit den ThemenTrauma und Schuld, Überblick übertherapeutische Angebote <strong>für</strong> Kinderund rechtliche Grundlagen des Kinderschutzes.Ferner eine Beschäftigungmit <strong>für</strong> manche Berufsgruppenrelativ neuen, suchtbezogenen Themenwie exzessiver Medienkonsumund Glücksspiel oder das wichtigeThema der Auswirkungen von <strong>Sucht</strong>mittelkonsumin der Schwangerschaft,das Fetal Alcohol Spectrum Disorder(FASD) und die Bedeutung <strong>für</strong> denpädagogischen Alltag. Die Themenwerden im Büro <strong>für</strong> <strong>Sucht</strong>präventionzusammengetragen und Referentenund Referentinnen da<strong>für</strong> geworben,so dass ein Fortbildungspool entsteht,von dem die Netzwerke untereinanderprofitieren.Ein weiteres Instrument zur Realisierungder Kooperation, verknüpft mitQualifikationsaspekten ist das Jahrestreffen,das mit einem interessantenFachvortrag startet und anschließendRaum zur Bilanzierung der vergangenenAktivitäten bietet sowie zurbedarfsorientierten gemeinsamenPlanung der Weiterarbeit. NeuePartner und Partnerinnen könnenbegrüßt, andere verabschiedetwerden – und beim Get-togetherkann das informelle Netzwerkengepflegt werden.0 1 2005 2 3 4 50 1 2005 2 3 4 5Abb. 2 Die suchtspezifische Kontaktintensität der Fachkräftezu Einrichtungen / Institutionen der verschiedensten Arbeitsbereiche2003 und 2005arithmetische Mittelwerte auf einer Skala von 0 = kein Kontakt bis 5 = enge Kooperation** Mittelwertunterschied signifikant auf dem p < 0,1-Niveau<strong>Sucht</strong> **StadtteilGesundheitAbb. 3 Die suchtspezifische Kontaktintensität der Fachkräftezu Einrichtungen / Institutionen der verschiedensten Arbeitsbereiche2003 und 2005arithmetische Mittelwerte auf einer Skala von 0 = kein Kontakt bis 5 = enge Kooperation** Mittelwertunterschied signifikant auf dem p < 0,1-NiveauKita / Schule*SonstigeErziehung0 1 2 3 2003 4 5Sonstige*soziale Arbeit<strong>Sucht</strong>prävention / -hilfeFragestellung hier:Zu wem wurden die Kontakte intensiviert?Fragestellung hier:Von wem wurden die Kontakte intensiviert?0 1 2 3 2003 4 522. 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40 VORTRÄGEVORTRÄGE 41Irene Ehmke connect – Hilfe <strong>für</strong> Kinder suchtbelasteter ElternIrene Ehmke connect – Hilfe <strong>für</strong> Kinder suchtbelasteter ElternQualifikation undKooperation im Rahmender FallberatungDie Fallberatung ist das Herzstückdes Projektes connect. Bereits imVorfeld der Implementierung wareines eindeutig klar: Ohne die Perspektiveauf den konkreten Gewinn<strong>für</strong> den Arbeitsalltag und das professionelleHandeln wäre eine Netzwerkentwicklungnicht möglich gewesen.Die Fallberatung stellt eine solchekonkrete Hilfe und Entlastung derTeilnehmenden <strong>für</strong> ein als sehr problemhaftempfundenes, heikles undkomplexes Thema dar.Die Connect-Fallberatung ist einekollegiale Fallberatung, die anonymisiertmit fachlicher Anleitung undModeration 6 durchgeführt wird.Sie unterscheidet sich von andereninformellen Fallberatungen vor allemdurch die systematische Herangehensweise.Vom gesetzlich verankertenHilfeplangespräch im Kontextdes Jugendamtes unterscheidet siesich durch die Freiwilligkeit und oftauch durch den Zeitpunkt im Hilfeverlauf:Ziel der Fallorientierten Arbeit beiconnect ist es, so früh wie möglichHilfe und Unterstützung <strong>für</strong> die Kinderauf den Weg zu bringen. So kann oftmit noch einfachen Mitteln viel <strong>für</strong> dieChancen der Kinder bewegt werden.Das Verfahren <strong>für</strong> die Fallberatungwurde in der Modellphase gemeinsammit den Kooperationspartnernund -partnerinnen aus den unterschiedlichenArbeitsfeldern entwickeltund bietet daher die Möglichkeit <strong>für</strong>eine höhere inhaltliche und strukturelleAkzeptanz dieses Instrumentesbei allen Berufsgruppen. Ein wichtigesKriterium <strong>für</strong> die Fallberatung war es,dass sie in einer vertrauensvollen undverlässlichen Atmosphäre stattfindenmüsse. Die Teilnehmenden verständigensich auf Verschwiegenheit undrespektvollen Umgang untereinanderebenso wie mit den zu Betreuenden.An dieser Stelle wird bereits dieBedeutung der Kooperationsvereinbarungdeutlich, die diesen Rahmen,diese Voraussetzung schwarz aufweiß festhält.Um zusätzliche Arbeitsbelastungenso gering wie möglich zu halten,verständigten sich die Kooperationspartnerund -partnerinnen zunächst<strong>für</strong> nur zwei, später <strong>für</strong> vier Fallberatungstreffenpro Jahr.Bei jedem Treffen können zwei, maximaldrei Fälle vorgestellt und bearbeitetwerden. Häufiger findet jedoch dieausführliche Beratung mit nur einemFall statt. Durch die systemische Fallbeschreibungund Analyse (auf derBasis eines Anamnesebogens, derjedoch nur als Anregung, nicht alsProtokoll- und Kontrollinstrument verwendetwird) und die Einbeziehungvisueller Methoden (Abb. 4) hat jedeFallberatung auch den Charakter einerFortbildung <strong>für</strong> alle Teilnehmenden.Die Differenzierung in Vermutungenund Fakten, der Blick auf Ressourcen,an die angeknüpft werden kann, bietetAnregungen im konkreten Fallaber auch <strong>für</strong> das Agieren, <strong>für</strong> eigeneFälle: Vorgehensweisen können oftübertragen werden. Durch das Zusammentragenvon Ideen und Angebotenvon allen Beteiligten entstehtzum Schluss eine vielfältige Palette anHilfemöglichkeiten. Ein solcher immerwieder aktualisierter Überblick übermögliche professionelle Vorgehensweisenund über die Hilfelandschaftvor Ort ist eine nützliche Basis <strong>für</strong> dieArbeit mit Kindern und Familien ineiner Region, auch ganz unabhängigvom thematischen Kontext der<strong>Sucht</strong>belastung.Die in der Evaluation festgestelltenEffekte der Fallberatung waren vielfältig:Die umfassende Betrachtung derFamilienverhältnisse und der sozialenStrukturen führen zu neuen Erkenntnissenund einer größeren Transparenz.Es können neue Angebote entdecktwerden, das Spektrum wirdvielfältiger und die Akzeptanz bei denKlienten und Klientinnen oder denzu Betreuenden steigt. Angebote, dietatsächlich angenommen werden undauch passender sind, können empfohlenwerden. Auch die Kommunikationund Interaktion mit der Zielgrupperückt als wichtiges Instrumentins Blickfeld. Durch den offenen undrespektvollen Umgang der Fachkräfteuntereinander entsteht eine vertrauensvolleAtmosphäre, ein stärkeresAufeinanderzugehen, Vernetzung undKooperation – bis hin in die oft alsunmöglich eingestufte Vermittlungin die <strong>Sucht</strong>hilfe.Spagat – zwischenKooperation, Informationund DatenschutzWann kann bzw. wann darf ein Fall,auch wenn er anonymisiert dargestelltwird, in der Fallberatung vorgestelltwerden? Das Ziel der connect-Netzwerke ist es, frühe Hilfe zuermöglichen, noch bevor massiveBelastungen zu einer akuten Gefährdungdes Kindeswohls führen.Es gibt keine einfachen Lösungen unddas Charakteristikum dieser vernetz-Abb. 4 Visualisierung der FallberatungOnkelSchuleVater(alkoholabhängig)betroffenerSohn12 Jahreten Arbeit ist ein ständiger Balanceakt.Das Abwägen zwischen dem Hilfeauftrag,dem persönlichen Hilfewunschund der respektvollen und offenenBegegnung mit den Betreuten, demAkzeptieren der schwierigen Situation,den rechtlichen Ansprüchen aberauch der eigenen Aufgaben.Hinzu kommt, dass die Bedürfnisse,Ansprüche und Interessen von Mütternund Vätern auf der einen, ihrenKindern, den Jungen und Mädchenauf der anderen Seite oftmals gegensätzlichsind. Hier muss immer individuellentschieden werden und auchda<strong>für</strong> gesorgt werden, dass <strong>für</strong> beidePerspektiven unterschiedliche Personenzuständig sind, die jedochRebusMutterbetroffeneTochter7 JahreKinderarztOmaidealerweise zusammenarbeiten undsich abstimmen können. Bei einerconnect-Fallberatung in jüngerer Zeitwurde ein positives Beispiel einerTrägerinternen Vorgehensweise vorgestellt:Durch eine Erweiterung derKonzeption wurde es möglich, <strong>für</strong>dieselbe Klientin sowohl Familienhilfemit der Fokussierung auf das Kind,als auch eine persönliche, <strong>Sucht</strong>hilfeorientierte Beratung <strong>für</strong> die Mutteranzubieten. Durch den TrägerinternenRahmen wird eine Zusammenarbeiterleichtert. Das ist wichtig <strong>für</strong> dasabgestimmte Vorgehen. Solche Strukturensind ein wichtiger Schritt nachvorn, doch auch sie müssen mit Lebengefüllt werden und bieten von sichaus keine Garantie <strong>für</strong> erfolgreicheVermutungendes FallgebersRessourcender FamilieFeststehendeTatsachenMaßnahmenHilfeverläufe. Bei der Vorstellung desFalles wurde eindrucksvoll deutlich,dass die Akzeptanz der unterschiedlichenHilfeangebote durch die Klientinauch sehr unterschiedlich ausfiel und<strong>für</strong> den erfolgreichen Hilfeverlauf immernoch eine Reihe weiterer, auchinformeller und personenbezogenerFaktoren von Bedeutung sind.Bei der Frage nach der Hilfegestaltung<strong>für</strong> Kinder mit suchtbelasteten Mütternoder Vätern, dem Zeitpunkt undder Art des Agierens, dem Datenschutz,der Entbindung von Schweigepflichtund der Realisierung vonTransparenz und Partizipation istdie Tatsache entscheidend, dass diewichtige frühe Hilfe nur allzu oft22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012 22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012


42 VORTRÄGEVORTRÄGE 43Irene Ehmke connect – Hilfe <strong>für</strong> Kinder suchtbelasteter ElternIrene Ehmke connect – Hilfe <strong>für</strong> Kinder suchtbelasteter Elternunterbleibt. Darum müssen neueWege gefunden werden, wie dasWerben um Offenheit, Mut zur Thematisierungzwischen Professionellenund Betreuten, zwischen Kolleginnenund Kollegen, zwischen den Einrichtungender Hilfeinstanzen. In diesemProzess werden neue Standards undeine neue Kultur zwischen sowohlanonymisierten als auch partizipativenVorgehensweisen entstehen(müssen).An dieser Stelle soll auch ein Blickauf die schwierige Beschäftigungssituationgeworfen werden, die eineKooperation und zusätzliche Arbeitsprozesseerschwert. Bereits dieKernaufgaben verdichten sich durchimmer mehr Aufgaben bei immerweniger Personal. Dies betrifft alleEinrichtungen und Arbeitsfelder:Jugendämter und Jugendhilfe, Kitaund Schule, <strong>Sucht</strong>hilfe und Stadtteil.Die Arbeitsbedingungen dürfen nichtaußer Acht gelassen werden, wenn esum die Realisierung fachlich erstrebenswerterStandards geht. In Zeitenvon Konsolidierungsmaßnahmen werdensie schnell als Luxus eingestuft,obwohl dabei eine andere Gewichtungder Aufgaben und Ausgaben einmöglicher Ausweg wäre. Und: DerVorteil der Kooperation muss deutlichund spürbar werden. Eine permanenteHerausforderung <strong>für</strong> alle Beteiligtenzeigt sich entlang der fachlichen undgesellschaftlichen Weiterentwicklung.Nachhaltigkeit durchKooperationsvereinbarungund KoordinationDie Kooperationsvereinbarung wurde,wie das gesamte Verfahren zur Zusammenarbeit,in der Modellphasegemeinsam mit den Interessierten,also den zukünftigen Kooperationspartnernund -partnerinnen entwickelt.Auch skeptische Personen warendabei, so dass die Kriterien <strong>für</strong> einerfolgreiches Vorgehen sehr weitreichenddiskutiert und formuliertwerden konnten.Als Präambel und inhaltliche Basiswurden die damals aktuell durch dasBundesgesundheitsministerium, dieBZgA und die DHS verabschiedetenEckpunkte <strong>für</strong> die Hilfe <strong>für</strong> Kinder aussuchtbelasteten Familien herangezogen.Sie bildete eine positive Grundlage,zu der es keine Gegenpositiongab. Auch dies ist typisch <strong>für</strong> unserThemenfeld: alle Fachkräfte sind vonder Sinnhaftigkeit der Arbeit überzeugt.Die Bedeutung und Gewichtungder häufig als Spezialthema angesehenenProblematik entscheidetschließlich über das Engagement.Das Ziel der Vereinbarung ist sehroffen definiert, als Förderung derHilfe <strong>für</strong> Kinder aus suchtbelastetenFamilien in der Region auf der Grundlageder jeweils eigenen professionellenVerantwortung. Die Aufgabe:Nutzung des Netzwerks als Ressource<strong>für</strong> die Hilfeplanung sowie das Mitwirkenzum weiteren Bestehen undzur Weiterentwicklung des Netzwerks.Die positiven Konsequenzen wären:1. Schaffung verbindlicher Strukturenund Entwicklung klarer undunbürokratischer Zuständigkeiten(gegebenenfalls Abbau vorhandenerbürokratischer Hindernisse).2. Verbesserung der Kommunikation,der Kooperationspartner und-partnerinnen untereinander.3. Verbesserung der Transparenz derunterschiedlichen Angebotsformenund Einrichtungsarten.4. Verbesserung der sozialräumlichorientierten Versorgung undAktivierung der Ressourcen.5. Zur Unterstützung und Entwicklungdes Netzwerkes können alle Kooperationspartnerund -partnerinnendie Koordinationsstelle imStadtteil nutzen.Die in Punkt 1. genannte Verbindlichkeitstellt ein durchaus hinterfragbaresKriterium dar, da es der Freiwilligkeitund Verantwortlichkeit der Mitwirkendenüberlassen ist. Eine solche Vereinbarungist und bleibt eine Absichtserklärung– sie soll dazu dienen,möglichst viele Fachkräfte zur Mitwirkungzu motivieren. Ein vielfältigesNetzwerk kann tendenziell einehöhere Attraktivität und Wirksamkeithaben als ein kleines. Die Größeallein ist jedoch kein Qualitätsmerkmal<strong>für</strong> ein connect-Netzwerk, wohlaber die Vielfalt der beteiligtenArbeitsfelder.Die Verbindlichkeit wird durch dasUnterzeichnen gefördert, und dadurch,dass dies auf der Ebene derEntscheidungsträger einer Einrichtunggeschieht. So wird die Arbeit zu einerinhaltlichen Angelegenheit der Einrichtungoder Institution, die unabhängigvon personellem Wechselrealisiert werden kann.Damit die Vernetzung wirklich lebendigund nachhaltig gelingen kann,kommt der Koordinationskraft einehohe Bedeutung zu. Sie ist der aktivePart, der im professionellen Alltag derFachkräfte <strong>für</strong> das Thema steht. DieKoordinationskraft organisiert dieFallberatung und die Fortbildung,die Jahrestreffen und die Weiterentwicklungdes Netzwerks. Sie mussdies nicht allein leisten, sondernerhält Unterstützung durch die zentraleFachstelle <strong>für</strong> <strong>Sucht</strong>prävention,angesiedelt bei der Landesstelle <strong>für</strong><strong>Sucht</strong>fragen. So ist es möglich, diedynamische Konstruktion mit jeweilsrecht geringen Ressourcen zurealisieren 7 .Wichtig ist auch die Akzeptanz derKoordinationskraft durch die Partnerund Partnerinnen in der Region.Hilfreich ist, wenn sie bereits anderweitigmit Koordinierungsaufgabenvertraut ist, dadurch können Synergienhergestellt werden und dieArbeit effektivieren. 8Eine Begleitgruppe, die aus den regionalbzw. kommunal zuständigenFachkräften auf der Ebene des Jugend-und Gesundheitsamtes besteht,ist ein weiteres wichtiges Instrumentzur Verstetigung der Netzwerkarbeit.In Hamburg sind dabei auch die Mitarbeitendender Kinderschutzkoordinationsowie die Koordination <strong>für</strong>Gesundheitsförderung in den Bezirkenwichtige Unterstütz ende derTätigkeit.FazitNetzwerkarbeit ist mehr als nur nochein neuer Arbeitskreis <strong>für</strong> ein weiteresSpezialthema. Es wird gemeinsametwas Konkretes bewegt, nicht punktuellsondern dauerhaft, systematischund nachhaltig. Netzwerkarbeit kanndie Struktur verändern, sie verändertaber vor allem die Art und Weise, anAufgaben heranzugehen und sie zubewältigen, <strong>für</strong> jede und jeden einzelnund im regionalen Kontext. Imbesten Fall ist es eine Initiative, dieden Arbeitsalltag <strong>für</strong> die Teilnehmendenethisch und kulturell verändertund zu einer neuen Qualitätsebeneim Umgang miteinander und miteinem Thema führt und sich auf dieübrigen Aktivitäten und Maßnahmenauswirkt bzw. diese einbezieht.Insofern bietet connect keine Parallelstruktursondern verbindet vielfältigund diagonal vorhandene Aktivitätenund Strukturen.Trotz aller strukturellen Elemente,trotz aller Anerkennung und Erfolge– zuletzt im Evaluationsbericht derHamburger <strong>Sucht</strong>prävention durchdie Gesellschaft <strong>für</strong> Forschung undBeratung im Gesundheits- undSozialbereich (FOGS) 2012 – konntedas Projekt jedoch noch nicht nachhaltigverstetigt werden. GesetzlicheVeränderungen, strukturelle undQualitätsentwicklungen im Bereichder Jugendhilfe, des Kinderschutzes,der Gesundheitsförderung und Präventionsowie der Frühen Hilfenbilden den großen Rahmen, in densich das Thema der suchtbelastetenFamilien einfügen muss. Letztlichbleibt es tatsächlich ein Spezialthema,das jedoch eine hohe Relevanz <strong>für</strong>die involvierten Arbeitsfelder besitzt.Die Sensibilität <strong>für</strong> das Thema istunter dem Druck der Todesfälle vonKindern in suchtbelasteten Lebensgemeinschaften– und in öffentlicherBetreuung – in den vergangenenJahren gestiegen. Dass sie mitgrößerer Aufmerksamkeit verfolgtwurden und ebenfalls strukturelleKonsequenzen haben, ist ein Fortschritt<strong>für</strong> unser Anliegen, wir würdenuns sicher einen weniger dramatischenund traurigen Hintergrundda<strong>für</strong> wünschen!22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012 22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012


44 VORTRÄGEVORTRÄGE 45Irene Ehmke connect – Hilfe <strong>für</strong> Kinder suchtbelasteter Eltern1 Baumgärtner, Theo (2005), Ausgewählte Ergebnisse der Evaluation des Projektes connect, BfS, EVA 13;Ehmke, Irene (2006) Abschlussbericht des Modellprojets connect, BfS Berichte, KuF 22 Klein, Michael, (2003) Kinder suchtkranker Eltern – Fakten, Risiken, Lösungen, Berlin, BMGS;Zobel, Martin (2006), Kinder aus alkoholbelasteten Familien – Entwicklungsrisiken und -chancen. Göttingen: Hogrefe3 Kooperationsverbund gesundheitliche Chancengleichheit, Bundeszentrale <strong>für</strong> gesundheitliche Aufklärung (BZgA) oder Förderung kommunaler<strong>Sucht</strong>prävention, Deutsches Institut <strong>für</strong> Urbanistik (DIFU)4 Connect wurde als Kooperationsprojekt von Behörden und Fachstellen federführend vom Büro <strong>für</strong> <strong>Sucht</strong>prävention entwickelt und von 2003bis 2005 im Hamburger Stadtteil Osdorf als Modellprojekt durchgeführt. Das Projekt wurde umfangreich evaluiert. Die praktischen Erfolge unddie in der Evaluation verdeutlichten positiven Effekte führten zu einer behördlichen Empfehlung <strong>für</strong> eine flächendeckende Implementierung inHamburg. 2008 –2012 wurde in Kooperation mit der Jugendbehörde und den Fachämtern in den Bezirken der Aufbau weiterer Netzwerkeermöglicht. An sechs Standorten in fünf Bezirken entstanden neue Netzwerke, die jeweils nach einem Jahr vom Bezirk in Eigenregie übernommenwerden sollten. Trotz positiver Entwicklungen gelang die Verstetigung nicht an allen Standorten. Im Artikel werden Ziele und Umsetzungder Netzwerkentwicklung erläutert, Gelingensbedingungen und Stolpersteine erläutert, sodass die Übertragbarkeit in andere Regionen möglichwird. Bei weitergehendem Interesse wenden Sie sich gern an die Autorin.5 Trojan, Alf (2003) Vermitteln und Vernetzen (in BZgA (2003)) zit.n. Meinke, Uta, (2006) Die connect Fallberatung: Wirksamkeit und Nutzen ausSicht der teilnehmenden Fachkräfte – Ergebnisse einer Expertenbefragung (unveröffentl.)6 Die Moderation wird in den meisten Netzwerken durch die Beratungsstelle Kompaß – Beratung <strong>für</strong> Kinder und Jugendliche Alkohol abhängigerEltern durchgeführt. Diese Begleitung ist ein wichtiges Element <strong>für</strong> die Qualität und den Erfolg der Fallberatungen.7 Die Koordinationskraft vor Ort arbeitet mit einem Stundenumfang von 5 Std/Woche.8 Haupttätigkeiten der connect-Koordinatoren und Koordinatorinnen:Mitarbeiterin sozialräumlicher Angebotsentwicklung (Koordination)Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sozialräumlicher Angebotsentwicklung (Fachkraft im Projekt)Bezirkliche Koordinationskraft <strong>Sucht</strong>präventionFachkraft der regionalen <strong>Sucht</strong>präventionseinrichtungMitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus dem Jugendamt mit fachlicher Spezialisierung (Gewaltprävention)Leiterin der Familienbildungseinrichtung und KiSch-FachkraftKinderlotsin eines <strong>Sucht</strong>hilfeträgersMitarbeiter eines KiFaZMitarbeiterin eines regionalen Bildungsträgers (mit hoher Vernetzungserfahrung)22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012 22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012


46 REFERENTENVORTRÄGE 47ReferentenDipl.-Psych. Ines Andre-LägelPsychotherapeutische PraxisAlsenstraße 3814109 Berlinkontakt@praxis-andre.deTelefon 0 30 / 47 01 58 41Veronika BreßerJugendamt HildesheimHoher Weg 1031134 Hildesheimv.bresser@stadt-hildesheim.deTelefon 0 51 21 / 3 01 - 44 91Dr. Elke Bruns-Philipps<strong>Niedersächsisches</strong> LandesgesundheitsamtRoesebeckstraße 4-630449 Hannoverelke.bruns-philipps@nlga.niedersachsen.deTelefon 05 11 / 45 05 - 1 37Telefax 05 11 / 45 05 - 2 98Irene EhmkeBüro <strong>für</strong> <strong>Sucht</strong>präventionder Hamburgischen Landesstelle<strong>für</strong> <strong>Sucht</strong>fragen e.V.Repsoldstraße 420097 Hamburgehmke@sucht-hamburg.deTelefon 0 40 / 2 84 99 18 - 16Prof. Dr. Heino StöverFachhochschule Frankfurt am Main,Fachbereich 4 „Soziale Arbeit und Gesundheit“Nibelungenplatz 160318 Frankfurt am Mainhstoever@fb4.fh-frankfurt.deTelefon 0 69 / 15 33 28 23Prof. Dr. Rainer ThomasiusDeutsches Zentrum <strong>für</strong> <strong>Sucht</strong>fragendes Kindes- und JugendaltersUniversitätsklinikum Hamburg-EppendorfMartinistraße 5220246 Hamburgthomasius@uke.uni-hamburg.deTelefon 0 40 / 7 41 05 22 06Markus WirtzDrogenhilfe Köln gGmbHFachstelle <strong>für</strong> <strong>Sucht</strong>präventionHans-Böckler-Straße 550354 Hürthm.wirtz@praevention.drogenhilfe-koeln.deTelefon 0 22 33 / 99 44 4 - 24Telefax 0 22 33 / 70 92 63Claudia MierzowskyDrogenhilfe Hildesheim gGmbHJakobistraße 2831134 Hildesheimmierzowsky@drobs-hi.deBitte beachten Sie, dass die Daten den allgemeinen Datenschutz-bestimmungen unterliegen und ohne Einverständnis der betreffendenPersonen nicht an Dritte weitergegeben werden dürfen.22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012 22. Niedersächsische <strong>Sucht</strong>konferenz | Berichte zur <strong>Sucht</strong>krankenhilfe 2012


Herausgegeben vomNiedersächsischen <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> <strong>Soziales</strong>,Frauen, Familie, Gesundheit und IntegrationHinrich-Wilhelm-Kopf-Platz 230159 Hannoverin Zusammenarbeit mit derLandesvereinigung <strong>für</strong> Gesundheit undAkademie <strong>für</strong> Sozialmedizin Niedersachsen e.V.Fenskeweg 230165 HannoverMärz 2013Diese Broschüre darf, wie alle Publikationen der Landesregierung,nicht zur Wahlwerbung in Wahlkämpfen verwendet werden.

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