N il RI I I IAIIRI >S( URII | DI S INSTITUTS IHR DI II I S( III OM ARB II I ...

N il RI I I IAIIRI >S( URII | DI S INSTITUTS IHR DI II I S( III OM ARB II I ... N il RI I I IAIIRI >S( URII | DI S INSTITUTS IHR DI II I S( III OM ARB II I ...

13.07.2015 Aufrufe

I N H A L T S V E R Z E I C H N I SProfessor Dr. W erner R A D IG , L eiter der SektionVorgeschichte am In stitu t für D eutsche O starbeit,K rakau:Die Vorgeschichte des ostdeutschen Lebensraum es 5S taatsarchivdirektor Dr. E rich RA N D T, Leiter derArchivverwaltung heim A m t des Generalgouverneurs,K rakau:Die Archive des Generalgouvernem entsUniversitätsprofessor Dr. M anfred LA U R ERT,Berlin:Über die W urzeln der polnischen AufständeD r. H ans GRAUL, stellv. L eiter der Sektion Landeskundeam In stitu t für D eutsche O starbeit, K rakau:Zur Gliederung der L andschaft zwischen Weichselund K arpatenkam mHeinz G ünther OLIASS, A ssistent an der SektionK unstgeschichte am In stitu t für D eutsche O starbeit,K rakau:Zur kunsthistorischen Stellung der M arienkirchein K rakauAssessor Jo h an n W erner NIEM ANN, R eferent fürRechtsgeschichte am In s titu t für D eutsche Ostarbeit,K rakau:Die W arschauer H andschrift des Meissener Rechts-56 buchesB U C H B E S P R E C H U N G E NABBILDUNGSVERZEICHNISH auptschriftleiter und für den In h alt verantw ortlich: Dr. W <strong>il</strong>helm Coblitz, D irektor des In stitu ts für DeutscheO starbeit, K rakau. Umschlag und Gestaltung: H elm uth Heinsohn. — A nschrift der Schriftleitung: In stitu t für D eutscheO starbeit, K rakau, Annagasse 1 2 .- F e r n r u f : 15282. - Burgverlag K rak au G .m .b .H ., Verlag des In stitu tsfür Deutsche O starbeit. Auslieferung durch den Verlag, K rak au, P oststr. 1. Druck: Zeitungsverlag K rakau-W arschau G.m .b.H., K rakau. Zu beziehen durch Verlag, P o st und B uchhandel. Jährlich erscheinen 4 Hefte. Bezugspreisfür ein H eft 4.— ZI. (2.—RM,) jäh rlich für 4 H efte 16.— ZI. (8.— RM).


.. .* « iO» • j'.= /


D I E V O R G E S C H I C H T E D E SO S T D E U T S C H E N L E B E N S R A U M E SV O N P R O F . D R . W E R N E R R A D I GIm Jah re 1919 h a t G u s t a f K o s s in n a in einer D anziger Schrift1) dem hereinbrechenden U nrechtin tiefer E m pörung un d m it scharf geschliffenen W orten E in h alt zu bieten versucht, aber vergebens:sein R u f ins A usland, sein A ppell an W elt u n d H eim at: D a s W e ic h s e lla n d e in u r a l t e rH e im a tb o d e n d e r G e r m a n e n ! blieb ungehört. In einer Zeit, in der sich völkische M änner wieer gegen ein Versa<strong>il</strong>les auflehnten, in der A dolf H itler in M ünchen die kleine „D eutsche A rbeiterpartei“zu einem grossen u n d zukunftsträch tigen W erkzeug des N ationalsozialism us zu form en undauszuw eiten begann, geschah der masslose Zugriff unseres dam aligen O stnachbarn: W estpreussen,der grösste Te<strong>il</strong> der P rovinz Posen und lebensw ichtige G ebiete Oberschlesiens w urden polnischesStaatsgebiet. Im Südosten sch n itt ein anderer volksfrem der S taatsk örper in den deutschen Volksbodenhinein. Die ganze O stgrenze des Reiches w urde schlim m er zerklüftet denn je.Es m ussten erst zwanzig lange Ja h re vergehen, in denen sich aus Schm ach u n d O hnm acht einerstarktes Reich erhob und sein F ü h rer gerade „ a n d e r W ie g e d e r o s t g e r m a n is c h e n H e l­d e n v ö lk e r “, wie K ossinna das W eichselland nan n te, die F ahne der deutschen Befreiung aufzuziehenbefahl. D as J a h r 1939 w urde zum Siegesjahr über die polnische F rem dherrschaft undbrachte die Sühne fü r geschichtliches und vorgeschichtliches U nrecht. M it der Waffe in der H and,wie einst unsere germ anischen V orfahren, h aben w ir eine F rem dherrschaft hinw eggefegt, die auchin den geistigen B ezirken zum A usdruck kam , d o rt jedoch von einer Scheinherrschaft, die zunächstihre N ahrung aus deutscher B <strong>il</strong>dung u n d E rfahrung zog, zu einer G ew altherrschaft anschwoll.All das ist heute w ieder gebrochen.Auch au f dem G ebiete der V o r g e s c h i c h ts f o r s c h u n g h a t es K räfte gegeben, die hier W iderstandleisteten und zum K am p f bereit w aren; den ersten S treiter im G renzkam pf, G u staf K ossinna, n an n ­ten w ir schon. Seine K am pfschrift riss die G rundzüge des Besiedlungsganges im W eichselraum auf.Mit einem stattlichen T atsachenm aterial belegte er die jah rtausendlan ge A nw esenheit der O stgermanen au f ostdeutschem Volks- u n d K ulturboden. Zugleich charakterisierte er die m ittelalterlicheInvasion der W estslaw en als ein bedeutungsarm es Zwischenspiel. — In den Ja h re n einerersten zaghaften politischen W iederbesinnung w ar es w ieder die vom R eichskörper losgerisseneS tad t Danzig, aus der eine „Vorgeschichte von W estpreussen“2) vorgelegt w urde. Ih r Verfasser W .La Baum e h a t sich dan n zusam m en m it anderen fortlaufend in den O s t l a n d - B e r i c h t e n 3)an der A bw ehr geschichtsverzerrender u n d verfälschender A nnahm en u n d A usdeutungen derdeutschfeindlichen O stnachbarn bete<strong>il</strong>igt. A uch die schlesische Schule der Vorgeschichtsforschungh a t sich bald in den A bw ehrkam pf gegen falsche L ehren begeben. H ans Seger h a t die „Völker undVölkerw anderungen im vorgeschichtlichen O stdeutschland“ in einem Sam m elband „ D e r o s t­d e u ts c h e V o lk s b o d e n “4) in k n apper F orm , aber m it überzeugender und unbestechlicherW ahrheitsforschung gesch<strong>il</strong>dert. An gleicher Stelle stellten sich die anderen V eteranen ostdeutscherVorgeschichtswissenschaft R obert B eltz u n d B runo E hrlich in die A bw ehrfront.W ährend es Kossinna erleben m usste, dass sein Schüler J . K ostrzew ski aus W eglewo, K r. Posen-Ost, ausgerüstet m it den M ethoden deutscher W issenschaft der U niv ersität Berlin, eine Schulex) G ustaf Kossinna, Das Weichselland, ein uralter H eim atboden der Germ anen. Danzig 1919. — 3. Aufl. Leipzig 1940,hrsg. v. H . R einerth.2) W olfgang L a Baum e, Vorgeschichte von W estpreussen. Danzig 1920.3) Als M anuskript gedruckt.•) Der ostdeutsche Volksboden. Hrsg. v. W. Volz. Breslau 1926. M it vorgeschichtlichen B eiträgen von R. Beltz, Br.Ehrlich, O. Schlüter, H . Seger u. a.5


polnischer Vorgeschichtslehre an der U n iv ersität Posen begründete, h a tte derselbe A ltm eister dervölkischen V orgeschichtsforschung die G enugtuung, dass seine im O sten w irkenden Schüler wiez. B. M. Ja h n , W . M atthes und E . Petersen in w eitschichtiger K leinarbeit ein W issenschaftsgebäudeerrichteten, das zusam m en m it den A rbeiten der B reslauer Schule eine in ihren G rundzügenbereits aufgehellte Geschichte der O stgerm anen (K . Tackenberg, B. v. R ichthofen, F r. Geschwendt, G. Raschke, L. Zotz) heute darstellt. Zu besonders heftigem S treitgespräch w ar B. vonR ichthofen5) angetreten, der in seiner Schrift „G ehört O stdeutschland zur U rheim at der P o len ?“die Fehldeutung der L ausitzer K u ltu r eindringlich zurückwies. Ih r V erfasser ist vor und nach demdeutschpolnischen V erständigungsversuch von K önigsberg aus m it seinen Schülern der V erfechtergesicherter deutscher Forschungsergebnisse gewesen.So erkennen wir schon, dass von der O stseeküste bis zu den S udeten eine K ette von festen B a s t i o ­n e n d e u ts c h e n V o r g e s c h ic h ts k a m p f e s errich tet w orden w aren. Von R atibor (Dr. Raschke)aus zog sich bei K riegsbeginn dieser „O stw all“ über B euthen (Dr. P fützenreiter) und Breslau(U niversität s. o., L andesam t für Denkm alspflege s. o.), nach Lebus (Forschungsstelle des S taatsmuseum s Berlin, Prof. U nverzagt) und nach Schneidem ühl (G renzm arkm useum , D r. H o lter; BerlinerU niversität D r. K uchenbuch); von D anzig (M useum m it D enkm alspflege, D r. Langenheim ) gingdie K ette über E lbing (Prof. E hrlich; M useum m it D enkm alspflege, D r. Neugebauer) nach K önigsberg(U niversität s.o .; L andesam t für D enkm alspflege, Prof. La Baum e) u n d in der nordöstlichenV erlängerung bis nach R iga (H erd er-In stitu t, Prof. Engel). An der O stseeküste w ären die ostdeutschenF orschungsstätten Pom m erns wie K öslin (Dr. Boege) un d wie S tettin (Provinzialmuseum , Denkm alspflege, D r. K unkel) und Greifswald (U niversität, Prof. Engel), an der ehemaligen Reichsgrenze im Süden noch die ostm itteldeutschen F orsehungsstätten wie Görlitz (Dr.Schultz), B autzen (früher D r. Frenzel), D resden (Landesm useum , Denkm alspflege, D r. Bierbaum )und Leipzig (U niversität, Prof. F ran z; S tadtm useen, D r. Jörns) zu nennen, um n u r die S taatsstellenu. a. öffentliche In stitu te zu erw ähnen.D er G r e n z l a n d k a m p f w urde an den ostdeutschen H ochschulen gerade au f dem Gebiete derV orgeschichte besondert ak tiv iert. In die Reihe der U n i v e r s i t ä t e n tra te n die H o c h s c h u le n f ü rL e h r e r b <strong>il</strong>d u n g ; angefangen von B euthen (G. Hoffm ann) und von H irschberg am Riesengebirge(D r. Geschwendt) zieht sich die Linie über C ottbus, F ran k fu rt/O d er (Dr. Frenzel), Schneidem ühl(D r. H olter), L auenburg (D r. Agde, gefallen am 12. 5. 1940 an der M aginotlinie) und Danzig bisnach E lbing in W estpreussen (Prof. Radig) hin. Im Jah re 1937 h a t dann auch der R eichsbund fürdeutsche Vorgeschichte seine grosse Gefolgschaft nach E lb in g zur 4. R eichstagung gerufen, dienichts Geringeres als eine w eit angelegte O s t la n d k u n d g e b u n g der deutschen V orgeschichtsforscherund -freunde darstellte. D i e t r i c h K la g g e s um riss das geschichtliche W erden undSchicksal des O stlandes. N ach einer Fülle fachlicher V eranstaltungen, die ihren N iederschlag z. T.im G erm anenerbe6) gefunden haben, fü h rten die O stfahrten nach M asuren und nach D anzig.In der M a r ie n b u r g w ar zw ar G u staf K ossinna ("j" 1930) nicht m ehr u n te r den B ekennern zumO sten wie 1930 (Gesellschaft fü r deutsche Vorgeschichte), aber seine G efolgsm änner stan den hieran der blutenden O stgrenze und sahen das U nrecht, das m it der G renzziehung dem alten W estpreussenzugefügt w orden w ar. Im grossen R em ter der O rdensburg M arienw erder führte R e­gierungspräsident v o n K e u d e ll m itten hinein in die politische W irklichkeit. Prof. W altherS c h u lz legte fü r den ganzen R eichsbund das Gelöbnis ab, das erschütternde G renzlanderlebnisnie zu vergessen. In diesem Bereich ständiger H ochspannung sind w ir hier ebenso verblieben wiedie Forscher au f den schlesischen B astionen.6) B. v. Richthofen, Gehört O stdeutschland zur U rheim at der Polen? Ostland-Schriften 2, Danzig 1929.8) Germ anenerbe. Amtl. Organ d. Reichsam ts f. deutsche Vorgeschichte und des Am tes Vorgeschichte des B eauftragtendes Führers f. d. gesam te geistige u. weltanschauliche Schulung u. Erziehung der NSDAP. Hrsg. v. H. R einerth.2. Jahrgang 1937, H. 10 u. 11.6


N ach dem Siege unserer W affen h a t die deutsche Forschung ihre E ckpfe<strong>il</strong>er w eiter hinausgebaut.Schon w aren die O stm ark (Landesm useum , D r. Beninger) u n d der Sudetengau (L andesam t f.Denkm alspflege, D r. Schroller) m it dem P ro te k to ra t (Prag, U niv ersität, Prof. Zotz) im friedlichenA rbeitsausbau vorangegangen. J e tz t w ird das K aiser-Friedrich-M useum in P o s e n w ieder vondeutschen G elehrten (Dr. W . K ersten, D r. zur M ühlen u. a.) b etreu t; die städtischen Museen inL i t z m a n n s t a d t sind in die H an d von D r. W . Frenzel gelegt. F ü r das G eneralgouvernem enth a t Reichsm inister D r. F ran k als P räsid en t des I n s t i t u t e s f ü r D e u ts c h e O s t a r b e i t eineSektion für Vorgeschichte (Prof. R adig) in K r a k a u begründet. A uch von hier aus w erden nundie Fragen und Problem e der V orgeschichte des ostdeutschen Lebensraum es, insbesondere desW eichselraumes, aufgerollt.Schon a u f der R eichstagung in E lbing im Ja h re 1937 w urde zum A usdruck gebracht, dass dieV orgeschichte O stdeutschlands7) noch ungeschrieben ist. So stösst auch eine Sch<strong>il</strong>derung derVorgeschichte des gesam ten ostdeutschen Lebensraum es a u f Schw ierigkeiten, we<strong>il</strong> entsprechendder Z erklüftung der O stgrenze die B earbeitung des vor- u n d frühgeschichtlichen Fundstoffes deneinzelnen preussischen P rovinzen zufiel u n d diese „g etren n t m arschierten“ , soweit sie nicht, wieO stpreussen, ganz vom R eichskörper abgerissen w aren. Diese H indernisse einer einheitlichenStoffbew ältigung äussern sich z. B. in der A rt der K a r t i e r u n g des ostdeutschen Lebensraum esin vor- und frühgeschichtlicher Zeit. W ährend im ehem aligen Polen grössere landschaftsm onographischeD arstellungen fast völlig fehlen, m uss m an d o rt auch n u r die bescheidensten Anfängeeiner guten kartographischen D arstellung verm issen. So finden w ir im m er n u r einzelne grosseBesiedlungsvorgänge in verstreu ten E inzelbeschreibungen vorgeschichtlicher K ulturen, Völkeroder Stäm m e im deutschen S chrifttum . D urch alle Zeitepochen fü h rt uns bisher n u r ein K arten ­w erk im deutschen O sten, das aber a u f W est- und O stpreussen besch rän kt ist. Dieser „A tlas derost- und w estpreussischen Landesgeschichte“8) fü h rt uns die „K u ltu ren u n d V ölker der F rühzeitim Preussenlande“ vor Augen. Die D arstellung setzt m it einer K arte der M ittelsteinzeit ein undschliesst m it einer A usbreitungskarte der W ikingerfunde ab. Dieses vortreffliche K artenw erk h a tbisher n u r in dem anderen M ittelpunkt ostdeutscher V orgeschichtsforschung sein nachahm enswertes G egenstück gefunden. Die „G erm anische V orzeit Schlesiens“9) en th ä lt die Besiedlung vomAusklange der nord<strong>il</strong>lyrischen V olkskultur, also dem Beginn der G rossgerm anischen Zeit, bis zum12. Ja h rh u n d e rt, d am it dem Z eitalter der H ochblüte ostdeutscher W iedergew innung. D as Besiedlungsb<strong>il</strong>dschneidet im m er an den reichsdeutschen S taatsgrenzen, entsprechend der L andesaufnahme des Fundstoffes, em pfindlich ab, was der ganzheitlichen B etrach tung der geschlossenenSiedlungserscheinungen hinderlich im W ege steh t.T rotz solcher M ängel schält sich vor den A ugen des in dem reichen, w eit v erstreuten S chrifttum 10),das in den letzten zwanzig Jah ren auch von den Polen11) m it ergänzt w orden ist, sich um schauendenB etrachters ein lebendiges B<strong>il</strong>d der B esiedlungsvorgänge und des kulturellen Gepräges allm ählichheraus. F ü r einzelne E pochen eröffnet sich uns sogar der Blick in reiche politische Vorgängegerm anischen Völkerlebens.7) W erner R adig, Vorgeschichte auf ostdeutschem Volksboden. In : Germ anenerbe Jg. 2, 1937, H . 11 S. 305 ff.s) Carl Engel und Wolfgang La Baum e, K u lturen und Völker der Frühzeit im Preussenlande. = Atlas der ost- und westpreussischenLandesgeschichte, I. Te<strong>il</strong>. Hrsg. v. E. Keyser. Königsberg 1937.9) Germanische Vorzeit Schlesiens. Hrsg. K am eradschaft stud. Vorgeschichtler d. U niversität Breslau = Junge W issenschaftim Osten, H. 1, Breslau, 1937. Mit K arten.10) E rn st Petersen, Schlesien von der Eiszeit bis ins M ittelalter. Langensalza 1935. — E n th ält das wichtigste neuereS chrifttum von Schlesien.u ) Josef Kostrzewski, Polen. In : Reallexikon der Vorgeschichte. Hrsg. v. M. E bert. Bd. 10.1927/28. S. 180 ff. — Ders.W ielkopolska w czasach przedhistorycznych. 2. Auflage. Posen 1923. — Wl. Antoniewicz, Archeologja Polski.W arschau 1928. — V. A. Brückner, Dzieje kultury polskiej. Bd. 1, K rakau 1930.7\


E he wir jedoch den bew egten Zügen und bäuerlichen W ohnbereichen der indogerm anischen Völkerund der ostgerm anischen Stäm m e n äh ertreten , g<strong>il</strong>t es, den ä l t e s t e n A n f ä n g e n m enschlicherAnwesenheit im O straum nachzugehen. In dem fernen Z eitalter der H erausb<strong>il</strong>dung des U rm enschenschlum m erte der N ordosten noch u n te r dem Eise oder es fand in den Z eiträum en einer Eisbefreiungder „U rm ensch“ nicht den W eg in die w eiten E benen N ordostdeutschlands und desnördlichen W eichselraum es. Dagegen tre te n seine Spuren im südlichen O straum recht frühzu Tage.D er U rnordm ensch w ird wohl in der A usprägung der B rünnrasse hier gelebt haben. Das unermesslich w eit zurückliegende Z eitalter, in dem auch das U rstrom tal entstand, in dem heute dieW eichsel und die W arth e fliessen, ist die A l t s t e i n z e i t , die in einen ä l t e r e n und einen j ü n g e r e nA bschnitt gegliedert w ird. In der ä l t e r e n A ltsteinzeit, die den „U rm enschen“ im eigentlichen undengeren Sinne hervorgebracht h a t, bezeugen die m annigfachen H öhlenfunde im ehem aligen Südpolen12)(Okiennik bei Skarzyce, W ierzchower M am m ut-G rotte bei K rakau) die Anw esenheit dereinfachsten Sam m ler u n d Jäg er, deren G eräte den F austke<strong>il</strong>- u n d H andspitzen-S tufen zugehören.A uch die K alksteinhöhlen des K itzelberges im schlesischen B ober-K atzbachgebirge bei K auffungverraten die A nw esenheit der ältesten B ärenjäger, die in der letzten Zwischeneiszeit d o rt einideales Schweif- un d Jagdgeb iet gefunden haben.In der j ü n g e r e n A ltsteinzeit sind schon viel m ehr höhere Sam m ler und Jäg er an dem allm ählichenV ordringen in den O straum bete<strong>il</strong>igt, zum m indesten sind sie für uns leichter fassbar, wie ausden R astplätzen au f dem Lössboden und den bew ohnten H öhlen im gebirgigen Süden zu erkennenist. Oberschlesische M am m utjäger m ögen von M ähren herübergekom m en sein, wo die S teppenlandschaftberühm te Fundgebiete hinterlie s. E rinnern wir n u r an Predm ost, das einer ganzen K u l­tu rstufe seinen N am en gegeben h a t. Aus dieser u n d der sog. Stufe von W <strong>il</strong>lendorf (O berösterreich)kom m en nicht n u r die bisher vereinzelten Zeugnisse Oberschlesiens, sondern die m annigfachenH interlassenschaften aus der Jerzm anow ska-H öhle bei Ojcow, der genannten W ierzchowerM am m uthöhle und vielen L össrastplätzen, von denen n u r Jaksice un d P ulaw y an derW eichsel u n d der S t. Bronislaus-B erg bei K rakau erw ähnt seien. D er letzte A bschnitt derA ltsteinzeit, der der französischen Stufe des M agdalenien entspricht, ist reichlich in der M aszycka-Höhle bei Ojcow v ertreten . Die H öhlenjäger ste’lten sich verzierte H orn-, Knochen- und feineElfenbein Werkzeuge her, die m an neben den F euersteingeräten im G ebrauch h atte. Im D ünagebietzwischen der P<strong>il</strong>ica und der W eichsel (kleinpoln. Höhe) suchte der Jäg er un d Sam m ler R astplätzeauf, die dem A usklingen der T hüringer Stufe angehören, der bedeutendste und nam engebendeF undplatz liegt bei S w id r y -W ie lk ie , Bez. W arschau, der eine Feuersteingerätherstellung m iteinem eigenen Form enschatz beherbergt. Die „Stufe von Sw idry“ ist bis nach dem oberen B uggebietund nach L itauen hin zu verfolgen. A ber auch in O stpreussen sind neuerdings Renngeweihgeräteals Zeugen der spätaltsteinzeitlichen A nw esenheit der ersten um herschweifenden Jäg erund Sam m ler nachgew iesen w orden.In der M i t t e l s t e i n z e i t belebt sich das B<strong>il</strong>d einer ersten, langsam erblühenden K u ltur m it einerwenigstens periodischen Sesshaftigkeit. Die bisher geübte rein aneignende W irtschaftw eise, dieauch hier noch üblich ist, w ird von einer aufdäm m ernden W irtschaftsform des ersten L andanbauesund ökonom ischer V iehhaltung ergänzt. Ohne hier näh er au f den m ehrfachen W andel des L andschaftsb<strong>il</strong>desan der Ostsee einzugehen, sehen wir in N ordostdeutschland drei K ulturkreise, eineim hohen N ordosten beheim atete K nochenkultur, die nach Ost- u n d W estpreussen vorgreift undsich m it der von Süden vordringenden F euerstein kleingerätkultu r verzahnt. Zu diesem zweitenla) Hugo Obermaier, Polen. In : Reallexikon der Vorgeschichte. Hrsg. v. M. E bert. Bd. 10, 1927/28. S. 177 fl. — D ortweiteres Schrifttum .8


K ulturkreis gesellt sich der aus der n o r d is c h e n U r h e i m a t (westliches Skandinavien, H albinselJü tland) hervor dringende d ritte K u lturkreis m it G robgeräten aus F euerstein und anderen Gesteinsarten.Die K leingerätkultur erblühte vom Bereiche des G eneralgouvernem ents bis nachSchlesien hinein, näm lich von der Sw idry-Stufe bis zur Tardenois-Stufe. A uf den B innendünenw ohnten die Siedler; von solchen kan n m an schon sprechen, denn sie b au ten rundliche Zeltreisighü tten und schlugen sich a u f W erkplätzen ihre G eräte zurecht. Allerdings w aren sie auch leichtbeweglich und w echselten ihre W ohnstelien, w enn es die Jah reszeit m it verschiedenartiger E rn tevon Sam m elfrüchten oder der W <strong>il</strong>dbestand em pfahl. D er d ritte K u lturkreis m it nordischen Grobgerätenh a t im gleichen O straum Fuss gefasst. W ir kennen seine K u ltu rträg er n ich t n u r von dengrossen K ernbe<strong>il</strong>en, S paltern u n d S pitzhauen, sondern sie tre te n in ihrem G rabgebrauch schlaglichtartigin Schlesien zu T age: Gross-Tinz, K r. B reslau, b arg einen sorgsam b e sta tte te n und m it Beigabenausg estatteten N ordm enschen aus dem 4. Ja h rta u se n d v. d. Z tr. in sich, der zweifelsfrei dernordeuropäischen Langkopfrasse angehört. M it den nordischen Siedlern zog auch ein im Nordenbeheim ateter erster H ackbau in den O straum ein, aus dessen K eim en die schöpferische W irtschaftsformdes indogerm anischen B auern erwuchs.Das erste Z eitalter des voll entw ickelten A ckerbaues nennen wir heu te die Indogerm anenzeit(Jungsteinzeit), we<strong>il</strong> in ihm das U rvolk der Indogerm anen en tste h t u n d in hoher B lüte ein erstespolitisches Geschehen vollbringt. In der älteren Indogerm anenzeit verte<strong>il</strong>en sich über den weitenO straum zwei altertüm liche K ulturkreise, im N ordosten der N ordeurasische K ulturkreis und imSüdosten der D onauländische K ulturkreis. Beide Kreise sind noch von vorindogerm anischen Völkerngetragen. D er n o r d e u r a s i s c h e K r e is der K am m keram ik ist im baltischen N ordosten und inder M itte O steuropas beh eim atet; m an kan n von einer baltischen und von einer ostpolnischmittelrussischen G ruppe sprechen. So reicht diese K u ltu r von der N ordküste Skandinaviens ostwärts bis zum U ral, im Süden bis Kiew und im W esten bis zur O der u n d in Streuung m indestensbis in die L ausitz hinein. Diesem Kreise w aren jedoch die Segnungen der Indogerm anenzeit vorerstn icht beschieden. Seine w eitgespannten wie urtüm lichen L ebensräum e m ögen in ihrer lan d­schaftlichen E ig enart dazu beigetragen haben, die W irtschaftsstufe ihrer Siedler recht urtüm lichzu belassen. Ü ber die Form von höheren Jägern , Sam m lern und Fischern sind diese Bew ohnerihrer an U rw äldern u n d Süm pfen so reichen H eim atgebiete a u f G rund ihrer V eranlagung kaumhinausgekom m en. In O stpreussen zeigen die W ohnplätze der Z edm ar, K r. D arkehm en die Eigenartendieses Kreises. Zwischen W eichsel und B ug trifft m an die W ohnplätze m it K am m - undG rübchenkeram ik öfters an. W ir finden sie hier w estlich von K alisch noch ebenso wie au f en t­legenen D ünen Schlesiens, wo sie die R este ihrer Spitzbodengefässe hinterlassen haben. W ie siehier die ganze Indogerm anenzeit zu begleiten scheinen, so hab en sie auch in W est- und O stpreussendie noch sp ät eintreffenden nordischen T öpfer st<strong>il</strong>istisch beeinflusst. E he w ir uns jedochdem nordischen Ausgriff zuw enden, m üssen w ir die andere vorindogerm anische K u ltu r A lteuropasum schreiben.Das ist die d o n a u l ä n d i s c h e K u l t u r der B andkeram ik, die auch kurz der o s t is c h e K r e isgenannt wird. D am it diese Bezeichnung hier im O straum nicht irrige V orstellungen erw eckt, umreissenwir kurz ihr A usbreitungsgebiet. Diese sog. L össkultur besitzt ihren K ern in den Sudetenländern,von wo aus sie in die D onauländer hineinström te. Die W estgruppe der D onaukultur zerfälltin zwei St<strong>il</strong>gruppen, die Spiral- u n d die S tichbandkeram ik; ihre östliche A usbreitung um fasstBöhm en, M ähren, Schlesien, Posen u n d das ehem alige Polen; bis W arschau wie nach W estpreussenhinein siedelten die B andkeram iker. Die weitläufige O stausbreitung des ostischen Kreises, dessenName nichts m it dem Rassebegriff „ostisch“ zu tu n h a t, fasst m an auch in einer eigenen O stgruppeder D o nau kultu r zusam m en, der T ripolje-K u ltu r in den fruchtb aren Schw arzerdegauen Südrusslandsun d des unteren D onaulandes; sie sp an n t sich von Odessa bis Kiew über den D njepr9


hinaus. Im ostdeutschen Lebensraum 13), besonders im W eichselraum u n d W artheland, findenwir die Spiralkeram ik ausser in Nieder- u n d Oberschlesien w estlich des W eichsellaufes von K rakaubis etw a zur Sanm ündung, dan n östlich des W eichselstrom es bis W arschau und nördlich davon.Bis ins W eichselknie sind die S piralkeram iker vorgedrungen. D asselbe g<strong>il</strong>t von den Stichbandkeramikem , die jedoch ihren W eg vom M ittellauf der O der über W arschau und N etze genom m en zuhaben scheinen, denn der W eichselbogen ist n ich t aufgefunden w orden, dagegen wiederum derO berlauf der W eichsel, der nordöstlich von K rak au m it zahlreichen Siedlungen belegt ist. DieT räger des donauländischen K ulturkreises b au ten gern G rubenw ohnungen und fertigten kugeligeund bom benförm ige Gefässe, deren V erzierung st<strong>il</strong>istisch ein völlig artfrem des Form engefühlv errät; es ist vom nordischen, d. h. indogerm anischen St<strong>il</strong> grundverschieden. Diese vorindogermanische K u ltu r w ar sesshaft; sie besass V iehzucht u n d A ckerbau. E ine späte Ausprägung ist dieJordansm ühler K u ltu r in Schlesien. Ih re T räger fertigten eine eigentüm liche K eram ik, kan ntenObsidian und schlichten K upferschm uck. Aus ihren G räbern spricht ein B rauchtum , das dieV orstellung vom „lebenden L eichnam “ pflegt. I n H ockerstellung w urde der T ote niedergelegtund so gefesselt, dam it er sich n icht w ieder frei bew egen und unhe<strong>il</strong>stiftend zurückkehren konnte.Die Völkerwellen des n o r d is c h e n A u s g r if f e s schlagen auch schon in der älteren Indogerm anenzeitnach dem O straum . Die G rossteingräberkultur, die eine K om ponente des grossen Nordvolkesist, entsandte eine G ruppe der T richterbecherkultur14) nach dem O sten. Ü ber Pom m ern gelangtediese östliche T richterbecherkultur in den W eichselraum (Abb. 1). Die Siedler w aren wie alle N ordmänner jenes Z eitalters B auern. W ieder siedelten sie m eist au f den B innendünen. In den D örfernlagen H olzbrunnen, die m an z. B. in Schlesien, Posen und auch bei W arschau entdeck t h a t. Dieackerbäuerliche T ätigkeit spricht aus den G etreidem ühlen u n d den W eizenabdrücken. N icht ohneG rund w ird der B auer gerade K ujaw iens fru chtb aren A ckerboden bevorzugt haben. Im Hofezüchtete m an R inder, Schweine, Ziegen und Schafe. E ine vorhandene K leidung lässt sich aus aufgefundenenSpinnw irteln und W ebegew ichten erschliessen. Die N ordm änner w aren tü chtige Steinschneider.Sie trieb en sogar H andel m it B ernstein, K upfer und vor allem m it Feuerstein, der zumTe<strong>il</strong> in B ergw erken des ehem aligen M ittel- und Südpolen abgebau t w urde. So en tste h t vor uns einlebendiges K u lturb <strong>il</strong>d des ältesten N ordvolkes, das als jugendstarkes B auernvolk die angetroflenenordeurasische K u ltu r der Sam m ler leicht überflügelte. W ährend es nach O stpreussen n u r stellenweiseeindrang, erfüllte es W estpreussen und Posen, wo es in einer pom m ersch-pom m erellischkujawischen und in einer ehem als „grosspolnischen“ G ruppe erschien. Z ur Südgruppe der w eitläufigenT richterbecherkultur gehören die ehem als „klein-polnische“ G ruppe und die NosswitzerK u ltu r Schlesiens. H ier erschienen sie als „vorw iegend nordische V orläufer der Indogerm anisierung“(C. Engel). Von Nosswitz stam m en auch die viereckigen P fostenhäuser als Zeugnisse derhochstehenden nordischen B augestaltung, die uns durch die Jah rtau sen d e begleitet.In der jüngeren Indogerm anenzeit brechen die W ellen der V e r n o r d u n g noch stürm ischer u n dhäufiger über A lteuropa u n d dam it auch über den O straum . Dieses Mal kom m en die Siedler n ich tvon D änem ark u n d Schleswig-H olstein, sondern aus M itteldeutschland u n d B randenburg. ÜberPom m ern gelangte die K ugelam phorenkultur an der O stseeküste bis nach W est- u n d O stpreussen,über Schlesien nach dem W arthegau und dem G eneralgouvernem ent. Zahlreiche B auerntreckshaben sich in erstaunlicher S trah lk raft über den O sten ergossen, so dass auch noch R ussland davonerfasst w urde, ö stlic h Lem berg ziehen sich die besiedelten Gaue bis nach K iew hin. E in gewisses13) B. v. R ichthofen, Zur bandkeram ischen Besiedlung im Bereich der unteren W eichsel und Oder. In: B lätter fürdeutsche Vorgeschichte. Danzig 1930, H. I. — W . La Baum e u. K. Langenheim , Die Steinzeit im Gebiet der unterenWeichsel. E benda 1933, H . 9/10.14) G ustaf Kossinna, Entw icklung und V erbreitung der steinzeitlichen Trichterbecher, Kragenfläschchen und Kugelflaschen.M annus-Zeitschr. Bd. 13, 1921. — K . Jazdzew ski, K u ltu ra pucharow lejkow atych w Polsce Zachodnieji Srodkowej. Posen 1936. — L. Kozlowski, Mlodsza epoka kam ienna w Polsce (Neolit). Lemberg 1924. —10


K u lturzentrum der östlichen K ugelflaschenkultur b<strong>il</strong>den das südliche W estpreussen und N ordposen.K an nte und n u tzte der N ordm ann schon die Salzquellen von H ohensalza? — Im W eichselknietreffen wir die zahlreichsten Steinkistengräber jen er K u ltu r an. B erühm t sind ja die „kujäwischen“S teingräber von langgestreckter D reieckform oder in Trapezform . E ine oft 50 M eterlange Steinum hegung um gibt den G rabhügel, in dessen M itte eine G rabkam m er aus m ächtigenFindlingen ru h t. N ichts do ku m en tiert ihre Z ugehörigkeit zum nordischen Grossvolk deutlicher alsder B rauch, solche S tä tte n der T otenehrung zu errichten. D er N am e der K ugelflaschenkultur verrät ebenso wie derjenige der T richterbecherkultur die E igenform en ihrer keram ischen Erzeugnisse.Solche brin gt auch n u r eine sesshafte B auernbevölkerung hervor. Im übrigen reichten die K u ltu r­beziehungen dieser N ordm änner bis in den ostgalizisch-südrussischen R aum hinein, wobei dasnordw est-südöstlich gerichtete K ulturgefälle ausser F rage steh t.Abb. 1. W estöstliche Ausbreitung des älterenNordvolkes (Trichterbecherkultur) inder Indogerm anenzeit. Die vier Schraffurenzeigen die Nord-, W est-, Süd- und Ostgruppean. Nach Jazdzewski und Engel.Die vollkom m ene I n d o g e r m a n i s i e r u n g des O stens vollzieht die längste un d letzte nordischeVölkerwelle, die binnenländische S c h n u r k e r a m i k und S t r e i t a x t k u l t u r . Sie ist in M itteldeutschlandbeheim atet, deshalb w ird sie auch als B i n n e n l ä n d i s c h e K u l t u r bezeichnet. D ort h a tsie altertüm liche A nfänge und begleitet auch die ganze Indogerm anenzeit. D er A ufbruch der vielenB auerntrecks liegt jedoch erst in den letzten Jahrh u n d erte n d er Indogerm anenzeit, die wir bis1800 v. d. Zw. datieren. Also von 2000 vor Beginn unserer Z eitrechnung (v. d. Zw.) ist der Ostraumvon der B innenländischen K u ltu r übersiedelt und übern ordet w orden. D a die vorhandenenV ölker und K u ltu ren wie die nordeurasische oder die donauländische völlig um geprägt oder aufgesogenw urden, k an n m an auch m it R echt von einer V ernordung sprechen. Die Skelettgräber derB innenländischen K u ltu r sind näm lich am reinsten nordrassisch ausgeprägt und tragen dieses„A ntlitz“ wie nach W esten und Süden auch nach dem w eit geöffneten O sten. Im O dergebiet schufendie N ordm änner die O d e r s c h n u r k e r a m i k 15); an der Ostsee zieht sich in Ost- und W estpreussendie H a f f k ü s t e n k u l t u r 16) (R utzauer K u ltur) entlang.D a die Binnenländische K u ltu r hier au f die nordeurasische V orbevölkerung stiess, die in einemeinförm igen Sam m lertum des Fischers und Jägers v erh arrte, verschm olz sie zu einer eigenen K ü ­15) E rn st Sprockhofl, Die K ulturen der jüngeren Steinzeit in der M ark B randenburg. = Vorgesch. Forschungen I, 4.Berlin 1926. — T. W aga, K ultura nadodrzanskiej ceram iki sznurowej w W ielkopolsce. Posen 1931.“ ) J. Kostrzewski, Die Ausgrabungen von Ruczewo in Pom m erellen und die Ruczewoer K ultur. In : Bull. Acad. Polon.Sei. L ettr., CI. d ’H ist., K rakau 1931. S. 97 ff. — Bruno Ehrlich, Succase, eine steinzeitliche Siedlung der Schnurkeramiker.In: Elbinger Jahrbuch X U /X <strong>II</strong>I, 1936 S, 43 ff.


sten kultu r schnurkeram ischen St<strong>il</strong>es. Die T räger dieser B innen kultu r w aren m ehr als alle anderenN ordm änner B a u e r n k r ie g e r . In den erw ähnten H ockergräbern lag stets die S treitax t alsBeigabe und höchste Zier des T oten. Dass diese waffenfreudigen E roberer und Siedler abernicht ruhelos vorw ärtsdrängten u n d ziellos um herschw eiften, bezeugen die m annigfachen W ohnplätze,von denen viele als regelrechte D ö r f e r ausgegraben w orden sind. An der DanzigerB ucht liegen sie ebenso wie an der Ste<strong>il</strong>küste des Frischen Haffs u n d w eit hinaus au f derK urischen N ehrung. A m b ek anntesten ist das Steinzeitdorf S u c c a s e bei E lbing, das von einerbaufreudigen D orfgem einschaft gegründet sein m uss, denn viele rechteckige V orhallenhäuserim nordisch-indogerm anischen P fostenbau sind hier zutage gekom m en. Die Siedler waren zweifelloshierzulande Fischer, aber auch die sich darbietende gute Ackerscholle Hessen sie nichtbrach liegen, wie dies die M ahlsteine un d G etreideabdrücke in den D örfern beweisen. Als H austierehielten sie ausser dem verehrten Pferde R inder und Schweine. Sesshafte Fam <strong>il</strong>ien undSippen tö pferten eine einheitliche K eram ik, bei der die S chnurverzierung überw iegt und derK u ltu r den N am en gab. Ausser den B echern w aren die Schalen und ovalen W annen beliebteGefässform en. In der R utzauer Siedlung lagen auch G räber, die wie bei allen Becher- und S treitaxtku ltu ren E inzelgräber w aren. Die T oten sind, wie erw ähnt, fast säm tlich schm algesichtigund langköpfig. W ährend im N ordosten gerade die sächsisch-thüringische H eim at st<strong>il</strong>istisch h ervo rtritt und d am it zugleich einen raschen Zuzug von Siedlern bek undet, tre te n im ehem aligenPolen auch viele oderschnurkeram ische, insbesondere schlesische M erkm ale hervor. D er allgemeine Z ustrom nordischen B lutes in m ehreren Völkerwellen w ird sogar von der ehem aligenpolnischen Forschung anerk an n t u n d im S chrifttum wie selbstverständlich b estätig t. Die S treitaxtträg er bringen die Schnurkeram ik und das kennzeichnende H ockergrab über das G e n e r a l­g o u v e r n e m e n t hinaus nach R ussland, in die U kraine und ans Schwarze Meer. E inzelne Gauehaben eigene Form en hervorgebracht. A u f eine altnordische V orbevölkerung trafen die S chnurkeramiker vom Zlotaer T ypus, der w eit v erb reitet ist. F erner häufen sich die H interlassenschaftendes M iechower Typs in K leinpolen. Schliesslich kan n m an von einer ehem als südostpolnischenSchnurkeram ik sprechen.Auch nach den s c h l e s is c h e n S t e i n z e i t d ö r f e r n von Jordansm ühl und Nosswitz wie über diew eiten Gaue gelangten die binnenländischen N ordm änner. A uch hier b au ten sie ihre viereckigenH olzpfostenhäuser m it der vielkantigen S treitax t, die auch W erkzeug w ar. Im Ausklange derIndogerm anenzeit erb lü h t die nordische M a r s c h w itz e r K u l t u r , die von Jü tla n d und vom Odergebiether Zuzug erhalten haben m ag. Die N ordm änner schufen die alten S treitäx te vom Zobtentypus,die w ir in den H ockergräbern, aber auch w eit v erstreu t anderw ärts finden. Eine späteB lüte nordisch-indogerm anischen V olkstum s erhob sich über einer donauländischen Vorbevölkerung,zu der je tz t auch B evölkerungste<strong>il</strong>e des W estkreises (G lockenbecherkultur) hinzugetretenwaren. D er breite Indogerm anenstrom flutete an S udeten und K arp aten entlang in den offenenOsten.Aus den gesch<strong>il</strong>derten nordischen Völkerwellen leu ch tet eine erstaunliche D y n a m ik , derenS trahlk raft starke W urzeln in der N ordheim at und im W e se n i h r e r T r ä g e r gehabt haben muss.Aus ihren W o hnbauten, ihren G rabdenkm älern und ihren grosszügigen U nternehm ungen der Besiedlungvon N euland spricht ein einheitlicher organisatorischer W <strong>il</strong>le, der n u r der Ausfluss einesklaren zielbew ussten politischen H andelns sein kan n. D eshalb sind w ir berechtigt, die V ernordungA lteuropas und dam it auch des O straum es als das erste grosse p o litis c h e G e s c h e h e n zu bezeichnen.Ü berw inden doch die N ordvölker im Laufe der Jun gsteinzeit nicht weniger als dreigrosse K ulturen, — K u ltu ren allerdings, denen m an n ich t den E h rentitel als Schöpfer von späterenEinzelvölkern geben kan n. Siegreich u n d kultursp endend schob sich das nordische Grossvolküber die anderen. Dieser Siegeszug w äre u n d en k b ar gewesen, wenn er sich nicht auf r a s s is c h eÜ b e r l e g e n h e it und eine Reihe von K u ltu rg ü tern gründete, die gerade dem in d o g e r m a n is c h e n12


U r v o lk 17) eigen sind, und zw ar dem von der S prachw issenschaft erschlossenen Indogerm anenvolk.Dieses B auernvolk besass eine L ebensordnung, die über Fam <strong>il</strong>ie und Sippe hinaus die grössereG em einschaft gliederte, fü h rte u n d d am it stän dig erzog.Seit dem Beginn der anschliessenden U r g e r m a n e n z e i t gehen n u n aus den verschiedenen Aus*strahlungsgebieten des U rvolkes die indogerm anischen E inzelvölker hervor, aus der nordischenU rheim at die U r g e r m a n e n , die auch den O straum erreichen, aus den bandkeram ischen und dennordisch-indogerm anischen Siedlern die U r<strong>il</strong>lyrer oder N o r d i l l y r e r , die in M itteldeutschland,in ganz O stdeutschland u n d den ben achb arten L ändern, so im G eneralgouvernem ent, in Böhm enund M ähren, in U ngarn u n d d arüber hinaus siedelten; aus der nordeurasischen G rundbevölkerungund den zuw andernden S treitax tm ännern entstanden die A l t b a l t e n , w eshalb der N ordostzipfelunserer deutschen H eim at eine zw ar altbaltische, aber eben auch indogerm anische B evölkerungbesass. Das indogerm anische Einzelvolk der Slawen tr a t dam als noch n icht in das L icht der Vorgeschichte.Im näheren O straum existierte es noch n icht (A bb. 2).Das Siedlungsgebiet der U r g e r m a n e n erstreck te sich zunächst, sow eit es hier im ostdeutschenLebensraum der B etrach tung unterliegt, von der unteren Elbe u n d vom M ittelelbegebiet bis zurunteren Oder. Dieser Siedelraum bestand seit Beginn der U rgerm anenzeit; das urgerm anische Volkerw eiterte aber seit 1000 v. Zw. seinen L ebensraum sowohl nach dem W esten wie nach dem Osten.Ü ber V orpom m ern wuchs das Siedelland nach H interpom m ern bis ins W eichselm ündungsgebiet.Bevor aber diese O stausdehnung erreicht w urde, b reitete sich zwischen u n terer Oder und untererW eichsel der eigentüm liche ostpom m ersch-w estpreussische K u lturk reis18) aus, der in Stufe Ieine völkisch schw er deu tb are Stein w annengräbergruppe (Iw no, K r. Schubin; G robia, K r. B irnbaum; Schm irtenau, K r. Flatow ) e n th ält, eine M ischgruppe. So ist jedenfalls auch der ganze K ulturkreisin den Stufen I I und I I I ein M ischkreis, dessen E rforschung aber erst im Gange ist. In derjüngeren U rgerm anenzeit ist aber P om m ern19) und W estpreussen grösstente<strong>il</strong>s urgerm anisch geworden.Südlich reicht urgerm anisches W ohngebiet in dieser Zeit bis zur W arth e und Netzeniedeöstlichgreift es bis zum H and der E lbinger H öhen vor. D as u n tere W7eichselland ist alsoauch einbezogen. Die u r g e r m a n is c h e n B a u e r n h aben sich hier eine b lühende K u ltu r geschaffen,die durch den reichen B ronzeschm uck un d die edlen Bronzewaffen einen einzigartigen H ochstandv errät. Die aus nordischen B aum särgen geborgene T rach t gibt das entw ickelte H ausw erkder U rgerm anin zu erkennen, w ährend die erste grosse M etallkunst das vielgestaltige H a n d w e r kdes zünftigen Bronzegiessers u n d Schm iedes en th ü llt. Die letzte Stufe der U rgerm anenzeitlässt sogar schon die E rstentw icklung der O stgerm anen erkennen. Die H ügelgräber m it B randbestattungenw erden von den F lachgräberfeldern der Grossendorfer G ruppe19) abgelöst. Die U rnenzeigen zweierlei: nordgerm anische H erk u n ft bei den H aus- und Speicherurnen, die zugleich einenhochstehenden W ohnbau erschliessen, u n d V orform en der G esichtsurnenkultur. M it R echtbezeichnet m an ihre H ersteller u n d dam it die K u ltu rträg er selbst als F rühostgerm anen.Die benachbarten A ltb a l t e n 20) heben sich von den U rgerm anen durch das Fehlen typischer G erätedeutlich ab. In der älteren U rgerm anenzeit ist es n u r ein geringes eigenes Form engut, das die Ausbreitungöstlich der E lbinger H öhe über O stpreussen, L itauen und K u rland bis zur unteren D ünal7) W alther Schulz, Indogerm anen und Germ anen. Leipzig 1936. — H ans Seger, Vorgeschichtsforschung und Indogcrmanenproblem.In. H irt-Festschrift, Heidelberg 1936. S. 1 ff. — W erner Radig, Die nordischen Grundlagen Alteuropas.Leipzig 1941 (im Druck).JS) Carl Engel und Wolfg. La Baum e, K ulturen und Völker der Frühzeit im Preussenlande. Königsberg 1937. S. 67 ff. —L. K<strong>il</strong>ian, Das Siedlungsgebiet der B alten in der älteren Bronzezeit. In: A lt-Preussen, Jg. 3, H. 4, 1939. S. 107 ff.“ ) E m st Petersen, Die frühgermanische K u ltur in O stdeutschland und Polen. = Vorgesch. Forschungen. 11,2. Berlin1928. — H. Eggers, Das Fürstengrab von B ahn, Kreis Greifenhagen und die germanische Landnahm e in Pommern.In: Baltische Studien. N. F. 38, 1936, S. 1 ff.20) Carl Engel, Vorgeschichte der altpreussisehen Stäm m e I. Königsberg 1935.13


ezeichnet; wie w eit es sich nach K ongresspolen u n d das ehem alige L itauen hinzieht, bed arf nochder Erforschung. In der jüngeren U rgerm anenzeit lässt sich ein W estbaltischer und O stbaltischer Kulturkreisunterscheiden. W ir beschränken uns hier a u f die W e s t b a l t e n als den V orfahren der Altpreussen.Das hervorstechendste M erkm al, allerdings nicht das einzige, ist der B rauch, H ügelgräberanzulegen. Dieses B rauch tum ist jedoch schon so vielgestaltig, dass C. Engel in Ostpreussen landschaftlichgebundene U ntergruppen der W estbalten erkennen konnte. An die U rgerm anen grenztdie w estm asurische G ruppe, die auch das O derland und Te<strong>il</strong>e des E rm landes einnim m t. Sie begleitet den Passarge- und Allelauf. Die ostm asurische G ruppe hinterliess an den U ferrändern der Seenihre H ügelgräber. Die Sam ländisch-natangische G ruppe greift ü ber dieD eim e hinaus. Ganz bescheidenist bisher die M em elgruppe an der Minge nachgew iesen. A ber gerade das M emelgebiet wie auchAbb. 2. U rgerm anen, A ltbalten und Nord<strong>il</strong>lyrerim nördlichen W eichselraum (weisse Flächeunerforscht). Nach Engel und La Baume.das Sam land sind es, die in der U rgerm anenzeit wie sp äter Ü bereinstim m ungen m it dem kulturträchtigenW eichselm ündungsgebiet aufweisen; über die Ostsee sind diese dahin gelangt un d vomSüden sind schliesslich Einflüsse der „L ausitzer K u ltu r“ au f die w estm asurische B altengruppefestzustellen, die als st<strong>il</strong>istische Ü berfärbung, n u r in Einzelfällen als Zuzug aufzufassen ist. DiesesProblem erhebt sich in der gesam ten K ontaktzone der L ausitzer K u ltu r, die von den N ord<strong>il</strong>lyrerngetragen ist.Die N o r d i l l y r e r nehm en in ihren K ernlanden zunächst in der älteren U rgerm anenzeit denR aum ein, den die A unjetitzer K u ltu r u n d die V orlausitzer K u ltu r um fasst. In der m ittlerenund jüngeren U rgerm anenzeit ist es die ausgeprägte L a u s i t z e r K u l t u r , die ihre urtüm lichstenund reinsten F orm en in Sachsen u n d Schlesien hinterlassen h a t.Die A u n j e t i t z e r K u l t u r 21) ist aus den G rund- u n d M ischkulturen hervorgegangen, die am E ndeder Indogerm anenzeit in Schlesien, B öhm en u n d M ähren, Sachsen un d T hüringen verbreitet w aren.Sie greift auch wie diese endsteinzeitlichen K u ltu ren nach Posen über. N ur der W arthegau w irdmit den ersten B ronzen beschenkt, w ährend in der ältesten U rgerm anenzeit der W eichselraumdes G eneralgouvernem ents noch in steinzeitlichen Z uständen v erh arrt. Die A unjetitzer K u ltu rM ittel- und O stdeutschlands lässt in Schlesien einen Ü bergang aus der M arschwitzer K u ltu rerkennen. Nordisches, alteinheim isches und südliches F orm engut floss hier zusam m en. Im gan­21) B. v. Richthofen, Die ältere Bronzezeit in Schlesien. = Vorgesch. Forschungen I, 3. Berlin 1926. — G otthardNeum ann, Die A unjetitzer K u ltu r in M itteldeutschland. In : P rähist. Zeitschrift Bd. 20, 1928. S. 70 ff. — L. Kozlowski,W czesna, starsza i ärodkowa epoka brqzu w Polsce. Lem berg 1928.


zen genom m en en tstan d eine sehr einheitliche K u ltu r, deren T räger n u r bei Sesshaftigkeit eine sotypenreiche K eram ik und Bronzew are herstellen konn ten. M ächtige V orratsgefässe zeugen voneiner gewissen gehobenen W irtschaft, die auch die w ichtigsten H austiere kan nte. D er G rabgebrauchw urde ausserordentlich gepflegt. In M itteldeutschland legte m an fürstlich ausgestatteteH ügelgräber von bedeutenden A usm assen an. Im O sten sind die H ockergräber m it vielen Grabgefässenau sg estattet. Im allgem einen hielt m an an der K ö rp erb estattu n g fest. D aher kennenwir auch das vorw iegend nordrassische Gepräge der ältesten N ord<strong>il</strong>lyrer, die sich gern m it bronzenenK ettengehängen schm ückten. A m reichsten sind jedoch die Schatzfunde, die aus der AunjetitzerK u ltu r stam m en. D a liegen Schm uckstücke und W affen beisam m en; viele B arrenringeerscheinen als R ohbronze, die als „R inggeld“ verhan delt w urden. D as G iessereihandw erk musshier eine frühe B lüte erlebt haben. W arum v ertrau te m an diese R eichtüm er aber der E rde an?Suchte der H ändler oder der reiche H au sv ater in gefahrvollen Zeiten sicheren Schutz im Schossder E rde, oder legte der Illy rer W eihegaben in den B oden? B erühm t sind die D olchstäbe, vondenen z. B. der V erw ahrfund von Schroda, Bez. Posen, Zeugnis ablegt. Die A unjetitzer K u ltu rblühte in der Periode I der Bronzezeit.Ohne jeglichen B evölkerungsabbruch und ohne sichtbare Siedlungslücken setzt sich das Form engutund dam it das V olkstum seiner H ersteller und K u ltu rträg er im w eiteren V erlauf der älterenU rgerm anenzeit, n u n also in Periode I I der B ronzezeit fort. N och ju n g ist die E ntdeckung dieser„V orlausitzer K u ltu r“21). E s w urden je tz t w eitere Siedlungsräum e in B esitz genom m en. Die „V orlausitzer“wie die „L ausitzer“ h aben näm lich auch au f leichteren Böden, und zw ar oft d o rt gesiedelt,wo heute W ald steh t. Ih re Siedlungen und G räber lagen aber im w aldfreien Gef<strong>il</strong>de; ein seit derIndogerm anenzeit eingetretenes trockenw arm es K lim a liess n icht so viel W ald aufkom m en.Links und rechts des Oderlaufes w ohnte der N ord<strong>il</strong>lyrer, ebenso überzog er das W arth elan d unddas N etzegebiet; vereinzelt erscheint die L ausitzer K u ltu r an der W eichsel w estlich von W arschau.Im N orden legte m an F lachgräber an, im südlichen G ebiet auch H ügelgräber; diese sindm it Steinkreisen um zogen. Die Tonw are zeigt die U rform en der aufkom m enden L ausitzer K e­ram ik. Die reichverzierten B ronzen enthalten viel nordisches und südliches E in fu hrgut, das derH andel m it den U rgerm anen und den in U ngarn sitzenden Illyrern ins L and brin gt. A ber auchim B rauch tum k ü n d ig t sich ein W andel an ; w ir erleben den Ü bergang von der K ö rp erb estattungzur B r a n d b e s t a t t u n g , die die nächstfolgenden Jah rh u n d e rte völlig beherrscht.In der m ittleren u n d jüngeren U rgerm anenzeit u n d in der ältesten G rossgerm anenzeit erb lü h t nundie reine L a u s i t z e r K u l t u r 22) im gesam ten ostdeutschen L ebensraum , insow eit n ich t im Nordender K üstenstreifen Pom m erns, W est- und O stpreussens von U rgerm anen u n d W estbalten bewohnt ist. Es ist die U rnenfelderkultur (B ran dbestattung) oder L ausitzer K u ltu r, deren Trägerin ihren V o lk s tu m u m stritten gewesen sind. Bis a u f Carl Schuchhard ist sich die Forschungdarin einig, dass die T räger keine U rgerm anen gewesen sein können. F orm engut und B rauchtumsind zu verschieden. Dagegen d eckt sich das A usdehnungsgebiet der L ausitzer recht gut m it gewissenFluss- und O rtsnam en, auch G ebirgsnam en, deren W o rtstäm m e zweifelsfrei <strong>il</strong>lyrischer H erkunftsind. Später spannen sich greifbare W echselbeziehungen von südlichen W ohngebieten im O stalpenlandbis auf den B alkan, wo heu te noch <strong>il</strong>lyrisches V olksgut leb t. So gew innt die von AlfredGötze, G ustaf Kossinna und Georg W <strong>il</strong>ke sehr früh ausgesprochene A nnahm e vom n o r d i l l y r i s c h e nas) Hans Seger, Die Lausitzer K ultur. In : Reallexikon der Vorgeschichte. Hrsg. v.M . E bert. Bd. 7, S. 251 ff. — B. v.Richthofen, Die Bedeutung der Lausitzer K u ltu r f. d. Vorgeschichte d. D onauländer u. das Illyrertum ihrer Volkszugehörigkeit.In: Mannus-Zeitschr. Bd. 27, 1935, S. 69 ff. — E. Schwarz, Illyrer, K elten und Germ anen in Ostgermanienim Lichte der Orts- und Flussnam en. In : Volk und Rasse. Jg. V I, 1931, S. 98 ff. — W. Bohm , Die ältere Bronzezeitin d. M ark Brandenburg. = Vorgesch. Forschungen, Berlin 1935. — O. F. G andert, Die Verbreitung der LausitzerK ultur in d. preuss. Oberlausitz. Seger-Festschrift 1934. S. 139 ff. — H ellm ut Agde, Bronzezeitl. K ulturgruppen imm itt. Elbegebiet. Leipzig 1939. — Ferner Breslauer Diss.-Drucke von W . Boege, 0 . Kleem ann und G. Raschke.15


name!) in Sachsen25), aufzufassen sind. Das B r a u c h t u m offenbaren am besten die U rnenfelderund die H ügelgräbergruppen. A uch die N ord<strong>il</strong>lyrer legten öfters stattliche H ügelgräber m it erdüberzogenenSteinkreisen an. Die geläufigste G rabform ist das U rnengrab, das einen kleinen H ü ­gel getragen haben m ag. In einer U rne, oft einem D oppelkegel, lag der Leicbenbrand m it B ronzebeigaben.Die U rne w urde m it einer Deckschale verschlossen. R ingsum stellte und legte m anBeigefässe. ^O ft'erhielt das B randgrab einen S teinschutz als P ackung oder als kleine P lattenkiste.M erkwürdig bleibt das durch einen um gestülpten V o rratsto p f geb<strong>il</strong>dete, hier schon vorhandeneGlockengrab. Es gab aber auch ungeschützte G räber, sogar solche, die au f eine U rne verzichteten;da m ochten T ücher oder K örbe zur A ufbew ahrung des Leichenbrandes gedient haben. Biswe<strong>il</strong>enübte m an den B rauch, den L eichenbrand a u f ein P flaster zu streuen (B randschüttung). Sicherlichwollte m an m it der L eichenverbrennung die H auchseele leichter vom K örper befreien.Abb. 3. Besiedlungsgang der frühostgerm a­niseben B astarnen im W eichselraum; im Nordendie W estbalten, im Süden die Nord<strong>il</strong>lyrer(Lausitzer). Nach Petersen und Engel.Die V o l k s b u r g e n verte<strong>il</strong>en sich über die Gaue, liegen biswe<strong>il</strong>en aber auch an den gefährdetenR andgebieten. Soviel ist gewiss, dass sie gegen die andringenden W est- und O stgerm anen errichtetworden sind. Je nach der Beschaffenheit des Geländes w urden sie in der N iederung, noch öfteraber auf Bergen, T errassen, V orsprüngen un d H öhen angelegt. H öhensiedlungen sind schon rechtfrüh angelegt w orden. W ir begnügen uns hier m it der N ennung von wenigen V olksburgen26) derLausitzer K u ltu r: B urg im Spreew ald, die Schw edenschanze von B reslau-O sw itz und die Inselsiedlungvon B iskupin, K r. Znin. Diese R ingburgen (oder auch A bschnittsburgen) bestehen m eistaus H olzerdem auern, G räben und Pallisadenzäunen. M it grossem A ufw and h a tte der S ta a t Polendie Burg von B iskupin ausgraben lassen. D er vortreffliche E rh altungszustan d der W ehrm auernund Blockhäuser g estattete W iederherstellungen verschiedener A rt. Abwegig w ar es nur, diesenord<strong>il</strong>lyrische W ehrsiedlung als „urslaw isch“ (s. o.) hinzustellen.Seit Beginn der G r o s s g e r m a n e n z e it (Abb. 3), also seit 800 vor d. Zw., vollzieht sich erstesweltgeschichtliches Geschehen: d e r A u f b r u c h d e r O s t g e r m a n e n nach dem Südosten! Zua6)W erner Radig, Verwahrfunde der jüng. Bronzezeit in Sachsen. In: M annus-Zeitschr. Bd. 24, 1932 S. 85 ff.26) W erner R adig, Die Burgwalltypen der Lausitzer K u ltu r in W estsachsen. In : Isis Abh. Dresden Jg . 1931 S. 176 ff. —Alfred Götze, Der Schlossberg bei Burg im Spreewald. In : Prähist. Zeitscbr. IV, 1912. S. 279 ff. — Georg Raschke,Schwedenschanze und Kapellenberg von Breslau-Oswitz = F ührer z. Urgesch. Hsg. v. H. R einerth. Bd. 5. Augsburg1929. — Gröd praslowianski w Biskupinie w powiecie Zninskim. P raca zbiorowa pod redakcjq prof. dr. J. Kostrzewskiego.Posen 1938. Hierzu (S.), Die Grabung von Biskupin. In: Ostland-Berichte. Jg. 1939, Nr. 3. Reibe A. S. 119 ff.17


nächst ist es ein langsam es V orrücken der B astarn en, die sich in der Steinkisten- oder Gesichtsurnenkulturdes dichtbesiedelten W eichselm ündungsgebietes zu erkennen geben. In diesemZ eitalter blühte die nord<strong>il</strong>lyrische K u ltu r überall noch w eiter, wo sie an den Randzonen nichtschon m it G erm anen durchm ischt w urde. Ih re Tonw are fiel durch G raphitierung oder im S üdostenauch durch B em alung27) auf. Sie verm ochte sich jedoch au f die D auer in M itteleuropanicht zu halten. Zwischen 500 u n d 400 vor d. Zw. w ar die L ausitzer K u ltur tro tz ihresgrossartigen B urgennetzes als altern de u n d zuletzt auch ins Spielerische aufgelöste S p ätk u ltu r,wie m an an dem F orm engut erkennen kan n, gänzlich verschw unden. Zu den Gegnern der B urgenkam ausser den G erm anen aber noch ein frem des R eitervolk; die S kythen!28) Ihre A nwesenheit,ihre B urgeroberungen beweisen die skythischen Pfe<strong>il</strong>e in den B urgm auern der N ord<strong>il</strong>lyrer. InFlam m en sind die m eisten festen P lätze, m ochten sie V erw altungssitze oder Festungen gewesensein, aufgegangen. Die S kythen zogen am K arp atenrand entlang und um gingen klug den O stgermanenraum , um die Illy rer in ihren B urgen vernichtend zu treffen. Ih r F ührer scheint in derL ausitz gefallen zu sein, denn ein fürstliches G rab der S kythen liegt in V ettersfelde. Der R eitereinfallw ar dam it beendet.Gehen w ir aber in das A usgangsgebiet der B astarnen29) an der unteren W eichsel zurück. Die schongenannte Grossendorfer G ruppe blühte noch am E nde der U rgerm anenzeit und setzte die F r ü h ­o s t g e r m a n is c h e K u l t u r in die G rossgerm anenzeit fort. Diese K u ltu r erh ält durch die Gesichtsurnen,noch m ehr durch die S teinkisten, in denen Fam <strong>il</strong>iengräber liegen, ih r einheitliches Gepräge.Zu bronzenen Schm uckstücken tra te n eiserne G eräte. In der M ehrzahl b<strong>il</strong>den die eingebetteten Steinkistensog. F lachgräber, die sich von den baltischen H ügelgräbern deutlich unterscheiden. Schonaus diesem G runde und ebenso nach dem K u ltu rin h alt, der aus dem urgerm anischen organischhervorw ächst, ist die polnische These vom U rbaltentum (I) der G esichtsurnenkultur völlig abw e­gig. Die W est- und O stgrenzen der F rühostgerm anen sind fliessend. Im W esten ist die V erzahnungm it den W estgerm anen O stpom m erns begreiflich. Im O sten fü h rte die N achbarschaft m itden W estbalten zu einer Mischzone, die durch das V orhandensein von B urgen als um fochtenesGrenzland charakterisiert w ird. Diese früheisenzeitlichen B urgen wie die T olkem ita und Lenzenam Frischen H aff und die alte C hristburg sind frühostgerm anische B astionen30) an der germ anischbaltischenVölkergrenze, denn vom N ordosten wuchs der B evölkerungsdruck, der sich nach demAuszug der ostgerm anischen Stäm m e viel später noch an N ogat und W eichsel ausw irkte (Altpreussen).Die Südgrenze der B astarn en w urde dagegen stetig und in klar abgezeichneten E ta p ­pen vorverlegt; dieses V o r d r i n g e n geschah a u f K osten der nord<strong>il</strong>lyrischen V orbevölkerungund ihrer B urgen. Vorläufige M ischformen m achten bald dem D urchsetzen rein ostgerm anischerBräuche und K u ltu rg ü ter P latz. Aus P o m m e r e lle n erwachsen, und auch die Tucheier H eideüberziehend, greifen die B astarnen über das N etzebruch und in den W arth egau über; wie sieöstlich der W eichsel Landgew inn erzielen, so dringen sie nach S c h le s ie n vor u n d in der jüngerenE isenzeit überziehen sie den ganzen W e i c h s e l r a u m bis zum Bug m it der S tossrichtung nachdem Südosten. N ur der oberste W eichsellauf bleibt vorläufig noch nord<strong>il</strong>lyrischer Boden. In Südrusslanderscheinen dann die B astarnen m it den Skiren am Schw arzen Meer.27) R udolf Glaser, Die bem alte K eram ik der frühen Eisenzeit in Schlesien. = Quellenschr. z. O stdtsch. Vor- u. Frühgesch.Hrsg. v. H . Seger u. M. Jah n . Bd. 3, 1937.28) M artin Jah n , Die Skythen in Schlesien. In : Schlesiens Vorzeit N. F. IX . S. 11 ff.29) E rn st Petersen, Die B astarnen und Skiren. B reslauer H ab<strong>il</strong>. (Te<strong>il</strong>druck), Leipzig 1939.30) W erner Radig, Das Volkstum früheisenzeitlicher Burgen an der germ anisch-baltischen Völkergrenze. In: Ehrlich-Festschr, Elbinger Jah rb. 15, 1938. S. 72 ff. — W . L a Baum e, Die früheisenzeitl. Burgwälle im Grenzgebiet zw. Ostgermanen u. Alt-Preussen. In: A lt-Preussen 1939. S. 105 ff. La Baum e verm ag den frühostgerm anischen Charakter dervon Radig ausführlich in W ort und B<strong>il</strong>d beschriebenen B urgenkeram ik u. a. Funde n icht zu entkräften. Vgl. W ernerNeugebauer, Vorgesch. Siedlungen in Lärchw alde, K r. Elbing. In : Elbinger Jah rb . 12/13, 1936 S. 149 ff.18


Abb. 4. Ausbreitung der Burgunden zwischen Oder und Weichsel im letzten Jah rhundert vor Zw. (Die wandalischeBesiedlung setzt sich nach Süden hin fo rt; nicht k artiert). Nach D ietrich Bohnsack.Ü ber die w estbaltischen Stam m esgruppen in O stpreussen b rau ch t n icht nochm als gesprochenzu werden, we<strong>il</strong> sie sich aus der U rgerm anenzeit bis in die ältere und m ittlere G rossgerm anenzeit,also auch in die jüngere E isenzeit hinein, erhalten und w eiterentw ickelt haben. Ihre Lebensräum ehaben sich te<strong>il</strong>weise etw as verschoben, das Eisen bleib t noch sehr spärlich. Auch hierin m achensich das w estöstliche K ulturgefälle u n d die K u ltu rv ersp ätu n g bem erkbar.Inzwischen w aren in der jüngeren E isenzeit neue ostgerm anische S täm m e an der O stseeküsteund ihrem pom m erschen u n d w estpreussischen H interlan d eingetroffen (Abb. 4). E s w aren dieV orfahren der B u r g u n d e n 31), die über See von S kandinavien kam en u n d deren Stam m esnam enoch im Inselnam en B ornholm (B urgundarholm ) w eiterlebt.Sie besassen eine schlichte, aber waffenreiche E isenkultur. Schm uck und B ronzen tra te n im Gegensatzzu den jüngeren G oten zurück. In der N ähe der dörflichen Siedlungen lagen die stattlichenFriedhöfe, von denen uns U rnengräber, U rnen m it B ran d sch ü ttu n g und B randgrubengräberüberliefert sind. A uf den U rnen stehen oft sym bolische Zeichen. Die A usbreitung dieser Siedlerdes letzten Jah rh u n d erts vor d. Zw. ist genau b ek an n t. D er nach W esten gerichtete Siedlerstromerreichte über die P ersan te den U n terlau f der O der, ü b ersch ritt diese aber nicht. D er südlichgerichtete B urgunderstrom zog w eichselaufw ärts. „N icht weniger als sieben grössere G räberfelderliegen auf dem R ande des baltischen H öhenrückens hintereinander aufgereiht, vom N ordennach Süden: Oxhöft, Oliva, Langfuhr, D re<strong>il</strong>inden, P rau st, Sukschin, Schönwarling, D irschau“ (D.Bohnsack). Dies ist n u r ein Beispiel fü r die dichte Besiedlung an der D anziger B ucht. A uch nachSüdostpreussen zogen die B urgunden. D as Ste<strong>il</strong>ufer der W eichsel ist im K ulm erland reich m itFriedhöfen belegt. W eiter zogen sie nach N ordosten un d nach K ujaw ien. Sie folgten der uralten3l) D ietrich Bohnsack, Die Burgunden in O stdeutschland und Polen. = Quellenschr. z. O stdtsch. Vor- u. Frühgesch.Hrsg. v. H . Seger u. M. Jah n, Bd. 4. 1938.19


W e i c h s e l s t r a s s e und erreichten die B zuralinie in den K reisen Lowicz und Sochaczew, auchnördlich von der W eichsel fassten sie z. B. im K reise Plozk Fuss. U ber das w eitere Schicksal derB urgunden berichten Sage und schriftliche Ü berlieferung.E he wir uns zu dem gleichwertigen N achbar stam m , den W andalen, w enden, m uss eines südwestlichenZustrom es in den ostdeutschen L ebensraum gedacht w erden. E s sind die V ertreter eines anderenindogerm anischen N achbarvolkes, die K elten32), die sich in Schlesien bem erkbar m achten. Diew anderfreudigen K e l t e n erschienen von B öhm en und M ähren her au f ihrer O stw anderung überden G latzer Kessel in M ittelschlesien und au f dem oberschlesischen Löss. Im 4. und 3. Ja h rh u n d ertvord . Zw. en tfalteten sie eine eigenständige K u ltu r, wobei die m ittelschlesische G ruppe im 2. u n d 1.Ja h rh u n d e rt ihre Selbständigkeit durch das V ordringen der W andalen einbüsste, w ährend dieVolker (Volcae Tectosages) Oberschlesiens ihre E igenart bew ahren konnten. Der hervorstechendsteB rauch w ar die K ö rp erb estattu n g der K elten, die sich klar von der w andalischen B ran d b estattu n gabhob. F erner verdient die hochstehende D rehscheibentonw are der K elten E rw ähnung; sie w arder w andalischen überlegen und w urde deshalb von dieser vielfach angenom m en. E in keltischesoppidum m uss auch bei B ieskau, K r. L eobschütz, gelegen haben. Die ansehnliche K eltenkulturw urde aber von einem jugendfrischen B auernkriegerstam m überw unden, eben den W a n d a le n .D er V orgeschichtsforschung gelang es, die U rheim at33) der W andalen zu erm itteln. Vom N ordenJü tlan d s, aus den L andschaften Vendsyssel (V and<strong>il</strong>skagi), H im m erland (Him baersyssel) undT hyland (T hyot), sind um 100 vor B eginn unserer Z eitrechnung die W andalen zusam m en m itden K im bern und T eutonen aufgebrochen. Ü ber die Ostsee gelangten sie zur O derm ündung undzogen dan n flussaufw ärts, um sich bei B reslau m it den schlesischen B ojern zu schlagen. Sie ergossensich über Nieder- u n d M ittelschlesien (Abb. 5), über die N iederlausitz, ebenso aber auchüber den W arth egau und d e n g e s a m te n W e i c h s e l r a u m bis zum Bug, soweit der R aum imN orden nicht von B urgunden besiedelt w ar. A uch der O berlauf der W eichsel w ar im ehem aligenK leinpolen rings um K rakau w a n d a l i s c h e r V o l k s b o d e n . Schon die w andalischen Pfostenhäuservon langgestreckter F orm zeigen die Ü bereinstim m ung im nordgerm anischen H eim atland undim ostdeutschen R aum . Die bäuerliche K u ltu r spricht aus stattlich en Backöfen und anderenZügen des Siedlungswesens. A m reichhaltigsten sind die B randgräber, die als U rnengräber,B randgruben- u n d B randschüttungsgräber erscheinen; die U rnengräber lassen W affen verm issen,w ährend die anderen G rabform en gerade reichen W affenschm uck aufweisen. Schliesslich legtendie W andalen auch K örpergräber an, die m an nach ihren Beigaben von keltischen Skelettgräbernunterscheiden kann. D er überlieferte H au srat v e rrä t einen ungew öhnlichen H ochstand, dersich durch Jah rh u n d erte erhielt, zu Beginn der V ölkerw anderungszeit sogar noch gesteigertw urde. Zeigen doch die K önigsgräber von S akrau einen fürstlichen R eichtum , der in den Beigabender K örpergräber, — im vierten Ja h rh u n d e rt h a tte die Leichenverbrennung aufgehört, —zum glänzenden A usdruck kom m t. H ier legten w andalische Edle f<strong>il</strong>igranverzierte Goldfibelnund andere Schm uckstücke aus vergoldetem S<strong>il</strong>ber bei ihren T oten nieder. D en H au srat beleuchtenein Ebenholzeim er m it Zierbeschlägen und viele D rehscheibengefässe. D iesen einheim ischenErzeugnissen stehen in den S akrauer G räbern E infuhrstücke provinzialröm ischer H erkunftzur Seite. Bronzegefässe und G lasschalen sowie B rettspielsteine gehören zum röm ischen E in ­fuhrgut, das seit dem 1. Ja h rh u n d e rt verschieden stark bei den ostgerm anischen Stäm m enEingang gefunden h a t. Einheim isch w aren dagegen in den beiden ersten Ja h rh u n d erte n die h an d ­gearbeiteten M äanderurnen und Gefässe m it He<strong>il</strong>szeichen; einheim isch w ar auch die Eisenwaffenausrüstungdes nordischen B auernkriegers.32) M artin Jah n , Die K elten in Schlesien. = Quellenschr. z. O stdtsch. Vor- u. Frühgesch. Bd. 1, 1931.33) K u rt Tackenberg, Die W andalen in Niederschlesien. = Vorgesch. Forsch. I, 2. Berlin 1925. — M artin Jah n , DieW anderung der Kim bern, Teutonen und W andalen. In: M annus-Zeitschr. Bd. 24,1932. S. 150 ff. — Christian Pescheck,Die frühwandalische K u ltur in M ittelschlesien. = Quellenschr. z. O stdtsch. Vor- u. Frühgesch. Bd. 5. 1939.20


Abb. 5. Ausbreitung der W andalen und Burgunden in Schlesien. (Die Besiedlung ist ausserhalb der ehemaligenProvinzgrenzen nicht k artiert, setzt sich aber nach Norden und Osten fort). Nach K am eradschaft stud.Vorgeschichtler der U niversität Breslau.D er W andalenstam m der H a s d in g e n scheint u n ter der straffen politischen F ühru ng eines K önigsgeschlechtsgestanden zu haben, das alle w andalischen Stäm m e, wie z. B. auch die S <strong>il</strong>in g e n , ineinem m ächtigen W a n d a l e n r e ic h zusam m engefasst haben m uss. Im S<strong>il</strong>inggau h ü teten würdigeV ertreter dieses Stam m es den he<strong>il</strong>igen Berg, den w ir heute S<strong>il</strong>ing34) nennen. D as von T acitusgesch<strong>il</strong>derte H e<strong>il</strong>igtum der göttlichen B rüder, der Alken, ist au f der B ergkuppe des S<strong>il</strong>ing zufinden. Es liegt am R ande des G aues, wie dies oft bei he<strong>il</strong>igen H ainen der F all ist, aber doch w eithindas L and beherrschend. Seit der M itte des 2. Jah rh u n d erts geriet ein neuer G erm anenstamm in Bewegung, der seinen K ultureinfluss a u f die W andalen au sstrah lte; es sind die Goten,denen wir uns noch zuw enden, nachdem wir schon in S akrau ih ren K u n stst<strong>il</strong> kennenlernten.Neuen kriegerischen E in satz erprobten die W andalen in den M arkom annenkriegen; in N ordungarnbefindet sich ihre H interlassenschaft, ohne dass diese in Schlesien zu bestehen aufgehört h atte.E rst um 400 erfolgte der grosse A ufbruch. D er H u nnenstu rm löste erneut germ anische Stam m eszügeaus. 406 zogen die W andalen über den R hein. Ih r Zug nach W esteuropa und N ordafrika istw eltbekannt, ein heldisches Beispiel germ anischer Stam m estragik, entw urzelt dem allm ählichenU ntergange geweiht zu sein.Ih r politisch noch erfolgreicherer N achbarstam m w aren die G o te n 35), die um die Zeitwende inW estpreussen Fuss fassten. Sie sind nach ihrer Stam m es- und W andersage au f drei Schiffenüber das Meer gekommen. Vom G ötaland in Schweden her erreichten sie das W eichselm ündungsgebiet,in dem sie eine reiche bäuerliche K u ltu r en tfalteten , die noch in das westliche OstpreussenÜbergriff und selbst im Sam land ihren st<strong>il</strong>istischen N iederschlag gefunden h at. D urch diesenM) F ritz Geschwendt, S<strong>il</strong>ing, der Schlesierberg. = F ührer z. Urgesch. Hrsg. v. H . R einerth. Bd. 4. Augsburg 1928.35) G ustaf Kossinna, Die germanische K u ltur im 1. nachchristl. Jahrtausen d. M annus-Bücherei Bd. Nr. 50, Leipzig1930. — R einhard Schindler, Die Besiedlungsgeschichte der Goten und Gepiden im unteren W eichselraum. = Quellenschr.Vor- u. Frühgesch. Bd. 6, 1940.21


Zuzug w urden die B u r g u n d e n zum Te<strong>il</strong> nach dem Südw esten abgedrängt, so dass diese schliesslichdie m ittlere Oder überschritten und bis zur E lbe vorstiessen. Die G ründung des B urgunderreichesam O berrhein und ihre zweite R eichsgründung in der W estschweiz erfolgten später.Das W eichseldelta w urde „G e p id e n - A u e “ genannt, ein Hinw eis au f die engnachbarliche Stam m esgruppeder G oten. Diese pflegten w ieder ihre T oten zu b esta tte n ; den M ännern gab m an keinenW aflenschm uck m it, den F rau en dafür den reichsten Schm uck, vor allem Schlangenkopfarm bänderaus Bronze oder E delm etall. Die G rabgefässe h a tte n m eist Terrinenform . E rstaunlich ist derW ohlstand, der u. a. in der m annigfachen röm ischen E infuhrw are zum A usdruck kom m t. L ebhafteH andelsbeziehungen span nten sich ü ber die B ernsteinstrasse der K üste und über die W eichselstrassenach Südrussland. D o rthin fü h rte auch der W eg des G otenstam m es selbst, der schon um200 nach Zw. beschritten w orden sein m uss. M it m ehreren Trecks ist zu rechnen; aber selbstwiederholte N achschübe verm ochten nicht den ostdeutschen H eim atboden völlig zu entvölkern.Es entstan d das G o te n r e ic h E r m a n a r i c h s , das vom W eichselraum bis zum U ral und von der O stseeküstebis zum Schw arzen Meer reichte. Die Gepiden gründeten in Siebenbürgen ein Reich,dessen E delschm iedearbeiten w eithin Aufsehen erregten. Die gotisch-gepidische K unstübungstrahlte vom Südosten w ieder zurück a u f die H eim atgaue u n d begegnete sich m it nordgerm anischenN euprägungen in den K unstschöpfungen wie P rachtfibeln und anderem Geschmeide. DieGoten tra te n dann führend in das europäische politische Geschehen ein und dam it auch in dasF rühlicht schriftlicher Ü berlieferung. T rotz der starken E ntblössung des ostdeutschen Lebensraumes w urden die Gaue W est- u n d O stpreussens, Pom m erns und des W arthegaues, der M ark,Schlesiens und des w eiten W eichselbogens n icht völlig siedlungsleer. Die neuesten Forschungen36)haben bewiesen, dass w ir eine germ anische R e s t b e v ö l k e r u n g vom 5. bis 7. Jah rh u n d ert einwandfrei nachw eisen können. In Südostpreussen, besonders im K r. Allenstein, bestand im 6. biszum 8. Ja h rh u n d e rt eine eigene m asurgerm anische Stam m esgruppe m it dem Brauch, in dieB randgräber bronzene, oft auch vers<strong>il</strong>berte oder vergoldete P runkfibeln — m it Tierkopf- und öftersF lechtbandverzierungen — beizulegen. Die Tonw are h a t jedoch ein w estbaltisches Gepräge,weshalb das V olkstum dieser K u ltu r nicht endgültig geklärt ist. D er ostgerm anische St<strong>il</strong> der B ronzenist jedoch unleugbar.W enn auch nicht in einer geschlossenen G ruppe wie in O stpreussen, so sind doch in allen ostdeutschenL ändern un d G auen verstreute Zeugen einer s p ä t g e r m a n i s c h e n B e s ie d lu n ganzutreffen. In Schlesien (Sleenzane, Slenz) hinterliess N im ptsch Zeugnisse des 6. Jah rh u n d erts.Die S kelettgräber von Oszczyw<strong>il</strong>k, K r. K alisch, bargen ebenfalls spätostgerm anischen Schm uck undder H o rtfu nd von K onarzew , K r. L entschütz (Lgczyca), en th ält eine kostbare S<strong>il</strong>berschnalle aus derzweiten H älfte des 6. Jah rh u n d erts. Aus D obra, K r. Nessau (Nieszawa), stam m t eine völkerw anderungszeitlicheBronzefibel m it halbrunder K opfplatte. Röm ische M ünzen, die also auch von Siedlernoder H ändlern verloren w orden sein m üssen, von K rakau und südlich des W eichseloberlaufesstam m en aus dem 4. Jah rh u n d ert. W ieder ist es der K r. Kalisch, der w enigstens vier Goldm e­da<strong>il</strong>lons an verschiedenen Stellen hinterlassen h a t, die sicherlich erst im 5. Ja h rh u n d e rt in dieE rde gelangt sind. Im W arthegau barg m an w eitere M ünzen aus dem gleichen Jah rh u n d ert.Zweifellos lässt sich auch im G eneralgouvernem ent bei erhöhter A ufm erksam keit das F undnetzdieses Z eitraum es verdichten. A n der O stseeküste erschienen nordgerm anische H ortfunde undaus den zahlreichen w estgerm anischen F unden heben sich die fränkischen heraus, die in einer erstenV erbindung m it westslaw ischen Zeugnissen au ftreten . Befinden w ir uns doch seit Beginn des7. Jah rh u n d erts in einem Z eitraum , der die ersten W e s ts la w e n im Gefolge der A w a r e n au fvordem ostgerm anischen Boden sieht. Auffällig ist das west- un d nordgerm anische K u lturg ut,36) E rn st Petersen, Der ostelbische R aum als germanisches K raftfeld im Lichte der Bodenfunde des 6.— 8. Jahrh. (Ausdem Landesam t f. Vorgesch. in Breslau). Leipzig 1939.-— Ders., Der O rt N im ptsch und seine Bedeutung f. SchlesiensFrühgeschichte. In: Jom sburg. Jg. 1, 1937. S. I I ff.22


das auch dann noch in w estlaw ischen Siedelstellen erscheint, z. B. in der <strong>il</strong>lyrischen M oorburgvon B iskupin (s. o.), K r. Znin, die im F rü h m ittelalter noch eine westslawische Belegung erhielt.D ort b en utzte m an fränkische H akensporen u n d tru g eine gotländische, also nordgerm anische Gewandhafte. Das häufige A uftreten fränkischer W affen und G eräte h a t sogar zu der neuen Auffassunggeführt, dass fränkische H andelsgefolgschaften im slawischen N euland bei den kulturellohnedies in denkbar einfachsten Form en lebenden N eusiedlern einen m <strong>il</strong>itärisch geschütztenH andel ü b ten , der die Slaw engaue von vornherein in einer A bhängigkeit vom F r a n k e n r e i c hhielt. Diese politische Tendenz un d der M angel an staatsb<strong>il</strong>dender K raft liessen som it die W estslawenvon einer aw arischen H errschaft in eine fränkische hinübergehen. D er F rankenkaufm annSamo ist ein treffliches Beispiel hierfür. Die awarisch-slawische V erbindung tr itt37) in der archäologischenH interlassenschaft in O stm itteldeutschland und im w eiteren O sten m ehrfach hervor,ausser in O stoberschlesien z. B. am K rakushügel in K rak au und au f der B iskupiner Burg. Demoben gesch<strong>il</strong>derten w estgerm anischen K ultureinfluss in w estöstlicher R ichtung tr itt nun sehr baldein erneuter nordgerm anischer Aus griff zur Seite, das W ikingertum (Abb. 6).Aus den nordgerm anischen F unden sprachen schon die F r ü h w ik i n g e r , die an der O stseeküsteSchiffe hinterlassen haben. Vom 9. bis 11. Ja h rh u n d e rt m acht sich nun ein kultureller Zustroman der K üste, an den M ündungen der Ström e und an den Flüssen selbst bem erkbar, der nicht37) W alter Frenzel, Vorgeschichte der Lausitzen. = Die Lausitzer W enden. H . 1, 1932. — Heinrich K u rtz, SlawischeBodenfunde in Schlesien. In: Schriften, d. O steuropa-Instituts in Breslau. B reslau 1936. — H. A. K norr, Die slawischeK eram ik zwischen Elbe und Oder. M annus-Bücherei Bd. 58, 1937. — A. B rackm ann u. W. U nverzagt, Zantoch. EineBurg im deutschen Osten. Leipzig 1936. — W . Hülle u. W. R adig, W estausbreitung und W ehranlagen der Slawen inM itteldeutschland. M annus-Bücherei Bd. 68, 1940.23


n u r au f S t<strong>il</strong>übertragungen, sondern au f die persönliche A nw esenheit der W ik in g e r 38) im O straumzuruckzufuhren ist. An der O derm ündung lag die Jom sburg und von der schleswigschen H andelsstad t H aith abu fuhren die W ikinger z. B. nach dem preussischen H andelsplatz Truso am E lbingfluss.H ier h a tte sich ebenso wie im S am land altpreussisches V olkstum ausgebreitet. D o rt ander sam ländischen K üste liegt bei dem Cranzbeker W ikingerhafen der inhaltsreiche F riedhofvon W iskiauten. Gehen wir aber landeinw ärts in den w eiten offenen O straum , so überraschenuns die vielen W ikingerfunde von W affen und Schm uck an Flussläufen, z. B. auch die G räbervon W arm hof bei Mewe an der W eichsel, wohl ein S tü tzp u n k t des W eichselverkehrs bei Dirschau.Die B odendenkm aler lassen sich in Ost- un d W estpreussen häufen; dasselbe g<strong>il</strong>t für Schlesien undden W arthegau. In Masowien beherbergen die K reise Plozk u n d Plonsk m ancherlei W ikingerreste,wie z. B. auch im K reise K u tn o ein W ikingerschw ert von D om anikow überliefert ist. Ziehen wirnun noch die O rtsnam en heran, so m ehren sich die Zeugnisse; im ehem aligen „Grosspolen“ undK ujaw ien sind es etw a zwanzig O rtsnam en nordischer H erkunft, in Masowien und „K leinpolen“etw a je drei, die die A nw esenheit der W ikinger und W aräger sicherstellen. W issen wir doch, dassdie ersten westslaw ischen S taatsb<strong>il</strong>dungen au f w arägische F ü h rer zurückgehen, wie dies bei R urikals G ründer R usslands der F all ist. Auch der G ründer des Polenreiches, der Zusam m enfassungder Polanen, w ar der T räger des germ anischen N am ens D a g o . Seine, d. h. eben Mieszkos Leibwachem uss aus norm annischen K riegsm ännern bestanden haben. A uch die P iasten sind nordischerH erkunft gewesen. Die W estslaw en haben also den O stseewikingern nicht genug zu danken,denn die erste aufbauende K raft und M achtb<strong>il</strong>dung kam aus nordischer H and. U nd der Zuzugnorm annischer K aufleute und H andw erker brachte wikingisches B lut zu W enden und Sorben,das sie bald zu einem A ufgehen im nach dem O sten erneut ausgreifenden D eutschtum fähigergem acht haben m ag.Sobald das D eutsche Reich u n te r den Sachsenkaisern zur M achtfülle gelangte, w andte es denBlick nach dem O sten, um nicht allein m it dem Schw erte, sondern im Laufe der Jahrh u n d ertenoch m ehr m it dem Pfluge seinen V olksboden zu erw eitern, tief bis in den W eichselraum hinein.) H ans Jäm chen, Die W ikinger im Weichsel- und Odergebiet. Leipzig 1938. — K u rt Langenheim , Die neueren slaw. u.wikmgischen Bodenfunde in O stdeutschland. In: Jom sburg Jg. 1, 1937. S. 198 ff. — P eter Paulsen, A xt und Kreuz beiden Nordgerm anen. = Deutsches A hnenerbe, Reihe B. Frühgesch. Bd. 1. Berlin 1939. — Wl. Lt ga, K ultura Pom orzawe wczesnym sredniowieczu na podstawie wykopalisk. Thorn 1929/30. Die abwegigen Lehrm einungen werden in derdeutschen Ausgabe von W. L a Baum e, O stland-Schriften 5, Danzig 1933, zurückgewiesen. - E rn st Petersen, Die germamscheFruhzeit des Ostens im Lichte des neueren Schrifttum s zur Vor- und Frühgeschichte. In: Jom sburg Jg. 2,1938. S. 384 ff. — Hagem eyer, Europas Schicksal im Osten. Hrsg. v. A m t Rosenberg.Im vorliegenden Aufsatz konnte nur eine Auswahl aus dem neuen Schrifttum erw ähnt werden. Der Verfasser.24


<strong>DI</strong>E ARCHIVE DES GENERALGOUVERNEMENTS*)V O N S T A A T S A R C H I V D I R E K T O R D R . E R I C H R A N D TDer hier gegebene erste Ü berblick über das staatliche und nichtstaatliche A rchivgut des G eneralgouvernements findet in dieser, au f die deutsche O starbeit ausgerichteten Z eitschrift die geeignetsteStelle. E r soll den V erw altungsbedürfnissen des G eneralgouvernem ents u n d des Reichesdienen u n d nach den durch den K rieg eingetretenen V eränderungen der F orschung die notw endigeO rientierung bieten1).Mit der V ernichtung Polens im Septem ber 1939 und den dadurch bedingten territo rialen V eränderungensind nicht n u r eine Fülle von V erbringungen und V erlusten behördlichen Schriftgutes2),sondern auch viele V erlagerungen von A rchivalien u n d ganzen A rchiven u n d natürlich auch grosseVerluste an w ichtigstem historischem Q uellengut allgem ein eingetreten.A r c h iv d e s A u s w ä r tig e n A m te s in W a r s c h a uVon aktuell politischem Interesse w ar zu B eginn des Krieges n atü rlich zunächst die Sicherstellungder A kten, K orrespondenzen und A rchivalien des ehem aligen polnischen A u s w ä r tig e n A m te s ,die unverzüglich nach der E innahm e W arschaus durch die W ehrm acht, V ertreter des deutschenA uswärtigen A m tes und der deutschen A rchivverw altung erfolgte, soweit diese B estände überhaupt noch vorhanden w aren. W ie n icht anders erw artet, h a tte n die B eam ten des polnischen A uswärtigen A m tes das politisch w ichtigste bzw. belastende M aterial v erb rach t oder w eitgehend v ernichtet.Grosse A ktenm assen dieser A rt sind im H o f des Palais B rühl vor der Einschliessung W arschausv erb ran n t oder (in K isten verpackt) über R um änien nach dem feindlichen A usland v erbrachtw orden. Gleichwohl sind aber noch so w ichtige diplom atische A kten und K orrespondenzenvor der V ernichtung oder V erschleppung bew ahrt geblieben, dass unser A usw ärtiges A m t auchhieraus M aterialien z. T. höchst bedeutsam en In h alts für die von ihm veröffentlichten D okum entezur Vorgeschichte des K rieges3) verw erten und der W eltöffentlichkeit vorlegen konnte.*) U nter diesem T itel sollen nicht nur die S taats- und Stadtarchive, sondern auch die H errschafts- und die geistlichenArchive des Generalgouvernem ents übersichtlich behandelt werden. Der Um fang der G esam tübersicht bedingt naturgemässdie Aufte<strong>il</strong>ung des Stoffes au f m ehrere H efte dieser Zeitschrift.*) Das nach dem W eltkriege herausgegebene allgemeine Sam melwerk von Edw ard Chwalewik, Zbiory Polskie —Archiwa,Biblioteki, G abinety, Galerie, Muzea i inne Zbiory Pam iqtek Przeszlosci w Ojczyznie i n a Obczyznie, 2 B ände (W arschau-Krakau1926/27), das auf Um fragen beruht, ist durch die eingetretenen Veränderungen weitgehend überholt undwar an sich schon vor dem jetzigen Kriege hinsichtlich der Archive sehr verbesserungsbedürftig.2) Auf die A kten der bis 1939 kurrenten ehemals polnischen Behörden, die in grossem Um fang für die Verw altung desGeneralgouvernements und die der neuen Reichsgebiete w eiter benötigt werden, kann hier nur insoweit allgemein eingegangenwerden, als die Archivverw altung in Z usam m enarbeit m it den eingesetzten Abwickelungsstellen bei den einzelnenZentralbehörden die erforderlichen Sichtungsarbeiten durchzuführen und wesentliche B estände zu übernehm enhat. F ast alle R egistraturen polnischer Zentralbehörden, wie die der obersten und nachgeordneten Verw altungsbehördenin den ehemaligen W ojewodschaften haben durch Kriegseinwirkungen stark gelitten. Die W iederherstellung ihrerBenutzbarkeit begegnet — soweit überh aupt durchfü hrbar— ganz besonderen Schwierigkeiten, deren Sch<strong>il</strong>derung einerSonderabhandlung Vorbehalten bleiben muss. Desgleichen kann hier nicht näher auf die fruchtbare Zusam m enarbeitder Archivverwaltung m it der Zentralstelle für die R ückführung verschleppten behördlichen Schriftgutes eingegangenwerden, der die Erfassung und Rückgliederung um fangreicher und w ichtigster behördlicher und privater Schriftgutbeständeobliegt.3) Auswärtiges Am t 1939 Nr. 2: „D okum ente zur Vorgeschichte des Krieges“ , Berlin, Reichsdruckerei 1939. — DieseDokumente „begleiten zunächst die Entwickelung der deutsch-polnischen Beziehungen von Versa<strong>il</strong>les bis zur Ablehnungdes deutschen Angebots zur gütlichen Lösung der Danzig- und Korridorfrage durch Polen. Hierbei sind die Ereignissevon 1933 bis zur Gegenwart eingehend belegt, w ährend für die voraufgegangenen Jah re lediglich die Lage derdeutschen Volksgruppe in Polen und Polens Vorgehen in Danzig an einigen besonderen Beispielen in Erinnerung gerufenwerden. Die Dokum ente folgen sodann dem Gang der britischen K riegspolitik seit der gemeinsamen deutschenglischenE rklärung von München. Eine D arstellung der Bem ühungen des Reiches um Sicherung friedlicher Bezie­25


Vom A rchivam t W arschau aufgefunden w urden ferner in einem abgelegenen K eller des „F ortsder Legionen“ die A kten deutscher K o nsu larvertretungen in W arschau, Lem berg und K rak au ausdem 19. Jah rh u n d e rt bis 1918, die inzwischen dem politischen A rchiv des A usw ärtigen A m tes zugeleitetworden sind4), A kten des ehem aligen polnischen A rbeitskom m issars in K atto w itz m itwichtigem M aterial über die polnische B ergarbeiterbew egung, die in das S taatsarchiv B reslau,A bte<strong>il</strong>ung K atto w itz, ü b erfü h rt w urden usw.H e e r e s a r c h iv eDie gesam ten m <strong>il</strong>itärischen A kten des ehem aligen polnischen S taates — einschliesslich der W arschauerzentralen H eeresarchive (ul. D luga 13 u n d ul. Zakroczym ska, F o rt Legionöw Polskich) —sind aus dem von deutschen T ruppen besetzten G ebiet alsbald durch B eau ftrag te des Chefs derdeutschen H eeresarchive nach m <strong>il</strong>itärischen Sam m elstellen bzw. den H eeresarchiven des Reichesab tran sp o rtiert w orden. D abei sind im E invernehm en m it der deutschen ziv<strong>il</strong>en A rchivverw altungauch V erw altungsakten der G ouvernem ents W arschau u n d L ublin aus den Ja h re n 1914 bis 1918ins Reich überfü h rt w orden, wohin bereits 1918 ein Te<strong>il</strong> dieser A kten au f A nordnung der O berstenH eeresleitung gekom m en w ar (jetzt im H eeresarchiv in P otsdam ).Verbrannte ZentralarchiveVon den grossen ziv<strong>il</strong>en W arschauer Z entralarch iven5) sind das U n t e r r i c h t s a r c h i v (Archiwumoswiecema publicznego)6) bis a u f unbedeutende R este und der im ehem aligen polnischen F in anzministerium untergeb rach t gewesene Te<strong>il</strong> des F i n a n z a r c h i v s (s. u n ten S. 30 f ) völlig der BeschiessungW arschaus zum Opfer gefallen.V erbrannt ist auch der grössere Te<strong>il</strong> des A rchivs des S t a t i s t i s c h e n A m te s 7) m it dem w ichtigenM aterial über die V olkszählung vom Ja h re 1931. Die übrigen Z entralarchive aber sind tro tz m ehroder m inder stark er G ebäudeschäden in ihren reichen B eständen unversehrt erhalten gebheben.Sicherstellung von Registraturen aufgelöster Zentralbehörden und NeuesArchiv in WarschauF ü r die laufende V erw altung am w ichtigsten und zum Te<strong>il</strong> noch von aktuellem Interesse ist dasN e u e A r c h iv (A rchiv N euer A kten)8), das Z entralarchiv des polnischen Staates für die seit 1918bis 1939 aufgelösten Z entralbehörden und Ä m ter der in W arschau bzw. im Gebiet der W ojew odschaftW arschau tä tig gewesenen polnischen B ehörden. E s vereinigte bereits in dem M ietgebäudehungen zu seinen N achbarländern sch ließ t sich an . . . “. — Dieser Publikation des Ausw ärtigen Am tes ging das Weissbuchüber die letzte Phase der deutsch-polnischen Krise voraus. Eine Auswahl aus diesem am tlichen Deutschen Weissbuchwurde von der D eutschen Inform ationsstelle herausgegeben: „100 Dokum ente zur Vorgeschichte des Krieges“ ,erhn D eutscher Verlag 1939. Auch diese Veröffentlichung diente dem Nachweis „dass es ausschliesslich und alleinngland war, das den Krieg verschuldet und ihn gewollt h at, um D eutschland zu vernichten“ . — Zur polnischene bstuberschätzung der letzten Jah re vgl. u. a. die kleine Broschüre: „D er polnische Angriff. Polnische Pressestim menaus jüngster Zeit“ . Berlin, Volk und Reich Verlag 1939.4) Als Gegengabe erhielt das Generalgouvernem ent hierfür 376 S taatsverträge zurück, die Polen von 1918— 1939 m itverschiedenen S taaten geschlossen h atte, und die s. Zt. m it den gen. B eständen des Ausw ärtigen Am tes nach Berlingekommen waren. Sie befinden sich je tz t im Neuen Archiv in W arschau.? o Z f ' ^ ^ ° pacllisk:’ Archiwa Pal‘9*wowe Rzeczypospolitej Polskiej (Stan na dzien 1 .1. 1927). Archeion I (W arschau1927). - K. Kaczm arczyk, Nasze archiwa 1901-1925. Posen 1926. -D e rselb e , Zbiory polskie. Lemberg 1928. (Abdruckm 9 7 r ^ T rtn!IUkT,HlSt0ryCZny“ X L H ’ S- 87- 100> - - K - Bucz«k, Archiwa Polskie. N auka Polska V <strong>II</strong> (W arschau1927), S. 1 - 9 7 .-D e rse lb e , Archiwa Polskie. N auka Polska X <strong>II</strong> (W arschau 1930), S. 1 - 8 5 . - J . Siemieriski, Przewodnikpo archiwach polskich. Te<strong>il</strong> I, Archiwa dawnej Rzeczypospolitej, W arschau 1933.M anteuffel, R egistratura Okr?gu Naukowego W arszawskiego. Archeion X <strong>II</strong>I (W arschau 1935), S. 11—29 undV (W arschau 1936), S. 11—22. — J. Jakubow ski, A kta szkolne pruskie z la t 1794— 1807 w Archiwum Oswiecenial'ubhcznego. Archeion I I (W arschau 1927), S. 71— 82.26


(Szpitalna 8), in dem es m it Te<strong>il</strong>en des F inanzarchivs behelfsm ässig un tergeb rach t w ar9), einebeträchtliche Zahl von A bgaben aus den R eg istratu ren der genannten Z entral- u n d nachgeordnetenBehörden des polnischen S taates seit 1918. H ier befanden sich auch die oben genannten A ktender deutschen und österreichischen G eneralgouvernem ents W arschau und L ublin (1914— 1918),die im S pätherbst 1939 im A ufträge des Chefs der H eeresarchive in das H eeresarchiv in P otsdamabtran sportiert w urden10), sowie die aus W iener Z entralbehörden a u f G rund des österreichischpolnischenA rchivabkom m ens vom 26. O ktober 1932 ausgesonderten, polnische Gebiete betreffendenA kten, die inzwischen w ieder nach W ien zurückgegeben w orden sind11).Die Auflösung des polnischen S taates m achte aber alsbald auch M assnahm en hinsichtlich derliquidierten ausserordentlich zahlreichen polnischen M inisterien, Z entralbehörden und sonstigenaufgehobenen Ä m ter in W arschau notw endig. D er grösstente<strong>il</strong>s geradezu jam m ervolle Z ustand12)der m eisten dieser R egistraturen nach der B eschiessung W arschaus, den zahlreichen Brändenund Kriegseinw irkungen aller A r t stellte hier besonders schwierige und grosse A ufgaben, an derenLösung aber im Interesse der V erw altung des G eneralgouvernem ents und der A useinandersetzungm it den neuen R eichsgebieten alsbald herangegangen w erden m usste.Nachdem die Sicherung der A kten in den einzelnen D ienstgebäuden — sow eit ü b erh au p t möglich —durch das A rchivam t W arschau erreicht w ar13), begannen die nach und nach eingerichtetenAbwickelungsstellen in Z usam m enarbeit m it dem A rchivam t W arschau14) u n ter H eranziehung zahl­7) Dies Archiv befand sich z. T. in einem Speicher (Chalubinskiego 9) und im Statistischen A m t (6. Auguststrasse 40).Die erhaltenen R este des Archivs befinden sich z. T. im Gebäude B ahnhofstr. 32 in W arschau. Sie betreffen — ausservielen Drucksachen — nam entlich den Aussenhandel. Das Archiv, das unter M itwirkung des Archivam tes W arschauneu aufgestellt wurde, untersteh t z. Zt. der Abwickelungsstelle des Statistischen Am tes.8) Über das m it Verfügung des K ultusm inisters vom 3. 6. 1930 geb<strong>il</strong>dete Neue Archiv gibt es noch keine eigentliche Literatur.— Im Archeion, H eft X <strong>II</strong>I, S. 172— 182, ist über die von W ien au f Grund des polnisch-österreichischen Archivabkommensdurch Polen übernom m enen A kten der B ericht von Stojanowski, Dotychczasowe wykonywanie ukladuarchiwalnego polsko-austriackiego zu vergleichen.9) Eine ehemalige Schokoladenfabrik der Firm a W edel w ar für diese um fangreichen Archivte<strong>il</strong>e als Notm agazin biszur Fertigstellung des von der ehemaligen polnischen Regierung geplanten grossen Zentralbaues für alle W arschauerStaatsarchive gegen einen unverhältnism ässig hohen M ietpreis angem ietet worden.10) S. oben S. 26. Die Auseinandersetzung über den endgültigen Verbleib dieser A kten h a t im Reich zwischen derM<strong>il</strong>itär- und Ziv<strong>il</strong>verw altung zu erfolgen.u ) Die nach W ien zurückgeführten A kten (3 große W aggons) befanden sich noch in ihren ursprünglichen Paketen.12) „Am schlimm sten w ar der Zustand in den Geschäftszimmern. Die A kten lagen, grösstente<strong>il</strong>s aus den Deckeln herausgefallen,da sie m eist nicht geheftet w aren, in w üsten, stark verschm utzten und beschädigten H aufen au f dem Fussbodenverstreut. D urch die offenen Fenster h a tten Regen, Schnee, Staub und W ind ungehinderten Z u tritt. Die ersteAufgabe bestand also darin, diese ungeordneten Massen zunächst nach grossen Gruppen ohne genauere Prüfung zubündeln und in Räum e zu bringen, die wenigstens einigermassen vor den U nb<strong>il</strong>den der W itterung geschützt waren.Danach m ussten die A kten in die A ktenspeicher überführt werden, wo m it H<strong>il</strong>fe ehemaliger R egistraturkräfte die alteOrdnung wiederhergestellt werden konnte“ . Aus einem der zahlreichen B erichte des Archivam tes W arschau in dieserAngelegenheit.13) Der ehemalige Leiter der Abte<strong>il</strong>ung Innere V erw altung beim A m t des D istriktschefs W arschau, Dr. Gauwe<strong>il</strong>er,stellte im Halbjahresbericht vom Mai 1940 fest, dass es „in der H auptsache ein V erdienst des Archivam tes W arschauist, wenn überhaupt „noch ausserordentlich wichtiges und bedeutsam es A ktenm aterial aus den verschiedenen Bereichender ehemaligen polnischen Regierung geborgen w erden konnte“ .Die Sicherungsmassnahmen des Archivam tes W arschau w aren bis M itte Dezem ber 1939 durchgeführt bei folgendenBehörden: Präsidium des M inisterrats, Innenm inisterium , K ultusm inisterium , Landw irtschaftsm inisterium , Generaldirektionder Staatsforsten, Sejm, Senat, M inisterium für H andel und Gewerbe, Justizm inisterium , W ohlfahrtsm inisterium, Verkehrsministerium. Im Jan u ar 1940 folgten: Postm inisterium , Oberste K ontrollkam m er, Generalprokuratur,Oberster Verw altungsgerichtshof und W ojewodschaft W arschau-Land.14) Auf Vorschlag des Archivamtes W arschau wurden durch Rundschreiben des Chefs des D istrikts W arschau vom 4.Apr<strong>il</strong> 1940 einheitliche Richtlinien für die Ordnung und B enutzung der ehemaligen polnischen Behördenregistraturenin W arschau gegeben.27


eicher geeigneter H <strong>il</strong>fskräfte, m eist ehem aliger polnischer R eg istratu rb eam ter, in diese z. T. riesigenA kten-T rnm m erhaufen O rdnung zu bringen, Ü bersichten zu schaffen und das W ichtige vomUnwichtigen zu scheiden.Soweit wichtige A ktenbestände von der laufenden V erw altung des G eneralgouvernem ents nichtenötigt werden, m ussten diese vom A rchivam t übernom m en w erden. Es w ar daher eine Vordringene Aufgabe, tu n h chst schnell ein hinreichend grosses u n d geeignetes G ebäude zu finden, dasalle diese A k te n - s o w e it sie für die dauernde A ufbew ahrung bzw. fü r die A useinandersetzungm it dem Reich von B edeutung sind - aufnehm en konnte. Das gelang bereits Anfang Ja n u a r 1940urch die Zuweisung der W arschauer ehem aligen H andelshochschule (Rakow iecka 6), wohin ausden zerstörten D iensträum en alsbald eine Fülle w ichtiger R eg istratu rte<strong>il</strong>e naeh Massgabe ihrerG efährdung uberfu h rt w urden, w ährend w eniger gefährdete und an ihren ehem aligen D ienststellenhm reichend zu schützende B estände d o rt einstw e<strong>il</strong>en gesichert w urden15).In das G ebäude der ehem aligen H andelshochschule w urden im A pr<strong>il</strong> 1940 nach Lösung des Miets-Verhältnisses fü r das bisherige M agazin (Szpitalna 8) auch die vor dem K riege in das Neue A rchivgekom m enen A ktenabgaben (etw a 8000 A ktenpakete) m it den dazu gehörigen A ktenregalen übergenomm en^)6" ^ grUPpienm g deF G esam tb esttade im Interesse der Ü bersichtlichkeit vor-U m die B edeutung all dieser B estände fü r V erw altung und Forschung k larer in Erscheinungtre te n zu lassen, w ähle ich hier aus den vorgenannten G ruppen ein der A llgem einheit weniger» ) In das Neue Archiv w urden bisher von Zentralbehörden die R egistraturen des Präsidium s des M inisterrats des Mi“ e n a T T e r O w T de\ Mini8t“ fÜr K uIt- d U nterricht, des L andw irtsehaftsn n nisterin m rv on S ^ d,ch ; d e r.Uberr®?hn" nSfkam m er, G eneralprokuratur und des W ohlfahrtsm inisterium s überführt, von Wojewodschaftsbehordendm R egistraturen der U niversität W arschau, verschiedener Starosteien, G ym nlslen eTc - M sussenstellen des Neuen Archivs werden behandelt die an O rt und Stelle in der Ordnung bzw. W iederherstellung be• Ddhchen Re^ stratu re“ des M inisteriums für H andel und Gewerbe, des Obersten Verwaltungsgerichtshofes der Wojew olschaft W arschau-Land, des Regierungskom m issars für die S tad t W arschau, der G e n e r j T e S o n ^ Z s Z Zein w e n e J ^ ^ I T ^ R Z t 7 " ^ d d- ts c h e n Dienststellen zurückbehalten sindF i n a l t h ö r d e n R eSlstra t" Justizm inisterium s, der Landw irtschaftskam m er und der Obersten16) Es wurden 2 H auptgruppen geb<strong>il</strong>det:A M im sterialarchiv und B W ojewodschaftsarchiv (W ojewodschaft W arschau-Land).Das M im sterialarchiv ist in folgende U ntergruppen gegliedert:1.) Präsidium des M inisterrates,2.) Innenm inisterium ,3.) K ultusm inisterium ,4.) Finanzm inisterium ,5.) Justizm inisterium ,6.) M inisterium für H andel und Gewerbe,7.) Landw irtschaftsm inisterium ,8.) W ohlfahrtsm inisterium ,9.) Postm inisterium ,10.) V erkehrsm inisterium ,11.) Sejm und Senat,12.) O berrechnungskam m er,13.) G eneralprokuratur,14.) O berverwaltungsgericht. ”;r r s C L “ l: “nd E„«r>l,»dTr S c T ArCti'i SiCherge!vtellt WUrden auch die A kten der «Delegation in Moskau und Liquidierungskommission“der Schlossverwaltung in W arschau und der Tschechoslowakischen G esandtschaft. erungskommission ’28


ekanntes Beispiel, das der G eneralprokuratur, aus17). Diese D ienststelle h a tte die R echte undm ateriellen Interessen des S taates vor G ericht u n d im V erw altungsverfahren zu vertreten . Sieerte<strong>il</strong>te den S taatsbehörden a u f V erlangen juristische G u tach ten in A ngelegenheiten, die dasVermögen oder sonstige Interessen des S taates betrafen.Dem B rande vom Sept. 1939 sind hier die laufenden A kten der A bte<strong>il</strong>ungen I I I (landw irtschaftlicheLiegenschaften, E igentum sstreitfragen über P ach tv erträge usw.) und V (A kten betreffend W asserbauten,Forstw esen, Bergw erke, H andel u n d In d u strie, Schiffahrt), sowie te<strong>il</strong>weise die in denA bte<strong>il</strong>ungskanzleien und bei den R eferenten befindlichen A kten des G eneralsekretariats zumOpfer gefallen18).Die geretteten B estände der A bte<strong>il</strong>ungen I (Angelegenheiten der Ju stiz und M <strong>il</strong>itärverw altung),I I (Finanzverw altungs-, Steuer- u n d Zollfragen, M onopole, K redit- und Versicherungswesen),IV (staatliches V erkehrsw esen — E isenbahn, P ost, L uftfahrzeugverkehr) und V I (K ultus- und U n­terrichtsverw altung, A rbeits- u n d Sozialversicherungsfragen, sanitäre V erw altung) des W arschauerH au ptam tes sind in den M onaten A ugust u n d Septem ber 1940 in das Neue A rchiv m it etw a100000 A ktenstücken ü b erfü h rt w orden. Sie sind hier durch A nsetzung geeigneter und besondersqualifizierter H <strong>il</strong>fskräfte bereits w eitgehend geordnet w orden, so dass dieser grosse, für die V erwaltung äusserst w ichtige B estand bereits w ieder — w enn auch besch rän kt — b en utzbar ist.In das Neue A rchiv ü b erfü h rt sind inzw ischen auch die R este des W arschauer U niversitätsarchivs,da diese ausschliesslich der Z eit zwischen 1919 und 1939 angehören. D er gerettete G esam tbestandzerfällt in das sogenannte S tu dentenarchiv (Personalakten)19) und die erheblich weniger um fangreichenR este der U niversitäts- und V erw altungsregistraturen20).V erbrannt sind die A kten, die sich im S ekretariat der U n iv ersität (H auptgebäude K rakow skiePrzedm iescie 26— 28) befanden und zw ar: Die A kten des R ektors, der hum anistischen, m ath em a­tisch-naturw issenschaftlichen, m edizinischen und pharm azeutischen F a k u ltä t. M it erheblichenL ücken erhalten sind Te<strong>il</strong>e der R eg istratu r der juristischen F a k u ltä t. G erettet sind im grossenganzen die A kten des D ekanats der V eterin är-F ak u ltät (Grochowska 272), die sich noch bei derAbwicklungsstelle des K ultusm inisterium s befinden, sp äter aber ebenfalls in das Neue A rchivübernom m en w erden sollen.Aus den vorstehend gem achten kurzen A ngaben ergibt sich, dass es sich bei dem N euen A rchivz. Z. n u r zum Te<strong>il</strong> um w ohlgeordnete B estände handeln kan n. Die Masse des aus den ehem aligenM inisterien und Z entralbehörden hier zusam m enkom m enden ungeheuren M aterials kan n zunächstnur behelfsm ässig geordnet w erden, um fü r alle V erw altungsbedürfnisse zur H an d zu sein. DieFein Ordnung im Einzelnen w ird n atü rlich noch lange Z eit erfordern.17) Das H auptam t der G eneralprokuratur befand sich in W arschau. Zweigstellen bestanden am Sitze von Appellationsgerichtenin Lemberg, K rakau, K attow itz, Posen u nd W <strong>il</strong>na.18) Zugrunde gingen ferner die H auptkanzlei und dam it das Nam ens- und Sachregister. — Die vernichteten A ktenstam m ten vorwiegend aus den letzten 3 Jahren vor dem Kriege, doch befanden sich darunter auch ältere Prozessaktenaus grossen und besonders wichtigen Streitverfahren, deren Erledigung lange Zeit in Anspruch nahm .19) Geordnet wurden daraus bisher 18000 Einzelakten der ordentlichen S tudenten (etwa 40000 Num m ern sind noch zuordnen), rund 1950 A kten der ausserordentlichen Studenten, 1230 A kten der Apothekergeh<strong>il</strong>fen, 4000 A kten von S tudenten,die ihre Dokum ente ausgehändigt erhielten, 6258 A kten nicht im m atrikulierter Studenten und 106 A kten imSeptem ber 1939 neu eingetragener Studenten. U ngeordnet ist nur noch ein verhältnism ässig kleiner Te<strong>il</strong> des Studentenarchivs.a0) In dieser Gruppe befinden sich Bruchte<strong>il</strong>e des D ekanats der juristischen F ak u ltät, der Kanzlei des R ektors, desSekretariats der U niversität und der In ten d an tu r (z. T. n ur lose B lätter).29


D a s F i n a n z a r c h i v in W a r s c h a uBis in die neueste Zeit hinein führen auch die B estände des seit 1807 erw achsenen und seit 1871selbständigen F i n a n z a r c h i v s 21) in W arschau, das vor dem K riege an 6 zum Te<strong>il</strong> w eit von einanderentfernten Stellen untergeb rach t w ar. D a die V ereinigung des G esam tm aterials in dem vonder polnischen Regierung fü r alle W arschauer S taatsarchive geplanten grossen G ebäude einesgem einsam en Z entralarchivs nach der V ernichtung Polens zur Zeit n icht möglich ist, m usstendie einzelnen erhaltenen Te<strong>il</strong>e des F inanzarchivs im Interesse einer besseren Ü bersicht un d O rganisationder A rbeit durch die deutsche A rchivverw altung in einem verfügbar gewordenen geeignetenG ebäude, dem A lten N ationalm useum (Podw ale 15), vereinigt werden.Der B rand vom 25. Septem ber 1939 h a t in den G ebäuden des Finanzm inisterium s und des S taatsschuldenamtes (R ym arska 1 und 5 und Leszno 5) alle d o rt unterg eb rach t gewesenen Sam m lungenrestlos vernichtet. D abei gingen zugleich alle R epertorien des A rchivs und die B ibliothek zu G runde.V erbrannt sind folgende H au p tb estän d e:1.) Die A bte<strong>il</strong>ung für G rundsachen des russischen M inisterium s des In n ern 1864— 1915 (darinB auerngrundakten und Pläne).2.) Die L iquidationskom m ission 1865— 1875 (Behörde für die E ntschädigung der G rundbesitzerfür die bisherigen Frondienste u n d die A u sstattu n g der B auern m it G rundeigentum in K ongresspolen).3.) Die M oskauer K atasterkan zlei 1860— 1915 (m it P länen und A kten betreffend G rundeigentumsrechte im W estgubernium R usslands, die im Ja h re 1921 an Polen zurückkam en).4.) Die Sam m lung von P länen und K arten verschiedener H erkunft.5.) Die A bte<strong>il</strong>ung für D om änenverw altung der obersten Finanzbehörde in K ongress-Polen1796— 1869.6.) Die Sektion fü r Schulden des ehem aligen H erzogtum s W arschau.7.) Die A rchivverw altung bei der W arschauer F inanzkam m er 1871 1914.8.) Die Z entralkasse fü r K ongresspolen 1807— 1869.9.) Verschiedene kleinere B estände aus dem 18. und 19. Ja h rh u n d e rt.W as an den anderen Stellen vom F inanzarchiv erhalten geblieben und je tz t im A lten M useum(Podwale 15) vereinigt w orden ist, b e trä g t im m erhin m ehr als 2/3 dessen, was vernichtet w urde.G erettet sind:1.) Die Zentralfinanzbehörde für K ongresspolen:P rasidialakten, die A bte<strong>il</strong>ung für K ontrolle und Steuern, die A kten für nichtständige E in ­künfte, Stem pel-, L otterie-, Zolleinkünfte usw.Die A kten für B ergbau und ein Te<strong>il</strong> der D om änenverw altung 1807— 1869.2.) Die oberste K ontrollkam m er fü r K ongresspolen 1807— 1869.3.) Die K om m ission für Pensionsrechte der B eam ten im K önigreich Polen 1818— 1920.4.) Das W arschauer M ünzam t 1787— 1869.5.) Die F inanzabte<strong>il</strong>ung des W arschauer G ubernialam tes 1815— 1869.6.) Die F in an zp ro k u ratu r fü r K ongresspolen 1818— 1918, d. h. die Behörde, welche den Fiskusund seine R echte vor G ericht v e rtra t.7.) Die W arschauer K ontrollkam m er 1867— 1915.) D. Cwietajew, W arszawskije archiwy. Moskau 1900. — D. J. Samokwasow, Archiwnoje diclo w Rossji. 2 BändeMoskau 1910. — A. W arschauer, Die H andschriften des Finanzarchivs zu W arschau zur Geschichte der Ostprovinzendes preussischen Staates. (Veröffentlichungen der A rchivverw altung bei dem Kaiserlichen Deutschen Generalgouvernement W arschau B and 1). W arschau 1917.30


8.) Die Polnische B ank m it den W arschauer und Lodzer A bte<strong>il</strong>ungen der russischen Reichsbank1828— 1915.9.) Das I I. D epartem ent des russischen Senats 1884— 1916, d. h. die oberste In stan z für B auerngrund-Angelegenheiten in Kongresspolen.10.) Die B auernbank 1887— 1918 u n d zwar die W arschauer, P etrik au er und L ubliner A bte<strong>il</strong>ungen,die K reditan stalt fü r die aus der P arzellierung des G rossgrundbesitzes entstandenen B auernwirtschaften.11.) Die W arschauer G ubernialbehörde für B auernangelegenheiten, Beseitigung der Frondiensteund A u sstattung der B auern m it G rundeigentum 1864— 1915.12.) Das russische H ofm inisterium 1869— 1917 betreffend die V erw altung des Low itzer H erzogtums.13.) Das russische M inisterium fü r L andw irtschaft 1815— 1914, die D epartem ents für Dom änenundF orstverw altung in Kongresspolen.14.) Die V erw altung des Low itzer H erzogtum s 1815 1914.15.) Die W arschauer D om änenverw altung für die W arschauer, Plocker, P etrik au er und K alischerG ubernien 1869— 1915.16.) Die W arschauer F inanzkam m er 1866— 1915 u n d andere kleinere B estände.D urch das V erbrennen nahezu aller R epertorien ist die A usnutzung dieses fü r die gesam te V erwaltung des G eneralgouvernem ents un d der neuen R eichsgebiete wie für die Forschung gleichw ichtigen M aterials z. Z t. nahezu unm öglich gem acht. E s h an d elt sich um etw a 1/2 M<strong>il</strong>lion Volumina, die dem F inanzarchiv nach der schwierigen, aber in kurzer Z eit du rchgeführten Vereinigungund A ufstellung aller B estände im alten N ationalm useum noch verbheben sind. Alle A kten hegennunm ehr in der Reihenfolge ihrer B estände in den neuen A ktenfächern. Die im Finanzarchivtätig en K räfte sind je tz t an der A rbeit, so schnell wie m öglich w enigstens B ehelfsrepertorien zuden im vordringlichen V erw altungs- u n d deutschen Forschungsinteresse stehenden B eständen zurekonstruieren. A uf G rund der V orkriegserfahrungen sind hierfür — zum al auch m it R ücksichtau f die durchzuführende A useinandersetzung m it den neuen R eichsgebieten— die besonders wichtigenA ktengruppen der F in an zp ro k u ratu r, der D om änen- u n d F orstverw altung, die A kten derStehen für B auerngrundangelegenheiten und die A kten der K ontrollkam m er ausgew ählt worden.Die H erstellung der daneben völlig neu aufzustellenden genauen Verzeichnisse w ird bei dem grossenU m fang dieser B estände n atü rlich viele Ja h re in A nspruch nehm en. E ine brauchbare und denBedürfnissen der laufenden V erw altung R echnung tragende B ehelfsübersicht über die w eit über100 000 B ände der F in an zp ro k u ratu r w ird sich indessen bereits in etw a einem Ja h re herstehen lassen.Schwieriger ist die Schaffung einer B ehelfsübersicht über die A kten der D om änen- u n d F o rstverwaltung, deren fü n f H au p tb estän d e keine klare E inte<strong>il</strong>ung nach S achgegenständen oder nachdem inneren A ufbau der D ienststelle besitzen. H ier w erden s ta tt sum m arischer Ü bersichten wenigstensK arteien angelegt w erden m üssen, die fü r die Z entralstellen nach dem bestehendenA rbeitsplan ebenfalls etw a gegen E nde des Jah re s 1941 vorliegen sollen.Desgleichen haben die A kten für B auerngrundangelegenheiten keine E in te<strong>il</strong>ung nach Sachgegenständenoder nach der inneren S tru k tu r der einzelnen Ä m ter. A uch hier m üssen w enigstens K arteienhergestellt werden, die für die W arschauer K om m ission fü r B auernangelegenheiten in etw a5 M onaten und für die A kten der B auernbank in etw a einem J a h r vorliegen dürften. Die Schaffungeiner K artei zu den etw a 48000 A ktenhefte zählenden S enatsakten w ird w enigstens 5 Ja h re beigleichbleibendem A rbeitseinsatz benötigen.Die K ontrollkam m er ist ein zusam m engesetzter B estand aus eigenen A kten und frem den verschiedenerB ehörden, die ihre A kten der K ontrollkam m er zusandten. D a hier ebenfalls weder31


eine territoriale, sachliche, noch verfassungsm ässige E inte<strong>il</strong>ung vorliegt, m uss auch hier zunächsteine Ü bersichtskartei helfen, deren A ufstellung inzw ischen in A ngriff genom m en worden ist.Ü ber die G esam tbestände des F inanzarchivs aber ist u n te r B ete<strong>il</strong>igung aller A rbeitskräfte derselbenein allgemeines (Behelfs-) Ü bersichtsinventar in B earbeitung, das schon im Som m er 1941fertiggestellt sein dürfte22).D a s I n n e n a r c h i v in W a r s c h a uD as je tz t m it R ücksicht au f die H au p tg ru p p en seiner B estände kurz als I n n e n a r c h i v bezeichnete„A rchiv A lter A k ten“23) in W arschau (Jezuicka 1 und F o rt Sokolnicki) ist im Jah re 1867 alsSam melstelle der A kten gegründet w orden, die von den B ehörden des Herzogtum s W arschau(1806— 15) und der dam als in L iquidierung befindlichen autonom en B ehörden des KönigreichsPolen stam m en. Es ist also — abgesehen von den vorgenannten B eständen — das Z entralarchiv derrussischen politischen V erw altung, d. h. im w esentlichen das A rchiv der Inneren V erw altung Polensim 19. und 20. Ja h rh u n d e rt gew orden. Im Ja h re 1915 kam en grosse Te<strong>il</strong>e dieses Archivs sam t denbetreffenden In v en taren nach R ussland, von wo sie zu etw a 80% a u f G rund des Rigaer V ertragesin den Jah ren 1923— 25 nach W arschau zurückgelangten.F ü r die G eschichte des H erzogtum s W arschau und des Königreichs Polen sind diese A rchivalien(ca. 500000 V olum ina aus etw a 120 Fonds) ganz unentbehrlich. D as A rchiv besitzt zudem einereiche Sam m lung von gedruckten und handschriftlichen Verfassungs- u n d V erw altungsurkunden,R echtskom pendien, A m tsb lättern usw ., die für Forschungen über die Entw ickelung der S taatsbehördenvon erstklassiger B edeutung sind.Die A ufte<strong>il</strong>ung dieser A rchivbestände au f zwei M agazine ist n u r eine Folge des Raum m angels imH auptgebäude Jezuicka 1. Das F o rt Sokolnicki, das bisher eine A rt Reservem agazin auch fürandere W arschauer A rchive w ar, ist von der deutschen A rchivverw altung soweit geräum t worden,dass es je tz t n u r noch A kten des Innenarchivs en th ält. N ach der Zusam m enlegung der einzelnenB estände entsprechend ihrem registraturm ässigen Z usam m enhang sind — abgesehen von kleinerenG ruppen — im F o rt Sokolnicki verblieben: A k ten aus der K anzlei und V erw altung des russischenG ouvernem ents W arschau, des russischen G ouvernem ents Lornza, der russischen G ouvernem entsW olhynien und M insk usw.Von den w ichtigeren im Innenarchiv befindlichen A ktenbeständen an polnischen R eg istratu renseien genannt die von Sejm und S enat (1807— 67) m it gesetzgeberischen, adm inistrativen un dverw altunggeschichtlichen E ntscheidungen etc., des V erw altungsrates (1815— 1867), der als Te<strong>il</strong>des S taatsrates bis 1867 die oberste V erw altungsbehörde des K önigsreichs Polen w ar, des S taats-2a) F ü r die Erforschung des D eutschtum s in Polen werden in diesem Archiv nam entlich die A kten der Forst- und Domänenverw altung m it den in ihnen befindlichen zahlreichen Nachweisungen deutscher K olonisten auf dem Lande undin den kleinen S tädten, wie die A kten der Finanzkom m ission, Abte<strong>il</strong>ung Bergwesen, m it ihren wichtigen N achrichtenüber den grossen deutschen Ante<strong>il</strong> an der Entw icklung des Bergbaues, der M etallindustrie usw. von hohem Interessesein. Auch die im Finanzarchiv hinterlegten A kten der ehemaligen polnischen B ank geben über die Vermögens- undw irtschaftlichen Verhältnisse der bedeutenderen im ehemaligen Polen ansässigen Deutschen zuverlässige A uskunft.) A. Pröchnik, Les archives des docum ents anciens ä Varsovie. — H istoire, Organisation, contenu. W arschau 1933. —K. K onarski, Zespöl ak t kancelarii W ojennego G eneral-G ubernatora W arszawskiego 1831— 1862. Archeion X I I I(W arschau 1935), S. 83— 101. — I. Iwaszkiewicz, Losy archiwum Kancelarii Wielkiego Ksi§cia K onstantego i Nowos<strong>il</strong>cowa.Archeion V I - V I I . (W arschau 1930), S. 2 2 - 5 6 . - R . Przelaskowski, A kta S enatu Ksiestwa Warszawskiegoi Krolestwa Polskiego. Archeion I (W arschau 1927), S. 2 0 9 -2 1 4 . - Derselbe, Diela S tats-Sekretariata Gercogstwaarszawskago, Carstwa Polskago i Sobstwiennoj J . I. W. K ancelarii po dielam Carstwa Polskago (1815— 1845). Opisdiel Archiwa Gosudarstwiennago Sowieta. Bd. X IX —X X I (Petersburg 1910, 1911, 1913). — A. Kraushar, Zrodlaarchiwalne do dziejöw polistopadow ych 1832— 1842 (Przeghid H istoryczny 1913 Bd. X V <strong>II</strong>).32


WENZEL, KÖNIG VON BÖHMEN, GIBT DAS HERZOGTUM AUSCHWITZ DEM HERZOG VON TESCHEN ZU LEHEN. 1407, FEBRUAR 22.O<strong>RI</strong>G. PERG. IN DER CZARTORYSKI — BIBL. IN KRAKAU, NR. 279.


Sekretariats u n d der kaiserlichen K anzlei für die A ngelegenheiten des K önigreichs Polen (1807— 76)m it ihren z. T. sehr wichtigen Staatsangelegenheiten, der Regierungskom m ission des Innern(1815— 67) und der u n ter ihrer A ufsicht arbeitenden B ehörden (z. B. H au ptvorm un dschaftsrat,V ersicherungsverw altung, S an itätsrat usw.) und der Regierungskom m ission (1815— 31), den R e­sten einer ehem als sehr grossen von der russischen V erw altung aussortierten R egistratur, die je tz tim w esentlichen P ersonalakten en th ält.Von russischen R eg istratu ren seien erw ähnt die K anzlei des S tatth a lte rs (1831— 1874) und desW arschauer G eneralgouverneurs (1874— 1917), die die A kten der kaiserlich russischen L andesverwaltung und der S ta tth a lte r des Z aren en th ält, der K anzlei des W arschauer M <strong>il</strong>itär-G eneralgouverneurs(1831— 62), einer m it w eitgehenden K om petenzen au sg estatteten H <strong>il</strong>fsbehörde desS tatth alters, sowie des O rganisationskom itees (1864— 71), das für die A bw icklung der autonom enE inrichtungen des K önigreichs Polen und zur A usarbeitung neuer V erw altungsregeln für das Landeingesetzt w ar.Zur B ekäm pfung der polnischen revolutionären Bew egung dienten das O berkrim inalgericht(1831— 39), die Ständige und die Provisorische U ntersuchungskom m ission (1838— 81) und dasF eld-A uditoriat (1861— 77), deren A kten sich ebenfalls im Innen arch iv befinden. — A uf eineA ufzählung von R eg istratu ren zw eiter In stan z kan n hier verzich tet werden.Das Innen arch iv ist ein geschlossenes A rchiv, das w esentliche neue Zugänge nicht zu erw arten h at.Es ist indessen n icht n u r ein unentbehrliches V erw altungsarchiv, sondern nam entlich auch bevölkerungspolitischfür die deutsche Forschung von grösstem Interesse. H ier befinden sich in den genan n ten A kten der Regierungskom m ission fü r Innere A ngelegenheiten (1815— 1867) wichtigeNachweise für die deutsche E inw anderung24) in Polen. Die erhaltenen Einw anderungsgesuche,die B ürgerrechtsaufnahm en, die Pässe m it ihren Personalbeschreibungen, die A kten über KolonieundIndustriegründungen usw. bieten reiches Q uellenm aterial für die E rforschung der deutschenLeistung in Polen im 19. Jah rh u n d ert. A uch die A kten des A dm inistrationsrates (1815— 1867)m it ihren Gesuchen zur N iederlassung von K olonisten au f G ütern en th alten viel w ertvolles M aterialfür die E rk enntnis der deutschen E inw anderung in Polen.Die hier befindlichen P rästatio nstab ellen vom Ja h re 1846 bringen genaue Nachweise auch derDorfbew ohner au f P rivatb esitz. Sie haben je tz t eine besondere B edeutung dadurch erhalten, dassdie A kten der Liquidationskom m ission u n d die G rundpläne, die sich im F inanzarchiv (Finanzm i­nisterium ) befanden, v erb ran n t sind, w odurch diese P rästatio nstab ellen eine E rsatzquelle für dieAngelegenheiten des B auernbesitzstandes gew orden sind.Von allgemeiner B edeutung ist nam entlich die K artensam m lung des Innenarchivs (ca. 2650 K arten,Pläne und Risse m it ungefähr 6000 B latt). Sie erstreck t sich vorzugsweise au f die Gebiete desHerzogtum s W arschau und des Königreichs Polen in der Zeit von 1806— 1914, doch befinden sichdarin auch ältere K arten , die die alte R epublik Polen betreffen, sowie K artengruppen von verschiedenenLändern25).24) N icht alle Kolonisten blieben in Polen. Die hohe Zahl der W eiterw andernden und der Auswanderer überhaupt lässtsich im Innenarchiv in den Beständen des A dm inistrationsrates und der Regierungskommission für Innere Angelegenheitenverfolgen.25) Die M ehrzahl der vorhandenen G r e n z k a r te n bezieht sich auf Grenzverhandlungen m it Preussen und Österreichseit 1775. Die grösste Gruppe hierunter ist die von 1807—-1829, in der sich fast der ganze kartographische Nachlass derpolnischen Grenzkommissare G eneralD ’A uvray und Prqdzynski befindet. Die T e r r i t o r i a l k a r t e n um fassen K artender grösseren und kleineren Territorien Polens (darunter K artenreproduktionen Polens von Perthes, Zannoni in derU m arbeitung von Sotzm ann vom Jah re 1788, die K arte von Neu- und W estgalizien von D aniel G ottlob R eym ann, die33


W egen ihres allgem einen Interesses seien aus den B eständen des Innenarchivs hier auch herausgehobendie M usterungslisten der polnischen A rm ee (1815— 30) und die genealogischen A kten desehem aligen H eroldsam tes, das — 1836 gegründet — die P rü fu ng der A delstitel zu besorgen h a tte .E rw ähnt seien auch die hierher gelangten Reste des U nterrichtsarchivs, soweit sie aus dem B randedes A rchiw um Oswiecenia Publicznego vom Septem ber 1939 g erettet w erden konnten. Sie bestehenaus A kten verschiedener U nterrichtsbehörden und S chulanstalten aus dem G ebiet des H erzogtums W arschau und des Königreichs Polen (1807— 1918) und sind n u r ein ganz geringer R est desverbrannten grossen U nterrichtsarchivs26).U n ter dem erhaltenen M aterial gibt es keinen A ktenbestand, der gar nicht oder n u r wenig beschädigtw äre; von vielen B eständen sind n u r einige wenige Faszikel g erettet w orden27).Nach der Auflösung der polnischen A rchivverw altung im G ebäude D luga 13 (A rchivabte<strong>il</strong>ung imM inisterium fü r K ultus und U nterricht) sind die d o rt als D epositum befindlichen A kten des griechisch-orthodoxenK onsistorium s in das Innen arch iv überfü h rt worden28).D a s H a u p t a r c h i v in W a r s c h a uDas die H auptm asse der ä l t e r e n polnischen A rchivbestände vereinende Z entralarchiv des ehemaligen polnischen S taates, das seit 1875 die wenig glückliche und verständliche BezeichnungH a u p t a r c h i v A l t e r A k te n fü h rt, w ird je tz t kurz H au p tarch iv 29) genannt. Es h a t in seinen einzelnenTe<strong>il</strong>en eine sehr wechselvolle Geschichte gehabt, aus der n u r einige allgem ein interessierendeD aten gegeben seien.Die au f Beschluss des K onvokations-Sejm s vom Ja h re 1764 im Königsschloss zusam m engebrachtenA rchivte<strong>il</strong>e w urden nach der russichen E roberung W arschaus durch Suworow (1794) zumgrossen Te<strong>il</strong> als K riegsbeute nach R ussland gebracht, d o rt aufgete<strong>il</strong>t un d erst 1924 — m it A usnahmen — an Polen zurückgegeben. Aus dem in W arschau verbliebenen R est b<strong>il</strong>dete Preussen1799 das K öniglich Südpreussische H auptlandesarchiv, das sich nach B egründung des H erzogtums W arschau au f G rund des D ekrets des Herzogs von W arschau F riedrich A ugust (vom 2. September 1808) als allgem eines L andesarchiv fortsetzte. Bei der E rrich tu n g Kongresspolens nan n tem an dies H au ptlandesarch iv um in „H a u p tarch iv des Königreiches P olen“ und überführte es 1820aus dem Königlichen Schloss in das K arm eliterkloster in der W arschauer V orstadt, von wo es 1835in sein heutiges G ebäude (Ul. D luga 24 und K rasinski-P latz 3) kam .A nlässlich der A ufhebung der polnischen G erichte (1876) vereinigte m an im H au p tarch iv die altenS tad t- un d L an d ak ten sowie die Priv<strong>il</strong>egien und G erichtsbücher der S täd te des Königreichs Polen,die bisher in den A rchiven der Z iv<strong>il</strong>tribunale in K alisch, Kielce, Lom za, P etrikau , Piock, R adom ,Siedlce und W arschau beruhten30), wozu seit 1904 noch zahlreiche andere G erichtsakten von Kreis-Spezialkarte von Südpreussen von G<strong>il</strong>ly, Langner, M athias, die m <strong>il</strong>itärische K arte Neuostpreussens von Sotzm annusw.), ferner K arten zur Verw altungseinte<strong>il</strong>ung des Landes (W ojewodschaften bzw. Gouvernem ents und Kreise),hydrographische K arten (Flüsse, K anäle, Regulierungen etc.) und auch einige Triangulationen ehemals polnischerGebiete. U nter den G e b ä u d e p lä n e n der S taats- und Selbstverw altungsbehörden befinden sich solche des Kgl.Schlosses, des Palais B rühl usw. in W arschau, des RadziwiH’schen Palais in Lublin (später Sitz des Korpskom m andosund der W ojewodschaft) und viele Pläne von R athäusern der einzelnen W ojewodschaften.Mit den wichtigsten Te<strong>il</strong> der K artensam m lung b<strong>il</strong>den die G r u n d k a r te n : S tadtpläne und D orfgrundakten. Da die imFinanzm inisterium aufbew ahrten D orfgrundkarten verbrannt sind, haben die im Innenarchiv befindlichen heute einenbesonderen W ert. Aber auch für M <strong>il</strong>itä r a n g e le g e n h e ite n , K u l t u s - u n d S c h u ls a c h e n , B e k e n n tn is a n g e le ­g e n h e ite n , für das S o z ia l- u n d G e s u n d h e its w e s e n , die W i r ts c h a f ts a n g e le g e n h e ite n , S t a t i s t i k usw.sind wertvolle K arten hier vorhanden.26) Sh. oben S. 26.) Die H auptm asse des geretteten A ktenbestandes stam m t vom W arschauer Schulbezirk (Warszawski Okr§g Nau-34


gerichten und vom H andelsgericht in W arschau kam en. R essortm ässig blieb das H au p tarch iv seitdem 19. Ja h rh u n d e rt im w esentlichen die Sam m elstelle der älteren G erichtsbücher und -akten.Das H au p tarch iv vereint die H auptm asse der ä l t e r e n Q uellenbestände zur Landesgeschichte31),soweit sie.n ich t in andere S taatsarchive gehören. N eben den zahlreichen, im 13. Ja h rh u n d ertbeginnenden P ergam enturkunden befindet sich im H au p tarch iv die auch fü r die gesam te deutscheForschung äusserst w ichtige M atrikel des K önigreichs Polen, die sogenannte K ronm etrik32), aufdie daher hier etw as näh er eingegangen sei.Die „M etrika Regni P olonika“ um fasst A kte der politischen u n d V erw altungstätigkeit des K anzlersbzw. U nterkanzlers sowie A kte aus der T ätig k eit der königlichen G erichte, in denen in Vertretun g des Königs (bzw. neben ihm ) der K anzler, U nterkanzler oder einer der K ronreferendare sass.Diese von der K anzlei des K önigreichs, einem O rgan des K anzleram ts, geführten A kten w urdenspäter in B ücher zusam m engebunden. Die verschiedenen R eihen dieser M atrikel zählen in W arkowy),der 1867 als Nachfolgebehörde der früheren polnischen Schulbehörden die Verw altung des Schulwesens übernahmund sie bis 1915 führte. Zu diesem A ktenbestand gehörten vor dem B rande:1.) Die Schulkam m er (Izba E dukacyjna) 1807— 1812,2.) Die Schuldirektion (D yrekcja E dukacji Narodowej) 1812— 15,3.) D er Ausschuss für nationalen U nterricht (W ydzial Oswiecenia Narodowego) 1815,4.) Der Ausschuss für öffentliche Erziehung des M inisteriums des Innern (W ydzial W ychowania Publicznego SprawW ew nftrznych) 1807— 1812,5.) Die Regierungskommission fü r K ultus und U nterricht (K om isja Rzqdowa W yznan Religijnych i OswieceniaPublicznego) 1815— 32,6.) Die Regierungskommission fü r Innere Angelegenheiten, K ultus und U n terricht (K om isja Rzqdowa Spraw Wewngtrznych, Duchownych i Oswiecenia Publicznego) 1832— 1840,7.) Der W arschauer Schulbezirk (W arszawski Okreg Naukowy) 1840— 1861,8.) Die Regierungskommission für K ultus und U n terricht (K om isja Rzqdowa W yznan Religijnych i OswieceniaPublicznego) 1861— 1864,9.) Die Regierungskommission für U nterricht (K om isja Rzqdowa Oswiecenia Publicznego) 1864— 1867.Aus dem etw a 16 000 B ände um fassenden G esam tbestand sind noch nicht 400 Faszikel gerettet worden. Ausser diesenA ktenresten des W arschauer Schulbezirks sind geringe R este noch von folgenden R egistraturen vorhanden:1.) Der W arschauer Schuldirektion (W arszawska D yrekcja Naukow a) 1864— 1918,2.) Des Aufsehers des Casimirschen Palais in W arschau (H auptgebäude der U niversität) 1820— 1865,3.) Des jüdischen Kom itees (K om itet Starozakonnych) 1825—37,4.) Der Vorschule bei der Polytechnischen Schule (Szkola Przygotowawcza do In sty tu tu Politechnicznego) 1825-1831,5.) Der Polytechnischen Schule 1825— 1833,6.) Der Medizinisch-Chirurgischen Akadem ie (Akadem ia M edyko-Chirurgiczna) 1857— 1861,7.) Der W arschauer U niversität 1869— 1939,8.) Des In stitu ts fü r Land- und Forstw irtschaft in Pulaw y 1905 f.,9.) Des städtischen Gym nasium s für K naben in G ostynin 1888— 1918,10.) Des Gymnasiums für M ädchen in Kielce 1880— 1918,11.) Des Gymnasiums für M ädchen im Lom za 1869— 1912,12.) Des Gymnasiums für K naben in L itzm annstadt 1912— 1914,13.) Des Gymnasiums für M ädchen in L itzm annstadt 1887— 1918,14.) Des Städtischen Gymnasiums für K naben in Ostrow Lom zynski 1911— 1918,15.) Des Gymnasiums für K naben in P ultu sk 1811— 1914,16.) Des Gymnasiums für K naben in Siedlce 1888—-1917,17.) Des Privatgym nasium s für K naben in Pulaw y (Professor Szejmin) 1905— 1910,18.) Des Lehrerseminars in Siennica 1866—-1911,19.) Der Gewerbeschule in Siedlce 1903— 1916,20.) Der E rsten Knabenvolksschule in Siedlce 1896— 1915,21.) Der Volksschule in W ioska Radzym inska 1866— 1910,22.) Der R egistratur des U nterrichtsarchivs 1916— 1939.Alles in allem n ur winzige Reste des ehemaligen Gesam tbestandes.2S) Näheres darüber in dem A bschnitt „Geistliche Archive“ .a9) Vgl. A. Pow stanski, W iadomosc o Archiwum Krajowem Krölestw a Polskiego. Rocznik Towarzystwa Naukowego35


schau insgesam t 1276 V olum ina, die „alle A usgänge au f den N am en des K önigs, gewöhnlich invollständigem T ext und n u r bei form elhaften W iederholungen R egesten“ enthalten.D as älteste der erhaltenen B ücher der K ronm etrik stam m t aus dem Ja h re 144733), doch reichtediese E inrichtung nachweislich w eiter zurück. Diese M etrik w urde bis zum F all der R epublik gefüh rt. In sie w urden D okum ente u n d Schreiben genom m en, die aus der königlichen Kanzlei zumB ericht des K anzlers, U nterkanzlers oder des obersten Sekretärs kam en34). N icht selten w urdenin die B ücher der K ronm etrik auch D okum ente u n d Schreiben genom m en, deren E m pfängerder König w ar und sogar solche, die im O riginal im K ronarchiv aufbew ahrt w aren. Mit der Zeitverallgem einerte sich die G ew ohnheit der E in tragung von H andlungen ausserhalb der K anzleides Königreichs zwischen P rivatp erso nen in die B ücher der K ronm etrik. Besonders zahlreich sindsolche E intragungen im 17. u n d 18. Jah rh u n d e rt. In gewisser W eise konkurrieren diese B ücherdaher m it den ehem als a u f den B urgen durch die S tarosteiäm ter geführten Büchern, den „actaofficii“. Die B ücher der K ronm etrik trag en dam als im allgem einen den C harakter am tlicher Kopiare,die A kte te<strong>il</strong>s öffentlichen, te<strong>il</strong>s p riv aten In h alts enthalten.Ih r In h a lt ist also ausserordentlich reichhaltig: „Priv<strong>il</strong>egien für Einzelpersonen, aber auch fü rganze L änder, S täd te, K örperschaften, ferner A delserhebungen, E rnennungen, G ründungen, S tiftungen,R echtsverleihungen, V erleihungen b etr. H andel, Gewerbe, Bergw erke, Münze, w eiter diplomatische U rkunden, gerichtliche E ntscheidungen, T estam ente, V erschreibungen, Schenkungen,Leibgedinge, P ach tv erträge, Te<strong>il</strong>ungen, Schiedssprüche von anderen Personen als vom Könige,sofern n u r die U rkunden a u f den N am en des K önigs nachträglich ausgestellt w aren, also auchB estätigungen älterer U rkunden aller A rt“35).Krakowskiego. K rakau 1824— 1825. — T. W ierzbowski, Opisanie diel chraniaszczichsia w W arszawskom GiawnomArchiwie. B and 1 W arschau 1912. — J. R iabinin, Archiw Carstwa Polskago. Moskau 1914. — J . Siemienski, Przewodnikpo archiwach polskich. 1. Archiwa dawnej Rzeczypospolitej. W arschau 1933. (Derselbe, Guide des archives dePologne. 1. Archives de la Pologne ancienne. Yarsovie 1933). — J. K arw asinska, Archiwa Skarbowe Koronne i ObojgaNarodow. Roczniki Kom isji Historycznej Towarzystwa Naukowego Warszawskiego. H eft 2. W arschau 1929. —J. Stojanowski, A kta R ady Nieustajijcej (1775— 1788). Archeion IV (W arschau 1928), Seite 54-—89.>t) F ür die Land- und Grodakten Grosspolens vom 14.— 18. J h d t. vgl. das gedruckte Verzeichnis „A kty ziemskiei grodzkie X IV —X V <strong>II</strong>I w. wojewodztw wielkopolskich“ (Pom niki praw a wydane przez W arszawskie ArchiwumGlowne. T. IV. W arschau 1917). Vgl. auch unten S. 51.31) Nach der jetzigen Neueinte<strong>il</strong>ung dieses Archivs b<strong>il</strong>det das alte zentrale Regierungsarchiv die Abte<strong>il</strong>ung I m it den3 H auptgruppen: B estände aus der Zeit vor 1775, B estände aus der sogenannten Reform zeit und B estände derpreussischen Zeit (1795— 1806). Hierzu gehören auch die Urkundenabte<strong>il</strong>ung und der W arschauer B estand derK ronm etrik (1276 Bände!). Die Abte<strong>il</strong>ung <strong>II</strong>, das Justizarchiv, zerfällt ebenfalls in 3 H auptgruppen: Bestände vor1775, Bestände der preussischen Zeit und Justizverw altung des 19. Jahrhun derts bis 1876. In der Abt. I <strong>II</strong> befindensich die Archivalien der Selbstverwaltungskörperschaften, darunter das alte Archiv der S tad t W arschau.Als Abte<strong>il</strong>ung IV sind Deposita u nd Nachlässe zusam mengefasst.32) Die K ronm etrik, die den H auptbestand des Kanzler-Archivs b<strong>il</strong>det, wurde in der Kgl. Residenz aufbew ahrt.Mit Verlegung der H au p tstad t von K rakau nach W arschau wurde sie in der M itte des 17. Jahrhun derts nach demW arschauer Schloss überführt. W ährend der schwedischen Invasion in Polen kam davon ein bedeutender Te<strong>il</strong> nachSchweden, von wo er bis 1683 zurückgebracht wurde. Zu Beginn des 18. Jahrh un d erts flüchtete m an wegen des erneutenSchwedenkrieges einen Te<strong>il</strong> der Bücher der K ronm etrik nach K rakau, von wo sie im Jahre 1730 nach W arschauzurückkehrten. Nach dem Zusam m enbruch des Kosciuszko-Aufstandes liess Suworow die K ronm etrik 1794m it anderen polnischen Archivte<strong>il</strong>en nach R ussland bringen, von wo sie jedoch zum bedeutenden Te<strong>il</strong> infolge derBem ühungen Preussens im Jah re 1799 zurückkehrte. Nach R ückgaben kleinerer B eständeim 19. Jahrhun dert brachtem an schliesslich in Ausführung des R igaer V ertrages im Jah re 1923 weitere bedeutende P artien der Kronm etrik nachW arschau zurück. Die in R ussland verbliebene W olhynische M etrik en thält E intragungen über Akte der südöstlichenW ojewodschaften der R epublik vor der Te<strong>il</strong>ung. — Zur L iteratu r vergl. St. K utrzeba, H istorja zrödel dawnegoprawa polskiego. 2 Bände. Lem berg-W arschau-K rakau 1925/26. — T. W ierzbowski, Dwa fragm enty ksi:{g kancelaryjnychkrolewskich z 1-ej polowy XV wieku. W arschau 1907. — Derselbe, M atricularum Regni Poloniae Codicessaeculo XV conscripti (Knigi polskoj M etriki XV stolietija). B and 1, W arschau 1914. — S. Ptaszycki, Opisanija knig36


Aus dem A rchiv des K ronschatzes (A rchiw um S karbu Koronnego) sind besonders w ichtig fürdie Siedlungs- un d W irtschaftsgeschichte die L ustrationen der einzelnen Starosteien, Steuer- undBevölkerungslisten, sowie die Zollregister. Von den B eständen der „Polizeikom m ission beiderVölker“ (K om isja Policji O bojga Narodöw) interessieren in diesem Zusam m enhang besonders dieRevisionsprotokolle der S täd te (vorwiegend v. J . 1792).W eiter seien aus dem H au p tarch iv die G esandtschafts- u n d E xpeditenbücher des 17. und 18.Jahrhunderts m it ihrem diplom atischen In h a lt hervorgehoben, sowie die K anzleibücher des 18.Jah rh u n d erts, die vorw iegend Personalpriv<strong>il</strong>egien, P ate n te für verschiedene vom König verlieheneÄm ter, M <strong>il</strong>itärernennungen, O rders usw. enthalten.F ür die städtische B evölkerung K ongresspolens, doch m it A usnahm e des Gebietes der ehem aligenW ojew odschaft L ublin, bieten die im H au p tarch iv vereinten älteren S tad tak ten , wie die G erichtsbücherdes R ates und der V ögte, das H auptquellenm aterial.Die B ücher und A kten von Neu- und A lt-W arschau um fassen die Zeit von 1427— 1816 in ca. 4000Volum ina38). Die Zahl der im H au p tarch iv befindlichen B ücher anderer S täd te des gesam tenGebiets dürfte für die Z eit von 1404— 1840 gegen 4700 B ände betragen.A uch die A kten der M arschälle en th alten ein reiches M aterial zur Geschichte der deutschen E in ­w anderung, w ährend die Fülle der deutsch geschriebenen In n u n g sak ten im W arschauer H a u p t­archiv (1551— 1823) und — nam entlich fü r die neuere Z eit — in den W arschauer Innungsarchiven37)das H au p tm aterial für die G eschichte des deutschen H andw erks in Kongresspolen darstellt.Die bäuerliche K olonisation und die G eschichte der D örfer lassen — w enn auch m it Schwierigkeiten— die G rodbücher des H au ptarch ivs verfolgen. Viele D örfer, die später eine polnischeBevölkerung haben, sind noch im 18. Ja h rh u n d e rt als von D eutschen besiedelt nachw eisbar. DieGrösse der Dörfer und die Zahl der B au ern lassen die sogenannten L ustrationstabellen (seit 1549)erkennen.i aktow litowskoj m etriki. Petersburg 1887. — J. Siemienski, Przew odnik po archiwach polskich. I. Archiwa dawnejRzeczypospolitej. W arschau 1933. — Eine Spezialstudie über die Bücher der Masowischen M etrik veröffentlichteAd. Wolff, M etryka Mazowiecka. U klad pierw otny, sposob rejestracji. W arschau 1929.3S) Seit 1386 wurde eine besondere litauische K ronm etrik geführt.34) Die Sejme forderten wiederholt, dass die Kanzlei des Königreichs die durch den König erlassenen A kte gewissenhaftin ihre Bücher eintrug, so bestim m te z. B. Zygm unt I. in der K o nstitution vom Jah re 1538: „u t cancellarius etvicecancellarius Regni nostri, ipsi soli libros eosdem in sua custodia d<strong>il</strong>igenter adservent, habeantque semper unumvel duos notarios vel scribas juratos, qui om nia priv<strong>il</strong>egia, decreta, recognitiones et alia quae ad necessitates et securitateshom inum coram fiu n t et sub sig<strong>il</strong>lis nostris conceduntur, sincere e t fideliter in libros hujusm odi regestradeinceps inscribant“ (Volumina Legum I, 529).35) Zusammenfassung des Leiters des Archivam tes W arschau, D r. W eise, vom 10. 6. 1940.Die bis zum Jahre 1795 reichende polnische K ronm etrik ist auch fü r die ältere deutsche Einw anderung in Polen und fürdie Rechts- und W irtschaftsverhältnisse dieser Deutschen eine H auptquelle. In ih r finden sich zahllose E intragungenüber Gründungen von Städten zu deutschem R echt, Schenkungen von D örfern an S täd te, M agnaten und Bürger,königliche Bestätigungen deutscher Bauernsiedlungen, die Lokatoren ausgesetzt h atten , usw.36) Von den genannten Stadtbüchern ist das älteste von Alt-W arschau, das die Jah re 1427— 1453 um fasst, veröffentlicht:Ksi^gi Larnicze m iasta Starej W arszawy z XV w. Tom I ksi?ga Nr. 525 z la t 1427— 1453. W arschau 1916.37) N icht im H auptarchiv sind die Archivalien der B äckerinnung 1570— 1934 (Neue B urgstr. 34), der Konditorinnung1781— 1933 (Neue W elt 41), der Tischlerinnung 1762— 1938 (Honigstr. 14), der Schuhm acherinnung 1819— 1933(Jasna 24), der Friseurinnung 1817—-1939 (Honigstr. 14), der Tapezierinnung 1843— 1927 (W<strong>il</strong>cza 25), der M aurerinnung1861— 1939 (Mokotowska 21). Verzeichnisse dieser Innungsarchivalien beim A rchivam t W arschau.37


R anglisten und Stam m rollen geben A uskunft auch über zahlreiche D eutsche im polnischen H eervor 179538).D urch die Archivpflege in gewisser V erbindung m it dem H au p tarch iv 39) steh t das Z iv<strong>il</strong>standsarchiv(Archiwum S tan u Cyw<strong>il</strong>nego) im Z entraljustizpalast (Leszno 53— 55), in dem sich die D u ­plikate der W arschauer K irchenbücher (1808— 1938) befinden. D er G esam tbestand te<strong>il</strong>t sich inZiv<strong>il</strong>standsregister, K irchenbücher und R egister nichtkirchlicher Konfessionen.Die Z iv<strong>il</strong>standsregister w erden nach den einzelnen S tadtgem einden bzw. Bezirken (I— V <strong>II</strong>I)aufgeführt. Ihnen schliessen sich die orthodoxen (13 P farreien), die röm isch-katholischen (30),sowie die evangelischen (2) K irchenbücher an, denen die R egister der nichtchristlichen (d. h.jüdischen) Konfessionen und die S ektenbücher folgen.Mit diesem A rchiv verbunden ist eine vielbeschäftigte U rkundenstelle, die m it der U rkundenbeschaffungsstellebeim A m t des G eneralgouverneurs in engster Z usam m enarbeit steht.Von hervorragender B edeutung für die G eschichte der L andw irtschaft Kongresspolens ist dasA rchiv des L andw irtschaftlichen K reditvereins (Tow arzystw o K redytow e Ziemskie, W arschau PI.Malachowskiego 6), das in dem beim S tad tb ran d stark beschädigten Gebäudeflügel (ul. Mazowiecka)schwer gelitten h a t. N am entlich das A k ten m aterial dieser im Ja h re 1825 begründeten lan dw irtschaftlichenK reditgesellschaft ist zum grössten Te<strong>il</strong> vernichtet w orden, w ährend die Pläne derm it der Gesellschaft in V erbindung stehenden G üter im w esentlichen gerettet sind. D a es in K ongresspolenkein K atasterw esen gab, sind die erhaltenen ru n d 8000 Pläne von grösser allgem einerB edeutung. A ngestellte dieser u n ter A ufsicht des „B eau ftrag ten für das B ank-, Geld- und Börsenwesenin W arschau“ stehenden Gesellschaft haben das um fangreiche P lanm aterial neugeordnetund in trockenen und geeigneten K ellerräum en des obengenannten Gebäudes untergebracht, wosie — durch V erm ittelung des A rchivam tes W arschau — w iederholt bereits für V erw altungsundForschungszw ecke n u tz b a r gem acht w orden sind.D a s S t a a t s a r c h i v in L u b l i nVon den S taatsarchiven in den ehem aligen W ojew odschaften ist das in Lublin in der bestehendenForm erst a u f G rund des R eskripts des R egentschaftsrates vom 31. 7. 1918 entstanden40). Die3!) Die z. Zt. beste allgemeine Zusam m enfassung zur Geschichte des Deutschtum s in Polen gibt K . Lück, DeutscheA ufbaukräfte in der Entwickelung Polens. Posen 1935. (Zweite erweiterte Auflage in Vorbereitung). Vgl. auch das vonLück in Verbindung m it zahlreichen M itarbeitern herausgegebene neueste Buch: „D eutsche G estalter und O rdner imOsten“. Forschungen zur deutsch-polnischen N achbarschaft im ostm itteleuropäischen B aum I <strong>II</strong>. Posen 1940. (OstdeutscheForschungen, herausgegeben von V. K auder, B and 12). — Die nicht unbedeutende Zahl von grösseren undkleineren Einzelabhandlungen über das D eutschtum einzelner Gebietste<strong>il</strong>e des ehemaligen Polens kann hier natürlichnicht genannt werden, doch sei noch au f das erst kürzlich (1938) erschienene verdienstvolle B uch von Eugen OskarKossmann, „Die deutsch-rechtliche Siedlung in Polen, dargestellt am Lodzer R aum “ , verwiesen. Einen Überblick überdie archivalischen Quellen zur Geschichte des D eutschtum s in M ittelpolen h a t A. B reyer im Jahrgan g 5 (1939) der„D eutschen M onatshefte in Polen“ gegeben. Diese H efte, wie die bekannten grossen R eihen der „O stdeutschen Forschungenund „D eutschland und der O sten“ (herausgegeben von der Nord- und O stdeutschen Forschungsgemeinschaft)haben an der Erforschung der Geschichte des D eutschtum s im ehemaligen Polen bisher das grösste Verdienst.39) Dies für die Urkundenbeschaffung ungem ein wichtige Archiv ist bereits seit N ovem ber 1939 wieder benutzbar.Nach seiner Sicherstellung durch die Archivverw altung ist es durch den jetzigen L eiter der Gruppe Bevölkerungswesenund Fürsorge bei der Abte<strong>il</strong>ung Innere V erw altung im A m t des Generalgouverneurs, Dr. Föhl, Ende 1939 in Verbindungm it dem A rchivam t W arschau neu geordnet und ergänzt worden. — U n ter der V erw altung des Deutschen Gerichtsin W arschau stehend, wird die Archivpflege im Ziv<strong>il</strong>standsarchiv durch das A rchivam t W arschau bzw. denLeiter des H auptarchivs ausgeübt.40) Vgl. J. R iabinin, Archiwum panstwowe w Lublinie. W arschau 1926,— A. Kossowski, Archiwum paristwowe3 a


älteren G rodbücher der L ubliner W ojew odschaft (seit dem 15. Jah rh u n d ert) befanden sich ehemals im Lubliner Schloss, von wo sie im Ja h re 1825 in die R äum e des T ribunals im R athaus undein J a h r d a ra u f ins B ernhardinerkloster ü b erfü h rt w urden41).E tw a 10 Ja h re später finden wir diesen B estand m it G rundbüchern usw. im D om inikanerkloster,wo nach 1863 auch die S tad tb ü ch er der S täd te u n d Flecken der L ubliner W ojew odschaft zusam ­mengezogen w urden. Im Ja h re 1887 aber w urden alle diese Grod-, Land- u n d S tad tbücher (4817B ände, d aru n ter 1279 S tadtbücher) durch die russischen B ehörden in das W <strong>il</strong>naer Z entralarchivüberführt42). D abei befanden sich auch 76 P erg am entu rk unden, die bis heute in der W <strong>il</strong>naerU niversitätsbibliothek (frühere öffentliche B ibliothek) zurückbehalten sind.Nach der B egründung des polnischen S taates u n d der N eueinrichtung des L ubliner S taatsarchivskehrten au f dem V erhandlungsw ege seit 1919 insgesam t 3518 B ände nach L ublin aus R usslandzurück, etw a 1300 B ände aber, d aru n ter die ältesten, blieben verschollen43).In dieser älteren A bte<strong>il</strong>ung des L ubliner S taatsarchivs (N arutow iczstrasse 10) befinden sich heuteauch die 1465 beginnenden B ücher der S ta d t L ublin (acta advocatialia e t consularia civitatis Lublinensis)un d die S tad tb ü ch er von 45 S täd ten und Flecken der L ubliner W ojew odschaft44).H ier sind auch die A kten der W ojew odschaftskom m ission (seit 1837 L ubliner G ouvernem entsverwaltung)45), etw a 2100 K arten u n d Pläne des Lubliner un d Siedlcer G ouvernem ents, A kten desorthodoxen C holm -W arschauer geistlichen K onsistorium s, A delsregister, M etriken46) usw. erhaltengeblieben.Die neuere A bte<strong>il</strong>ung des Lubliner S taatsarchivs m usste vom ehem aligen russischen Gouvernementsgebäude (Plac Litew ski 5) nach der N arutow iczstrasse 4 verlegt w erden. H ier in dem ebenerst eingew eihten M useum (ehemaliges H aus der polnischen K u ltur) sind durch den S ta d th a u p t­m ann 3 Säle für A rchivzw ecke zur V erfügung gestellt worden47).w Lublinie. Archeion V <strong>II</strong>I (1930). — J . Seruga, Niszczenie archiwow w b. okupacji austriackiej. W arschau 1922. —W. R. Golub, Piatidiesiat<strong>il</strong>ietie W <strong>il</strong>enskago Centralnago Archiwa. W <strong>il</strong>na 1902. — H . Lopacinski, Sud’by Lublinskojgubernü w minuwszem Stolietji (P am iatnaja K nizka Lublinskoj Gubernii rok 1903). — Vgl. auch Archeion, B and I(1927), S. 1 ff. und N auka Polska, B and V <strong>II</strong> (1927) und X <strong>II</strong> (1930).41) Hier lagen dam als auch m ehr als 1100 A ktenbände des ehemaligen Lubliner Tribunals, die später an das H auptarchivin W arschau abgegeben wurden.4t) Dieser nach W <strong>il</strong>na 1887 überführte B estand h a t hier w ährend des W eltkrieges schwere Einbusse erlitten. 1915wurde das W <strong>il</strong>naer Z entralarchiv ins Innere Russlands verbracht, von wo die B ände des 15., 16. und 17. Jahrhundertsbis jetz t nicht zurückgegeben worden sind.4S) Die Archivarin Srebm a legte von diesen nach Lublin zurückgebrachten S tad t-, Grod- und Grundbüchern ein Verzeichnisan (in Anlehnung an ein bereits 1832 aufgestelltes Findbuch), das 1930 von J . R iabinin (Archiwum panstwowew Lublinie— Inw entarz ksiqg dawnych, W arschau 1930) veröffentlicht wurde.F ür die Lubliner Stadtbücher h a t R iabinin einen system atischen Z ettelkatalog aufgestellt. Die älteren Grod- undLandbücher haben alphabetische Register (Indices), die gegen Ende des 18. Jah rhunderts angelegt wurden.45) Bis 1866 in polnischer Sprache.46) Sie wurden nach der Rückgabe aus R ussland an die zuständigen H ypothekenarchive bei den Bezirksgerichten abgegeben.Im Staatsarchiv verblieben vor allem Kirchenbuchzw eitschriften evangelischer und griechisch-orthodoxerGemeinden. — Vgl. auch unten den allgemeinen A bschnitt über die Gerichtsbücher.47) W ährend der ältere, besonders wertvolle Te<strong>il</strong> des Staatsarchivs Lublin vom Kriege verschont geblieben ist und sichin guter Ordnung befindet, h a t die bisher im W ojewodschaftsgebäude untergebracht gewesene obengenannte neuereArchivabte<strong>il</strong>ung (jetzt Narutowiczstr. 4), bei der sich das Büro m it dem ganzen A m tsapparat (Repertorien, Register,Inventare) befand, durch die Kriegseinwirkungen erheblich gelitten. Die notwendige Um lagerung dieser Archivbeständenach dem genannten Museumsgebäude m usste (m it 72 Kraftw agenladungen) durchgeführt werden. SeitJan u a r 1940 ist die Neuordnung dieses völlig in Unordnung geratenen Archivfonds m it gutem Erfolg im Gange bzw.bereits durchgeführt.39


Diese jüngere A bte<strong>il</strong>ung des S taatsarchivs um fasst neuere und neueste A kten seit 1866/67, demTerm in der E inführung der russischen A m tssprache, von denen n u r die w ichtigen G ruppen genanntseien: A kten der K anzlei des L ubliner G ouverneurs (1866— 1917)48), des tem porären L ublinerG eneralgouverneurs (1905— 07)49), der L ubliner G ouvernem entsverw altung und zahlreicher u n te r­geordneter Ä m ter (Finanzkam m er, bäuerliche K om m issare, L iquidationstabellen, V erm essungsregister)m it z. T. sehr bedeutsam en, die A grarverhältnisse beleuchtenden B eständen. AnalogeA kten sind für das Siedlcer G ouvernem ent und für die 1912 begründete Cholm er G ouvernem ents-Verwaltung vorhanden. U nd naturgem äss ist das S taatsarchiv heute auch die Sam m elstellc allesverw altungsm ässig u n d historisch w ichtigen, vorw iegend staatlichen Quellengutes polnischer B e­hörden und D ienststellen des Lubliner D istrikts bis zum Beginn der heutigen deutschen V erw altung.D er U m fang dieser jüngeren A bte<strong>il</strong>ung des L ubliner Staatsarchivs50) w urde schon 1926 a u f über400 000 A ktenstücke geschätzt, zu denen etw a 20 laufende M eter Findbücher, H <strong>il</strong>fsrepertorien,K arteien u n d behördliche A kten Verzeichnisse vorliegen51).Aus besonderen G ründen m ussten im Ja h re 1940 in das S taatsarchiv Lublin zur W iederherstellungu n d O rdnung ihrer B estände übernom m en w erden: das A rchiv der bischöflichen K urieund des röm isch-katholischen K onsistorium s in L ublin sowie das dortige D om kapitelsarchiv.A uf diese geistlichen A rchive, deren V erzeichnung und N euordnung inzwischen bereits w eitgehendgefördert w urde, w ird in dem A b schn itt über die geistlichen A rchive des Generalgouvernements n äh er eingegangen werden.Von den A kten der ehem aligen katholischen U n iv ersität L ublin, die erst 1919 begründet w urde,sind die archivreifen Te<strong>il</strong>e ausgesondert und z. T . bereits in das S taatsarchiv übernom m en w orden.W egen der Belegung des U niversitätsgebäudes m it T ruppen sind aber diese R egistraturen starkdurcheinandergeraten un d die W iederherstellungsarbeiten daher m it grossen Schw ierigkeitenverknüpft.U n ter den von der ehem aligen W ojew odschaft in das S taatsarchiv Lublin übernom m enen B estän ­den seien hier die A kten der landw irtschaftlichen A bte<strong>il</strong>ung besonders erw ähnt. In K ellerräum eu n d au f den D achboden des Gebäudes U n iversitätsstrasse 6 verbracht und z. T. v ern ich tet,fanden sich d aru n ter die V erm essungspläne, K arten und K atasterak ten der verm essungstechnischenSektion der landw irtschaftlichen A bte<strong>il</strong>ung der W ojew odschaft, die nach zuverlässigenA ngaben s. Z. für etw a 20 M<strong>il</strong>lionen Z loty hergestellt w urden und heute naturgem äss den vielfachenW ert dieser Sum m e darstellen. D a die H auptm asse der vorhanden gewesenen K a ta ste r­k arten von den polnischen V erm essungsäm tern vor K riegsbeginn nach dem heu te russischenInteressengebiet v erb rach t w urde u n d z. T. daher für Verwaltungszw ecke des G eneralgouverne-) D arunter M aterial über die Ausländer im Lubliner Gouvernem ent, über die Verschickung deutscher Reichsangehörigerins Innere Russlands (1914— 15), über das Verhältnis der russischen Behörden zu den deutschen Kolonistenim Lubliner Lande usw.49) P erio d e d e r S ozialrevolu tio n ären B ew egung.60) Vermisst werden u. a. ein Te<strong>il</strong> der Adelsregister des Lubliner Gouvernem ents aus dem 19. Jahrh un d ert undvereinzelte A kten russischer Behörden, deren genaue Feststellung erst im Zuge der fortschreitenden Ordnungsarbeitmöglich ist.) Auch für die deutsche Forschung sind beide Abte<strong>il</strong>ungen des Lubliner Staatsarchivs von hervorragender Bedeutung.N icht nur die alten Stadt-, Grod- und Landbücher enthalten wertvolles M aterial zur Geschichte des Lubliner D eutschtums, sondern auch die A kten der ehemaligen russischen weltlichen und geistlichen Behörden behandeln die russischePolitik gegenüber den zahlreichen deutschen Kolonisten im Lubliner Lande. Aus diesem reichen Quellenm aterialist u. a. auch geschöpft die verdienstvolle A rbeit von K. Lück, Die deutschen Siedlungen im Cholmer und LublinerLande (1933), die gerade je tz t ihre reichen F rüchte getragen h at, da sie zur Grundlage der Um siedlung der zahlreichen40


It u t r Cd li mH IM 8i H


HERZOG JOHANN VON MASOWIEN VERLEIHT DER STADT WARSCHAU DEUTSCHES (KULMKR) RECHT. 1413, JUNI 4.O<strong>RI</strong>G. PERG. IM H A U PTSTAA’TSARCHIV WARSCHAU. IV. 3. 1. 1912.


KASIMIR, KÖNIG VON TOI.HN, ÜHHRKÜ1 IKT <strong>DI</strong>R STAD T RAD<strong>OM</strong> AUS DKM NKUMARKTKK IN DAS MAGDHBURGliR RHCl IT. 1364, JANUAR I.O<strong>RI</strong>G. 1’liRCi. IM HAURTSTAATSARCI<strong>il</strong>V WARSCHAU. IV. 4. 2. 3378.


m ents nicht zugänglich ist, stellte dieser F u n d 52) sich als besonders w ertvoll heraus. Dieses A ktenundP lan m aterial ist für die D urchführung der ländlichen Um legungen, für die K ataster- undG rundbücher, wie für die E rgänzung der G eneralstabskarten geradezu unentbehrlich.D a s S t a a t s a r c h i v in R a d o mF ür den heutigen D istrikt R adom bestehen, entsprechend der früheren russischen G ouvernem ents-,bzw. der folgenden polnischen W ojew odschaftseinte<strong>il</strong>ung dieses Gebietes, 3 S taatsarchive. Vondiesen ist das A rchiv der ehem aligen russischen G ubernialregierung (1815— 1914) in R a d o m 53),das die A kten dieser u n d anderer russischer V erw altungsbehörden des G ubernium s (wie derFinanzäm ter bis 1885 und die A kten der F inanzabte<strong>il</strong>ungen der G ubernialbehörden bis 1869),ferner A kten der ehem aligen A rchive der D om änen- u n d F orstverw altu ng der G ouvernem entsR adom , Kielce, L ublin u n d Siedlce m it den dazugehörigen ausserordentlich reichhaltigen K artensamm lungen en th ält54), aus R aum schw ierigkeiten z. Z. n ich t bew irtschaftet55). Grosse A bte<strong>il</strong>ungendaraus sind aber, wie z. B. die A kten der D om änen- und F orstverw altung u n d die derL andesverm essung, für die laufende V erw altung sehr w ichtig. A ndere A kten, wie die für B auernangelegenheiten,sind für V erw altung und F orschung gleich bedeutungsvoll, da sie auch diedeutschen Siedlungen dieses Gebietes nachw eisen.D a s S t a a t s a r c h i v in K ie lc eA uch das S taatsarchiv in Kielce56) h a t wegen R aum schw ierigkeiten verlegt w erden m üssen undwird je tz t in dem städtischen G ebäude A dolf-H itler-P latz 18 neugeordnet57). Es en th ält die imKriege u n versehrt gebliebenen A kten eines Te<strong>il</strong>es der W ojew odschaft K rakau (1815— 1837)58),Volksdeutschen dieses Gebiets genommen werden konnte. Vgl. darüber die soeben erschienene aufschlussreicheSchrift von K . Lück, Die Cholmer und Lubliner D eutschen kehren heim ins V aterland. Posen 1940. ( = „UnsereH eim at“ , herausgegeben von K. Lück und A. L atterm ann, H eft 15).62) Ähnlich wichtige Funde sind auch von anderen S taatsarchiven gem acht worden. Dies Beispiel mag indessen genügenum zu zeigen, welchen N utzen die V erw altung des Generalgouvernements durch den schnellen und planmässigenE insatz deutscher Archivfachkräfte vom Reiche aus erfahren hat.6S) Vgl. S. Tomkowicz, Obecny stan archiwow i bibliotek w Krolestwie Polskiem pod okupacjtj austrjackq. („Sprawozdaniaz czynnosci i posiedzen Akadem ji Um iejetnosci w K rakowie“ z r. 1916, Nr. 5). — E. Chwalewik, Zbiorypolskie <strong>II</strong>, S. 135.— W . Lopacinski, Archiwa Panstw owe Rzeczypospolitej Polskiej. Archeion B and I, S. 29.M) Die älteren A rchivbestände befinden sich im H auptarch iv in W arschau. Vgl. A. Stebelski, Zrödla do dziejowziem Kieleckiej, Radom skiei i Sandomierskiej w Archiwum glöwnem w W arszawie (Pam ietnik Swietokrzyski 1930.Kielce 1931, S. 294 ff.).55) Das in seinen Baulichkeiten wie B eständen w ährend des Krieges unversehrt gebliebene S taatsarchiv Radom ,das in 14 R äum en des linken Seitenflügels der ehemaligen russischen Gouvernem entsregierung (jetzt A m t des D istriktschefs)untergebracht war, ist zur Behebung von Raum schwierigkeiten bis au f weiteres in das Dachgeschoss diesesGebäudes überführt worden, wo es praktisch z. Zt. völlig unzugänglich und unbenutzbar ist. Seine Neuaufstellungund Ordnung muss bis zur Beendigung des im B au begriffenen neuen Gebäudes fü r das A m t des D istriktschefs zurückgestelltwerden.6e) Zur L iteratur vgl. S. Tomkowicz a. a. O. — E. Chwalewik, Zbiory polskie I, S. 150 — W . Lopacinski im Archeion I(1927)., S. 23. — O term inie zwini^cia archiwow ak t dawnych Kieleckiego, Lomzynskiego, Radomskiego i Siedleckiego(Zbior Praw , B and X X V I (1884), S. 269).—-Auch hier befinden sich die älteren B estände in W arschau. Vgl. A. Stebelski,a. a. O. (Anm. S. 54) und A. Bachulski, Archiwalja do historii wojewodztwa Kieleckiego w Archiwum Skarbowem(Pam ietnik Swietokrzyski 1930 (Kielce 1931), S. 303 ff.).67) Bis zum A pr<strong>il</strong> 1940 befand es sich in seinen bisherigen R äum en in dem staatlichen Gebäude Mickiewicza 5, dieindessen durch die Forstinspektion benötigt wurden. Das unsachgem äss und überhastet zunächst nach dem SchlossKielce überführte Staatsarchiv m usste wegen anderweitiger Verwendung der dort zur Verfügung gestellten Räum ezum Schaden der Archivordnung im Sommer 1940 nochmals wandern. D urch das Entgegenkom m en des S tad t­hauptm annes ist es je tz t so untergebracht, dass seine Ordnung und dam it seine B enutzbarkeit, wenn auch m it vielerMühe, wiederhergestellt werden kann.58) In der 1. H älfte des 19. Jahrhun derts befanden sich im Archiv des Ziv<strong>il</strong>tribunals in Kielce die Gerichtsbücher derKreise Clujciny, W islica, Nowy Korczyn und Siewierz, sowie die älteren Stadtbücher dieses Gebietes. Vor 1886 wurdendiese B estände indessen an das H auptarchiv nach W arschau abgegeben.41


des G ouvernem ents K rakau (Kielce) 1 8 3 7 -1 8 4 2 , des G ouvernem ents Kielce 1 8 4 2 -4 5 , desG ouvernem ents R adom 1845— 66, des G ouvernem ents Kielce 1867— 1915, der Kanzlei des G ouverneursm Kielce 1867— 1915, der K ielcer Schuldirektion, der Kom m ission und der K om m issarefür bäuerliche A ngelegenheiten des G ouvernem ents P etrik au (Kreise B endzin und Tschenstochau),der A delsdeputation des G ouvernem ents Kielce, ferner A kten der Finanzkom m issionm W arschau (K ontrolldirektion in Kielce) 1 8 1 7 -6 6 , des M <strong>il</strong>itärgouverneurs R adom u n d derunterstellten K reism <strong>il</strong>itärchefs 1 8 3 0 -1 8 6 5 , des R ates für Sozialversicherung des G ouverneursKielce 1830 1867, der D irektion der Feuerversicherung des G ouvernem ents Kielce 1848— 1866der K ontro<strong>II</strong>finanzkam m er bei den G erichten des G ouvernem ents R adom in Kielce 1845— 1866’des L andam tes Kielce 1919— 1935 und andere kleinere B estände8»). E in Te<strong>il</strong> der russischen A k tendes ehem aligen K reisam tes Olkusch8») ist 1935 in das S taatsarchiv R adom übernom m en. V onder deutschen A rchivverw altung sind in das S taatsarchiv Kielce bisher übernom m en w ordendie B estände der K ontrollkam m er u n d der Starostei Kielce. Als D epositum befindet sich je tz tler auch das S tad tarchiv Kielce, das durch den U m bau des R athauses seine Räum e aufgebenm usste. °Das A rchiv der ehem aligen polnischen W ojew odschaft Kielce (1918— 1939) befindet sich verhälmsm ässig unversehrt61) im Schloss K ielce bzw. bei einzelnen deutschen D ienststellen. Seinein 9 A bte<strong>il</strong>ungen (Allgemeine V erw altung, A rbeit und Fürsorge, Gewerbe, Krieg, G esundheit,1 om m unalw esen, P olitik, V erkehr und Bauw esen, L andw irtschaft) gegliederten B estände sindinzwischen zum grösseren Te<strong>il</strong> übersichtlich aufgestellt u n d auch bereits weitgehend geordnetw orden. Die Zusam m enlegung des ganzen A rchivs w ird vorbereitet. Die für die laufende V erw altun g benötigten U m legungs-, ParzeUierungs- und M eliorationsakten, sowie K arten, P ersonalaktenusw. sind den entsprechenden D ienststellen zugeführt w orden.D a s S t a a t s a r c h i v in P e t r i k a uDas S taatsarchiv in P etrik au6») w ar das A rchiv des ehem aligen russischen G ouvernem ents P etrik auund der ehem aligen polnischen W ojew odschaft Lodz. Von den B ehörden dieser W ojew odschaftkam en hierher viele A k tenbestände des alten russischen G ouvernem ents Kalisch, die von ihnen alsV orakten übernom m en w aren63). H ier befinden sich also an w ichtigeren G ruppen die A kten derKom m ission der W ojew odschaften M azowiecki u n d K alisch (1818— 1867), der K anzlei des G ouverneursin P etrik au (1867— 1914), der P etrik au er G ouvernem entsregierung (1867— 1914), des frü ­heren G eneralgouverneurs fü r die G ubernien P etrik au und K aliscb (1905— 09), der Steuerkom m issiondes G ouvernem ents P etrik au (1 8 7 4 -1 9 1 3 ), der P etrik au er Finanzkam m er (1 8 6 7 -1 9 1 7 ),der P etrik au er G ouvernem entskasse (1867— 1914), des P etrikau-K alischer A kziseam tes (1872 bisDie in Kielce befindlichen A kten der K rakauer W ojewodschaftskommission aus der 1. H älfte des 19. Jahrhun dertskam en hierher, we<strong>il</strong> diese dort ihren Sitz h atte. Im Jah re 1837 b<strong>il</strong>dete m an aus der K rakauer W ojewodschaft daskauer Gouvernem ent, das 1841 in Gouvernem ent Kielce um geändert w urde; erst 1845 en tstan d das Gouvernem entKadom das sich aus den früheren Gouvernements Kielce und Sandom ir zusam m ensetzte (bis 1867). Das 1867 neubegründete Gouvernem ent Kielce bestand dann bis zum W eltkriege7 ^ a 6 ! T r T ^ d e nunow (lo6z ü.) und A kten verschiedenerder„ Ai; tei HTe<strong>il</strong>igkreUZInnungen in(15-Neu17‘Slupia- ^ h u(1744—n d e r t )1860), Innungsakten der Schuhm acher inb h i r 8? 6Ch!T B irögbÜTCuhT (A kta “ kuskie)’ die aus Büche n * V orschriften für die Verwaltung (1367e es Jhs.), aus G erichtsbüchern (1384— 1685) und aus R echnungsbüchern (1528 1794)K ^ttow üz 81 im WarSChaU6r HaUPtarchiw befinden, gehören heute in das S taatsarchiv Breslau, Abte<strong>il</strong>ungn - f " ,Ab^’ P °.li.tik “ nd, die weser|tlichsten Vorgänge vor der deutschen Besetzung Kielces verbrannt worden. —in E d ! v t r 1 r : 1 Bauwesen befinden sicb *• Z. im Gebäude der Strassenbauaussendienststellein Kielce, von der sie weitgehend benutzt werden.6e?n!fchb! f nde\ Si


1911), des F abrikinspektors des G ouvernem ents P etrik au (1886— 1914), der Lodzer Schuldirektion(1819— 1914), der Kom m ission für bäuerliche A ngelegenheiten in den G ouvernem ents P etrikauund K alisch (1884— 1910 bzw. 1864— 1903), L iquidationsstellen der Bezirke K alisch undP etrikau 1864, Pläne von G ütern un d W äldern der G ouvernem ents K alisch un d P etrikau , A ktendes Landgerichts P etrikau , B estände verschiedener B ehörden der W ojew odschaft Lodz (seit 1919)usw64).Aus dem V orstehenden ergibt sich, dass grosse Te<strong>il</strong>e dieses S taatsarchivs je tz t in den W arthegau,aber auch in den Regierungsbezirk O ppeln (für Te<strong>il</strong>e des ehem aligen polnischen Kreises Tschenstochau)und den R egierungsbezirk K atto w itz (für den K reis Bendzin) gehören65).Hier befinden sich aus der deutschen bzw. österreicbischen V erw altung Polens w ährend des W eltkriegesauch noch etw a 30000 A ktenstücke der deutschen S taatsan w altschaft Lod i (Bezirksgericht)1916—1918 (Prozesse) und ein kleinerer — ebenfalls unverzeichneter — B estand an A ktendes österreichischen K reiskom m andos P etrik au 1915 191766).S t a a t l i c h e A r c h iv e G a liz ie n sD a durch die erste Te<strong>il</strong>ung Polens (1772) der grösste Te<strong>il</strong> Galiziens (die W ojew odschaften Lem bergu n d Beiz, die H älfte von K rakau und W estpodolien) an Ö sterreich fiel, das in der d ritten Te<strong>il</strong>ung(1795) das L and zwischen dem nördlichen B ug, der W eichsel u n d der P<strong>il</strong>ica m it K rak au dazu erwarb67), haben die A rchive Galiziens seitdem eine Sonderentw ickelung bis zum E nde des W eltkriegesgenom m en68).Die A kten der Z entralbehörden Galiziens als österreichischer P rovinz befinden sich seit 1792 imLem berger S taatsarchiv69), dem ehem aligen S tatth altereiarch iv (ul. Czarnieckiego 18), neben demseit 1784 für die B ücher der aufgehobenen polnischen G erichte und die polnischen A kten der altenR epublik aus dem östlichen Te<strong>il</strong> Galiziens das L andesarchiv (A rchiw um Ziemskie)70) in Lem berg(Plac B ernardynski 3) bestand, das im Ja h re 1808 der L andtafel angegliedert u n d dem L andrechtin Lem berg u n terstellt w urde. Seit 1933 sind das S taatsarch iv u n d das L andesarchiv in Lem bergw enn auch in getren nten G ebäuden — vereinigt w orden.Verwaltung wieder übersichtlich aufgestellt worden ist. — Zur L iteratur: E. Chwalewik, Zbiory polskie <strong>II</strong>, S. 135.W. Lopacinski a. a. O. S. 27. — Archeion B ände 6—7 (W arschau 1930), S. 125 f.65) Vgl. Archeion B and 16 (W arschau 1938/39), S. 171 ff. und 188 ff.M) Auf dem Quellenm aterial der ehemaligen W ojewodschaft Lodz (insbesondere dem des S tadtarchivs in Litzm annstadt)beruht u. a. die bereits genannte Veröffentlichung von Eugen Oskar K ossm ann, Die deutsch-rechtliche Siedlungin Polen, dargestellt am Lodzer R aum (1938).66) Die um fangreichen A useinandersetzungsarbeiten m it dem Reich sind hier — wie bei den anderen in B etrachtkom menden Staatsarchiven des Generalgouvernem ents — im Gange. Begonnen wurde in P etrikau m it der sehr wichtigenaber unverzeichneten K artensam m lung der Pläne der Dom änen und Forstverw altung des ehemaligen russischenGouvernements Kalisch 1808— 1879 (etw a 400 Stück). Die Auseinandersetzung über die älteren Archivalien diesesGebietes, die sich in W arschau befinden, muss m it dem dortigen H auptarchiv erfolgen.6«) Die Überführung dieser A kten der deutschen V erw altung in die zuständigen Archive des Reiches ist vorbereitet.« ) Von diesem Gebiet kam 1809 W estgalizien m itK ra k a u a n das H erzogtum W arschau. N ach seiner Rückgliederung(1815) wurde K rakau m it den Städten Chrzanow, Trzebinia und Nowagora sowie 244 Dörfer zum F reistaat erklärt,der nach dem A ufstand des Jahres 1846 sein Ende fand.68) Zur allgemeinen Entwickelung vgl. B. D udik, Archive im Königreiche Galizien und Lodomerien. W ien 1867.Im einzelnen sind die hier gem achten Angaben natürlich lange überholt.69) Vgl. A. W iniarz, Archiwum Nam iestnictw a we Lwowie. Lem berg 1909. — E. Barwinski, Les archives en P etitePologne Orientale. Lemberg 1932; derselbe, Les archives de l’F ta t Lwow. Lemberg 1933. — Eine Ü bersicht überdie H auptbestände des Lemberger Staatsarchivs im Archeion, B and I (1927), S. 24 f.70) Vgl. S. Sochaniewicz, Archiwum krajowe aktöw grodzkich i ziemskich we Lwowie, Lemberg 1912. — M.W gsacz,Tabula prow incjonalna b. Galicji, Lemberg 1931. E. Barwinski, Les archives en P etite Pologne Orientale. Lemberg 1932.43


Aus dem A rchiv des Senats der Freien S ta d t K rakau (1815— 46) en tstan d nach der E inverleibungdes Gebietes in die österreichische Provinz Galizien das K rakau er K aiserlich Königliche H a u p t­archiv, das im K arm eliterkloster unterg eb rach t w ar und nach vorausgegangenen K assationen imJah re 1900 von der K rakau er B ezirkshauptm annschaft im K rak au er S tad tarchiv deponiertw urde71). Die R egistraturen der S tatthalterei-K om m ission in K rakau m it den A kten der H o fk om ­mission von 1846— 49, der G ubernialkom m ission von 1849— 54, der Landesregierung von 1854— 60und der S tatthaltereikom m ission von 1862— 67, die von 1854 an ganz W estgalizien (also das Gebietder Freien S ta d t K rakau u n d die K reise W adow ice, Sandez, Jaslo, Rzeszöw, Tarnow , Bochnia)betreifen, w urden vor 1908 an das Lem berger S tatth altereiarch iv abgegeben72).M it A usnahm e des vorgenannten Senatsarchivs der F reien S ta d t K rakau sind also die A kten derösterreichischen B ehörden Galiziens im Lem berger S taatsarch iv zu suchen73).D a dieses, als im russischen Interessengebiet gelegen, für uns z. Z t. n icht zugänglich ist, haben diein W ien befindlichen A kten der einzelnen M inisterien, insbesondere des M inisterium s des Innern m itden B eständen über die E in richtu ng Galiziens, die Landes- und K reisbereisungen, das Bevölkerungswesen,Gewerbe un d H andw erk, die L a n d -u n d F orstw irtschaft, ü ber städtische und U n te rta ­nensachen usw ., die galizischen P rotokollbücher seit 1772, die A rchivalien des H ofkam m erarchivs,zum al die d o rt befindlichen D om änenakten, die grossen B estände des jetzigen Reichsarchivs(H aus-, Hof- und S taatsarchiv)74), insbesondere die des S taatsrates und auch die einschlägigen B e­stände des K riegsarchivs, heute für alle Forschungsarbeiten zur neueren Geschichte der ehem aligenGebiete Galiziens erhöhte B edeutung. W ichtigste ergänzende Quellen sind für V olkstum sforschungendazu die in den Pfarreien des K rak au er D istrikts verbliebenen K irchenbücher, G edenkbücherusw. und nam entlich für die B esitzverhältnisse die in den einzelnen Gerichten bzw. inden H ypothekenarchiven verbliebenen G erichtsbücher, G rundbücher, U rkunden usw. (s. u. S.51ff.).D a s S t a a t s a r c h i v in K r a k a uAus dem in K rakau im Collegium Jesuiticu m zusam m engebrachten ehem aligen K . K . A rchiv derGrod- und L andakten, das eigentlich m ehr ein H y p o th ek en am t w ar, erwuchs im Jah re 1878 dasdem Galizischen Landesausschuss in Lem berg unterstehende K rakau er Landesarchiv75) (A rchiw umK rajow e, G ertrudenstr. 8) entsprechend dem oben bereits genannten Lem berger L andesarchiv.A ufgabe dieser beiden ständischen A rchive w ar die Ü bernahm e und Vereinigung der altpolnischenG erichtsakten nach der altpolnischen L andeseinte<strong>il</strong>ung K leinpolens, wobei vom L em berger L an ­desarchiv an das K rakau er im Ja h re 1882 die G erichtsbücher von Biecz und Czchöw u n d im Ja h re1897 die von Sandez, A uschw itz, Z ato r un d P<strong>il</strong>zno abgegeben w urden76). N ach einer w eiteren A b­71) Erlass des Kaiserlich Königlichen M inisteriums des Innern vom 29. Mai 1899. Vgl. K . K aczm arczyk, Das historischeArchiv der S tad t K rak au (1913), S. 42. Näheres darüber im A bschnitt über das K rakauer Stadtarchiv.72) D ienstakten des K rakauer Staatsarchivs (Bericht von Dr. B udka vom 5. 12. 40).73) Ausser den oben genannten Beständen, also A kten des Präsidium s des Gubernium s und der K . K. S tatthalterei1772— 1909, der verschiedenen Finanzbehörden 1772— 1900, der verschiedenen G erichtsbehörden etw a bis 1880,der Schulbehörden bis 1914, der Finanzprokuratur 1772— 1900, der Kommission zur Regulierung der Servituten1850— 1914, U rbarialakten seit 1772, A kten der Polizeipräsidien Lem berg und K rak au (1850— 62), der D irektionöffentlicher B auten (1804 62), verschiedener Spezialkommissionen 1785— 1867, der Regierungskommission Galiziens1918— 19 usw.’4) Vgl. das vorzügliche G esam tinventar des W iener H aus-, Hof- und Staatsarchivs, herausgegeben von L. B ittner,B and 1— 5 W ien, 1936/39.76) St. K utrzeba, K atalog Krajowego Archiwum aktow grodzkich i ziemskich w Krakowie. K rak au 1909. — Derselbe,H istoria zrödel praw a polskiego. Lemberg 1926. <strong>II</strong>, 410 ff. — Archiwum Ziemskie w Krakowie w latach 1920— 26(Archeion I I I (W arschau 1928), S. 168— 178). — K. Buczek, Archiwa polskie (N auka Polska V <strong>II</strong> (1927), S. 24).76) Die Gerichtsbücher des je tz t zum Regierungsbezirk K attow itz gekommenen Gebietes der ehemaligen W ojewodschaftK rakau sind inzwischen an das Staatsarchiv Breslau, Abte<strong>il</strong>ung K attow itz, abgegeben worden. Die Lem berger44


gäbe aus dem W arschauer H au p tarch iv (1928) w aren in K rak au so die altpolnischen G erichtsbücherder altpolnischen W ojew odschaft K rakau u n d eines Kreises der W ojew odschaft Sandom irvereinigt, w ährend in Lem berg die entsprechenden G erichtsbücher der W bjew odschaften Reussenund Beiz blieben. A uch beim späteren A nw achsen beider L andesarchive durch neue G erichtsaktenwie durch D eposita von S tad t- u n d L andgem einden blieb die Grenze zwischen den Sprengeln derOberlandesgerichte in Lem berg u n d K rak au m assgebend. E s w ar das etw a die alte Grenze von1787, die das L and rech t in Lem berg vom L andrech t in T arnöw tre n n te und die nach 1918 für dieAppellationsgerichte in Lem berg und K rak au bestehen blieb77).Der räum lich nicht sehr um fangreiche, inhaltlich aber um so w ichtigere B estand an G erichtsbüchern(Grod- und L andbüchern) der ehem aligen K rakau er W ojew odschaft aus den Jahren1374— 1794 sowie an G erichtsakten der F reien S ta d t K rakau 1815— 46 zählt etw a 6500 B ücher,Faszikel u n d D okum ente. Inhaltlich lassen sich die durch einen vorzüglichen gedruckten K atalog78)erschlossenen B estände der G erichtsbücher in zwei G ruppen scheiden: eine kleinere der B ücherzu deutschem R echt, die sogenannten T heutonicalia, und eine grosse der B ücher zu polnischemR echt.Die ru n d 150 B ände der B ücher zu deutschem R echt stam m en aus dem G ericht des oberstendeutschen R echts auf der K rakau er B urg, dem G ericht der 6 S täd te u n d dem G ericht der Grosspro k u ratu r in K rakau . A usserdem sind G erichtsbücher zu deutschem R ech t aus Biecz und Sandezin dieser A bte<strong>il</strong>ung vorhanden79). Sie sind in dem genannten gedruckten K atalog von K utrzebaim Einzelnen verzeichnet. Das älteste B uch des höchsten G erichts zu deutschem R echt au f derK rakau er B urg (1390, 1392— 1417) ist herausgegeben w orden80).Die B ücher des polnischen R echts, die sogenannten G rodbücher, scheiden sich wieder in die grossenG ruppen der T errestria und Castrensia. Die T errestria sind im sogenannten Sqd ziem ski, der fürdie ganze W ojew odschaft zuständig w ar, aber in verschiedenen S täd ten tag te, entstanden. Dasälteste G erichtsbuch dieses L andgerichts stam m t aus den Jah re n 1374— 85.Die Castrensia sind in den Grod- oder S tarosteigerichten en tstan d en (Sqd grodzki), die es in K rakau, Sandez und Biecz gab. Zu diesen G rodbüchern sind — m it A usnahm e derer von K rakaualtpolnische Abte<strong>il</strong>ung en thält Gerichtsbücher des ehemaligen Landes Chelm und der früheren W ojewodschaftenBeiz und Reussen. Von diesem Gebiet liegt innerhalb des jetzigen K rakauer D istrikts nur ein kleiner Te<strong>il</strong> der reussischenW ojewodschaft (Ante<strong>il</strong>e der L änder Przem ysl und Sanok). Das B uch Castr. Sanoc. 438 (15. Jah rh.) entstam m t demhöheren Gericht zu deutschem R echt in Sanok. — In der altpolnischen A bte<strong>il</strong>ung sind ferner eine Reihe von Depositaaus dem jetzigen Bereich des K rakauer D istrikts verblieben (S tadt- und Dorfgerichtsbücher, Zunftbücher, U rkunden,E xtrakte aus Land- und G erichtsbüchern und dergl.).77) W eniger günstig w ar die anders verlaufende östliche adm inistrative Grenze der K rakauer W ojewodschaft nachdem Gesetze vom 3.12.20 für das K rakauer Staatsarchiv im H inblick au f die von diesem zu übernehm enden RegierungsundVerw altungsakten.78) S. oben Anm erkung Nr. 75.79) Alle diese Theutonicalia sind natürlich für die deutsche Forschung von grösster B edeutung, zum al für alle Fragenim Zusammenhang der W eiterentwickelung des deutschen R echts in Polen. Die B enutzung der Bände ist sehr erschwert,da Indices noch weitgehend fehlen. Der vorhandene K artei-Index zu den älteren Büchern (nach Personenund Orten) ist bis zum Jah re 1430 geführt. Ein weiterer Te<strong>il</strong> dieser B ände befindet sich übrigens im K rakauer S tad t­archiv. Die Bücher und U rkunden des obersten Gerichts deutschen R echts au f der K rakauer Burg, des Gerichts der6 Städte und der Verwaltung der königlichen Ökonomie, die an verschiedenen O rten verstreut waren, werden aufGrund des Reichstagsbeschlusses vom 25. Juli 1791 (Volumina legum IX , S. 288) im K rakauer R athause gesam melt;im 19. Jah rh u n d ert sind sie aber nicht vollständig an das Landesarchiv in K rakau abgegeben worden. Vgl.K aczm arczyk, Das Städtische Archiv der S tadt K rakau. S. 7.*°) A. Klodzinski, N ajstarsza ksi?ga sqdu najwyzszego praw a niemieckiego na zam ku krakowskim. K rakau 1936.( = Archiwum Kom isji Prawniczej Bd. X .).45


die zu österreichischer Z eit (1794— 1860) angelegten um fangreichen O rts- und Personenregistervorhanden. Die ältesten R echtsbücher des K rak au er Landes sind fü r die Zeit von 1374— 1400veröffentlicht worden81).Die endgültige L iquidierung des ehem aligen k. k. A rchivs der Grod- und T errestralakten, aus demdas L andesarchiv in K rakau erw achsen w ar, erfolgte erst im Ja h re 1890. D am als übernahm dasS tad tarchiv 1274 B ände un d 9 P ergam enturkunden (1392— 1808), die K rak au , seine V o rstädtesowie K asim ir und K leparz betreffen und 1811 an das Z iv<strong>il</strong>tribunal I. In stan z in K rakau a b ­gegeben w aren.Mit dem 1. O ktober 1919 w andelte sich das bisherige K rakauer L andesarchiv in ein P rovinzialarchivdes neuen polnischen S taates, das erst seit dem Ja h re 1936 das S taatsarchiv der K rak au erW ojew odschaft w urde. Die ungenügenden R aum verhältnisse im G ebäude des A ppellationsgerichts(G ertrudenstrasse 8), die unzureichende Personalbesetzung und die w iederholte V erschiebungdes geplanten N eubaues des D ienstgebäudes hinderten indessen stark seine E in richtung , auch nachdem es au f der K rak au er B urg in einigen R äum en des dortigen ehem aligen K ra n ­kenhauses E rw eiterungs- u n d A ufnahm em öglichkeiten erhalten h a tte .Die neue A rchivabte<strong>il</strong>ung a u f der K rak au er B urg, die vorw iegend A rchivalien aus dem E ndedes 18. und aus dem 19. Ja h rh u n d e rt enthielt, m usste wegen anderw eitiger V erw endung diesesganzen Schlosste<strong>il</strong>es nach der E rrich tu n g des G eneralgouvernem ents nach dem Gebäude desehem aligen U n iv ersitäts-In stitu ts A nnagasse 6 verlegt werden.H ierher kam en nach A ufstellung der erforderlichen Regale im w esentlichen A rchivalien stä n ­discher In stitu tio n en Galiziens, deren H au p tte<strong>il</strong> die A kten des A delsgerichts in Tarnow , das von1787 1855 die T ätigkeit der früheren polnischen Grod- u n d Landgerichte fortsetzte, b<strong>il</strong>den.Einen grossen A k ten bestan d stellen hier auch die A kten I. In stan z der Freien S tad t K rakau ausden Jah re n 1816— 55, w eiter G rundbücher m ehrerer G erichte der W ojew odschaft K rakau u n dA kten einzelner K reishauptm annschaften, Polizeibehörden, aufgehobener Lehrersem inare usw .D a hierher aber auch die sehr um fangreichen und für die Forschung ungem ein w ichtigen B eständedes historisch-h<strong>il</strong>fsw issenschaftlichen Sem inars der K rak au er U niversität wie die der geschichtswissenschaftlichenK om m issionen der polnischen A kadem ie der W issenschaften übernom m enw erden m ussten, w ar der verfügbare M agazinraum bald erschöpft, so dass für die grossen Z u­gänge aus den R eg istratu ren liquidierter polnischer B ehörden neue Ü bernahm em öglichkeitengeschaffen w erden m ussten.Aus den B eständen des historisch-h<strong>il</strong>fsw issenschaftlichen Sem inars sei hier au f die Sam m lungvon U rkunden-Photokopien aus dem 12. un d 13. Jah rh u n d e rt von insgesam t 1262 U rkundenaus dem Gebiet von Gross- un d K leinpolen, Masowien, K ujaw ien und z. T . auch Schlesien aufmerksam gem acht. W enn diese U rkunden in der M ehrzahl auch bereits gedruckt vorliegen, soist ein Te<strong>il</strong> ihrer Originale heu te doch n ich t m ehr vorhanden. Ihre P hotokopien bieten also je tz tdie einzige M öglichkeit, Forschungen über die äussere F orm der U rkunden vorzunehm en. DieseSam m lung ist in ihrer A rt die grösste des ehem aligen Polens.Von den Sam m lungen der H istorischen K om m ission seien folgende A bte<strong>il</strong>ungen genannt, dieQ uellenabschriften aus verschiedenen A rchiven des In- und A uslandes en th alten:81) B. Ulanowski, Antiquissim i libri iudiciales terrae Cracoviensis 1374— 1400. K rak au 1884 und 1886 ( = Starodawnepraw a polskiego pom niki. Bd. V <strong>II</strong>I. Te<strong>il</strong> 1 und 2).46


1.) Römische M appen m it M aterialien zur G eschichte Polens aus dem V atikanischen Archivund der V atikanischen B ibliothek wie aus anderen italienischen B ibliotheken aus dem 13. bis17. Jah rh u n d ert.2.) Cieszkowski’sche M appen m it M aterialen zur Geschichte Polens aus den Staatsarchivenin P arm a, M odena und V enedig aus den Jah re n 1328— 1773.3.) Prussica m it K orrespondenzen verschiedener Polen m it H erzog A lbrecht von Preussen ausdem K önigsberger A rchiv (1526— 1541).4.) H osiana m it M aterialien über die T ätig k eit des K ardinals Stanislaus H osius. Diese K orrespondenzenaus verschiedenen polnischen und ausländischen A rchiven um fassen die Jah re1550— 1579.5.) Londoner M appen m it M aterialien aus dem B ritish M useum und R ecord Office über diepolnisch-englischen Beziehungen vom 15. bis 18. Ja h rh u n d e rt.6.) P ariser M appen m it M aterialien zur G eschichte Polens aus „G azette E ncyclopedique“ , „G a­zette de L eyde“ und „G azette de F ran ce“ (1631— 1792).7.) P aw inski’sche M appen m it L andtagsbeschlüssen der verschiedenen polnischen Provinzenaus den Jah re n 1512— 1795.8.) U lanow ski’sche M appen m it M aterialien zur Geschichte des früheren polnischen L andrechtsund des kirchlichen R echts aus verschiedenen A rchiven u n d B ibliotheken für die Zeit vom14.— 18. Jah rh u n d ert.9.) Czerm ak’sche M appen m it M aterialien zur polnischen Geschichte u n te r den K önigen L a­dislaus IV . u n d Jo h an n K asim ir (1632— 1667).10.) W olynski’sche M appen m it M aterialien zur G eschichte Polens aus den A rchiven in Florenzu n d M a<strong>il</strong>and (16. u n d 17. Jah rh u n d ert).11.) W aliszew ski’sche M appen m it M aterialien zur G eschichte Polens u n te r K önig Jo h ann Sobieski(1684— 1696).12.) V aria m it M aterialien zur G eschichte Polens aus verschiedenen A rchiven un d Bibliotheken(11.— 19. Jah rh u n d ert).H ier befinden sich u. a. auch: D er N achlass des K rak au er Professors und ehem aligen D irektorsdes S taatsarchivs (1901/1906), F . Piekosinski, m it den allgem ein sehr w ertvollen M aterialien zudem von ihm vorbereiteten „Codex diplom aticus P oloniae“, die Sam m lungen der Kom missionzur B earbeitung des polnischen G eschichtsatlas (L an dk arten, L andkarten-P hotokopien undandere H <strong>il</strong>fsm ittel), Q uellensam m lungen zur G eschichte des Geisteslebens in Polen (M aterialienbetreffend die Studien der Polen im A usland), die polnischen M aterialien zum Glossar des m ittelalterlichenL atein in Polen (rund 150 K ästen m it Z etteln, die Schlagw örter aus gedrucktenpolnischen m ittelalterlichen Quellen nachw eisen): ein Te<strong>il</strong> der in ternationalen V orarbeit zurN euherausgabe des „G lossarium la tin ita tis“ von D u Cange.Nachdem nach vielen B em ühungen durch das E ntgegenkom m en des P räsidenten des A ppellationsgerichtsin diesem G ebäude (B urgstr. 52) der fü r das S taatsarchiv erforderliche weitere M agazinraumgewonnen w ar, ko nnten hierher82) bei der R äum ung des U niversitätsgebäudes im Ju liund A ugust 1940 das U n i v e r s i t ä t s a r c h i v , die R eg istratu r des R ektors, sowie die laufendenR egistraturen der einzelnen F ak u ltäten soweit sie in H örsälen bzw. in K ellerräum en aufgefundenw urden, übernom m en w erden83). Die bis auf die A nfänge dieser — 16 Jah re nach der P ragerH ochschule gegründeten — alten U n iv ersität (1364)84) zurückgehenden A rchivalien w urden im82) Diese ausgezeichneten Zusatzräum e des Staatsarchivs w urden durch Einsetzen einer Y erbindungstür m it deraltpolnischen Archivabte<strong>il</strong>ung (G ertrudenstr. 8) vereinigt.M) I n d e r U n iv e rs itä t befinden sich z. Z t. n u r n o ch die A k te n b e stä n d e (P e rso n ald o k u m en te , P rü fu n g sp ro to k o lle usw .),die v o n d e r T re u h a n d v e rw a ltu n g d e r U n iv e rs itä t z u r A u sk u n ftserte <strong>il</strong>u n g n o c h g e b ra u c h t w erden.M) Die älteste Geschichte dieser U niversität unter dem Titel: H istoria U niw ersytetu Jagiellonskiego schrieben K. Morawskibis zum Ende des 15. Jahrhdts. (2 Bände K rakau 1900) und H . Barycz für das 16. Jah rd t. (K rakau 1935).47


iJah re 1780 zu einem Universitätsarchiv®®) u n te r einem besonderen A rchivar vereinigt, das sichbei seiner Ü bernahm e in das S taatsarch iv in die H andschriftenabte<strong>il</strong>ung (gegen 500 aus dem15.— 19. Jah rh u n d ert)86), die U rkundensam m lung (1274— 1772; 705 Stück)87), die A bte<strong>il</strong>ung derP apierakten, die sich au f die w irtschaftlichen V erhältnisse der U niv ersität seit ihrem B estehenbeziehen (rund 21000 A ktenstücke), die R eg istratu r des R ektors und Akadem ischen S enats88)seit dem 18. Ja h rh u n d e rt (282 Faszikel), die völlig ungeordneten R eg istratu ren der einzelnenF ak u ltäten und die M iscellanea (Akadem ie der Schönen K ünste, Schulen etc.) gliederte89).Aus der B ibliothek der ehem aligen Polnischen A kadem ie der W issenschaften90) in K rakau , die1873 aus den Sam m lungen der K rak au er W issenschaftlichen Gesellschaft entstand und die z. Z t.in die K rak au er S taatsb ib lio th ek ü b erfü h rt w ird, sind vor der Verlegung vom S taatsarchiv (B urggasse52) m ehrere H u n d ert Faszikel der sogenannten „Teka Schneidera“, die eine Sam m lungvon A rchivalien, A ktenauszügen und N otizen zur O rtsgeschichte Galiziens darstellen91), ü b ernomm en w orden. W egen des A rchivs dieser A kadem ie, das aus einer Sam m lung von ru n d 500U rkunden und 2 000 H andschriften92) sowie aus N achlassakten der verschiedenen A kadem iemitglieder b esteh t, w ird die A useinandersetzung zwischen der D eutschen B ibliothekshauptverwaltung un d der A rchivverw altung nach B eendigung des Umzuges der A kadem iebibliothekerfolgen.Ebenfalls in die M agazinräum e B urggasse 52 übernom m en w urden von der A rchivverw altungdie R eg istratu r der L andw irtschaftlichen H ochschule nach vorheriger A ufte<strong>il</strong>ung des A k tenbestandes.Die P ersonaldokum ente und sonstige fü r die T reuhandverw altung der U niversitätlaufend gebrauchte B estände w urden dieser überlassen, w ährend das übrige Schriftgut vonB edeutung dem S taatsarch iv übergeben w urde.N ach den gleichen G esichtspunkten w urden übernom m en auch die R egistraturen der H andelsakademie93) und der B ergakadem ie94). Die R eg istratu ren und A rchive der höheren Schulen K rakaussind z. Z t. im Bergungslager der A bte<strong>il</strong>ung W issenschaft, E rziehung und Volksb<strong>il</strong>dung zusam m engezogen,wo von B eam ten des S taatsarchivs eine erste Sichtung durchgeführt wurde. H ier b e­findet sich die sehr um fangreiche R eg istratu r des Schulkuratorium s m it dem wichtigen B estand86) Vgl. Wl. Semkowicz, 2ycie naukowe wspolczesnego K rakow a (1939), S. 129 f. Ausser den obengenannten 500H andschriften befinden sich im U niversitätsarchiv noch zahlreiche unverzeichnete H andschriften aus der 2. H älftedes 19. Jahrhun derts, vorwiegend betr. die V erw altung der U niversität.86) Die H andschriften Nr. 1—373 sind beschrieben in dem K atalog von W. Wislocki.87) Vgl. den 5-bändigen Codex diplom aticus der K rakauer U niversität: Cod. dipl. U niversitatis Studii GenerafisCracoviensis 1365 1605. K rak au 1870— 1900. — Wl. W islocki, K atalog rgkopisöw biblioteki Uniw. Jagiellonskiego,K rakau 1877 81. Die R egistratur des R ektors ist im S taatsarchiv inzwischen nach dem alten R egistraturschem awieder aufgestellt worden. Die übrigen Archiv- und R egistraturbestände werden z. Zt. geordnet.8S) Zu den A kten des Senats liegt ein handschriftliches In ven tar vor.89) Zur H erausgabe vorbereitet wurden vor dem Kriege die R ektoratsakten von 1580— 1618 und die M atrikel derU niversitätsstudenten des 17. und 18. Jahrhun derts.90) Vgl. Wl. Semkowicz a. a. O. S. 140.91) Vgl. A. Schneider, Encyklopedia do krajoznaw stw a Gaficji. Lemberg 1871. (N ur der 1. B and erschienen).92) Die Urkunden- und H andschriftenbestände sind in dem 2 bändigen gedruckten K atalog von J a n Czubek, K atalogr¥kopisow Akademii Um iejetnosci w Krakowie (K rakau 1906 und 1912) verzeichnet. F ü r die Handschriften-Neuerwerbungenbestellt ein handschriftliches Verzeichnis.) Diese A kten wurden an 2 Stellen aufgefunden: in der ehemaligen H andelsakadem ie und im Bergungslager der Abte<strong>il</strong>ungW issenschaft, Erziehung und Volksb<strong>il</strong>dung.91) Die R egistratur der ehem. polnischen Bergakadem ie befindet sich z. Zt. noch in einem gesonderten R aum derK rakauer Staatsbibliothek. Die Te<strong>il</strong>ung der B estände zwischen Treuhandverw altung der U niversität und Staatsarchivwurde auch hier durch geführt.48


frH E PQLfSH INSTITUTE ANDSIKORSKl MUSEUM.'f- zZ 1r?. ■-jf ä | H i i | fei j f | *>- i f f i f f v f f l T rijin ä¥ i h-i<strong>il</strong>ii1 ” A< W ? 3 S* &3“ * 3tiH jIfifi3 1 It i l l j. * X i . {j* m t \ h5 i 5,1 tH ic , i;.: i *’ h ,= m i t t i p l 'l 'I-M 1 ! !m


KN INS): KKAKAU. SANI >!•/.. KASIMIR, VC’11*1 IC !ZKA, HOC.1INIA UNI) OI.K<strong>II</strong>SZ.


an Personalpapieren der L ehrkräfte, der indessen erst nach gründlicher D urcharbeitung undO rdnung ben u tzb ar gem acht w erden kan n, da die R egistraturzusam m enhänge hier weitgehendzerstört sind95).Zur A ufnahm e w ichtiger A rchive und R eg istratu ren liquidierter ehem als polnischer Behördenwurden schliesslich in dem ehem aligen U niversitätsgebäude B urgstrasse 53 (Collegium Juridicum)w eitere M agazin- und A rbeitsräum e gewonnen. H ierhin w erden nach ausserordentlichschwierigen V orarbeiten die R estreg istraturen der ehem aligen W ojew odschaft K rakau (1919 bis1939) übernom m en, nachdem aus dem in einem L agerhaus der H eeresunterkunftsverw altungK rakau befindlichen T rüm m erhaufen dieser A kten96) die unw ichtigen Te<strong>il</strong>e ausgeschieden unddie w ertvollen B estände zur genaueren D urcharbeitung und O rdnung im S taatsarchiv pak etiertwaren. Die A ufte<strong>il</strong>ung der völlig zerstörten A kten nach einer Sachordnung entsprechend derO rganisation der W ojew odschaft ist z. Z t. im Gange, w ird aber erst nach M onaten so w eit gefördertsein können, dass die deutsche V erw altung das gesuchte M aterial ohne grössere Sucharbeitenzur V erfügung gestellt erhalten kann.Aus den K ellerräum en des K rzysztofory-Palais w urden w eiter nach dem M agazin B urgstr. 53überführt die d o rt ohne jede O rdnung Vorgefundenen R eg istratu rb estände der ehem als polnischenG rodstarostei K rakau sowie der ehem aligen österreichischen Polizeidirektion. Die le tz t­genannten A kten, die bis E nde des 19. Jah rh u n d erts zurückreichen, w urden vollständig übernomm en, die polnischen A kten dagegen — sow eit das in den K ellerräum en möglich w ar — bereitseiner ersten K assation unterw orfen. Die O rdnung dieser B estände im S taatsarchiv m usstewegen anderer vordringlicher A rbeiten für eine spätere Zeit zurückgestellt werden.U nter den genannten A kten der G rodstarostei w urden grössere Te<strong>il</strong>e der zurückgelegten Registratu r des A m tes des G eneralprokurators festgestellt, die bis in die Zeit der österreichischenV erw altung zurückreichen. D a ihre R egistratu ro rd nung z. T . noch erhalten w ar, w urden sie indie A rchivabte<strong>il</strong>ung Annagasse 6 übernom m en. H ierhin sollen auch erhaltungsw ichtige Tei eder laufenden R eg istratu r des A m tes des G eneralprokurators nach dessen endgültiger Liquidierunggebracht werden.Von allgem einem Interesse ist die A uffindung des K rakau er A rchivs der G rafen P otocki (podB aranam i), das in seinen w ichtigeren B eständen erst kürzlich beim U m zug der Akadem iebibliothekin 23 K isten verpack t in den dortigen K ellerräum en entd eck t w urde. M it R ücksicht aufden besonderen W ert dieses bisher nicht zugänglichen A rchivs ist dessen A ufstellung und O rdnungim S taatsarchiv alsbald begonnen w orden. D er aus W <strong>il</strong>anöw,97) der ehem aligen Residenzdes Königs Jo h ann I I I . Sobieski, an die G rafen P otocki gekom m ene Te<strong>il</strong> dieses H errschaftsarchivsen th ält w ichtige Quellen zur G eschichte der R egierung dieses K önigs, für die sächsischeZeit und für die des Königs Stanislaus A ugust, des H erzogtum s W arschau und Kongresspolens.05) D a das Bergungslager dem nächst geräum t wird, müssen die hier lagernden B estände noch ungeordnet von derArchivverwaltung übernom m en werden. . . , ,Das ehem. W ojewodschaftsgebäude w ar von W ehrm achtsdienststellen geräum t worden, wobei die W ojewodschaftsregistraturenbeim T ransport nach dem Lagerhaus völlig zerstört worden sind. „Von den beiden Lagerräum en warder hintere bis zu Dreiviertel der R aum höhe, der vordere R aum bis zur halben R aum hohe m it A kten vollgeschuttetworden. Von einem in den anderen R aum konnte m an nur kriechend über die A ktenm assen gelangen, da von derTüröffnung kaum 50 cm freigeblieben waren. Ausserdem lagen A ktenbestände au f den Treppen des Lagerhauses sowieu n ter einer offenen U nterfahrt herum “ . Aus einem T ätigkeitsbericht des S taatsarchivrats Dr. Gonng.»7\ W <strong>il</strong>an6w, das verschiedentlich den Besitzer wechselte und längere Zeit auch Potockischer Besitz war fiel gegenEnde des 19. Jah rhunderts an die Grafen B ranicki, die einen Te<strong>il</strong> der Sam mlungen dem Grafen Potocki nach Kressendorf(Krzeszowice) übersandten, von wo einige Jah re vor dem Kriege der grössere Te<strong>il</strong> der A rchivbestände in dasPotockische Palais Pod Baranam i in K rakau überführt wurde. Vgl. Wl. Semkowicz a. a. O. S. 135.49


Da die Grafen P otocki zu den einflussreichsten Fam <strong>il</strong>ien Polens gehörten und in den letzten3 Jahrh u n d erten im m er w ieder hohe und höchste S taats- un d K irchenäm ter bekleidet hab en,sind die in diesem — wie in dem L an d sh u ter P otocki’schem — A rchiv enthaltenen P apiere undD okum ente von hohem geschichtlichen W ert98).Ähnlich w ichtig ist das je tz t in das K rakau er S taatsarch iv aus dem Schloss Gum niska bei T arnowin 61 grossen K isten als D epositum überführte um fangreiche H errschafts- und F am <strong>il</strong>ienarchivder F ü rsten Sanguszko, das zu den besterh alten en p riv aten Sam m lungen Polens ü b erha u p t zäh lt und aus den A rchiven der G rafen T arnow ski und den Sanguszko’schen A rchivenin Podhorce bei Lem berg und Slaw uta in W olhynien zusam m engew achsen ist. Die Fam <strong>il</strong>ie S anguszkoleitet ihren U rsprung von den litauischen G rossfürsten her und ist m it den bedeutendstenpolnischen Fam <strong>il</strong>ien verw an dt und verschw ägert, so dass ih r durch zahlreiche R epertorien erschlossenesA rchiv fü r die G eschichtsforschung von allgem einer B edeutung ist").G e r i c h t s a r c h i v e in G e n e r a l g o u v e r n e m e n tIn E rgänzung der im V orstehenden verschiedentlich über die G erichtsarchivalien geschehenenE rw ähnungen, insbesondere im Z usam m enhang der Entwdckelungsgeschichte des H au ptarch ivsin W arschau und der ehem aligen L andesarchive in Lem berg u n d K rakau , muss hier im allgemeinen Z usam m enhang noch ein kurzer Ü berblick über die E n tsteh u n g und den Verbleib derG rundbücher in den hier interessierenden L andeste<strong>il</strong>en des ehem aligen Polens gegeben w erden.Die B esitzveränderungen von G ütern w urden im alten Polen in die A cta terrestria bzw. castren ­sia100) eingetragen, die etw a in der 2. H älfte des 14. Jah rh u n d e rts entstanden. Jede Provinz (terra,ziemia) h a tte im iudicium terrestre (stjd ziemski) ein autonom es G ericht, das nur einige Maleim Ja h re tä tig w ar. Diese iudicia terrestria bestanden — m it U nterbrechungen — bis zum E ndedes alten Polens (in K rak au bis 1810). N eben ihnen entstanden etw a zur gleichen Zeit G erichtestaatlich er G ew alt, die iudicia castrensia oder capitanealia (s


setz für die österreichische M onarchie vom 26. 11. 1849 verstaatlich te dan n alle G erichte und übertrugihnen die F ührung der G rundbücher101).In vielen D örfern w urden die B ücher für den K leingrundbesitz durch Dorfschöffengerichte u n terdem P ro tek to rat der G rossgrundbesitzer geführt. Sie erscheinen fast ausschliesslich in Kleinpolenseit dem 15. Ja h rh u n d e rt und w urden in Galizien im 19. Ja h rh u n d e rt bis zu der genannten V erstaatlichungdes Justizw esens durch die von den D om inialrichtern geführten B ücher ersetzt.Stadt- und Dorf-Schöffenbücher w urden nach 1850 in die zuständigen Bezirksgerichte übernom m enund do rt bis zu den Gesetzen über die G rundbücher von 1871 und 1874 n ach altem M uster geführt.W ährend im österreichischen A nte<strong>il</strong> nach dem Te<strong>il</strong>ungen das P a te n t M aria Theresias vom Jah re1780 das H ypothekenw esen regelte, kam im preussischen A nte<strong>il</strong> die allgem eine preussische V erordnungüber das H ypothekenw esen vom Ja h re 1783 allm ählich zur D urchführung. Im H erzogtumW arschau galt nach dem T <strong>il</strong>siter F rieden (1807) der Code Napolöon, dessen B estim m ungen überdie H ypothekeneinrichtungen auch für die nach dem W iener V ertrag vom Ja h re 1809 zum H erzogtumW arschau gekom m enen früheren österreichischen Provinzen Kielce, Lublin, R adom undPodlachien verbindlich w aren.F ür das K önigreich Polen nach dem W iener K ongress blieben die früheren französischen H ypothekeneinrichtungendes H erzogtum s W arschau zunächst in G ültigkeit. Das neue Gesetz vom Jah re1818 w urde m ehr dem preussischen H ypothekenw esen angepasst u n d durch ein weiteres Gesetzvom Ja h re 1825 ergänzt. H iernach w urden die H ypothekenbücher fü r den G rossgrundbesitz beiden Z iv<strong>il</strong>tribunalen I. In stan z in Kielce, Sandom ir, K alisch, L ublin, Plock, W arschau, Siedlce undLom za geführt. Die H ypothekenbücher fü r die S täd te und D örfer befanden sich bei den Friedensgerichtender Bezirke (8— 15 für jede W ojew odschaft).Als U nterlage für die E in richtu ng der H ypothekenbücher des G rossgrundbesitzes sam m elte m anseit 1820 die bisher an den verschiedenen O rten aufbew ahrten T errestral- und G rodakten bei denZ iv<strong>il</strong>tribunalen. Bis 1884 w urden d o rt alle diese A kten in K alisch, Kielce, Lublin, Lom za, P etrikau , Plock, R adom , Siedlce, Sieradz u n d W arschau in besonderen A rchiven (Archiw um a k t staropolskich)vereinigt u n d zwischen 1842— 54 w urden auch die entsprechenden alten S tadtbücher alsG erichtsunterlagen in diesen A rchiven zusam m engezogen. Die in den A rchiven der altpolnischenA kten so zusam m engebrachten B estände an polnischen G erichtsbüchern w urden schliesslich,nachdem sie bei den genannten T ribunalen als U nterlagen ihren D ienst geleistet h a tte n , zwischen1883 und 1886 an das H au p tarch iv in W arschau abgegeben1012), w ährend die neuen H ypothekenbüchernaturgem äss bei den T ribunalen verblieben.G r u n d - u n d H y p o t h e k e n b ü c h e r im e h e m a l ig e n G a liz ie nIn Galizien102) w aren nach 1772 T errestral- u n d G rodgerichte für den G rossgrundbesitz w eitertätig . Sie w urden 1774 dem neu errichteten L and estribunal in Lem berg u n terstellt un d führtenseitdem „acta novae form ae“ , bis durch P a te n t der K aiserin M aria Theresia vom 4. März 1780in Lem berg für den G rossgrundbesitz die galizische L andtafel (Galiciensis tab u la provincialis,101) Vgl. zum Folgenden zugleich E. Barwinski u. M. Wqsowicz, Reform y Jozefa <strong>II</strong>, jego nastepcöw i ich pozostaloSciarchiwalne. Lemberg 1935. — Constinuatio edictorum et m andatorum u n iv ersa liu m anno 1780 em anatorum ,Typis viduae Josephi P<strong>il</strong>ler (Leopoli). — J . S. Czemerynski, Powszechne prawo pryw atne austriackie. K rak au 1861 bis65. — W . L. Jaw orski, Ustaw y o ksifgach publicznych, Bd <strong>II</strong>. K rakau 1897.101a) T. W ierzbowski, Opis aktow przechow ywanych w warszawskiem archiwum Glöwnem T. 2. W arschau 1917.(Vorwort S. V I— X V <strong>II</strong>).10s) Über die besondere Entwickelung in W estgalizien, insbesondere im Gebiet der Freien S tad t K rak au, vgl. u n ter S. 53und im nächsten H eft den A bschnitt über das K rakauer Stadtarchiv.51


tabula regia, tab u la krajow a) errich tet w urde. Sie w ar anfangs dem L andestribunal und seit1784 dem neuen „F orum nob<strong>il</strong>ium “ in Lem berg u n terstellt103).Die L andtafel w ar für die D om inial-, S taats-, F undations-, K irchen- und K lostergüter zu stän ­dig104). Als U nterlage für ihre E inrichtung dienten hauptsächlich die altpolnischen Terrestral- undG rodbücher, die dam als aus ganz Galizien im B ernhardinerkloster in Lem berg zusam m engebrachtw urden.Als selbständiges A m t blieb die L andtafel bis 1895 unverän d ert bestehen. In diesem Jahre w urde sieaufgehoben, da sie nach A nlage der neuen G rundbücher au f G rund der Gesetze von 1871 und 1874allm ählich ihre praktische B edeutung verlor. Ih re B estände w urden 1921 vom K reisgericht inLem berg in das dortige S taatsarchiv üb erfüh rt.N ach E in richtu ng der L andtafel w urden die T errestral- und G rodgerichte im Jah re 1784 aufgehoben.Ih re in Lem berg zentralisierten B estände w urden schliesslich im Jah re 1878 den L andesarchivenin Lem berg und K rak au übergeben. F ü r die S täd te und Dörfer h atte das P a te n t vomJah re 1784 hinsichtlich der G rundbücher keine R egelung getroffen. D urch H ofdekret vom Ja h re1792 w urde allein für Lem berg eine S tad ttafel eingerichtet, die nach dem M uster der L andtafeldurch den Lem berger M agistrat geführt w urde. Sie ist 1860 der L andtafel einverleibt und 1921 m itder L andtafel in das Lem berger S taatsarchiv gekom m en.F ü r die übrigen S täd te Galiziens fehlte es an einer entsprechenden Regelung, obwohl das P a te n tvom Ja h re 1789 allgem ein die reguläre F ühru ng von G rundbüchern durch die Gem einden v o r­schrieb105). Die G rundeigentum sangelegenheiten w urden in den S täd ten weiter durch die S ta d t­schöffengerichte, später durch die M agistrate und in den D örfern durch Dorfschöffengerichte u n te rdem P a tro n a t der G utsbesitzer, später durch die D om inialrichter geführt106).D as österreichische V erfassungsgesetz vom 29. N ovem ber 1849 verstaatlich te die gesam te G erichtsbarkeit. Die P atrionialgerichte w urden aufgehoben; die 1849— 55 eingerichteten Bezirks-, Kreisun d O berlandesgerichte übernahm en die ganze G erichtsbarkeit. Die in D örfern und S täd ten gefüh rten G rundbücher w urden te<strong>il</strong>s von den Bezirks- und K reisgerichten eingezogen, te<strong>il</strong>s aberblieben sie an O rt und Stelle un d sind so später häufig verloren gegangen. Die endgültige R egulierungdes H ypothekenw esens für alle österreichischen L änder brachte schliesslich das R eichsgesetzvom 25. Mai 1871, das durch das Landesgesetz vom 20. März 1874 über die G ründung undinnere E in richtu ng der G rundbücher in Galizien und im G rossherzogtum K rakau ergänzt w urde107).103) Diese U nterstellung blieb auch besteben, als im J a h re i 7 87 in S tanislauund Tarnow neue Foranob<strong>il</strong>ia errichtet wurden.°4) Die Eintragungen erfolgten zunächst in verschiedene Bücher, seit 1802 wurden n ur die H aupt- und Ingrossationsbücher— die letzteren getrennt fü r die U rkunden und Pienipotenzen — geführt. — Vgl. W gsacz, T abula prowincjonalnab. Galieji z obszaru apelacji lwowskiej. (Roczniki dziejow spolecznych i gospodarczych,Te<strong>il</strong> 1), Lemberg 1931. —A. Rozbierski, Commentarius theoretico-practicus in patentale tabulare die 4 M artii 1780 in regnis Galiciae et Lodomeriae publicatum . Viennae et Leopoli 1811. — C. W ittig, T ractatu s de Galiciensi T abula provinciali. Te<strong>il</strong> I,W ien 1819. — W. Stys, M etryki gruntow e jözefinskie i franciszkanskie, Lemberg 1932.105) Das m it P ate n t vom Jah re 1797 für Galizien eingeführte Ziv<strong>il</strong>gesetz schweigt über die G rundbuchführung, obwohl§ 210 vorschrieb, dass die Eigentum srechte binnen 3 Jah ren eingetragen werden sollten. Die 3-Jahresfrist ist wegen derfehlenden Vorschriften durch D ekret v. Jah re 1803 verschoben worden. Der Erlass der betreffenden Instruktionen erfolgteerst 1871.l m ) Die M uster für die G rundbuchführung w urden nach der V erordnung vom Jah re 1789 für andere österreichischeLänder, vom Jah re 1792 für Oberösterreich oder aus dem T abularpaten t für Böhmen und M ähren genommen. Diesefast freiw<strong>il</strong>lige Grundbuchführung ist durch das H ofdekret vom Jah re 1810 u n te rstü tz t worden, nach dem in denDörfern und S tädten die seit alters geführten A kten und B ücher w eiter bestehen sollten.l07) Die auf Grund der D urchführungsbestim m ungen des Justizm inisters vom 12. 1. 1872 u. 18. 5. 1874 durchgeführtenArbeiten dauerten beinahe 20 Jahre.52


Die noch in den S täd ten und D örfern befindlichen alten G rundbücher, die nach 1849 von den Gerichtenn icht gesam m elt w aren, w urden je tz t als H <strong>il</strong>fsm ittel eingezogen. N ach dem genanntenLandesgesetz von 1874 w urden die G rundbücher für kleinere S täd te un d D örfer durch die Bezirksgerichte,die fü r den G rossgrundbesitz u n d grössere S täd te (wie K rakau , Lem berg, Tarnow , Rzeszöwusw.) durch die K reisgerichte geführt108).Das bei den G erichten entbehrlich gewordene ältere M aterial nahm en einige grössere S tädte ausden H ypothekenäm tern in ihre A rchive zurück, in den kleineren S täd ten vergass m an m eist diedorthin abgegebenen A rchivalien. D er galizische Landesausschuss liess daher im Jah re 1895 von denin den H ypothekenäm tern befindlichen S tad tbüchern und städtischen A kten Verzeichnisse anfertigenund im Jah re 1897 verfügte der Justizm inister in W ien, diese A rchivalien an die Landesarchivein Lem berg und K rak au abzugeben. So w urden vor und nach dem W eltkriege viele DorfundS tad tbücher von den genannten L andesarchiven aus den H ypothekenäm tern übernom m en,doch w urde diese A useinandersetzung bisher weder planm ässig noch abschliessend durchgeführt.Über die Sonderentw ickelung des H ypothekenw esens im K rak au er G ebiet seien hier noch einigeA ngaben im Z usam m enhang nachgetragen. Von 1796 bis 1809 fü h rten die H ypothekensachen hierdas K rakau er L andgericht bzw. der M agistrat. M it der Zugehörigheit K rakaus zum H erzogtumW arschau (seit 14.10.1809) tr a t auch hier der Code N apoleon in K raft. H ypothekenbehörde w u deder K onservator der H y pothek für das K rakau er D epartem ent. N ach der B <strong>il</strong>dung der Freien S tad tK rakau kam en die H ypothekenbücher des K rak au er D epartem ents nach Kielce (1818). Alle E in ­tragungen über Im m ob<strong>il</strong>ien der Freien S ta d t K rakau w urden indessen aus ihnen zuvor in 9 Bändenabgeschrieben, die der A nfang der H y pothek der Freien S ta d t w aren.Bis 1825 verfuhr m an hier bei der F ühru ng der B ücher noch nach dem Code N apoleon. Seitdemwurde au f G rund des b etr. Gesetzes v. J . 1822 beim Z iv<strong>il</strong>tribunal I. In stan z eine H ypothekenkommission eingesetzt, die nach den von den P arteien vorgelegten und den sonst beim G erichtangesam m elten U rkunden und A rchivalien K rakaus und der dazugehörigen G em einden die neuenH ypothekenbücher vorbereitete. Die als U nterlagen beim Z iv<strong>il</strong>tribunal gesam m elten zahlreichenS tad t- u n d D orfarchivalien blieben d o rt über das J a h r 1848 hinaus. M it der Justizreform Galiziensübernahm das G rundbucham t beim k. k. L andesgericht in K rakau die A ufsicht über diese Archivalien,das sie dann zum Te<strong>il</strong> den einzelnen S täd ten zurückgab oder an die betreffenden Bezirksbzw.Kreisgerichte a b tra t109). D er grosse R estbestan d an A rchivalien und die das G ebiet der FreienS tad t K rakau betreffenden H ypothekenbücher w urden, nachdem sie für G erichtszw ecke entbeh r­lich geworden w aren, te<strong>il</strong>s an das S taatsarchiv (1901, 1913, 1927 u. 1936), te<strong>il</strong>s an das S tad tarchiv(1891) abgegeben110).A r c h i v a l ie n in B i b l i o t h e k e nMan k an n diesen Ü berblick ü ber das staatliche A rchivgut des G eneralgouvernem ents nicht schliessen,ohne w enigstens hinzuw eisen au f das ausserordentlich zahlreiche u n d m eist sehr wichtigeA rchivgut, das im Laufe der Zeit in die S taatsbibliotheken und in die sonstigen grossen B ücherun d M useum ssam m lungen gekom m en ist. D as geschah nicht n u r durch Schenkung, K au f oderZufall, sondern auch durch planm ässige M assnahm en der polnischen Regierung. So übernahm derD irektor der öffentlichen B ibliothek bei der U n iv ersität W arschau, au f G rund der Verfügung derl0S) Zu allen Grundbüchern der Städte und Dörfer eines Gerichtsbezirks w ar seitdem eine gemeinsame Dokum entensammlungund entsprechend auch zu dem H auptbuch des Grossgrundbesitzes beim Kreisgericht eine D okum entensammlungzu führen.109) M. Fierich, H istoria ksii}g hipotecznych bylego Wolnego M iasta Krakowa. — Gazeta Sqdowa W arszawska z r. 1888Nr. 29.no) D ienstakten des S taats- und Stadtarchivs.53


Regierungskommission für K ultus und öffentlichen U n terrich t vom 11.5. 1819 m it den B üchereiender dam als aufgehobenen K löster Kongresspolens auch deren H andschriften und A rchivalien.Zahlreiche U rkunden, V isitationsakten, Chroniken, K orrespondenzen usw. der K löster kam en sohierhin, von wo sie m it dem anderen H an dschriftenbestand 1832 nach R ussland entfü hrt und erstau f G rund des R igaer V ertrages (1921) nach W arschau an die dortige N ationalbibliothek zurückgegebenw urden. In den beiden grossen öffentlichen W arschauer B ibliotheken, der N ational- undder U niversitätsbibliothek, befinden sich in deren H andschriftenabte<strong>il</strong>ungen um fangreiche B estän ­de an A rchivalien, die durch E rw erbungen aller A rt do rthin gelangten oder — wie zum Beispieldie K losterarchivalien — auch aus politischen Anlässen d o rthin kam enm ).Die an m ittelalterlichen H andschriften nach der W arschauer N ationalbibliothek reichste B üchersamm lung des G eneralgouvernem ents ist die Jagiellonische B ibliothek in K rakau, die älteste P o ­lens, die zu ihren reichen B eständen auch fast 7000 H andschriften, gegen 500 U rkunden usw.zählte (1936)U2). Dass u n ter diesen H andschriften sich auch viele B ände befinden, die ihrer H erku n ft nach in A rchive gehören bzw. aus ehem aligem A rchivbesitz stam m en, m ögen einige wenige,aber auch für andere B ibliotheken charakteristische Beispiele veranschaulichen.Im Ja h re 1505 w urden von dem K rakau er S tadtschreiber B althasar Behem die wichtigsten K ra ­k au er U rkunden und Stadtbeschlüsse erneut in ein B uch zusam m engetragen, die m it A bschriftender E idesform eln und S tatu ten der K rakau er Z ünfte auch 27 ausgezeichnete, das Zunftleben <strong>il</strong>lustriendeB <strong>il</strong>der en th ält. Dieser — später ergänzte — „Codex p ictu ratu s“ des B althasar Behem istein in alten In v en taren des K rakau er S tadtarchivs nachgewiesenes K opialbuch, das seinem U r­sprung und ehem aligem Besitz nach in das genannte S tad tarchiv gehört113).A uch ein neueres K opiar der S tadtpriv<strong>il</strong>egien K rakau s aus der Zeit der Könige Stephan B atoryund Sigism und I <strong>II</strong>., das im Ja h re 1606 von G u tteter verfasst und später ergänzt wurde, befindetsich heu te in der Jagiellonischen B ibliothek114), die auch ein etw as älteres Kopialbuch K rakausaus dem E nde des 16. Jah rh u n d erts aufbew ahrt115). W eiter befindet sich der „Clavis archivi“ Zaleskis,eine A rt G esam tinventar der K rak au er S tad tu rk u n d en m it A bschriften zur Geschichte derS tad t, Biographien hervorragender B ürger, Beschreibungen besondere Ereignisse usw. und schönenZeichnungen in der S taatsbibliothek116).D as dickleibige In v en tar vom Ja h re 1545, in dem au f einigen h u n d ert Seiten der S tadtschreiberV alerian P irnus die K rak au er Priv<strong>il</strong>egien von 1257— 1544 verzeichnete, gelangte in die K rasinski-B ibliothek in W arschau117). U nd in die Baworowskische B ibliothek in Lem berg kam — u m n u rnoch ein w eiteres Beispiel dieser A rt aufzuführen — das älteste K rakau er V ogtbuch 1442/43118).Der gedruckte K atalog der H andschriften- und U rkunden-Sam m lung der B ibliothek der PolnischenAkadem ie der W issenschaften119) w eist gegen 2000 H andschriften und etw a 500 U rkunden nach,l u ) D arüber Näheres in dem A bschnitt über die geistlichen Archive.l12) W . Semkowicz, Zycie Naukowe W'spölczesnego K rakowa. K rakau 1939. S. 136 ff.lls) A uf Betreiben des U niversitätsbibliothekars B andtkie überwies der regierende Senat K rakaus im Jahre 1825 diesenCodex m it anderen H andschriften, darunter einer lateinischen Pergam enthandschrift M agdeburger Rechts, der JagiellonischenBibliothek. Vgl. K . Kaczm arczyk, Das historische Archiv der S tad t K rakau. (M itte<strong>il</strong>ungen des k. k. ArchivratesBd. I. 1913), S. 3 und 14. — Über diese H andschrift, die in Verbindung m it dem In s titu t fü r Deutsche O starbeitzur Zeit für eine E dition bearbeitet w ird, vgl. u. a. Bücher, Die alten Zunft- und V erkehrsordnungen der S tad tK rakau, W ien 1890.114) H andschrift N r. 30.lls) H andschrift N r. 135.u *) H andschrift N r. 1837. Vgl. K. Kaczm arczyk, a. a. O. S. 6.117) K . K aczm arczyk a. a. O., S. 3.118) Derselbe, S. 4. Ü ber die K rakauer V ogtbücher vgl. später in dem A bschnitt über das K rakauer Stadtarchiv.U9) Herausgegeben von J. Czubek in 2 B änden: K atalog rgkopisow Akadem ii UmiejftnoSci w Krakowie, 1906 u. 1912.F ür die H andschriften-Neuerwerbungen besteht ein handschriftliches Verzeichnis.54


w ährend der Z ettelkatalog des Czartoryski-M useum s in K rakau gegen 6000 H andschriften120),darunter viele Prussica und W arm iensia, verzeichnet, die zum guten Te<strong>il</strong> A rchivgut sind. U nterden ehem als 1312 P ergam enturkunden in den genannten Sam m lungen der F ü rsten C zartoryskibefanden sich auch 480 O riginalurkunden, die aus dem im Ja h re 1795 von W arschau nach P etersburgentfü h rten polnischen K ronarchiv stam m en, und aus dem P orycker Besitz des K anzlersCzacki im Ja h re 1818 erw orben w urden121). Im C zartoryski-M useum befindet sich auch das H ausarchivdes F ü rsten vom E nde des 18. Jah rh u n d erts, das zum grossen Te<strong>il</strong> aus K orrespondenzenbesteht, und das W irtschaftsarchiv der Sieniewski u n d C zartoryski seit der 2. H älfte des 18. J a h r­hunderts; ferner das A rchiv der F ü rsten D rucki-L ubecki (m it 90 H andschriften122), das A rchiv derW <strong>il</strong>naer U n iv ersität und des W <strong>il</strong>na er K u ratorium s (m it 500 H andschriften), sowie eine Sam m lungvon 2500 losen K arten u n d 130 A tlan ten123).Es gehört n ich t in den R ahm en dieser A bhandlung, hier eine Ü bersicht über die H andschriftenbeständeder grossen öffentlichen u n d p riv aten B ibliotheken des G eneralgouvernem ents zu geben.G enannt aber seien zur O rientierung w enigstens die w ichtigsten dieser Sam m lungen, soweit sichin ihnen auch A rchivgut von B edeutung befindet.In K rakau , wo von der deutschen A rchivverw altung das F ürstlich Sanguszko’sche A rchiv vonG um niska bei T arnow und das Gräflich Potockische A rchiv aus dem K rakau er Palais (Pod B aranami) in das S taatsarchiv übernom m en sind (s. oben S. 49 f.), gehört hierzu noch das H utten-Czapski-M useum m it seinem M ünzkabinett, dem grössten des ehem aligen Polens, und den w ichtigenSam m lungen an Siegeln, Stichen, P o rträ ts u n d K arten124), in W arschau sind zu nennen die gossenSam m lungen der F ü rsten Radziw <strong>il</strong>l, G rafen K rasinski, Zam oyski, Przezdziecki, Tyszkiewicz undder G rafen P otocki in Jablo n n a bei W arschau, die gleichzeitig aus A rchiven125), B ibliotheken undzum Te<strong>il</strong> auch M useen bestehen, in L ublin die öffentliche L opacinskibücherei, deren A usbau zueiner D istriktsbibliothek in die W ege geleitet ist, u n d in deren um fangreichen H andschriftenbeständen126)sich auch viele A rchivalien befinden, die Sam m lungen der G rafen Zam oyski in Zwierzyniec,K r. Zamosc, der G rafen T arnow ski in Dzikow bei Sandom ir, der G rafen P otocki in Lancut,D istrik t K rakau , usw. A rchive und B ibliotheken vereinen auch m eist die entsprechendenSam m lungen der B istüm er, K apitel u n d die der im K rakau er D istrik t noch bestehenden bedeutenderenK löster, über die in einem besonderen A b schnitt später hier b erich tet w erden w ird ).(Fortsetzung folgt).12°) f ü r die ersten 1681 N um m ern erschien ein gedruckter K atalog von Korzeniowski, Catalogus codicum m anu scriptorumMusei Principum Czartoryski. Vol. I 1887—93, bzw. Vol. I I von K u trzeba 1909— 13. E in weiterer K atalog warvorbereitet.121) Vgl. darüber Näheres im A bschnitt H errschaftsarchive.122) Dg],123) Vgi. v / . Semkowicz a. a. O. 142 ff. — D er A rchivkatalog des W <strong>il</strong>naer K uratorium s ist 1926 von J. Lipski veröffentlicht.— Vgl. auch K . Buczek, Z przeszlosci biblioteki M uzeum X X . C zartoryskich und Przyczynki do dziejow BibliotekiPoryckiej (1936). .1M) Näheres darüber im A bschnitt Stadtarchive, da die B etreuung einiger vorgenannten B estände zur Zeit durch dasK rakauer Stadtarchiv erfolgt. — Vgl. auch W l. Semkowicz a. a. O. S. 145.125) H ierüber ausführlich im A bschnitt H errschaftsarchive.!2«) Vgl. Jaw orow ski, Katalog r§kopisow biblioteki publicznej im . Lopacinskiego w Lublinie. Lublin 1913. Derselbe,Ergänzungsheft hierzu, Lublin 1917.U7) In den nächsten H eften dieser Zeitschrift werden entsprechende A usführungen über die Stadtarchive, sowieüber die geistlichen und Herrschaftsarchive des Generalgouvernem ents gebracht werden.55


ÜBER <strong>DI</strong>E WURZELN DER POLNISCHEN AUFSTÄNDEV O N P R O F E S S O R D R . M A N F R E D L A U B E R TE in charakteristisches M erkm al der G eschichte des polnischen Volkes in der Zeit seiner S ta a te n ­losigkeit sind die erst im letzten D rittel des vorigen Jah rh u n d erts abebbenden unaufhör’.ichenA ufstandsversuche. Sie unterscheiden die E ntw icklung des Polentum s auch von der seiner gleichfallspolitisch unselbständigen B rüdervölker, etw a der U krainer oder österreichischen Slawen.Bei diesen gehören derartige elem entare E rhebungen vorw iegend früheren Epochen an. Die U r­sachen dieser Erscheinung, deren W irkungen sich dem V olkscharakter ü b erh au p t tief eingeprägtund ihm eine eigentüm liche D ynam ik verliehen haben, m üssen auch für das V erständnis derjüngsten V ergangenheit, die polnische P olitik bis zur letzten K atastro p h e, berücksichtigt w erden,sind aber ihrerseits wieder n u r aus dem A blauf der älteren G eschichte zu erklären. T räger derA ufstandsbew egungen w ar die Masse des Klein- und M itteladels, die Schlachta, also jener F ak to r,der sich seit A usgang des M ittelalters zum beherrschenden E lem ent im S taatsleben aufgeschw ungenh a tte . A ber m it dem Verfall der R itterheere, der A delsaufgebote und ihrem E rsatz durch dieSöldnerarm een, durch das m it Feuerwaffen ausgerüstete B erufssoldatentum , verlor der E delm anneinen grossen Te<strong>il</strong> seiner B edeutung und E xistenzgrundlage. In den sich zum Absolutism usdurchringenden S taaten passte er sich dieser schw erw iegenden V eränderung in der sozialenS tru k tu r der V olkskörper an und fand im m <strong>il</strong>itärischen D ienst des L andesherrn und der für dieVersorgung der T ruppen sich notw endigere W eise kom plizierenden V erw altung ein neues T ätig ­keitsfeld und w urde hier zum ersten nationalen S tan d erzogen.Diese M öglichkeit w ar der S chlachta fast gänzlich versperrt, denn m it feiner W itterung für dieihm durch den m<strong>il</strong>es perpetuus drohende G efahr duldete das S tän detu m in Polen niemals dieSchaffung eines stehenden Heeres als staatliche E in richtu ng in der H an d der M onarchen. N urals priv ate, aus persönlichen M itteln bezahlte Schöpfung k o n n ten die Landesherren sich imBedarfsfälle eine m <strong>il</strong>itärische M acht schaffen, wobei sie zum eist a u f frem de Mietlinge zurückgriffen.Im Lande b<strong>il</strong>dete sich keine noblesse d’epee und der H eeresdienst gew ährte hier keinefeste Lebensstellung. N ur m it den gew orbenen L euten w urden Erfolge erzielt. W allensteins Scharen,Danzigs Schiffe käm pften u n ter Sigism und I I I . gegen die Schweden, Deutsche fü h rtenSobieskis R egim enter vor W ien. D er bedeutende polnische M <strong>il</strong>itärhistoriker K ukiel räu m t ein, dassin der Sachsenzeit n u r die frem den, also deutschen E inheiten im Besitz m oderner K am p fm ittelw aren. Doch der Adel b au te sich unabhängig hiervon sein eigenes Kriegswesen auf. Die M agnatenschufen sich ihre H au struppen und hier fanden ihre verarm ten Standesgenossen U nterschlupf.Die Schlachta organisierte sich zu B anden und suchte in ständigen F ehden und B ürgerkriegenihren L ebensunterhalt. Das M ittel der Selbsth<strong>il</strong>fe und die A nlehnung an das A usland w urdeneiserne B estandte<strong>il</strong>e der adeligen Politik. Diese durch G enerationen fortgeführte P raxis m ündetein eine folgenschwere Begriffsverwirrung.A nderw ärts verfuhren S tände und T erritorialherren ebenso, aber es blieb die angestam m te D y ­nastie, die dynastische T radition, die H eim at, vom staatlichen R ahm en u m sp annt, und es bliebdie m ehr oder m inder klare Volkszugehörigkeit. Sogar diese konnte sich in Polen m it seinenL itauern, W eissruthenen, U krainern, D eutschen, K aschuben und Ju d en nicht herausb<strong>il</strong>den. D erP atriotism us verengerte sich zu dem alleinigen Gefühl für eine freie A delsrepublik, deren T rägernicht R ep räsen tanten einer N ation, sondern einer sozialen K aste aus verschiedenartigster W urzelw aren. Dieser m it allerlei frem dem B lut versippte A del w urde system atisch zum Egoism us erzogenund n u r durch das gem einsam e m aterielle Interesse zusam m engekittet. Bei einer zwiespältigenK önigsw ahl wie der von 1697 gab es ü b erh au p t n u r dieses, kein gesam tpolnisches. Bei dernächsten stan d das kerndeutsche D anzig a u f Leszczynskis Seite gegen den W ettiner. Ganz krass56


h a t es der russische A ussenm inister, G raf Nesselrode, in Bezug au f die Rebellen von 1833 ausgedrückt,die m an gar nicht als P atrio ten bezeichnen dürfte, denn „um Polen als solches ist esihnen gar n ich t zu tu n . E ine gesellschaftliche U m w älzung im w eitesten Sinne des W orts und keinanderer — das ist der verbrecherische Zweck dieses G esindels: er w ürde derselbe sein, sässe heuts ta tt eines Rom anow ein Jagellone au f dem T hron von P olen“ .1)Das Ziel gesellschaftlicher Um w älzungen ergab sich für den Adel, etw a 7% der Bevölkerung,zwangsläufig aus der V erengerung seiner Lebensgrundlage. A uf die B ew irtschaftung seiner imWeg der E rbte<strong>il</strong>ungen zusam m enschrum pfenden G üter fast ausschliesslich angewiesen, w urde eran die eigene Scholle gefesselt, dem W affenhandw erk und der grossen P olitik zunehm end en t­frem det. K riegsunlust b<strong>il</strong>d et im 17. und 18. Ja h rh u n d e rt einen durchgehenden Zug der Adelssippen,die den H eerdienst n u r als Störung ihrer küm m erlichen W irtschaftsbetriebe em pfinden,w ährend der preussisclie oder französische E delm ann oft gerade u n ter den F ahnen sein Glückzu m achen versuchte. Als E rsatz bleib t n u r der M agnatendienst, die P arteib<strong>il</strong>dung, die K onföderation,also der Zusam m enschluss gleich interessierter E lem ente, um gew altsam politischenund privatrechtlichen N utzen zu erzwingen, wenn auch m it frem der U n terstützung und zumSchaden des V aterlandes. N ach Lahm legung der R eichstage durch das liberum veto ging der Blickfür das Ganze völlig verloren. Jed er L andeste<strong>il</strong> dachte bloss an den eigenen V orte<strong>il</strong> und dasE nde w ar die A narchie. Die K onföderationen steigerten sich gegebenen Falles zum Rokosz, zumA ufruhr gegen das S taatso berhau pt. D er Ü berfall au f den letzten König in W arschau am 3. 11.1771 bew eist den restlosen Schw und jeglichen A utoritätsgefühls, bew eist, dass auch der M onarchnur W erkzeug für die eigensüchtigen Pläne der A delsfraktionen war.In noch erhöhtem Masse trifft das Gleiche gegenüber der Masse zu. Die politischen H asardeuresind jedes V erantw ortungsgefühls für das W ohl des Volkes bar, das patriarchalische E m pfindendes G utsherrn ist erstorben. D aher der Hass gegen Preussen, als dieses durch seine Gesetze denBürger und B auern der G ew alt des Adels zu entziehen drohte. D er kom m andierende Generalv. R oeder in Posen schrieb zutreffend am 5. 5. 1831 dem O berpräsidenten: „K ein G edanke beunruhigtesie m ehr als die Besorgnis, dass die unteren Volksklassen sich nach und nach u n ter dempreussischen Szepter zufrieden fühlen und die R ückkehr der alten polnischen Verfassung nichtm ehr w ünschensw ert finden könnten, und ihr ganzes D ichten und T rach ten ging dahin, dies zuverhindern. D aher die lau ten K lagen über B eeinträchtigung der N ationalitätsgerechtsam e, Z urücksetzungder Polen zur B egünstigung der D eutschen, w <strong>il</strong>lkürlichen D ruck der B eam ten, unerträglicheA bgaben, daher die gehässigsten Auslegungen der w ohlgem eintesten V erfügungen derRegierung, die ängstliche Bew achung der A ufrechterhaltung der L andessprache 2).Diese in G enerationen herrschende A tm osphäre führte zu einer nicht an den S taat, sondern anP rivatvörte<strong>il</strong>e geknüpften B indung des politischen un d m <strong>il</strong>itärischen W ollens. A ber sie verleiteteferner zu m assloser Ü berschätzung des eigenen W ertes und der eigenen K raft, eine E ntw icklung,die noch gefördert w urde durch die slawische C harakterveranlagung ü b erh au p t, den jäh en W echselvon überschw änglichem O ptim ism us und tiefer M utlosigkeit, den Mangel an Folgerichtigkeit undA usdauer. Sie endete sodann in einer V erdunkelung des politischen H orizonts. Die polnischenS taatsm än ner und M <strong>il</strong>itärs dachten nur an sich und das Interesse Polens, sahen die Dinge alleindurch die polnische Br<strong>il</strong>le und verlernten die F ähigkeit zu einer G esam tschau, zu einer B erücksichtigungder allgemeinen Lage. Sie richteten sich ausschliesslich nach den eigenen W ünschenund K räften und den Erfordernissen des Augenblicks ohne R ücksicht au f den m utm asslichenW eiterverlauf der Dinge. Sie huld igten einem blinden F atalism us, sie w arteten auf irgend ein*) Vgl. L au bert in: „Deutsche M onatshefte“ . Jg. 6. 299.J) G edruckt bei L aubert: D. Verwaltung d. Prov. Posen 1815— 1847. Brsl. 1923. 1* ff.57


W under und schlitterten gleichsam in die K atastrophen hinein, ohne irgend einen festen P lanzu besitzen. Man träum te sich hinein in die Rolle des Volksbefreiers and V orkäm pfers für denF o rtsch ritt der M enschheit und nahm darum frem de H<strong>il</strong>fe als selbstverständlich in A nspruch,ohne zu fragen, ob der andere P artn er von seiner H <strong>il</strong>feleistung N utzen ziehen, ob er n ich t eineGegenleistung fordern m üsse, wie etw a bei dem B ündnis m it Preussen durch den vierjährigenReichstag.D eshalb erm angeln die polnischen A ufstände einer aussen politischen P lanung. M an verpasst denrussisch-persischen und russisch-türkischen K rieg 1828/29 und schlägt im folgenden J a h re los,als der Zar seine T ruppen gegen Belgien an der W estgrenze zusam m engezogen h a tte , m an lässtden K rim krieg u n tä tig vorübergehen, aber schreitet 1863 zur R evolution. E benso such t m an inden grossen Tragödien jedoch auch vergeblich nach dem ethischen M om ent, das die F reih eitskämpfe anderer Völker, so die preussische E rhebung von 1813, auszeichnet. N u r die K irche w irdals Z ugm ittel für die Masse m issbraucht. D er soziale U n terto n m angelt hingegen selbst nach polnischemZeugnis den R eform bestrebungen u n ter Stanislaus A ugust und dem viel gerühm tenV erfassungsw erk vom 3. Mai 1791, dessen D urchführung der K am p f gegen R ussland galt. D erG eschichtschreiber des dam aligen Reichstages, K alinka, ein F ü h rer der kritischen K rakau erhistorischen Schule allerdings, rin g t sich das G eständnis ab: „W ohl d a rf m an behaupten, dassdie polnische Schlachta, indem diese ih r V aterland re tte n w ollte, n u r an sich selbst, nicht an die gesamte N ation dachte. W ahrlich, dieses V erfahren konnte dem R ettungsw erk nicht G ottes Segenbringen“3). A ber auch G rabienski in seiner G eschichte des polnischen Volkes4) gesteht: Die V erfassungta ste te weder die N a tu r noch die H öhe der bisherigen L asten an, noch gew ährte sie demB auern die persönliche F reiheit und entzog ihn n icht der M acht der grundherrlichen Patrim onialgerichte.Mickiewicz sp o ttete gar, das W erk wollte n icht die R echte des Adels beschneiden, ihnnicht au f die Stufe gew öhnlicher Sterblicher hinabdrücken, sondern alle zu seiner H öhe erheben,so dass nach 50 Jah re n jed er Pole ein E delm ann gewesen w äre. N icht anders 1831. Die R evolutiontr itt in E rscheinung als M achtkam pf der P arteien, der adeligen und der radikalen, die sichau f den verantw ortungslosen Pöbel stü tz t und dessen ganz m aterielle In stin k te aufpeitscht,aber zu jed er F ühru ng unfähig ist, so dass doch jene das H eft in der H an d h a t und der Linkenbei den zahlreichen R egierungsum b<strong>il</strong>dungen stets n u r den unverm eidlichen H istoriker Lelewel(v. Lölhöffel) als K onzessionsschulzen zub<strong>il</strong>ligt. A ber es ist keine Rede von w irklich durchgreifendenReform en, die doch V oraussetzung eines w ahrhaften V olksenthusiasm us w aren. In dieserH insicht blieb die Insurrek tio n ster<strong>il</strong>. W eder die B auernfrage w urde angeschnitten, noch dieG leichberechtigung des B ürgertum s noch die E m anzipation der n u n einm al zahlreichen u n dwichtigen Judensch aft. Alle diese Problem e lagen ausserhalb des Gesichtsfeldes der A delskaste,die allein balanziert zwischen dem D ruck von u n ten und der L auheit des M agnatentum s, dadurchaber an der In n eh altu n g jed er klaren Linie beh in dert wird. S ta tt dessen liefern die In h ab er derZiv<strong>il</strong>gewalt das B<strong>il</strong>d einer geradezu grotesken V erw irrung und K opflosigkeit. Als der R eichstagdem F ünfm ännerkollegium die E rnennung und A bberufung des O berbefehlshabers übertrag enh a tte u n d am 14. 8. im A ugenblicke höchster N ot je zwei Stim m en au f D gbinski und Prqdzynskifielen, weigerte sich Lelewel in einer von B arzykow ski als Augenzeuge selbst hoch kom ischund pathetisch genannten Szene5), sein ausschlaggebendes V otum zu fällen. E r blieb ta u b gegenalles Zureden bei seinem „Nie möge, nie dam “ (Ich k an n nicht, ich gebe m eine Stim m e nicht)und liess erst nach langem D rängen das Los über die w ichtigste dam alige Schicksalfrage Polensentscheiden, „ein vielleicht andersw o beispielloser V organg, der für sich sprich t“ (a. a. 0 . 60).Der Sejm selbst aber wies Prqdzynski, der als U nterhän dler von Paskiew itsch einen kurzen W af­3) Valerian K .: D. vierjährige poln. Reichstag 1788— 1791. 2 Bde. D t. Übersetzung. Bln. 1896/98.4) Dzieje narodu poiskiego. 2 Bde. K rk. 1897/98.5) Stanislaw B.: H istorya Pow stania Listopadowego. V. Pos. 1884. 59 f.58


fenst<strong>il</strong>lstand erlangt h a tte und die H offnungslosigkeit der m <strong>il</strong>itärischen S ituation sch<strong>il</strong>derte, dieT ür, verbiss sich in schw unghafte T iraden, schw atzte von A ufrufen an das H eer und die Bürgerund b eriet Lelewels A ntrag auf L andzute<strong>il</strong>ung an alle Soldaten, bis der w ieder beginnende K a­nonendonner un d die einschlagenden G ranaten den V olksvertretern zu G em üte führten, dassdie Z eit zu volksverhetzenden R edeschlachten vorüber w ar.Aber die m <strong>il</strong>itärische F ührung b ietet zu solchen V orgängen w ürdige G egenstücke. A uch KosciuszkosL eistungen halten der sachlichen K ritik gegenüber n ich t S tan d.6) Im Feldzug gegendie R ussen 1792 operiert seine Division ohne F ühlung m it dem Gros u n te r Poniatow ski auf eigeneF au st so ungeschickt, dass sie bei D ubienka am W estufer des B ug (G ouvernem ent Lublin)von überm ächtigen K räften angegriffen w ird. Ih r F ü h rer verm ag, gleich anfangs, in die F luchtseiner R eiterei hineingerissen, au f den V erlauf des G efechts keinen E influss auszuüben, das durchden H eldenm ut der Soldaten und die U m sicht einiger Stabsoffiziere für die 8000 Polen ohne K a­tastrophe m it ehrenvoller Niederlage endet. A ber eine verlogene Reklam e stem pelt Kosciuszkozum R etter des V aterlandes. Meyers K onversationslexikon verm erk t noch 100 Jah re spätereinen Sieg der Polen gegen die überlegene russische S treitm ach t und 1831 dudeln die L eierkästenganz D eutschlands H olteis rührselige Verse aus dem „A lten F eldherrn“ :„D e n k st du daran, m ein ta p f e r e r L agienka,dass ich d e re in s t in u n se re m V a te rla n dan eu rer S pitze n ah e bei D u b ie n k a4 000 gegen 16000 stan d ?“1794 experim entiert Kosciuszko am B auernproblem herum , m uss aber auf die unentbehrlichenAdelskreise R ücksicht nehm en. N ach seinen E rfahrungen im am erikanischen U nabhängigkeitskriegv erren n t er sich in eine verhängnisvolle Ü berschätzung des M <strong>il</strong>izsystems fü r einen europäischenK riegsschauplatz und muss erleben, wie seine Sensenm änner öfter schon beim blossenA nblick des Gegners auseinanderlaufen. A ber am 4. 4. stösst er bei Raclawice in G eneral Torm assowau f einen Gegner von unw ahrscheinlicher K urzsichtigkeit, der seine schwachen K räfte ohnejede Q uerverbindung in drei T aleinschnitten einen bew aldeten H ang hinaufführte, so dass die Polenm it versam m elter K raft die m ittlere u n d nach anfänglichem Misserfolg auch die rechte Kolonneweifen, ohne dass die linke einzugreifen verm ag. D er russische V erlust b e trä g t 1200 M ann und12 Geschütze. Doch M atejkos M eisterhand h ä lt das Ereignis in einem farb enprächtigen Gemäldefest und im Lem berger P anoram a begeistert sich die Ju g en d vor dem W eltkrieg an dem p h an ­tasievollen A ufbau dieser „Schlacht“ . A uch das D ram a von M aciejowice am 10. 10., wo K olciuszkounbegreiflicher W eise den Russen en tg eg en tritt, ohne Poninskis T ruppen heranzuziehenkann den R uhm des N ationalhelden n ich t verdunkeln.Ebenso wenig sind die beinahe wie schlechte W itze anm u tenden Szenen von 1831 in das Volksbewusstsein und die geschichtliche E rinnerung eingegangen7). Man denke z. B. an das Gefechtvon Schaulen (18. 7.), wo 15000 Polen m it 32 G eschützen vor einer von ihnen um ringten, offenen,von 3 000 Russen m it 8 R ohren besetzten S ta d t nach zehnstündigem K am p f m it etw a 4 000 MannV erlust zurückgeschlagen werden, we<strong>il</strong> ihre H au p tm ach t u n tä tig den Angriffen einiger A bte<strong>il</strong>ungenzusah. Lebendig geblieben ist n u r die hingebende T apferkeit dieser von dem Priesterv. Loga (aus schwedischer Fam <strong>il</strong>ie) m it dem K reuz in der H an d angefeuerten M inderheit undder T od dieses F anatiers. Oder an die grandiose U nfähigkeit des viel gepriesenen Rohlings unde) A. M. Skalkowski: Kosciuszko w swietle nowszych badan (K . im Lichte neuerer Forschungen). H . 2 d. Sammlung:Lebensabrisse verdienter Polen. Pos. 1923.7) Vgl. für das Folgende H erm ann Kunz: D. Polnisch-Russische Krieg von 1831. Bln. 1890, besonders 26, 85 ff.,136 ff., 145 ff., 168 u. Alex. Puzyrewsky (m it gleichem Titel) 3 Bde. D t. v. Valerian Mikulicz. W ien 1892/3, so <strong>II</strong> 132 ff.59


gewerbsmässigen Spielers, Generals v. U m inski, im G efecht am Liw (14. 4.), wo er m it 16 Schw a­dronen halten blieb, w ährend am anderen U fer des Liwiec 4 von doppelter Ü berm acht endlichwieder über den Fluss zurückgew orfen w urden. Oder an den am 15. 8. in W arschau gelynchtenGeneral v. Jankow ski bei Budzisko (19. 6.), wo die 8250 Russen Rüdigers, au f einen langen, schm a­len D am m als einzige R ückzugsstrasse angewiesen, von 19000 Polen auf drei Seiten um zingeltdem vereinzelt vorgehenden Gegner 600 Gefangene u n d m it 8 Schw adronen einen von 11 b e ­w achten M unitionspark abnehm en und ungehindert entkom m en. W elche Z ustände m üssen indieser Armee geherrscht haben, wenn P r^dzynski als Chef des G eneralstabs am Morgen des E n t­scheidungstages von O strol§ka (26. 5.) nichts besseres zu tu n h a tte als eine A nklageschrift gegenden O berbefehlshaber v. Skrzynecki auszuarbeiten oder G eneral Gielgud beim Ü berschreiten derpreussischen Grenze von seinem eigenen A d ju tan ten als V erräter niedergeschossen wurde, oderwenn der M inister des A usw ärtigen, v. M alachowski, in der Schlacht bei W aw er (19. 2.) in dasK am pfgetüm m el reiten m usste, um G eneral Lubienski zur A usführung des erte<strong>il</strong>ten R ückzugsbefehlszu bewegen, oder G eneral von Rosen sich drei Mal der U m klam m erung durch das K orpsR am orinos entziehen konnte, das letzte Mal. we<strong>il</strong> F ü rst C zartoryski den ganzen G eneralstab au feinem seiner G üter festlich bew irtete!Aber alle diese Flecken m ussten ebenso wie die W arschauer M ordszenen, m it denen die In su r­rektionen von 1794 und 1831 entw eiht w urden, bei der N achw elt— auch gegenüber dem A usland —get<strong>il</strong>gt und verschw iegen w erden, dam it Polen seine Rolle als Bollw erk der Christenheit, derZiv<strong>il</strong>isation und F reiheit der Völker fortspielen konnte. D adurch kam in die ganze Ü berlieferungein reklam ehafter Zug von U naufrichtigkeit, der sogar die W issenschaft in einem für uns D eu t­sche einfach unfasslichem Masse anfrass, und schliesslich in einen allgemeinen Selbstbetrugau sartete. Alles M issgeschick w urde angeblichem V errat au f das Schuldkonto gesetzt, wobeim an übersah, in welchen m oralischen M isskredit dadurch eigentlich das eigene Volk gebrachtwurde, und dass dieser V errat im G runde genom m en nichts anderes w ar als das Ergebnis derZwangslage, in die bei dem M angel an F ühru ng und O rganisation die einsichtigeren Kreise durchdie kopflose Politik der radikalen Elem ente hineingerissen w urden.Man vergegenw ärtige sich nu r den A usbruch vom N ovem ber 1830: am 21. kom m en in der B i­bliothek der Gesellschaft der F reunde der W issenschaften knapp ein halbes D utzend M ännerzusam m en, die L eu tn an ts P eter W ysocki, Jos. Zaliwski, R om uald U rbanski, der A dvokat X av erBronikow ski, der eben W ysockis B ekanntschaft m it dem gleichfalls anw esenden Lelewel v ermittelt h a tte . Ohne jede L egitim ation, ohne jeden R ückhalt, ohne positive Zusagen der als F ü h ­rer in B etrach t gezogenen hohen M <strong>il</strong>itärs erk lärt W ysocki, n u r au f 200 eingeweihte Offiziere sichstützend, die A ufstandsbereitschaft der gesam ten Armee und ebenso unberufen Lelewel die desganzen Volks. N icht der geringste P lan w ird festgelegt, alles bleibt dem Zufall überlassen. L e­lewel soll n u r zur E rw ägung gestellt haben, dass G rossfürst K o nstantin beseitigt w erden m üsse,da zu seinen L ebzeiten die russischen T ruppen in W arschau sich der Bewegung nicht anschliessenw ürden.8) A uf dieser G rundlage schlägt m an los und schafft sein fait accom pli, dem sich die u n ­bete<strong>il</strong>igten Kreise bis in die höchste G eneralität und das erlauchte M agnatentum , die F ü rstenCzartoryski und Michael Radziw <strong>il</strong>l, beugen, in der klaren Ü berzeugtheit von der Sinnlosigkeitdes A benteuers und, an leitende Stelle berufen, in ihren E ntschlüssen oft w eniger durch die politischenund m <strong>il</strong>itärischen Erfordernisse als den D ruck des Mobs bestim m t. D as Fehlen einesausgleichenden M ittelstandes lässt die E xtrem e scharfkantig aufeinanderplatzen. Diese Gegensätzebinden auch in den schw ersten K risen w ertvolle K räfte, die dringend zur Abwehr äussererGefahren h ä tte n eingesetzt w erden m üssen.8) M. Mochnacki (Powstanie narodu polskiego w r. 1830 i 1831 — D. A ufstand des poln. Volks. Brsl. 1850 <strong>II</strong>. 186)w<strong>il</strong>l diese Nachricht von glaubwürdiger Seite erfahren haben.60


F ü r diese chaotisch neben- und gegeneinander w irkenden M enschen öffnet sich nach den Zusam ­m enbrüchen das V ent<strong>il</strong> der F lucht ins A usland, am stärk sten 1831 b en u tzt von A nhängern allerP arteien. Die Offiziere versuchten m it jedem erdenklichen M ittel die gem einen Soldaten vonder R ü ckk ehr in die H eim at zurückzuhalten, um eine m <strong>il</strong>itärische R ü stung für kom m ende Fälleim A usland aufziehen zu können nach dem Beispiel von D;jbrowskis Legionen von 1796. Sow erden alle heim atlichen Spaltungen in die Frem de üb ertrag en, um hier in der allgemein gereiztenStim m ung n u r noch üppiger zu w uchern. U ber diese „grosse E m igration“ h a t niem andverständnisvoller und im G runde h ä rte r geurte<strong>il</strong>t als ihr polnischer G eschichtschreiber Lubom irGadon.9) Lassen wir ihn sprechen: W ie wir wissen, w ar eine n u r allzu m ark an te Seite der internenGeschichte der E m igration die P arteisuch t. D arüber w urde viel, sehr viel geschrieben. Nochnirgends w ar so lebhafte K ritik an der V ergangenheit unserer Adelskreise geübt worden wie je tz tunter den A usw anderern. „T rotzdem tra te n jedoch niem als und nirgendw o S itten und Lasterder Schlachta und nam entlich der A delsanarchie so grell hervor wie u n ter dieser selben E m igration.Alles, was im alten Polen gärte, spiegelte sich au f ihrem A ntlitz w ider“ .10) Die Woge derE m igration entfü h rte aus dem L ande aufgeklärte, u n terrich tete, begabte Menschen, aber siewaren A usnahm en und ihre Zahl gering im V erhältnis zur G esam theit. Die Masse stellten unfertigeSchüler, angehende Offiziere, junge und sehr junge L eute ohne geistigen G ehalt und B<strong>il</strong>dung.N icht viele w aren gerade im S tande, schlecht und recht einen kurzen polnischen B riefkorrekt zu schreiben. Ih r H orizont w ar also sehr beschränkt, ihre K enntnis von W elt und Lebenbegrenzt, ih r H erz glühend, aber ihr K opf unentw ickelt. Eine E igentüm lichkeit ihrer unausgereiftenG edankengänge w ar einerseits das U nverm ögen, sich m it w idersprechenden Ansichtenauseinanderzusetzen, andererseits das kritiklose K apitulieren vor tönenden R edensarten undbestechenden G em einplätzen. Vor dem A ufstand konn ten in ganz Polen vielleicht einige hundertM enschen m it Sachkenntnis politische Fragen durchdenken und je tz t fanden sich in der Frem dem it einem Male ebenso viele tau send zusam m en, die gleichsam pflichtm ässig sich zu Politikernberufen fühlten. A ber ihre politische A uffassung w ar „von geradezu kindlicher N aiv ität“ (poprostudziecifcej naiwnosci). Den Fonds ihres politischen W issens b<strong>il</strong>dete die P hrasenhaftigkeit;es beherrschten sie schlechte A bstraktionen, unklare Theorien und vor allem berauschende undbetäubende Schlagworte (brzgczqce i szum ne w ykrzykniki). A uf ihre unreifen, aber enthusiastischenK öpfe übten em phatische F orm ulierungen ihren Einfluss; w enn auch leer und banal, vielleichtnicht einm al richtig verstanden, aber im m er und im m er w iederholt, b etäu b ten sie das Ohr,w urden zur Losung, zu G rundsatz und Gewissheit. So w irkten die P hrasen au f diese jungenA usw anderer ein und je blendender sie w aren, um so grösser ih r Effekt. M ochten sie ihnen vonoben her eingebläut w erden oder in ihren eigenen R eihen erw achsen, sie erw eckten jedenfalls„in erster Linie phantastische V orstellungen von der grossen B edeutung der E m igration, ihrer Missionund zukünftigen Rolle“ (przede w szystkiem fantastyczne w yobrazenia o wielkim znaczeniuEm igracyj, jej poslannictw ie i roli przyszlej). Zum al in ihrem A nfangsstadium übertrafen sich dieMeister und L akaien der P hrase in P rahlerei und Selbstlob. Sogar Lelewel zählte die G ründungseines K om itees zu den ehrenvollsten M om enten des natio nalen Lebens und der erfahrene GeneralDwernicki verkündigte seinen L andsleuten, dass zukünftige G eschlechter F reiheit und Frieden derpolnischen E m igration zu verdanken haben w ürden. Zu den gangbarsten Stichw orten in den R eihender Flüchtlinge, deren Gadon D utzende zitiert11), gehörte das von der E m igration als „F u n d a­m ent“ (glöwna podstaw a) der europäischen F reiheit oder als „edelster Te<strong>il</strong> der N ation“, als „Seeledes V aterlands“ oder das von Polen als „E ckstein (kam ien wggielny) des künftigen Gebäudes b rü ­derlicher V ölkerversöhnung“ oder der „E m igranten als Schöpfer einer neuen sozialen W eltordnung“.Die E m igration ist alles in allem som it eine durchaus ungesunde Erscheinung. Von ihr*) Em igracya polska. 3 Bde. Krk. 1901/2.“ ) a. a. 0 . I I I . 283.n ) a. a. O. I I I . 256 ff.61


g<strong>il</strong>t in erhöhtem Mass das oft auf das polnische Volk ü b erh au p t angew andte W ort, es lebe n u r inE rinnerung und Hoffnung, n ich t in der G egenw art. Sie sp altet sich nicht bloss in die bek anntenP arteien der W eissen und R oten, sondern in zahlreiche G ruppen und G rüppchen, die sich gegenseitigdie Schuld an ihrem U ngück zuschanzen, sich ergehen in oft E kel erregenden gegenseitigen A n­w ürfen wie gegen U m inski und ganz grundlos gegen G eneral Bern (Böhm). N un treten D em ütigung,E nttäusch ung, N ot, Beschäftigungslosigkeit, U nfähigkeit zu nützlicher B etätigung schonaus sprachlichen G ründen hinzu, w ährend das schadhafte m itgebrachte E rb g u t w eiter w irkt. K einW under, dass die hier erzeugten Stim m ungen sich steigern bis zu k rankhafter Ü berspanntheit,z. B. auf religiösem G ebiet bis zum M ystizism us eines Tow ianski, dem auch Mickiewicz zeitwe<strong>il</strong>igerlag und der in der blasphem ischen V orstellung gipfelte, dass wie Christus durch seinen O pfertoddie M enschen habe versöhnen sollen, Polen von G o tt ausersehen sei, um durch seinen U ntergangdie V ölker zu ewiger V ersöhnung hinzuführen. S tets — das d arf m an nie übersehen — ist ja daspolnische D enken m it religiösen S tröm ungen gesättigt.Aus diesem S um pf steigen die G iftblasen des skrupellosen politischen V erbrechertum s, steigt derunbezähm bare D rang zur Schaffung irgend w elcher U nruheherde, zu irgend welcher V eränderung,zu irgend welchem U m sturz, gleichgültig, wo und wie, zu reinem H azardspiel, u nbeküm m ert umdessen Chancen, um dessen Opfer, denn die Stim m ung steigert sich zur förm lichen Selbstzerfleischungsmanie. W o der W eg zu offenem K am p f versperrt w ar, w ählt m an den der unterirdischenW ühlerei. H ier entw ickeln sich die M eister der K onspiration, der V erschw örertaktik. P rächtig h a tV ictor Cherbuliez in seinem R om an: L ’A venture de Ladislaw Bolski, das B<strong>il</strong>d eines jungen E delmanns gezeichnet, der sich todesm utig m it Säbel und Pistole für Polen in tollkühne A benteuerstürzen w<strong>il</strong>l und zunächst sich durch S prachstudien au f die ihm zugedachte Spionagebetätigungpräparieren soll, den ihm als L ehrer gewiesenen berühm ten H audegen wenigstens gestiefelt undgespornt in N atio n altrach t zu finden hofft und in Schlafrock u n d Pantoffeln m it langer Pfeifefindet. Doch dieser R ealistik, der erforderlichen Geduld, verm ögen sich wenige der E m igrantenanzupassen.Die M ehrheit d rän g t zu T aten . Die Polen bieten sich an als zw ischenstaatliche L andsknechte fürjede A uflehnung. Sie vor allem bew ahrheiten Bism arcks U rte<strong>il</strong>: „D ie europäische R evolution istsolidarisch in allen L ändern“12). Sie stehen a u f allen B arrikaden, in D eutschland, F rankreich,Italien, U ngarn, sie pflegen Beziehung zu allen <strong>il</strong>legalen G eheim bünden, zum „Jungen D eutschland“und zum Carbonarism us. G ar m ancher E m ig ran t geht nach der Türkei, wo Mickiewicz 1855 alsB eauftragter der französischen R egierung stirb t. Sein G ebet aber: „U m den allgem einen K riegb itten wir D ich, o H err, zur Befreiung der V ölker“ w ird zur Devise seiner L andsleute. 1833 e<strong>il</strong>endie Polen über S trassburg zum F ran k fu rter W achensturm , so sp ät fre<strong>il</strong>ich, dass sie bei u n g ü n stigemA usgang rechtzeitig retirieren k o nnten. A ber in „engem Zusam m enhang“ hierm it13) organisiertA dolf Zaliwski seine B andeneinfälle in Kongresspolen, die beinahe allen Te<strong>il</strong>nehm ern das Lebenkosten, viele V erführten in der H eim at an den Galgen oder nach Sibirien bringen, ohne jede Zusicherungfranzösischer H<strong>il</strong>fe an M enschen oder Geld, da m an „den K am p f beginnen m üsse tro tzder Gewissheit seines M isslingens“ , seine Opfer um garnend m it dem verlogenen V ersprechen vonU nterstützung aus P aris nach A usbruch der Insurrek tio n14).Das w ahnw itzige V erbrechen schreckte n icht von W iederholungsversuchen ab. Die U m triebe gingenw eiter, n u r die M ethoden änderten sich. An die Stelle der offenen G ew alt tr a t die geheime Minierarbeitdurch Em issäre und Flugschriften. A uch Galizien w urde stärk er bearbeitet. Im m er1S) Vgl. zur Psychologie der Em igration auch: M. Sokolnicki: Les Polonais et la Revolution projetee de 1833. Revuedes Sciences politiques. P ar. 1921. 333 ff.1S) Gadon <strong>II</strong>. 270.u ) F. G raf Skarbek: Dzieje Polski. Krölestwo Polskie. Pos. 1877. V. 40. — Vgl. L aubert in D t., M onatshefte a. a. O.62


fanden sich in der H eim at H itzköpfe, die den gestreuten Sam en pflegten. In W <strong>il</strong>no fiel K onarskials nächstes Opfer, in Berlin fällte am 2.5.1838 das K am m ergericht das U rte<strong>il</strong> gegen 38 A ngeklagte.Es gelang der E m igration, für Jah rzeh n te die politische F ü h ru n g des gesam ten Polentum s an sichzu reissen15). M an b o y k o ttiert die A ktivisten, die M änner der aufbauenden A rbeit. Vergeblich h attesich F ü rst Lubecki vor 1830 dem politischen Selbstm ord entgegenzustem m en versucht; er w arvon seiner verm ittelnden Sendung nach S t. P etersburg nicht nach W arschau zurückgekehrt, sondernw ählte eine glänzende L aufbah n im russischen S taatsd ien st. D am als w ar F ü rst Leon Sapiehain den Strudel der R evolution hineingerissen w orden wie noch 1863 sein Sohn A dam das gleicheSchicksal erfuhr. Aus dem Posenschen w ar Desiderius v. Chlapowski, ein Schwager der F ürstinLowicz, K onstantins G em ahlin, in die R eihen der R ebellen getreten. Als er sich vom politischenTreiben zurückzog und au f seinen G ütern für eine landw irtschaftliche Schule zur H eranb<strong>il</strong>dungtüchtiger Ö konom en Sorge tru g , w ar er im öffentlichen Leben seiner N ation ein to te r M ann.E duard G raf R aczynski w urde zum Selbstm ord getrieben, M arcinkowski m it U ndank belohnt.V alerian G raf K w <strong>il</strong>ecki-K obelnik (K r. K osten) w arnte noch 1845 seinen V erw andten Arsen vorOpfern für die Schaffung eines M ittelstandes, eine „U topie M arcinkowskis“ un d K onsorten, derauch das V aterland n icht erlösen w ird (utw orzenie ^redniego stan u w k r a ju — ow6i utopij Marcinkowskiego).D er Janu a ra u fsta n d zertrü m m erte die A nsätze zu gesunder w irtschaftlicher E ntw icklung,die der M arquis W ielopolski m ühsam in R ussisch-Polen geschaffen h a tte . Noch der Schöpferdes polnischen Genossenschaftswesens in Preussen, der gew altigsten W affe im K am pf um dieS elbstbehauptung, P rä la t W aw rzyniak, h a t schw er u n te r Angriffen stürm ischer D raufgänger zuleiden gehabt. A uch Koscielskis V ersöhnungstaktik wie der ganze Trojloyalism us w aren auf dieD auer u n h altb ar.Die E m igration terro risierte die H eim at geradezu, lebte von deren Alm osen, wie d o rt die radikaleM inderheit die einsichtige, ruhebedürftige M ehrheit terrorisierte, verdäch tigte und dadurch im m erw ieder zum U m fall brachte. D as E m igrantentu m beeinflusste aber auch soziologisch die E ntw icklungnachhaltig. E s h in tertrieb den gesunden A ufbau der polnischen Gesellschaft, indem es J a h r­zehnte hindurch die Intelligenz abschöpfte, die sich b<strong>il</strong>denden A nsätze eines tiers e ta t zerstörteu n d den Nachw uchs in sein H azardspiel hineinriss. Am N ovem beraufstand nahm en sogar von dendrei Posenschen G ym nasien über 100 Zöglinge te<strong>il</strong>, d aru n ter Söhne der wenigen verm ögenden B ürgerwie des K aufm anns Rose und B rauers K olanow ski. E benso schlossen sich die p aar Medizineran. L ehrer, wohl säm tliche angehende Ju risten , m ehr als ein D utzend, gerade die intelligenterenK leriker w urden um Ja h re zurückgew orfen oder wie der Ph<strong>il</strong>osoph L ibelt fü r im m er aus ihrerL aufbahn geschleudert16). N icht anders 1813, als das G ym nasium in T rem essen seine P forten schliessenm usste, da die O berklassen gänzlich verw aist w aren. Die folgende G eneration verlor alsdanndie L ust zum E rw erb höherer B <strong>il</strong>dungsstufen. Die beschäftigungslosen, aber ungeduldigen Menschensuchten dafür nach einer A blenkung, nach einem B etätigungsfeld in ihrem unbefriedigendenLeben u n d sie boten fü r die chim ärischen H offnungen der E m igranten den passenden N ährboden17).Diese E lem ente w urden angesteckt von dem Selbstbew usstsein der Flüchtlinge, von dem Fluchalles E m igrantentum s, der rosenfarbenen Ü berschätzung des vorhandenen Gärungsstoffes, desKreises der M alcontenten, der eigenen W erbek raft bei der Masse. M an w iegt sich ein in die E rw artun g eines nah en U m schw ungs, verk en n t die M acht des B eharrungsverm ögens in der Geschichteder S taaten u n d Völker. Gierig schnapp t m an jedes S ym ptom entstehender Verwickelungen auf,im W esten, im O rient; m an versuch t zu schüren, daraus K ap ital zu schlagen, aus den kirchlichenDifferenzen in Preussen, aus der belgisch-niederländischen K risis von 1838/39 m it der F lu cht Generalsv. Skrzynecki aus P rag und seinem E in tritt in den belgischen H eeresdienst. D er sehr tüchtige16) Vgl. hierzu auch die A usführungen von L. B ernhard: D. poln. Gemeinwesen im Preuss. Staat. Lpz. 1907. 5 ff.16) Als Beispiel vgl. L aubert: B eiträge z. Lebensgeschichte K arl Libelts. D t. W issenschaftl. Zs. f. Polen. H. 6. 65 ff.H) Vgl. d. Sch<strong>il</strong>derung dieses M<strong>il</strong>ieus in der oft gedruckten Denkschrift des Posener Oberpräsidenten Flottw ell vom15. März 1841.63


Gnesener L andrat v. Greveniz berichtete am 16. 2. 1839 von einer höchst aufgeregten Stim m ungder G utsbesitzer und höheren G eistlichkeit wegen der N achrichten aus Belgien, die SkrzyneckisA nkunft „ungem ein erhöhte“, und am 20. 2 . von „sehr lebendiger A ufregung“ bei den oberen S tä n ­den. Die U rsache lieferten unverkennbar die Vorgänge im W esten. Man sah den Krieg als u n v ermeidlichan und knüpfte daran „die lächerlichsten E rw artu n g en “ . Die ungereim testen N achrichtenw urden, wenn sie nur dem erw ünschten Ziele dienten, eifrig aufgegriffen und geglaubt.Diese beständige A ufregung m it ihrem A uf und Ab schuf bei allen B ete<strong>il</strong>igten einen F ieberzustand,in dem ihnen jed er M asstab für die Tragw eite der Ereignisse und ihre E rfolgsaussichten verlorenging, und steigerte ihre A nsprüche bis zur zügellosen P hantasie. E in im m erhin gem ässigter M annwie G ustav v. Potw orow ski-G ola, den einst kgl. V ertrauen zum Posener L andtagsm arschall b e­rufen h a tte , schrieb 1848 dem als K om m issar nach Posen geschickten General v. W <strong>il</strong>lisen, das einzigew irksam e M ittel zur V erhütung von B lutvergiessen und eines „in der G eschichte beispiellosenGem etzels“ (i bezprzykladnej w dziejach rzezi) sei die sofortige Zurückziehung der T ruppen ausder Provinz18). Im L andtag entw ickelte der gleiche M ann einige M onate später die Theorie: W irsind weder D eutsche noch Preussen, sondern Polen u n ter der H errschaft des preussischen K önigs.N ur die Person E ures Königs, der zugleich Grossherzog von Posen ist, verbindet uns m it derG esam tm onarchie, m it der wir nur verknüpft sind durch die T rak tate von 1815 und durch B edingungen,von deren A ufrechterhaltung der Besitz der Provinz abhängt. Da gab es, wie der V erfassereinräum t, kein B eifallsgeklatsch, denn derartige W orte pflegten solches nicht zu ernten, aber erfügt hinzu: „M an kan n kühn beh aupten , dass niem and im L andtag einen grösseren E indruck h ervorgerufenh a t“ (ale sm ialo powiedziec m ozem y, ze n ik t na Sejm ie wigkszego nie zrob<strong>il</strong> w razenia19).Diese W orte aber w aren geradezu L andesverrat.Von grösser W ichtigkeit w ar es, dass die E m igration auch die heim ischen Kreise m it den politischenS tröm ungen des W estens infizierte, die über den Liberalism us hinweg sich bis zum K om m u­nism us verschärften. A uf dieser G rundlage fand m an auch A nknüpfungspunkte zu der deutschenO pposition. Diese neue N ote w irkte sich dahin aus, dass a u f dem Posener L andtag von 1843P olentum un d Liberalism us zum ersten Mal eine politische E he eingingen, die D eutschen fürdie nationalen W ünsche der S arm aten und diese für die fortschrittlichen B estrebungen jener,insbesondere den A usbau der V erfassung stim m ten. Die Polen schoben je tz t das Misslingenihrer bisherigen A nstrengungen au f deren zu schm al angelegte Basis. D er Adel fing an liberal zusch<strong>il</strong>lern und tr a t ein für Pressefreiheit, Ö ffentlichkeit der P arlam ents- und S tad tverordneten sitzungen,W egfall der untersten S teuerstufen, V erm ehrung der bäuerlichen A bgeordneten a u f denK reistagen und selbst für die Judenem anzipation. E r w arb in den R eitervereinen um das L andvolk,fraternisierte plötzlich m it dem gem einen M ann. Es begann ein förm licher W ettlauf m it dem Sozialismus,wesnalb m an vielfach den völkischen G esichtspunkt zunächst in den H interg rund tre te nliess. D er Posener Polizeipräsident F rh. v. M inutoli berichtete am 31.10. 1845 anlässlich des d am a­ligen T um ults in der S tad t: „U m dem P lan einen m öglichst grossen A nklang und U n terstü tzu n gzu sichern, ist von der N atio n alität der Te<strong>il</strong>nehm er nicht die R ede, da die Idee des K om m unism usw enigstens bis zur E rreichung bestim m ter Zwecke die D eutschen wie die Polen zu gem einsam erT ätigkeit vereinigen soll“20).Der beinahe kindisch zu nennende Losbruch der Posener Linkskreise im F ebruar und im H erbst1845 bewog dann die S chlachta ebenfalls zur übere<strong>il</strong>ten T a t im F ebruar des folgenden Jahres m itder Provinz als A usgangspunkt, we<strong>il</strong> sich hier u n ter F riedrich W <strong>il</strong>helm s IV. m <strong>il</strong>der Regierung diel8) Franc. Szafrariski: Gustaw Potworowski. Pos. 1939. 80.w> a. a. O. 92/3.10) Nähere Angaben bei L aubert: Die Triebfedern der Aufstandsversuche des Posener Polentum s 1845/6.. In: Vomdeutschen Osten. Festschr. f. M. Friederichsen. Brsl. 1934. 189 ff.64


V orbereitungen, zum al die Z usam m enarbeit m it der E m igration, am ungestörtesten bew erkstelligenHessen. D er für alle drei Te<strong>il</strong>gebiete geplante A ufstand tru g wie alle vorhergegangenen U n ternehmungen den Todeskeim in sich, vor allem infolge der uneinheitlichen L eitung und der bizarrenV erkennung des wirklichen K räfteverhältnisses. In R ussisch-Polen e rlitt der kleine Sohn des grossenDqbrow ski ein beschäm endes Fiasko, in Posen verriet H einrich v. Poninski das ganze P ro jek tder schon durch M ieroslawskis V erhaftung u n terrich teten Polizei, in Galizien w andte sich dieB auernschaft nicht gegen die Regierung, sondern gegen ihre Q uälgeister, die polnischen Junker,und bloss in K rakau h a tte n die E m pörer vorübergehenden Erfolg, hier u n te r E d u ard Dem bowskim it förm lich kom m unistischer F ärb ung, was dem P olentu m als m oralischen Gewinn die Sym ­pathie des M arxism us und in Z ukunft dessen U n terstü tzung eintrug21).1848 erhielt die A ufstandsbew egung durch die K opflosigkeit der BerUner R egierung, das kgl.V ersprechen einer nationalen R eorganisation in Posen und die au f E rhebung des Polentum s m itpreussischer und französischer H<strong>il</strong>fe gegen R ussland gerichtete P olitik des A ussenm inisters F rhn.v. A rnim im A nfang den Stem pel einer gewissen L egitim ität, aber die Polen verdarben ihre Chancenaberm als durch die M asslosigkeit ih rer F orderungen. Zudem fiel das B auerntum auch je tz tbeinahe ganz aus u n d verhielt sich wie zwei Ja h re vorher loyal. E s blieb n u r das durch das V ersprechender L andzute<strong>il</strong>ung und dgl. gewonnene P ro letariat in S ta d t u n d D orf, m itu n ter geradezudas plündernde V erbrechertum im Gefolge der O berschicht, also die gleichen K räfte wie 1846, dieF ührung fre<strong>il</strong>ich schon stark m it bürgerlichen E lem enten du rch setzt (B uchhändler Stefanski,Müller Essm ann).M it ihrem kläglichen Misserfolg von 1848 h a t die A ufstandsrom antik der Adelskreise in Preussenabgew irtschaftet. Ih re R este to b te n sich noch einm al 1863/64 im W eichselgebiet aus, stellten denInsurgen ten ihre tü ch tig sten P artisanen fü hrer, den zeitweifigen D ik tato r M aryan Langiewiczaus K rotoschin; E d m u n d v. Taczanow ski, K asim ir v. U nrug, W itold v. T urno, E dm und CaUier,fanden dabei aber auch grösstente<strong>il</strong>s den U ntergang22). M ehr und m ehr erlangten jedoch die Vorkämpfer der geistigen u n d w irtschaftlichen E rtü ch tig u n g u n d inneren K onsolidierung die O berhan d , der 1863 bekehrte V ater der B auernvereine, G utsbesitzer M axim , v. Jackow ski, F abrikbesitzerH ippolyt Cegielski und Genossen, stärkstens u n te rstü tz t von dem K lerus, getreu demR atschlag T hiers’: Enrichissez-V ous et attendez. In Galizien w irkte die kam pflos erlangte A utonomie naturgem äss fü r längere Z eit beruhigend au f die revolutionäre Stim m ung ein.In R ussisch-Polen hinkte die E ntw icklung bei seiner noch dünneren Schicht an bürgerficher In te l­ligenz h inter der preussischen her u n d hier brach 1863 die letzte grosse A ufstandsbew egung u n terbesonders stark er T e<strong>il</strong>nahm e der E m igration u n d P riestersch aft aus. Indessen auch hier w ar dieRegierung m it ihren bauernfreundfichen M assnahm en den P atrio ten vorangee<strong>il</strong>t und so verhieltsich die Masse des Landvolks passiv, w ährend ein Te<strong>il</strong> des besitzenden Adels m indestens zunächstdas Beginnen direk t zu verhindern bem ü h t w ar. D aher fanden sich wieder die heterogensten F ak ­toren im Lager der E m pörer zusam m en, aber es fehlte ihnen der Schw ung einer einheitUchenVolksbewegung, der ritterliche A nstrich der ersten A ufstände. E s w iederholten sich die P arteiu n ­gen in einem langen B andenkrieg, doch es m angelte tro tz zahlreicher kühner E inzelunternehm ungenan der poetischen B egleitm usik der deutschen u n d rom anischen W elt. Die Sym pathie desW estens beschränkte sich wie im m er au f platonische N oten, h in ter denen kein W <strong>il</strong>le z u rT a t stand.Auch in Preussen w aren die politischen V erirrungen des tollen Jah res wie der T rium phzug Mieros-21) Vgl. das 1848er M anifest v. K arl M arx u. Friedr. Engels bei L aubert: D. preuss. Polenpolitik. Bln. 1920. 92 u. zumBeweis für die U naufrichtigkeit beider Engels Schreiben vom Mai 1851, L aubert: Deutsche u. Polen im W andeld. Geschichte. 2. A. Brsl. o. J . (1921) 20.22) Vgl. Theodor v. 2ychlinski: W spom nienia z roku 1863. Pos. 1888.65


lawskis vom Gefängnis durch die Strassen Berlins überw unden. Das V erhalten des L andtags w arm ehr eine A usw irkung der allgem einen O ppositionsstim m ung und eine Spitze gegen R ussland alseine polenfreundliche D em onstration.M it dem Scheitern des Jan u arau fstan d es erloschen dan n ü b erh au p t die vom P olentum a u f dieU nterstützung der W estm ächte gesetzten E rw artungen. Preisgegeben w urde bei den führendenM ännern der G edanke an eine bew affnete E inm ischung in das politische Geschehen nicht. 1870/71käm pften polnische F reischärler au f französischer Seite und m an versuchte Österreich in eineK riegserklärung gegen Preussen hineinzutreiben, aber die Ereignisse schritten über diese B estrebungenhinw eg. 1877 kam es in W ien nochm als zur W ahl einer N ationalregierung unter dem F ü r­sten A dam Sapieha, die durch M ob<strong>il</strong>isierung des K atholizism us eine allgemeine Bewegung gegenR ussland a u f die Beine zu stellen hoffte, aber von Sapieha, wie F eldm an spöttisch bem erkt, gehandha b t w urde, um es zu keinem A ufstand kom m en zu lassen23).Adel und B ürgertum rü ckten von dem G edanken an gew altsam e U m w älzung in steigendem Masseab. Die revolutionäre T rad ition verschob sich m it der zunehm enden Industrialisierung der vonpolnisch-sprachiger B evölkerung durchsetzten Gebiete in die K reise der allm ählich zu B edeutungheran wachsen den A rbeiterschaft, der Sozialisten P<strong>il</strong>sudskischer oder K orfantyscher R ichtung24).H ier w urde u n ter A usnutzung m arxistischer Lehren das In stru m e n t der Gewalt, des Streiks,T errors und der G eheim bündelei w eiterhin eingesetzt.Lebendig blieb auch das allen P arteien tro tz ihrer tak tisch en A bw eichungen gemeinsame Zielder W iederherstellung Polens in den G renzen von 1772, aber die E rinnerung an die A ufstandszeitverkörperte sich bloss in der harm losen A ufspeicherung des „ K riegsschat zes" in Rappersw yl, vondem die A brechnung für das J a h r 1912/13 bei der Posener A usstellung von 1929 durch das Ministeriumder F inanzen vorgelegt w urde (Spraw ozdanie polskiego skarbu wojskowego usw.) m it derkennzeichnenden U nterschrift: Les Polonais n ’entrev oyaient dans leurs prieres que „l’espoir d uneguerre m ondiale pour la liberte des peuples, lorsque com m encerent a se form er des organisationsm <strong>il</strong>itaires ap p u y es sur un T resor m <strong>il</strong>itaire“ . B ekanntlich tru g D eutschland die Alleinschuld amW eltkrieg.Möge diese flüchtige Schau durch die V ergangenheit dazu beitragen, das W esen des neu erstan d e­nen Polens von 1919 und seiner P olitik zu klären.23) Vgl. W. Feldm an: Gesch. d. politischen Ideen in Polen seit dessen Te<strong>il</strong>ungen. M chn.& B ln. 1917. 258 u. StefanKieniewicz: Adam Sapieha. Lemb. 1939. 236 ff.24) Zur Anwendung m arxistischer Schlagworte in Oberschlesien durch K orfanty vgl. Ilse Schwidetzky: D. poln.Wahlbewegung in Oberschlesien. Brsl. 1934. 74 ff.66


Z U R GLIEDERUNG DER LANDSCHAFTZWISCHEN W EICH SEL UND KARPATENKAMMV O N D R . H A N S G R A U LI. LAGE, BAU U N D R E L IE FDie L andschaftsgliederung h a t die A ufgabe, eine G rosslandschaft in geographische E inheitenzu zerlegen, die sich zum indest in e in e m der bestim m enden L andschaftsfaktoren unterscheidenu n d die m öglichst eindeutig begrenzt sind. D abei bedingt in der Regel die V eränderung einesder physischen F aktoren fast gesetzm ässige V erschiebungen bei den anderen Erscheinungen,welche die L andschaft bestim m en.Die Gliederung in L andschaftseinheiten bis zur kleinsten O rdnung herab ist als Ergebnis gründlicherForschung in allen Zweigen der geographischen W issenschaft eine der wesentlichen G rundlagender L änderkunde. Die Aufgabe reicht jedoch über die rein w issenschaftliche Seite in vieleGebiete unserer gestaltenden T ätigkeit. So w ird bei der E rrich tu n g politischer Grenzen, soweitihr Bestehen von längerer D auer sein soll, ferner bei der politischen u n d w irtschaftlichen O rdnungeines L andes von den geographischen E inheiten, den L andschaften, ausgegangen. Das Netzzentraler O rte, das heu te besonders bei der N euordnung des deutschen O stens als die Grundlageeiner gesunden, d. h. naturgem ässen L andesplanung g<strong>il</strong>t, kan n n ich t ohne die V orarbeit einerin der geographischen W issenschaft fundierten Gliederung in L andschaftseinheiten aufgestelltwerden. D eren Aufgabe h a t aber noch w esentlich w eitere K onsequenzen. Ihre B eachtung undA nw endung kan n fü r ein Volk, das daran geht, seine H eim at aus B odennot in neue, vielleichtfrem dartige L andstriche zu erw eitern, von einschneidender B edeutung für seine Z ukunft sein.D a irgendw o jed er A rt des Lebendigen die natürlichen G renzen gesetzt sind, ist es nützlich undnotw endig, auch für die eigene A rt diese Grenzen zu kennen. So w erden der völkischen W achstumsbew egung vor allem durch die Ergebnisse der E rforschung des L andes un d seiner W e­sensveränderungen von L andschaft zu L andschaft R ichtung und Grenzen, wie solche von derN atu r gesetzt sind, gewiesen. D a s Wissen um das Wesen der Landschaft im Ostender deutschen Volksgrenze w ir d eine der Grundlagen unseres Ringens umneuen Volksboden s e in . Dieses W issen zu erw eitern u n d zu vertiefen, w ird aber eine dervornehm sten A ufgaben der Sektion für L andeskunde am In s titu t für deutsche O starbeit inK rakau sein.Die bestim m enden L andschaftsfaktoren sind folgende: Lage, B au, Relief, K lim a, Gewässernetz,Boden, natürlicher Bewuchs u n d Tierleben. Sie ergeben die B estim m ung der N a tu rla n d s c h a ft.Eine Gliederung in k u ltu rla n d s c h a ftlic h e E inheiten berücksichtigt folgende sechs anthropogeographischeF aktoren: V erbreitung des M enschen, V erbreitung seiner Rasse, seiner Volkstümer, W irtschaft, V erkehr und die F orm en des G em einschaftslebens. E ine to tale L andschaftsgliederungfasst die physischen und m enschlichen F akto ren zusam m en. Schon bei dieser Aufzählungw ird verständlich, wie reich an E rscheinungen und Bew egungen jenes E tw as ist, daswir als das W esen der L andschaft bezeichnen. E s w ird auch klar, dass n u r eine allum fassendeErforschung und E rk enntnis dem V erstehen dieses W esens n äh er bringen kann.Die folgende U ntersuchung befasst sich n u r m it einem kleinen Te<strong>il</strong> jen er allum fassenden E rforschung.Sie ist ein V ersuch, jenes G ebiet des G eneralgouvernem ents nach B au u n d Relief inphysische E inheiten zu zerlegen, das seit Jah resfrist intensiver bearbeitet w erden konnte.Das L and zwischen W eichsel und K arp aten k am m zeigt durch den vielseitigen und beherrschen­67


den Einfluss der nach N orden gerichteten G ebirgsabdachung m ehr verw andte Seiten m it Te<strong>il</strong>enD eutschlands als die Gebiete nördlich oder südlich von ihm . Diese innere V erw andtschaft w arohne Zweifel m it ein G rund dafür, dass das L and schon seit langem von deutschen M enschenoft aufgesucht und zur neuen H eim at gew ählt w urde. Dies ist für uns ein Anlass m ehr, geradediese L andschaft zuerst einer U ntersuchung zu unterziehen. Die B etrach tung der anderen vonLage, B au und Relief abhängigen physischen F ak to ren wie der anthropogeographischen V erhältnissew ird später erfolgen.Die Lage des genannten Gebietes ist eindeutig. D as L and ist die N ordabdachung jenes A b ­schnittes des K arpatenbogens, der sich, in der M itte wenig nach N orden gewölbt, allgem eingesprochen in W est-O st R ichtung erstreck t. W ie im deutschen Alpen vorlande übernim m t auchhier ein grösserer Fluss die F unktion , als Sam m elader die A bdachungsflüsse aus dem Gebirgeaufzunehm en. Als solche b<strong>il</strong>det die W eichsel die tiefste Linie und dam it die Grenze der n ö rd ­lichen A bdachung der K arp aten . M it der Oder-Senke u n d dem V orland der O st-K arpaten durchniedrige Schwellen g u t verbunden, stellt die W eichsel-N iederung einen der grossen Längs-D urchgangsräume E uropas dar. Das L and erh ält ferner durch seine m eridionale Lage im europäischenK o ntinen t, als M ittelstück des Ü bergangs- und B rückengebietes zwischen dem stark gegliedertenH albinsel-E uropa u n d dem eurasischen Festlandsblock seine besondere B edeutung. Die W irkungder Lagefunktionen kan n durch die G eschichte dieses R aum es unschw er im m er wieder erk an n tw erden, wobei die A ustauschbew egungen zwischen W est u n d O st selbst im gebirgigen Süden,begünstigt durch die L än g sstru k tu r des Berglandes, ausschlaggebender w aren als jene zwischenOstsee u n d Schw arzm eer-G ebiet. Die geographische Lage lässt das hier behandelte G ebiet alsein einheitliches erscheinen. E ine U ntergliederung erfolgt erst durch B au und Relief.D er B a u des Landes zwischen W eichsel und K arp aten k am m zeigt ebenfalls einen einheitlichenC harakter. E s ist ein Te<strong>il</strong> des ju ngen F altengürtels E urasiens, welcher den alpinen B aust<strong>il</strong> au f­w eist. Die ausgeprägten geologischen Zonen gestatten eine Gliederung des R aum es. Sie sind,wie es für jene jungen F altengürtel ty pisch ist, längsgerichtet. D a sich der B au m odellartig imRelief, also im heutigen O berflächenb<strong>il</strong>d des B erglandes w iderspiegelt, stellt er einen b eachtlichenF ak to r fü r die L andschaftsgliederung unseres G ebietes dar.An die älter gefaltete K ernzone der K arp aten , die m it der H ohen T a tra von Süden in das Generalgouvernement hereinreicht, schliesst sich im N orden die Sandsteinzone (durchzogen vonSchiefern und T onen, K reide u n d A lttertiär, „F lysch“) als breitest entw ickelter Streifen an.Ih r i t am S üdrande eine schm ale, aber durchgehende Zone von K alk-„K lippen“ (Pieninen)aufgelagert. Die nach N orden gefaltete Flyschzone ist au f das salzführende M iozän des V orlandesaufgeschoben. Dieses b<strong>il</strong>d et in unserem G ebiet n u r zwischen K rakau un d Bochnia einen Streifenvon einiger B edeutung. Längs einer deutlichen A bsenkungslinie folgt im N orden die VorkarpatischeSenke oder W eichsel-San-N iederung m it m iozänen u n d vor allem d<strong>il</strong>uvialenA blagerungen.Gegenüber der G esteinslagerung und deren kretazisch bis a lttertiären F altu n g und V erschuppunghaben für die Gliederung in L andschaftseinheiten die ju n g tertiären V ertikalbew egungen diegrössere B edeutung. Sie bestanden in Grosswölbungen, welche die E rd rinde in der lab<strong>il</strong>en karpatischenG eosynklinale erfassten, dabei aber im W esten wie im O sten in alten Bew egungsrichtungenverliefen. B egleitet w aren diese W ölbungen von E inbrüchen u n d Flexuren, die vor allemdie R änder des Gebirges und seine B ecken schufen. Die jungen Bew egungen erzeugten das unsheute in der Gipfelflur sichtbare Grossrelief, in dem wir zwischen H och- und M ittelgebirge, wieH ügelland und Vorsenke unterscheiden können. Die durch die Bew egungen belebte A btragungliess die G esteinslagerung w ieder stärk er zum V orschein kom m en. Sie b ietet m it der B <strong>il</strong>dung68


des inneren Reliefs, der R eliefierung des B erglandes, eine gute G rundlage für eine w eitere U n tergliederung.E s ist daher folgerichtig, zuerst die G liederung der Gipfelflur oder des Grossreliefs,später die der Reliefierung der L andschaft zu behandeln. D abei m öchte ich m ich dort jewe<strong>il</strong>skurz fassen, wo eingehende D arstellungen schon vorliegen1).Die Intensitätsverschiedenheiten der jungen w eitgespannten V ertikalbew egungen spiege’n sichw ider in der F orm der Gipfelflur. Ih r H öhenw echsel w eist innerhalb der N ordabdachung derK arp aten au f folgende Zonen:1) D as H ochgebirge der T a tra ; es fällt m it dem A nte<strong>il</strong> an der karpatischen K ernzone (kristallinischeGesteine m it Sedim enthülle) zusam m en. Die Gipfelflur steigt von 21— 2200 m im W estena u f 25— 2600 m im O sten. Es ist eine das N iveau der ganzen nördlichen K arp aten stark überragendeStelle geringer A usdehnung. Besonders schroffe V ertikalbew egungen als U rsache dieserbesonderen H öhenentw icklung liegen au f der H and.2) Das M ittelgebirge der S andstein -K arp aten (Flyschzone) m it V erbiegungen der Gipfelflur,die nach zwei, einen stum pfen W inkel m iteinander einschliessenden Bew egungsrichtungen u n te r­te<strong>il</strong>t ist. Die H öhen erreichen im W esten m it 1725 m ihre Gipfelung, sinken nach der M ittedes G ebirgsabschnitts infolge einer echten axialen E inw alm ung au f 700— 750 m ab und steigenim O sten w ieder stärk er an.3) D as karpatische H ügelland, zum w eitaus grössten Te<strong>il</strong> noch der Flyschzone angehörend.Die Ü berschiebungslinie au f das A ltte rtiä r ist keine L andschaftsgrenze. Das N iveau der Gipfel,hier besser der R ücken, sin kt im Sinne der allgem einen A bdachung von ru n d 5 600 m im Südenau f 350— 400 m im N orden. N eben den gebietsweise w echselnden Erscheinungen der A btragungerleichtern auch hier die unm ittelbaren W irkungen der jungen Bew egungen eine U ntergliederung.4) M it deutlicher Stufe folgt die N iederung der W eichsel, die sich von 250— 280 m im W estenund Süden au f 150 m bei der San-M ündung abdacht. E rfü llt von eiszeitlichen M oränen undSandflächen im N orden, von Löss im Süden überdeckt, ist die N iederung n u r in den breitenalluvialen Schw em m gebieten eben, im höheren südlichen Te<strong>il</strong> aber entw eder leicht gewellt (Dqbrowa bis Lezajsk) oder terrassiert (L an dsh ut bis Przem ysl).Diese Grossgliederung verläu ft m it dem S treichen des Gebirges. Sie ist gegeben durch das stu ­fenweise Anw achsen der B ew egungsstärke bis zur L ängsachse des G ebirgssystem s. Bei nähererB etrach tung zeigt sich aber ein verw ickelteres V erhältnis zwischen B au u n d den jungen Bew egungen.Im W esten (W est-Beskiden) verlaufen G esteinsstreichen u n d W ölbungsbew egungen parallelzueinander. Schon jenseits der Skaw a aber b<strong>il</strong>den beide einen W inkel, der sich nach Osten vergrössert.D enn w ährend die Gesteinszonen, deren heutige E rstreck ung ein Spiegelb<strong>il</strong>d der älterenF alten- und Schubbewegungen ist, vom D unajec ostw ärts allm ählich aus der W est-O st R ichtungin eine N ordw est-Südost R ichtung (O stkarpaten) um biegen, behalten die gebirgsb<strong>il</strong>denden Bewegungendes Ju n g tertiärs im W esten — aber bis in die O stkarpaten spürb ar — die westkarpatischeR ichtung (etw a W 30° S — E 30° N) bei. G ekreuzt w erden diese Bewegungslinien vonden ostkarpatischen (etw a S 45° E — N 45° W ), die w iederum bis in die W est-B eskiden festzustellensind. D er W iderspruch dieser B ew egungsrichtungen m it dem G esteinsstreichen ver­*) Es seien hier nur genannt: L. v. Sawicki, Psyhiograph. Studien aus den westgalizischen K arpaten, Geogr. Jber.a. Ö. V <strong>II</strong>. 1908. — L. v. Sawicki, Die jüngeren Krustenbew egungen in den K arpaten, M itt. Geogr. Ges. W ien, 1909.F. M achatschek, Landeskunde der Sudeten- und W estkarpatenländer, S tu ttg a rt 1927. — M. Klimaszewski, ZurMorphologie der westl. Polnischen K arp aten, T rav. Inst. G. Univ. Cracovie 1934. — W . Goetel, Zagadnienia regjonalizmugorskiego w Polsce, K rakau 1936.69


ursachte im Bogenstück der nördlichen K arp aten jenes gittern etzartig aufgegliederte G elände.E s ist hier durch die sich kreuzenden V ertikalbew egungen gleichsam zerhackt, im W esten undOsten aber durch die P arallelität m it dem G esteinsstreichen in lange, zueinander gleichlaufendeR ücken gegliedert2).Ohne hier a u f die interessante E inzeluntersuchung über A usdehnung und In te n sitä t der beidenBewegungssystem e der nördlichen K arp aten einzugehen, sei n u r d arau f hingewiesen, dass inden S chnittpunkten der W ölbungslinien die Reliefgipfelungen gelegen sind, in denen der E inw almungslinien aber die Senken am breitesten entw ickelt sind. Diese Sum m ierungen der H ebungsbzw.Senkungstendenzen können gerade in unserem Gebiete, das über w eite Strecken Gesteineähnlicher W iderstandsfähigkeit besitzt, gut beobachtet werden. Es sollen im Folgenden die E in ­flüsse, die durch diese Te<strong>il</strong>ung der Bew egungen das Relief verändert haben, der B etrach tu n gunterzogen werden. Sie sind bereits an dem plötzlichen A bbruch der Gipfelflur ostw ärts der Skaw adeutlich festzustellen. H ier gehen die langgefiederten R ücken der W est-B eskiden, die bis hierherständig noch an H öhe gew onnen haben (B abia Gora), u n v erm ittelt in die stark gegliederte L an d ­schaft der Einzelberge (poln. B eskidy W yspowy) über und die Gipfelflur verliert rund 700 mHöhe. Die Skaw a-Linie, die sich über das niedrige W asserscheidengebiet von R aba W yzna insN eu m ark ter B ecken und von hier ins obere P oprad-T al verfolgen lässt, h a t bereits die ostkarpatischeR ichtung. Sie verursacht hier die querlaufende Reliefstufung. D ort, wo die Q uergliederungau f die andere, die w estkarpatische R ichtung übergeht, die ostkarpatische hingegen das orographischeStreichen bestim m t, ist m orphotektonisch die Grenze zwischen W est- und O st-K arp atenanzunehm en. Die U ntergliederung des Grossreliefs kan n innerhalb des M ittelgebirges folgendermassen du rch geführt w erden:2a) W est-B eskiden: Die H öhen der in breite S eitenäste ausladenden R ücken erreichen 12 1300 m ,im K ern (B abia Gora) aber 1725 m. Vom nördlichen V orland steigt das Gebirge rasch um 6— 800 man. In der Längsfurche vom K ysuca-T al über den Jab lu n k a-P ass, das Saybuscher Becken, T a ­lung von Slem ien bis Sucha, die das B ergland aufspaltet, liegt auch die auffallende Längsstufungder Gipfelflur (H ohe u n d Niedrige B eskiden). Jenseits der langen D urchbruchsstrecke der Skaw asinkt der nördliche K am m (934 m) u n te r die 600 m -G renze des H ügellandes, in einzelne, dastiefere Gelände noch deutlich überragende K uppen (L andskron 550 m) zerbrochen. Der H a u p t­kam m sin k t ebenfalls rasch au f 7— 900 m ab, in ein scheinbares Gewirr von K uppen und K u rzrückenzerfallend. Ohne Zweifel setzt längs der Skaw a-Linie die Zerstückelung der M assen durchdie stärkere E inw irkung der östlichen Bewegungslinien in erhöhtem Masse ein. H ier ist dahereine w ichtige physiogeographische Grenze vorhanden, die auch in den anderen L andschaftsfaktorenzur W irkung kom m t. Die „U m biegung“ der K arpaten, die hier u n v erm ittelt beginnt,ist n u r in der F ühru ng der alten Geosyklinale, die hier in schm aler Strasse um das verhülltepannonische M assiv zieht, gelegen. Die junge G ebirgsb<strong>il</strong>dung findet in dieser Schwächezone derE rdrinde günstige B edingungen, vollzieht sich aber nach den beiden genannten Bew egungssystemen, deren R ichtu ng vom V erlauf der alten starren Landm assen abhängig war.2b) Das Scheitelgebiet zwischen W est- und O st-K arp aten ist dadurch charakterisiert, dass sichdie östlichen L eitlinien in der G estaltung der L andschaft zw ar schon deutlicher bem erkbar m a­chen, diese Linien aber noch als Quer- oder Sekundärlinien erscheinen. Die Subsequenzen unddie Achsen der E rhebungen sind noch w estkarpatisch. In diesem w estlichen Ü bergangsgebietm achen sich die östlichen Bew egungen neg ativ als w ichtiger A nlagefaktor fü r die grossen D urchv“ e ‘ka/ P at; R ichtung parallel zieht der Abbruch des M ittelpoln. Berglands längs der Weichsel; sie besitztVorfahren hohen Alters. Die ostkarpat. R ichtung hingegen k ehrt in der langen B ruchlinie zwischen m ittel- und osteuropäischemBau, der San-Kielcer Linie von Tornquist-Teisseyre, und den H auptlinien der Vertikalbewegungenim M ittelpoln. Bergland wieder.70


uchstäler (Skawa, D unajec un d P oprad), positiv aber durch besondere K ulm inationen imGipfelniveau bem erkbar. Die Linie, jenseits der sich diese V erhältnisse auffallend zugunsten desostkarpatischen System s ändern, ist die östliche Grenze des Zwischengebietes m it seinen g itternetzartigzerstückeltem Relief. Die O stgrenze verläu ft im Tyliczer S attel durch das K am ienicaTal ins Sandezer Becken. Dieses liegt in der K reuzung bedeutender west- und ostkarpatischerTiefenzonen. D as ganze G ebiet kan n m an auch als die M ittel-B eskiden bezeichnen.2c) Südlich davon erstreck t sich bis zu den V orhöhen der H ohen T a tra das im G esteinsstreichenalt angelegte un d durch junge Senkungen w ieder erneuerte Becken von N eum arkt. Es ist ausgezeichnetdurch die Q uerung der europäischen H auptw asserscheide, die vom W enstende derT a tra quer über das Senkungsfeld (in 650 m Höhe) zum B eskiden-H auptkam m zieht.2d) ö stlich der Tyliczer Linie beginnt das System der O st-K arp aten vorzuherrschen3). Derenw estlichste E in heit fällt durch zwei E igenheiten auf. E rstens ist das B ergland noch stark zergliedert,was aus dem noch starken H erüberreichen der w estlichen Bewegungslinien erklärt ist,zweitens sin kt in ganzer B reite die Gipfelflur gegenüber dem W esten um 4— 500 m ab. EineReihe von S ätteln bleib t u n te r 600 m , der berühm te, g u t gängige D ukla erreicht sogar nur 503 m.Das A bsinken des N iveaus w ird vor allem durch eine echte axiale E inw alm ung verursacht, welchedie F ortsetzung des B ruchssystem s am H ernad (völliges A bsinken der zen tralk arp at. Zone) ist.Die L andschaftseinheit w ird am besten als die P asslandschaft der O st-B eskiden bezeichnet4).Ih re O stgrenze ist d o rt gelegen, wo das w estkarpatische B ew egungssystem fast völlig u n tertau ch tund wo die für das P assland typischen Erscheinungen wieder aufhören. A uch diese Grenze erlittin den zahlreichen D arstellungen einige V erschiebungen. Ausser der Gliederung des Gebirgesin lange, parallele R ücken tr it t im O sten das A nsteigen der Gipfelflur w ieder ein. N ach dieserist die Grenze d o rt zu ziehen, wo sie die 900 m H öhenlinie w esentlich übersteigt, nach dem G rundsatz,tiefe u n d erhabene G ruppen in solcher W eise längs des A bhangs zu trennen, dass beidein sich geschlossene E inheiten bleiben. Die Linie, welche diese V erhältnisse am besten berücksichtigt,ist im O slaw a-Tal gelegen (siehe dazu A bb. 2). Bis zur Oslawa bleiben die Rücken, diem eist verhältnism ässig kurz sind, u n ter 863 m (K am ien), m eist sogar u n te r 800 m. Das E n t­w ässerungsnetz setzt sich aus vielen Längs- u n d kurzen Q uerstrecken zusam m en, welche dieursprünglich längeren H öhenzüge in die hier charakteristischen kurzen R ücken zergliedern.3) Die Grenze zwischen W est- und O stkarpaten w ar schon oft der Stoff wissenschaftlicher Behandlung. Es ist dieFrage, ob die Grenze in die Tyliczer Linie (so bei Hassinger „Die Tschechoslowakei“ ), in die Dukla-Einwalmung(so die fast allgemeine Annahm e) oder in die Linie Oslawa— San (so die polnischen Geographen der jüngeren Vergangenheit)gelegt werden soll. Da ihre B eantw ortung keinen überm ässigen Einfluss au f die Landschaftsgliederung,sondern m ehr allgemein topographische B edeutung h at, soll sie hier nur kurz gestreift werden. Der topographischm arkanteste P u n k t im K arp aten-H auptk am m ist ohne Zweifel der D ukla-Pass als tiefste E insattelung des ganzenGebirgszuges. M orphotektonisch aber tren n t die Linie H ernad— B artfeld—Tyliczer Sattel—Kamienica T al und weiterR ichtung K rak au (ähnlich schon bei Nowak und Pawlowski, M itt. Geogr. Ges. W ien 1917) W est- und O st-K arpaten.Die Verbesserung, welche m it der Ostlegung der Grenze bis zum Solinska-Pass und zum San erreicht werden soll,ist nicht recht einzusehen. E s kom m en m. E. nur die beiden ersteren Vorschläge in B etracht. Bei stärkerer Berücksichtigungder örtlichen Verhältnisse wird die Dukla-Grenze gegenüber der Linie H ernad—Tylicz zurücktretenmüssen. Diese wird auf der nördlichen Abdachung besser im Tal der Biala fortgesetzt. Die Biala h a t ein eigenartigenges Einzugsgebiet zwischen den breiteren Flussystem en des D unajec und der W isloka. Sie durchfliesst keine Beckenund h a t als einziger von den Abdachungsflüssen längs ihres Laufs keine grösseren Landschaftseinheiten aufgereiht.Mit ihrem genau süd-nördlichen Verlauf b<strong>il</strong>det sie eine ideale M ittellinie des nördlichen Karpatenbogens.4) Die Verw endung des Namens „Beskiden“ wird hier in der alten Weise (so auch H anslik in „Mein Österreich“)geübt. D er Vorschlag der polnischen Geographen, dem in jüngerer Zeit auch deutsche L änderkundler gefolgt sind,m it Beskiden die gesam ten Sandsteinkarpaten der Aussenzone zu bezeichnen, ist von einem engen staatspolitischenDenken geleitet und daher unglücklich. Es ist unnötig, Ost-Beskiden als Synonym für O st-K arpaten zu verwenden.Diese besitzen ausserdem gute Nam en für ihre U nterglieder. Je m ehr der Nam e „Beskiden auf den W esten beschränktbleibt, um so besser, denn von hier stam m t er, hier deckt sich Name m it dem vorgestellten Begriff (breite, lange,Rücken).71


VO | NWW ie überall in der N atu r sind an den Grenzen die Ü bergänge der Erscheinungen anzutreffen.D eshalb w ird die U ntergliederung dieses R aum es, die nach dem F orm encharakter durchgeführtwird, je ein Ü bergangsgebiet im W esten und O sten und ein typisches in der M itte herausste<strong>il</strong>en.2e) Jenseits der Oslawa setzen die W ald k arp aten ein. Das V orherrschen der ostkarpatischenL eitlinien fü h rt zur Ü bereinstim m ung des orographischen m it dem geologischen Streichen unddies zu den flüssigen langen R ückenform en, die w ieder fiederförmige E ntw ässerung der H öhenm it langen Sam m eladern in den Längsfurchen aufw eisen, wie wir dies bereits u n ter ähnlichenU m ständen in den W est-B eskiden beobachten konnten. Die H öhen steigen erst plötzlicher au füber 110 0 m , dan n allm ählicher bis 1348 m (Tarnica).Im G anzen zeigt sich der Bogen der S andstein -K arp aten rech t sym m etrisch angelegt. Die B ialastellt auch in dieser H insicht eine ideale M ittellinie dar, die den T ypus der W est- von dem derO st-K arp aten scheidet.Die G liederung der M ittelgebirgszone in vier H auptgebiete lässt sich bei stärkerer B erücksichtigungder R eliefierung, d. h. der O berflächenform ung u n terh alb der Gipfelflur, noch w eiterführen.Die G esteinsverhältnisse spielen dabei eine grössere Rolle, so sehr auch die jungen V ertikalbewegungen durch die recht ähnliche G esteinsausb<strong>il</strong>dung und die über w eite Strecken gleichmässige F altu n g des Baustoffes in unserem Gebiete bei der Gliederung in den V ordergrund treten .W ährend das Grossrelief sich au f die grossräum igen E rscheinungen der physischen Vorgänge (beimK lim a usw.) ausw irkt, gehen die Einflüsse der Reliefierung über die feineren Differenzierungender physischen E rscheinungen tie f in das m enschliche Leben hinein. D er W echsel des K lim asvom T al zur Berghöhe, von H ang zu H ang, m it denen der W echsel der B odenverhältnisse, derPflanzen- und T ierw elt, der Siedlungs- und B etriebsform en im m er bis zu einem gewissen G radeparallel geht, ist in besonderem Masse von der Oberflächenform ung abhängig.N icht die G liederung bis in die einzelnen Ö rtlichkeiten herab ist hier zur Aufgabe gestellt, sonderneine grössere Z usam m enfassung in G ebiete, in denen au f G rund ähnlicher H öhenverhältnisseund eines ähnlichen F orm enschatzes das B<strong>il</strong>d der K leinform en ein geschlossenes bleib t und sichvon den b en achbarten G ebieten längs bestim m ter enger Zonen (Grenzen) sich tbar ändert.Zwischen W eichsel und K arp aten k am m können tro tz jen er oft erw ähnten G leichförm igkeit, diedem Beschauer beim ersten A nblick der K arp aten in E rinnerung abw echslungsreicherer Gebirgeauffällt, eine Reihe von engeren Form engebieten herausgehoben w erden, welche die bisher v ersuchteGliederung w eiterführt. Von der H ohen T a tra nordw ärts tre te n folgende Gebiete m iteinem geschlossenen F orm enschatz au f5):a) Das H ochgebirge der T a tra m it seinen durch die E iszeitgletscher verschärften Form en.5) Die B uchstaben a)—p) beziehen sich au f die K arte Abb. 2.72


) Das T atra-V orland, zur zentralen Flyschzone gehörend, m it breiten ruhigen R ücken undtiefeingeschnittenen T älern, auch Podhale genannt.c) Das N eum arkter Becken m it ausgedehnten d<strong>il</strong>uvialen S chuttkegeln im Süden un d einer Reihevon gleichsam versunkenen K leinkuppen, die der K lippenzone angehören.d) Die form enbizarre K lippenzone der Pieninen, deren K alkklötze durch die A btragung m it derZeit von der U m m antelung w eicher Schichten blossgelegt w urden. Die eigenartigen Form eninm itten der gew altigen F lyschkuppen w erden durch den D urchbruch des D unajec und desP oprad noch verschärft.Innerhalb der Aussenzone der K arp aten , die m it ihrem V orland das eigentliche T hem a unsererU ntersuchung b<strong>il</strong>d et, sind folgende E in heiten zu unterscheiden: D er Te<strong>il</strong> der W est-B eskiden,der ostw ärts des Jab lu n k a-S attels gelegen ist, gliedert sich in einen hohen Zug im Süden (HoheBeskiden) (e) u n d einen 4— 800 m niedrigeren im N orden (f), beide getren nt durch die langeTiefenzone, welche in w estkarpatischer R ichtu ng von jenseits des Jab lu n k a über das SaybuscherBecken nach Sucha zieht. D er nördliche H öhenzug w ird durch den D urchbruch der Sola, derin einer o stk arp at. Tiefenlinie gelegen ist, nochm als gete<strong>il</strong>t. Die w estbeskidische Form enw elt —hohe breite R ücken m it fiederförm iger E ntw ässerung — ist hier schon etw as gestört, am ausgeprägtestenaber noch im südlichen H au p tk am m zu beobachten. O stw ärts der Skawa, in derG ruppe der M ittel-B eskiden können drei F orm gebiete unterschieden werden.g) Im N orden, zwischen Skaw a u n d R ab a, herrschen 7— 10 km lange, schm ale R ücken (6 850 mhoch) vor, die voneinander durch lange, ebenfalls w estkarpatisch verlaufende T alfluchten getren n t w erden. Die Südgrenze dieser R ückenlandschaft liegt in der Tiefenlinie des Zarnow ka-,B ogdanow ka- und K rzczonow ka-Tales.h) O stw ärts setzt recht u n v erm ittelt die Auflösung der langen R ücken ein. Die Länge der H öhenn im m t zusehends ab, der Grosste<strong>il</strong> der E rhebungen sind die durch ein tiefliegendes Gewässernetzisolierte S te<strong>il</strong>kuppen oder Kegel, die rad ial entw ässert w erden. D er B austein des Berglandes(M agora-Sandstein) ist hier gegenüber dem W esten höher herausgehoben, so dass die weicherenSandsteine des Liegenden durch die A btragung in b reiten Zonen freigelegt w erden konnten.A usserdem h a t der h ärtere S andstein längs der Skaw a-Linie sehr an M ächtigkeit verloren. E rfiel in den Schw ächezonen des jungen tektonischen G itternetzes der Z erstörung zuerst zumOpfer. Doch ist der M agora-S andstein im m er noch so m ächtig, dass es, n ich t wie w eiter imOsten, zu den flacheren F orm en kam , sondern zu ste<strong>il</strong> aufragenden K uppen. Die H öhen erreichenim N ordosten 8— 900 m und um schliessen hier breitere M ulden, so bei W isniowa-Trzemesnia und von Jodlow nik-D obra. Im Süden w erden die K uppen höher (1000— 1170 m ), tre ­ten näher zusam m en u n d lassen n u r bei M szana u n d bei Chabow ka grössere E inm uldungenfrei, die übrigens in der K reuzung zweier T iefenlinien gelegen sind. M it der starken Bew aldungheben sich die Einzelberge noch b eto n ter aus der dichtbesiedelten, m it kleinen Feldern übersätenB eckenlandschaft ab.i) W ährend bei Lim anowa die langen Form en wieder stärk er au ftreten (R ücken von Jaw orz),die bereits völlig ins ostkarpatische Streichen übergehen (sie liegen auch jenseits der m orpho-73


KARPATENKAMMK «B 4 T r^!JM M TS£NACHy 9 ,Eifi!,?G’,BAU UND...?W!?CHENRELIEF j \c h s e l u n dHochgebirgeA “ A G re n ze zwischen Mittelgebirge u HogeltcindB— B' G re n ze zwischen W e s t-u Ostkarpaten-— /Krakau»TOT o rn o wL e ta js lLimanowcPr-zem yslD u k laB a ligro dAbb. 2. D IE LANDSCHAFTSG LIED ERUNG ZW ISCHEN W EIC H SEL UND KARPATENKAM M NACH BAUUND R E L IE F .Im H o ch - u n d M i tte lg e b ir g e :B e s td H ° h DTNtra; b ) w ittelr b:rgj e d e rV o r-T a tr a N eum arkter Becken, d) Pieninen, e) Hohe W est-P c i m u d C W est-Beskiden, g) nördl. R ückenland der M ittleren Beskiden, h) Einzelberglandschaft vonm und M szana i) Landschaft der massigen B ergkuppen (Gorca) im südl. Te<strong>il</strong> der M ittl. Beskiden, k) Becken°n eu-Sandez, 1) Rucken- und K uppcnland von Uscie Ruskie, m) Passlandschaft von D ukla, n) Übergangs-£ r p !e v U ; ' Und K uPPen> vom LuPkow P a^> O) Bieszczaden, p) rostförmiges R ückenland von T urka(Ostgalizien). Von diesen E inheiten gehören a ) - k ) zu den W est-K arpaten, die übrigen zu den O st-K arpaten.Im H ü g e lla n d :31 S ! l anHd J°DA.“ drichau ”it demrrflachen Kessel von W adowitz, 2) Hügelland von Landskron-K alw aria,den BeckJV *3’ 4) Hügelland von Wisnicz, 5) Becken von Zakliczyn, 6) Hügelland zwischenden Becken von Zakbczyn, Neu-Sandez und Gorlice, 7) Becken von Gorlice, 8) A usräum ungsbecken von Tulan d T c h T 1 ' 10) BeCkCn V° n Kr0sn0’ H > Sanoker Becken und R ückenland, 12) Rückenandschaftvon Strzyzow, 13) Ausräum ungsbecken von Tyczyn, 14) R ückenland am m ittleren San, 15) RostförmigesR ückenland von Dobrom<strong>il</strong>.I n d e r N ie d e r u n g :undNiiebderUM üd e a-0 b e ra en WeiChSCl’ H ) NieP°lomicer Sandebene, <strong>II</strong>I) Hochwasserniederung der oberen Weichsell w T T : UDd W isl0ka’ IV) Sandi^es F k-hhügellan d von D .brow a-R adom ysl, V) sandigesFlachhugelland des W eichsel-San W inkels (Kolbuszowa), V I) Talboden des unteren Wislok und San, V <strong>II</strong>) Lössterrassenlandvon Rzeszow-Jaroslau.74


tektonischen Grenze zwischen W est- und O st-K arp aten), sind südlich der Linie Chabowka—Niedzwiedz— Lubom ierz— K am ienica-T al u n d S üdrand des Sandezer Beckens massige Bergstöcke(im Polnischen „Gorce“) gelegen. Sie besitzen eine nach allen R ichtungen abfliessende, tief einschneidendeE ntw ässerung. D er Reihe n ach von W esten sind es folgende H öhen: T urbacz (1311 m),der m ehr gestreckte L uban (1211m ), die R adziejow a (1256 m ), bereits ostw ärts des Poprad-D urchbruchs die Jaw o rzy na (1116 m) und südlich von K rynica niedrigere und stärker zergliederteM assen um 900 m . Im Süden durch eine relative Senkungszone (N eum arkter Becken-T alung von Kroscienko) von den Pieninen g u t abgehoben, liegt diese B erglandschaft wie ingrossen gew ölbten Sch<strong>il</strong>den vor den Z ackenform en der Pieninen.k) Als eigene E in heit g<strong>il</strong>t das geräum ige B ecken von N eu Sandez.D as M ittelgebirge jenseits der inneren K arpatengrenze w urde nach dem Grossrelief in zwei H a u p t­gebiete gete<strong>il</strong>t, 1. das tiefere der ostbeskidischen P asslandschaft und 2. das höhere der W aldkarpaten.Das tiefere G ebiet zerfällt, wie schon erw ähnt, in drei Te<strong>il</strong>e:1) Im W esten liegt das G ebiet der höheren R ücken, im B uskow noch einm al die 1000 m H öhenlinieübersteigend, im D u rch schnitt 750— 880 m hoch. Die R ücken lösen sich sowohl nachN orden zum H ügelland wie nach Süden zur H ernad er B ruchlinie in Einzelberge auf. Die Streifendes h ärteren M agora - Sandsteins sind hier schm äler gew orden und tre te n m ehr linsenförm igauf, was eine H äufung kleiner Subsequenzen m it sich brin gt.m) Jenseits der H ernader-L inie, die von B artfeld etw a durch das K am encer- und das obersteW Jsloka-Tal nach Zm igrod zieht, ist das Gelände durch die w eitere A bnahm e w iderstandsfähigerG esteine noch tiefer abgetragen. Die H öhen übersteigen 740 m n icht m ehr und au f engem Raum everbinden eine Reihe tiefer S ättel das W eichsel- m it dem D onaugebiet. Die ostkarpatischenLinien sind noch b eto n ter geworden, sie verursachen ein N etz paralleler Längslinien, von denendie H öhenzüge durch viele enge D urchbrüche gegliedert w erden. Diese sind z. T . durch R ückeinschneidenkleiner Abdachungsflüsse (K lusenb<strong>il</strong>dung) verm ehrt w orden. Tiefe Lage und D urchgängigkeithaben die dichte Besiedlung aller T äler und die F elderw irtschaft oft bis auf die Rükkenflächenbegünstigt. So b ie te t die L andschaft hier auch schon im Äusseren ein anderes B<strong>il</strong>dals in den b en achbarten Te<strong>il</strong>e des M ittelgebirges.n) O stw ärts der Strasse Jasliska— B eskid-Pass (581 m )— M ez<strong>il</strong>aborce nehm en die Gesteinszonenwieder etw as an B reite zu, die E rhebungen tre te n som it w ieder stärk er auseinander. Eshandelt sich um das Zw ischengebiet um den Lupkow -Pass, das H öhen von 780 bis 910 m aufweistund durch m ehrere breite R ücken un d das breite L ängstal des oberen W islok gegliedert ist.Die W aldkarpaten, die hier n u r bis zu den San-Quellen u n tersu ch t w erden, w erden in ein höhereszentrales und ein niedrigeres G ebiet der Aussenzone gete<strong>il</strong>t. Die Grenze zwischen beiden b<strong>il</strong>detdas L ängstal des oberen San. R echts von ihm erreichen die Bieszczaden bis 1348 m (o), links liegendie langgestreckten, „rostförm igen“ (nach Klim aszewski) K äm m e in der U m gebung von T urka,die n u r m ehr an einem P un kte 1000 m übersteigen (p). Sie sind w esentlich w aldärm er und dichterbesiedelt als das hohe B ergland des H auptkam m es. Beide Gebiete aber zeigen in ausgeprägterW eise die langgestreckten Form en, deren U rsache bereits oben beh and elt w orden ist.W eniger augenfällig ist der Form enw echsel in der Hügelzone der K arpaten. Schwieriger istdaher eine physiologische Gliederung des Raum es. Geringere H öhenunterschiede, flachere H änge,stärkere F läch enab trag ung und V erhüllung der Relief knicke m it m ächtigem V erw itterungslehm ,75


durchziehende breite, flache W annen und eintönig anm u tende R iedelländer können dazu v erleiten,das Gelände einfach m it H<strong>il</strong>fe der grossen K arpaten-A bdachungsflüsse in eine Reihevon Q uerstücken zu te<strong>il</strong>en und daneben noch das Jaslo-S anoker Becken aus w irtschaftsgeographischenG ründen als Sondereinheit herauszunehm en. E ine geographische Gliederung ist dasaber nicht. E ine solche erreicht m an n u r durch eingehende A nalyse der L andschaft. Im Folgendenw ird eine Lösung versucht. Die V oruntersuchungen sind im H ügelland auch von polnischerSeite nicht zahlreich. E s ergeben sich folgende E inheiten:1) Das niedrige R iedelland von A ndrichau m it der beckenartigen W eitung von W adow itz istder w estlichste Te<strong>il</strong> des H ügellandes. E s liegt n u r 80— 100 m über der T alau der oberen W eichsel.A n einer scharfen Linie erh eb t sich über ihm die nördliche K ette der W est-Beskiden.2) W enig östlich der Skaw a steigt u n v erm ittelt ein kuppiges und abwechslungsreiches Gelände auf,das, noch völlig w estkarpatisch ausgerichtet, ein kleines Gegenb<strong>il</strong>d zur E inzelberglandschaftum Pcim scheint. D er M agora-Sandstein, der m ächtige B austoff der W est-Beskiden, n im m tjenseits der Skaw a plötzlich so sehr ab, dass au f den weichen Schichten n u r m ehr schm ächtigelin s e n des die H öhen erhaltenden G esteins vorhanden sind. Das Gebiet reicht bis zur LinieRadziszow— M yslenitz u n d w ird von einer Tiefenzone durchzogen, der die B ahn K rak au —W adow itz folgt. Im N orden vom H öhenzug des D raboz (435 m ), im Süden von dem des Chelm(604 m) um schlossen, b esitzt das tiefere G ebiet dazw ischen (370— 390 m) zwei auffallende A ussichtsberge,den von L andskron (550 m) und den von K alw aria (527 m). Form enm ässig b estehtim Süden ein enger Ü bergang zum nördlichen G ebiet der M ittleren Beskiden, das ebenfalls nochlange R ucken, aber w esentlich stärkere H öhenunterschiede zeigt. Diese steigen von 2__250 mim H ügelland a u f 350— 500 m im M ittelgebirge an.3) Im O sten folgt das gleichmässig hohe H ügelland dies- und jenseits der R ab a (370—400 m ).In den Subsequenzzonen, die auch hier noch g u t zu verfolgen sind, greifen die stark verästeltenA rm e der W eichsel-Zuflüsse tie f in das H ügelland herein, den Zuflüssen der R ab a nur w enigGelände uberlassend. Die Süd- und O stgrenze zieht von M yslenitz das R aba-T al abw ärts bisD roginia und von da zum S tradom ka-T al.4) Anschliessend daran w ird das G elände w ieder kuppiger m it einer unregelm ässigen Zerschneidung.Es kan n als das H ügelland von W isnicz, m it H öhen von 420—450 m, bezeichnet w erdenÖstlich des W isniczer Gebietes tre te n aus dem flachwelligen L and einzelne betonte und k au munterbrochene R ücken heraus, die allgem ein tieferes L and (breitere Subsequenzen in ostkarpatischerR ichtung) um grenzen. Q uerhöhen, welche m eist die W asserscheide zwischen den K arpaten-Abdachungsflüssen einnehm en, gliedern die breiten F urchen in eigentliche Becken oderW annen. Es erscheint bei diesen V erhältnissen der Reliefierung nicht vorte<strong>il</strong>haft, das H ügellandvon Fluss- zu F lussem schm tt in E inheiten zu zerlegen, aus denen m an jene schm alen Höhenzügevielleicht als eigene L andschaften auslösst, sondern es ist richtiger, die H änge jen er Höhenzügem it dem vorgelagerten flachwelligen H ügelland un d den breiten T alauen zu E inheiten zusam m enzufassen.Diese Gliederung ist besonders für eine spätere O rdnung in to tale landeskundlicheE m heiten b rauch bar. Die G renzen liegen also a u f den langen R ücken (so auch m eistens bei derpolitischen E inte<strong>il</strong>ung dieses Gebietes), u n d wo diese von den A bdachungsflüssen gequert werden,m den D urchbrüchen derselben. Zwischen den F lussystem en aber liegen sie a u f den W asserscheidenden H öhen, sonst aber nirgends in den T älern. Dieser S atz g<strong>il</strong>t auch für eine engerephysiologische Landschaftsgliederung. Zwischen T allandschaften u n d geschlossenen Berggruppenhingegen verläu ft die Grenze längs einer bestim m ten Linie am H ang, R ückfallkuppenund andere U nterbrechungen des A bhangs ausnützend.76


5) Aus dem W isniczer H ügelland entw ickelt sich allm ählich die breite Niederungszone von Zakliczyn.Sie w ird an den beiden L ängsseiten von einem deutlichen H öhenzug begrenzt, der auchim N ordw esten, wo das G elände gleichm ässigere H öhen aufw eist, das zentrale G ebiet um 30— 40 müberragt. Die Tiefenzone n im m t die W eitung des D unajec-T ales von Zakliczyn ein und ziehtüber die niedrige T alung von Siem iechow (d<strong>il</strong>uvialer Abfluss des D unajec) u n d quer über dieBiala bis zu den Querriegeln, die sie von der T uchow er M uldenzone einerseits und vom GorlicerGebiet andererseits scheidet.6) Südlich folgt ein durch ostkarpatiscb verlaufende, schm ale Subsequenzfurchen gegliedertesH ügelland, dessen H öhen 580 m erreichen, u n d das von D unajec u n d B iala in tiefen E inschnittendurchbrochen w ird. Infolge der tiefen Z erschneidung durch die K arpatenflüsse ist es stärkerreliefiert. Die deutlicheren Tiefenzonen ziehen a) von Gdöw durch die T alung von Lapanowbis L ijkta und über R a jb ro t nach Roznow u n d w eiter in die breite T alung von L uzna, b) dasuntere Lososina-Tal und Jeln a G raben über das G rybow er B ecken ins M ittelgebirge.7) An die beiden letztgenannten E inheiten schliesst im O sten das Te<strong>il</strong>becken von Gorlice an.Im Süden vom M ittelgebirge deutlich überragt, im N orden von einem langen auffallenden H öhenzug(Brzanka) begrenzt, der das Becken um 100— 150 m ü b errag t, gliedert es sich in das R osenbergerR iedelland (380— 425 m) und das flachwellige H ügelland von L ibusza (320— 380 m).Das tiefere Gelände liegt südlich der R opa, die als Sam m elader das Becken diagonal durchfliesst.Zwischen Siepietnica und Slaw§cin durch brich t die R opa einen Querriegel, der das Gorlicervom Jaslo ’er Becken tre n n t.8) Bis zum San n im m t das H ügelland an B reite zu, indem sich ständig neue Glieder zwischendie niedrigste Hügelwelle am N ordrande un d den M ittelgebirgsabfall schieben. So w ird nördlichdes Höhenzuges vom B rzanka das Becken von Tuchow — B rzostek von einem zw eiten Längsrückenum fasst, der sich ebenfalls vom B ergknoten des W al (526 m) absp altet und nach Ostenläuft. E r erreicht noch öfters m ehr als 400 m u n d bleib t dam it 60— 100 m über den stark besiedeltenund entw aldeten R ückenflächen des langgestreckten Beckens. Die W asserscheide zwischenBiala und W isloka ist n ich t deutlich ausgeprägt, so dass sich die Tiefung über die W isloka hinwegbis zu den ausgesprocheneren H öhen jenseits B rzostek ausdehnt.9) W isloka aufw ärts erreichen wir das eigentliche Jaslo ’er Becken. Die nördliche U m rahm ung,die öfters H öhen zwischen 500 und 600 m erreicht, springt an der W isloka au f einen w eiter aussengelegenen H öhenzug über. D as vorgelagerte R ückenland h a t zu geringe A usdehnung, um alseigene E in heit zu zählen; es ist dem B ecken anzuschliessen. Die A bgrenzung des von flachwelligemH ügelland (350— 380 m) erfüllten Beckens nach O sten ist durch den A bfall dieser H ügelreihenzur Jasiolka gegeben. O stw ärts b reitet sich die w eit offenere ostkarpatische Muldenzonevon K rosno aus. Im Jaslo ’er Becken kom m en sicher noch m ehrere Senkungstendenzen zurW irkung, so vor allem auch die schon genannte H ernad Querlinie, die w ahrscheinlich auch dieAnlage zu dem gestreckten Süd-N ord L au f der W isloka abgab. Das L and um Jaslo zeigt wie dieG ebiete im W esten und Süden noch Ü bergangscharakter.10) D as ausgedehnte Becken von K rosno, das sich in eine Reihe von Sonderbecken gliedert,ist an seinen Längsseiten besonders deutlich begrenzt. Dass die nördliche U m rahm ung durchdie G esteinsverhältnisse ihre V erschärfung fand, zeigen die Felsm auern und -zähne, die aufdem H öhenzug von Odrzykon (592 m) auske<strong>il</strong>en. Innerhalb des Beckens erreichen die H öhen,welche die kleinen W annen von R ym anöw u n d O drzechow a abtrennen, 474 m .11) Im Südosten scheidet ein Querriegel dieses B ecken deutlich vom Sanoker Becken und Hügel-77


land. D urchflos.rn von L ä n g s.trectcn d e. San und durchzogen von einer Reihe o .tk a rn a ti.c hgerrehtete, R ucken u b e m e .g t d a . HügeUand im Ü bergang.gebie, zum M ittelgebirge die 600 mH ier ke<strong>il</strong>t die tektonisch bestim m te M uldenzone langsam aus.12) N ördheh des K rosno’er Beckens schliesst das HügeUand von Strzyzow an, das in m ehrerenH ohenzugen ostkarpatisch ausgerichtet ist. U n ter ihnen tr itt der R ücken, der von der K o te510 bei B arycz im Bogen um Czudec zur H öhe 449 bei Nawsie und zu den H ügeln südheh D gbicavez^n Crd r i ° r ' .‘’f t StrZyZ0Wer G ebiet 8u t S ^ n die breite M ulde vonT yczyn im N orden. Im w estlichen Teü, besonders in dem w eit verzw eigten E inzugsgebiet derUb% m/ Cr StTl Yi0WeT SuKseqUenZ h a t die Abtragung das Gelände bereits s ta rkverflacht, nach Sudosten aber w erden die Tiefenlinien gestreckter und schm äler, sie erh altenwechsel e Ä list f d die - U rsache für diese rostförm ige jCnSeitS A usbüdung deS San der CiSen Oberfläche. is t- E “ rascherer G esteins­13) Im N ordosten folgt die genannte A usräum ungslandschaft von Tyczyn. Sie reicht üb er denW islok m das flache terrassenartige L and bei Rzeszow, das bereits zum V orland ü b erleitetas G ebiet deckt sich im südlichen Te<strong>il</strong> ziemlich genau m it dem Einzugsgebiet des R y jak .14) Als letzte E in h eit innerhalb des W eichselgebietes ist noch das vöUig ostkarpatisch bew egteuckenland dies- und jenseits des San zu nennen, dessen grosse Anzahl schm aler R ücken derGrenzfluss m v id e n E ngstrecken durchbricht. Die Tiefenzonen w erden längs des Flusses zur e c h t e T 'l r T 8 Setzt sich “ die von D ynöw fort, in der der San seinerechte A bw m kelung au f P rzem ysl hin voUzieht. Das N iveau der H öhen steigt von 4 0 0 -4 5 0 mim N orden a u f wenig über 500 m im Süden an.Die Niederung: ih r schwachwelliges R elief gehorcht anderen Gesetzen der E inte<strong>il</strong>ung DieN iederung ist im Miozän eingesunken und dürfte im Pliozän - ähnlich wie das deutsche A lpenvorland- w ieder der A btragung unterw orfen gewesen sein, da m an pliozäne Auffüllungenkaum findet. Die R ichtung der V ertikalbew egungen ist n u r m ehr an ihren R ändern, hier allerdingssehr deutlich, festzustellen. Die Reliefierung beeinflussten hier zwei andere V orgänge:) ie U berdeckung m it d<strong>il</strong>uvialen Sanden und Tonen, die bis in 400 m H öhe sogar noch a u fdas karpatische H ügelland reichen, und m it Löss, der die nordost- bis südostschauenden H ängedes H ügellandes und der B ecken oft in rech t beträchtlicher M ächtigkeit überzieht. 2) Die T ä ­tigkeit der K arpaten-E ntw ässeru ng, die in S tröm en m it zeitweise grossen Schw em m assen b reiteH ochw asserauen aus den Flachhügeln schnitten und in w eiten Schwemmkegeln m ündend dieichsel jewe<strong>il</strong>s nach N orden drucken und sie stark vergrössern. Im A bstand von 8— 10 kmziehen parallel zur W eichsel die sekundären Entw ässerungsrinnen der N iederung, bei H ochwasserist aber der ganze Streifen ein G ebiet m it Oberflächenabfluss. N ach Süden steigt das Gela g e sanft zu d<strong>il</strong>uvialen H ügelreihen m it 2 5 0 -2 7 0 m Höhe an, die im allgem einen trockenerund iu r eine B ew irtschaftung geeigneter sind.D er W eichsel-D urchbruch durch den J u ra bei K rakau v erursacht eine lange S trecke flu ssau f­fast bis B i e h t z - e i n e n S tau des Abflusses, also V erflachung des Gefälls u n d ständige H oehassergea r. ie N iederung der obersten W eichsel erw eitert sich bis A uschw itz a u f 9 km , grosselachen sind von Fischteich-A nlagen eingenom m en, A ckerland b esteht n u r a u f den etw as höherenNiveaus des Talbodens.Ostlieh von K rakau endet der K e<strong>il</strong> der grossen W eichsel-N iederung. Ih re Gliederung ist n u rFl" 6F ®1SC m ° Si ’ m an dle breiten Sandgebiete von den schm äleren T alauen der grossenusse scheidet. Die w estlichste E in h eit ist die fast rein aus S and aufgebaute, kaum bew egte78


N iederung von Niepolomice bis zum D unajec-T al. M it grossen, aber kultivierten R esten einstverbreiteter U rw älder, durchzogen von dem breiten T al der R ab a und der in der N iederungentspringenden Uswica, sind diesem G ebiet die geringen H öhenunterschiede (höchstens 15 m)und der geringe A nte<strong>il</strong> des A ckerbaus am B oden eigen.Jenseits des D unajec-Tales folgt das bew egtere G elände (die H öhen erreichen 80 m über demD unajec bis 270 m) von Tarnow — D ^brow a— R adom ysl. E s ist, besonders im Süden, ein geschlossenesB auernland m it grossen F lächen A ckerland.T alau u n d Schwemmkegel des D unajec, das W eichsel-Tal m it den wiesenreichen N iederungender parallel zu ihr verlaufenden Abflüsse Zabnica un d B ren sind als eigene E in h eit zu betrachten,da sie sowohl in ihrem natürlich en C h arakter wie in ihrer späteren K ultivierung einen grossenU nterschied zu den Sandhügelgebieten aufweisen. Die L andschaft setzt sich nach O sten in denSchwemmkegel der W isloka, der m it seinen Schw em m erden ebenfalls ein rech t fruchtbaresL and darstellt, fort.O stw ärts der W isloka schliesst das G ebiet des W eichsel-San W inkels an, im N orden auch heutenoch beherrscht von Sand, S um pf und K iefernw ald. E rs t durch jü n g ste K olonisation ist dasW ald-Sum pf-L and von Süden her stärk er gerodet w orden. D as nach Süden ansteigende hügeligeGelände (250— 266 m) w ird vom L§g in einem breiten versum pften T alnetz schlecht entw ässert.Jenseits des S antales, das bis 10 km b reit w ird, setzt sich die gleiche L andschaft bis zur Roztoczefort, im grösseren nördlicben A b schnitt ebenfalls ein geschlossenes W aldland, im Südenoffener und besiedelt.Eine Sonderlandschaft b<strong>il</strong>d et im Süden die T alau des W islok, die sich bei der M ündung in denSan v erb reitert un d ta la u f wie talab m it dem San-Talboden eine E in beit b<strong>il</strong>det. Das W islok-Talist durch die V erlängerung des Laufs in der d<strong>il</strong>uvialen A bflussrinne längs des karpatischen H ü ­gellandes stärk er versum pft und besitzt weniger günstige B edingungen für die L andw irtschaft.Umso fru chtb arer ist dafür das b en achbarte Löss-Terrassenland, das sich nach O sten verbreiternd etw a von Ropczyce bis Jaro slau und D eutsch-Przem ysl erstreck t. In m ehrere Niveausgegliedert zeigt das G ebiet landw irtschaftlich bereits starke A nlehnung an ostgalizische V erhältnisse.Im vorliegenden V ersuch w ird der R au m zwischen W eichsel u n d K arp aten k am m in die HoheT a tra als Hochgebirge, in 15 E inheiten des M ittelgebirges, 14 des H ügellandes und 7 der Niederunggegliedert. Die E inheiten sind n atü rlich in der N iederung grösser als im Gebirge. Einescharfe G renzziehung ist nirgends m öglich, obzw ar die Ü bergangszonen an ste<strong>il</strong>en Reliefabfällenbesonders schm al w erden können. Dass eine grössere A nzahl von L andschaftseinheiten wenigstensan einer Seite von einem solchen Reliefabfall begrenzt ist, steigert den W ert der A bgrenzung,denn hier verändern sich auch die vielen Erscheinungen der anderen L andschaftsfaktoren. Fernerw ird die starke B etonung des V erlaufs der jungen gebirgsb<strong>il</strong>denden Bew egungen zu einer Gliederungführen, die bei einer nach anderen F ak to ren , seien es nu n physische oder anthropogeographische,in ähnlicher F orm gefunden w ird. D enn der D ichtegrad der E rhebungen, derenLänge u n d R ichtung haben ohne Zweifel hervorragenden Einfluss au f A rt und Gang der K u ltivierungeiner L andschaft durch den Menschen.W enn die G liederung des R aum es hier auch n icht in jen er w eitreichenden A uflösung in dieE rscheinungen jedes einzelnen L andschaftsfaktors (wie es G ranö in der „R einen G eographie“vorschlägt) du rch gefüh rt w erden sollte, eine Zergliederung nach F aktorengruppen war nötig.Diese w ird im m er nötig sein, da das W esen der L andschaft in seiner grossen V ielfältigkeit eine79


Gliederung in to tale E inheiten ohne analytische V orarbeit n u r in sehr beschränktem Masseg estattet. So steh t es auch m it dem hier behandelten G ebiet. V enn sich auch einzelneTe<strong>il</strong>e von vornherein herausheben, so die H ohe T a tra , die grösseren Beckengebiete un d vielleichtnoch die W est-B eskiden, beim grossen R est des M ittelgebirges und erst recht des H ü ­gellandes kan n im m er n u r m it dem A ugenm erk au f einen typischen E inzelfaktor (M orphologie,Besiedlung, V olkstum oder W irtsch aftsstru k tu r) eine durchgehende Gliederung erreicht w erden.H ier h<strong>il</strong>ft allein die system atische A nalyse, die dem V erständnis um das W esen der L andschaftgewiss keinen A bbruch tu n m uss. E s zeigt sich m . E . bereits bei der H andhabung der A nalyse,ob dieses V erständnis bei der Spezialarbeit lebendig bleibt. E ine Gliederung in zu viele u n d zukleine E inheiten, die jed e womöglich einem festen T ypus entsprechen soll, zeigt eine zu starkeLoslösung des analysierenden Geistes von der G anzheit des Stoffes, der behandelt w ird. Esw ird sich auch bei G liederungen nach anderen F ak to ren zeigen, dass in diesem Falle n u r eingeringer Te<strong>il</strong> jen er kleinen „E in heiten“ sich m it den neu gew onnenen E inheiten in einen u rsächlichenZ usam m enhang w erde bringen lassen. D am it ist aber der Zweck, m it der A rbeit eineG rundlage zur E rk enntnis der inneren G renzen eines R aum es zu schaffen, kaum erfüllt. W iew eit die hier versuchte G liederung nach B au und R elief ihre Aufgabe erfüllt, w erden w eitereB earbeitungen dieses Gebietes zeigen).Fortsetzung folgt. *)) W eitere Ausführungen zur Gliederung der L andschaft zwischen W eichsel und K arpatenkam m folgenin späteren H eften der „BURG“ -80


ABB. 2. M A R IEN K IR C H E. LA N G H A U S M IT B L IC K IN D EN CHOR.


IZ U R KUNSTHISTO<strong>RI</strong>SCHEN STELLUNGDER K R A K A U E R M A R I E N K I R C H EV O N H E I N Z G Ü N T H E R O L I A S SIm architektonischem G esicht K rakau s k o m m t der städtischen P farrkirche S t. M arien einebesondere B edeutung zu. Sie ist als rep räsen tativ er B au des deutschen B ürgertum s gleich denübrigen K irchenbauten der m ittelalterlichen S ta d t ein W erk echt deutschen G epräges. W assie aber, von der B esonderheit der Lage sowie der künstlerischen Q u alität abgesehen, aus ihrerM itte heraushebt und zu eingehender B etrach tu n g auffordert, ist die E inzigartigkeit ihrer h isto ­rischen Stellung. In ih r gew innt, um das E rgebnis vorw egzunehm en, die A kzentverschiebung,die zwischen den au f K rakau w irkenden K u ltu rzen tren im X IV . Ja h rh u n d e rt sta ttfin d et, sich t­barste G estalt. Die Lösung vom norddeutsch-schlesischen K unstkreis u n d die W endung zumsüddeutsch-böhm ischen w ird an ih r beispielhaft deutlich, herköm m liche W eise u n d neue F ormvereinen sich zu einem W erk von dokum entarischer B edeutung. Die kulturgeschichtliche W ende,die die Z eit K asim irs I I I . kennzeichnet, h a t im B au der M arienkirche ihren architekturgeschichtlichenN iederschlag gefunden.Das deutsche S chrifttum über die M arienkirche ist, obw ohl sie als S tan d o rt des Stoss’schen M a­rienaltars zu einer gewissen B erü h m th eit gelangt ist, gering. E s ist m it dem polnischem im A nhangzusam m engestellt. A uf A. Essenw eins 1866 erschienenes und noch im m er grundlegendes Buch„Die m ittelalterlichen K unstdenkm ale der S ta d t K rakau“ sei aber besonders hingewiesen.Selbst nach A ussage polnischer Forscher h a t der B au keine eingehendere B ehandlung erfahren1).F ür die E in sicht in das M anuskript seines dem nächst erscheinenden K rakau-B uches, die m an ­chen Hinw eis gab, ist der V erfasser H errn Prof. F rey-B reslau sehr zu D ank verpflichtet2).•« *Im Folgenden sei ein A briss der Baugeschichte aus den w ichtigsten der überlieferten N achrichtenerm ittelt.Die G ründungsurkunde des Bischofs Iw o von 1226 un d ihr T ran ssum pt aus dem Ja h re 1394h at die polnische F orschung als F älschungen des X V I. Ja h rh u n d erts erwiesen3). Beide w erdenin einer U rkunde von 1536 zitiert, in der A ndrzej K rzycki, E rzbischof von Gnesen, u n d J a nLatalski, Bischof von K rakau , U rte<strong>il</strong>e in der S treitfrage der polnischen P redigten in K rakausStadtpfarrkirche abgeben. Man h a t beide D okum ente, die bezüglich der P redigtfrage tendenziösgefärbt sind, zwecks S tärkung der polnischen Sache gefälscht und zur B ekräftigung der historischenG laubw ürdigkeit das Original in einem T ran ssu m p t des ausgehenden X IV . Jah rh u n d ertswiederholt. Das Schreiben der Bischöfe en tsta m m t dem Ja h re 1536; 1537 w urde der deutschenGemeinde im Verfolg der n u n im m er stärk er fortschreitenden Polonisierung der S ta d t diebenachbarte kleine B arbarakirche zugewiesen.Eine w eitere N achricht b rin g t der H istoriker J a n Dlugosz in seiner „H istoria“4). 1222 habeBischof Iwo die D om inikaner nach K rakau gerufen u n d ihnen, nachdem er die neue S ta d tp fa rrkircheS t. M arien auf dem R ing erb aut, die bisherige S tad tp farrk irch e St. T rin itatis als Ordenskircheübergeben. Die G ründung der M arienkirche dürfte also ins J a h r 1222 zu setzen sein.*) Tadeusz Szydlowski: Pom niki A rchitektury E poki Piastow skiej. K rak au 1928. Anmkg. 223 (S. 188).2) D agobert Frey: K rakau. Erscheint 1941 in der Reihe „D eutsche L ande“ des D eutschen K unstverlages, Berlin.3) Marian Friedherg: Zalozenie i poczqtkowe dzieje kogciola N. P. Marii w Krakowie. Rocznik Krakow ski X X <strong>II</strong>, S. 2f.*) H istoria I I, 212 (Zitiert nach Friedberg: op. cit., S. 4, Anmkg. 5).81


Zwar b eru ft sich des Dlugosz M itte<strong>il</strong>ung, wie F riedberg in seiner sehr eingehenden U ntersuchungzur G ründungsgeschichte dargetan h a t5), kau m au f ältere Quellen, doch findet sie in den z eitgenössischenN achrichten, die den D om inikanerorden betreffen, eine sichere Stütze. F raglichbleibt, was aber für unsere A bsichten n icht von B elang ist, die Persönlichkeit des G ründers,da die M arienkirche in den Quellen, die B ischof Iwos G ründungen aufzählen, nirgends erw ähntwird.Die F eststellung des G ründungsdatum s fü h rt zur F rage des ersten Baus. Dass der heutige B auau f älteren F undam enten errich tet w ard, erhellt aus der Lage der K irche. 1257 6teck t m an,da K rak au deutsches S tad trecht erh ält u n d von deutschen H andw erkern und K aufleuten b e­siedelt w ird, den grossen R ing ab. W as der T ataren stu rm von 1241 vom ersten B au, der ro ­m anischen M arienkirche, übriggelassen h a t, steh t dahin. Im m erhin m üssen die Reste so b e trä c h t­lich gewesen sein, dass m an sie noch im X IV . Ja h rh u n d e rt zur G rundlage des gotischen B ausm achen konnte. Sonst h ä tte m an den N eubau dem strengen Schem atism us, der für die R au m ­planung der ostdeutschen K olonialstädte bezeichnend ist, eingeordnet, die Schrägstellung zumM arkt verm ieden (m an denke etw a an die Stellung der E lisabethkirche und M agdalenenkirchezum B reslauer Ring!). Die A sym m etrie der Lage erk lärt sich also nicht aus künstlerischer A b­sicht, sondern aus der G egebenheit rom anischer B aureste. D er in den zwanziger Jah ren desX <strong>II</strong>I. Jah rh u n d erts begonnene erste B au, der 1241 sicher noch n icht beendet, aber doch schonzu einer gewissen H öhe gediehen w ar, h a t also die Lage des gotischen N eubaus bestim m t. S ichtbareR este des rom anischen Baus haben sich am gotischen n icht erhalten; wahrscheinlich w ürdenU ntersuchungen der F undam ente u n d G rabungen klärend w irken. Dass es sich nicht, wiegrossente<strong>il</strong>s die polnische Forschung und auch Essenw ein angenom m en haben, um einen H olzbaugehandelt habe, erk lärt sich schon aus den notw endig anzunehm enden M auerresten; ein fu n ­dam entloser H olzbau w äre ja a u f die Lage eines N eubaus kau m von bestim m ender W irkunggewesen. Zudem aber finden w ir im vorgotischen K rakau eine grosse Anzahl Steinkirchen.E s ist kaum zu denken, dass ein so bedeutender B au wie die neue S tadtpfarrkirche in Holzaufgeführt w orden wäre.Die nächste N achricht von W ichtigkeit betrifft schon den gotischen N eubau. E ine in die W anddes Chores eingelassene, heu te durch das Chorgestühl dem Blick entzogene Tafel besagt: „ F u n ­dato r chori istius A. D. 1360 F rancisci festo, die solis, D apifer W irziak obiit“6). Es han delt sich umden deutschen P atrizier N ikolaus W irsing, der als Truchsess (Dapifer) von Sandom ir am H ofeK asim irs d. G. die Stelle eines U nterschatzm eisters inne h atte. E in deutscher B ürger also istder S tifter des Chores. D am it ta u c h t die F rage nach dem B aubeginn auf. Das D atum 1360 b e ­sagt n atü rlich keineswegs, dass der Chor zu dieser Zeit beendet gewesen sei, die Tafel d ü rftedurchaus schon in dem im B au befindlichen Chor ihren P latz gefunden haben. D a wir m it demJa h re 1384 das D atu m der Chorvollendung besitzen7), dürfen wir m it der A nsetzung des B a u ­beginnes n ich t allzusehr u n te r die M itte des Jahrh u n d erts gehen, was der C h arakter der B auformen bestätig t. D er B au des Langhauses m uss zu dieser Zeit ebenfalls schon w eit vorgeschrittensein, da 1395 ein aus P rag kom m ender M eister W ernher genannt w ird8), der das Langhausw ölbt. In ihm ist eine fü r die G estaltung des B aues, seinen noch sp äter zu kennzeichnendenböhm ischen C harakter kaum ausschlaggebende Persönlichkeit zu v erm u ten, da ja das L anghausfast fertig gestanden hab en m uss. W ichtig indessen ist die hier greifbare Beziehung zumdeutschen Böhm en.6) Friedberg: op. cit. S. 5f.6) A. Essenwein: Die m ittelalterlichen K unstdenkm ale der S tad t K rakau. 1866. S. 101. — K arol Estreicher: FundacjaW ierzynkowa. Rocznik Krakowski X X V , S. 154, Anm kg. 15.7) Feliks K opera: H istoria architektury in „K rakow , jego k u ltu ra i sztuka“ . Rocznik Krakowski V I, S. 90.8) Stadtarchiv K rak au Nr. 1589, 42. (Zitiert nach Friedberg: op. cit., S. 13, Anmkg. 2).82


Auch die T ürm e dürften gegen E nde des Jah rh u n d e rts schon zu beträchtlicher Höhe geführtworden sein, da die T estam entsexekutoren des Jo h an n Pausw ang 1406 die Sum m e von 100 M arkprager Groschen zur E indeckung des höheren T urm es erlegen9). Fre<strong>il</strong>ich han delt es sich nochnicht um die kühne K onstruktion des N ordturm es, die erst 1478 ausgeführt w urde10).Zwei für die m ittelalterliche B augeschichte erw ähnensw erte N achrichten bleiben noch nachzutragen.1394 erh ält ein H incze P arlirer für seine T ätigkeit am B au der M arienkirche eine grössereSumme11). Die polnische Forschung h a t in ihm ein M itglied der berühm ten Baum eisterfam <strong>il</strong>ieder Parier erkennen und daraus die K rak au er und dam it polnische H erk u n ft der P arier behauptenwollen12). O tto K letzl13) ist dieser Legende entgegengetreten u n d h a t den angeblichen Nam enParlirer als B erufsbezeichnung erwiesen, die m itu n ter, wie im Falle der P rager P arier zum Nam engeworden. D a m an n u n nach K letzl14) aus rein zeitlichen G ründen den K rakau er P arlirer m itden verbürgten M itgliedern der P rag er Fam <strong>il</strong>ie nam ens H einrich n icht in einen Zusam m enhangzu bringen verm ag, m uss die hier scheinbar auftauchende böhm ische Beziehung als nichterwiesen ausgeschieden werden.Endlich sei noch die N achricht von der N euw ölbung des Chores aus dem Jah re 1442 gegeben,die ein M eister Cipser, M aurer aus K asim ir, ausgeführt h a t15). Man d a rf wohl annehm en, dasses sich um einen Zipser D eutschen gehandelt h a t. Sow eit die m ittelalterliche Baugeschichte. —Das X V . Jah rh u n d e rt h a t dem B au noch die an die Seitenschiffe anschliessenden Kapellen hinzugefügtsowie die schon erw ähnte F ertigstellung des N ordturm es gebracht.** *Der gotische N eubau der M arienkirche d a rf also als ein ziemlich einheitlich entstandenes Gebäudeb e tra c h te t w erden: er ist hauptsächlich ein B au der zw eiten H älfte des X IV . Ja h rh u n ­derts. D er Analyse sei eine kurze, dem Zwecke der C harakteristik angepasste Baubeschreibungvorausgeschickt.Der in B ackstein u n te r V erw endung von W erkstein, welcher den architektonischen GliederungenVorbehalten blieb, aufgeführte B au h a t ein vierjochiges, bas<strong>il</strong>ikales Langhaus m it K apellen zwischenden Strebepfe<strong>il</strong>ern der Seitenschiffe. An ihn schliesst sich östlich ein fast die Länge desLaienhauses erreichender, aus dem A chteck geschlossener Chor; ein Querschiff fehlt. Im W estenist den Schiffen eine D oppelturm anlage vorgesetzt, die den P latz eindrucksm ächtig beherrscht.Achteckige Pfe<strong>il</strong>er tren n en im Inneren H au pt- und Seitenschiffe, an die rechteckige Strebenangesetzt sind; diese sind über das D ach der Seitenschiffe hinausgeführt und fangen, was einbesonderes M erkm al der K rak au er B auschule ist, den Seitenschub der Mittelschiffgewölbe ab,sta tt ihn m ittels Strebebögen au f die S treben der Seitenschiffe w eiter zu verte<strong>il</strong>en16). Dennochwaren, w orauf M^czynski in seinem B ericht über die 1926/29 stattgefundene R estaurierungeindrücklichst hinw eist, Strebebögen geplant17). A n den S treben des H auptschiffes sind die aus­*) Essenwein: op. eit. S. 101.10) Zur Geschichte des nördlichen Turm es vgl. Adam Chmiel: Z helm u wiezy M ariackiej. Rocznik Krakowski X V I.11) J a n P tasn ik : Cracovia artificum 1300— 1500. K rak au 1917. 94, S. 22.ia) W alicki’s A rtikel „Polnische B aukunst“ in W asm uths Lexikon der B aukunst, 4. B d., Berlin 1932, S. 80. (Zitiertnach O tto K letzl: T itel und Nam en von B aum eistern deutscher Gotik. M ünchen 1935. S. 108).ls) K letzl: op. cit., S. 56.u ) K letzl: op. cit., S. 58.l6) Essenwein: op. cit., S. 101.16) Die Streben sind, wie in den Seitenschiffen ersichtlich, m ittels breiter Bögen untereinander verbunden.17) Franciszek Mqczynski: R estauracja Kosciola Najsw. P anny Marii w Krakowie w roku 1926, 1927, 1928 i 1929.Ochrona Z abytköw Sztuki, H eft 1—4. W arschau 1930/1931. B ericht über R estaurierungsarbeiten des Jahres 1928,S. 75—79. D ort auch sehr aufschlussreiches Abb<strong>il</strong>dungsm aterial.83


gearbeiteten A nsätze deutlich zu erkennen. D er B au vom E nde des X IV . Jahrh u n d erts, denwir uns ohne K apellen u n d daher m it tiefer ansitzenden Seitenschiffdächern zu rekonstruierenhaben, ist also m it Strebebögen p ro jek tiert zu denken. Diese h a tte n allerdings infolge der denD ruck senkrecht abfangenden S treben keinen konstru k tiv en Sinn m ehr, dürfen darum alskünstlerisches M om ent gew ertet w erden.Die über den Pfe<strong>il</strong>ern aufsteigenden W ände sind höchst lebendig durchgegliedert. Die M auerspringt ein, den P fe<strong>il</strong>erabständen ad äq u ate Sch<strong>il</strong>dbogengliederungen um fassen die F lächen,in deren M itten die schlanken F enster sitzen. Aufgliederung u n d V erlebendigung des M auerwerkesalso: T endenzen zu reicherer P lastizität.W esentlich fü r den R aum eindruck, der durch die phantastisch e A usm alung M atejkos leidereine frem de, dem herben B ackstein n icht wesensgem ässe N ote erhalten h a t, ist die Spannung,die sich aus dem sehr kurzen, beinahe quadratischen L aienhaus und der im V erhältnis zu ihmdarum überlangen C horpartie ergibt. M an kan n fast von einem zentralisierendem P rinzip sprechen,das den R aum des Langhauses als b reit in sich ruhen d, weniger zum W eiterschreiten dennzum Verwe<strong>il</strong>en auffordernd em pfinden lässt. A uch für das Äussere ist dieses Prinzip bestim m end:tro tz der bedeutenden H öhe w irk t der B au kaum leicht und zügig, eher schwer und lagernd; einE indruck, der durch die breiten Dachflächen, die Seitenschiffe u n d K apellen zu E inheiten zusam -m enschliessen, noch v e rstä rk t wird.** *T radition und neue Form , w urde eingangs bem erkt, begegnen sich im B au der M arienkirche.H erköm m licher W eise en tsp rich t vor allem das M aterial: B ackstein m it V erw endung von W erksteinfür die architektonischen G liederungen. Diese fü r die kleinpolnische G otik typische Abart,der B ack stein bau kunst ist schlesischer Provenienz und als schlesische F orm Sonderform dernorddeutschen B acksteingotik18). Kleinpolen w ird also durch V erm ittlung Schlesiens in direktan den norddeutschen K unstkreis angeschlossen.Desw eiteren ist das konstru k tiv e P rinzip traditio nell: das A bfangen des Seitenschubs der H a u p t­schiffgewölbe m ittels an den Pfe<strong>il</strong>ern ansitzender S treben. Diese K o nstruktion ist E igenart derK rak au er B auschule und von der polnischen F orschung (Luszczkiewicz, Zubrzycki, Szyszko-Bohusz) oft zum G egenstand der U ntersuchung gem acht w orden. Man h a t die F rage aufgew orfen,ob sie au f die Bauweise gew ölbter rom anischer K irchen der rom anisch-gotischen Ü bergangszeitzurückzuführen wäre, die Streben also Lisenen m it ko n stru k tiv er B edeutung w ären19). A ber schonLuszczkiewicz, der sich erstm alig — nach Essenw ein, der allerdings ganz deskriptiv bleibt20) —zu diesem Problem äussert, leh n t m it dem Hinweis au f das Fehlen solcher konstru k tiv en Zügein der kleinpolnischen R om anik einen solchen E rklärungsversuch ab21). M an w ird wohl eher,von einer gewissen technischen P rim itiv ität sprechen dürfen, die hier zum Schulm erkm al geworden.Schlesisches und Lokales sind also herköm m licher A rt, geben als M aterial und K onstruktion dieM ittel zur M anifestierung des neuen G estaltungsw <strong>il</strong>lens. E he jedoch au f dieses N eue näher eingegangenw erde, sei die K rakau er A rchitek tur des frühen X IV . Jah rh u n d erts kurz skizziert.18) H ans W entzel in IV , E des Artikels „B acksteinbau“ in O tto S chm itt’s Reallexikon zur deutschen K unstgeschichteBd. 1. S tu ttg art 1937. S. 1359.**) Vgl. Adolf Szyszko-Bohusz: A rchitektura Kosciolu Najsw. P. Marii w Krakowie w historii Budownictwa Polskiego,Biblioteka Krakow ska Bd. 46. K rak au 1913.20) Essenwein: op. cit., S. 132— 135.21) Vgl. Wl. Luszczkiewicz: Czy m ozna konstrukcje koscioluw gotyckich krakow skich X IV wieku uwazac za cechg specjalnqostroluku w Polsce? Scriptores Rerum Polonicarum V I, 1881.84


:f.\Z


ABB. 7. M A<strong>RI</strong>ENKIRCHE. DACHPARTIE DES SÜDLICHEN SEITEN SC H IFFES.


ABB. 8. M A R IEN K IR C H E. N Ö R D L IC H E R TURM .


Das Augenm erk h a t sich besonders a u f die D om inikanerkirche und den Dom a u f der B urg zurichten; beide sind seit den zwanziger Jah re n im E n tsteh en . Die erste B auphase der D om inikanerkirche,die ins X <strong>II</strong>I. Jah rh u n d e rt fällt und die E rrich tu n g des Chores um fasst, der allerdingsnoch nicht die heutige H öhe erreichte, w eist starke Beziehung zu Schlesien auf: der T o n p latten ­fries an der A ussenw and des Chores stim m t m it dem der fast gleichzeitigen B reslauer D om inikanerkircheüberein22). Noch entschiedener aber ist der N eubau der schlesischen G otik verw andt.Das sehr gestreckte Langhaus m it seiner eindrucksvollen T iefenentw icklung d a rf als schlesischerArt gemäss bezeichnet werden.Der Bau w<strong>il</strong>l nicht als ruhig lagernd em pfunden, sondern im V orw ärtsschreiten erlebt werden.Der L ängsbetonung entspricht d ah er in Schlesien auch eine eigene B ehandlung der M auer. Siesoll als Ganzes gew ahrt bleiben, n icht plastisch aufgegliedert w erden, den ablesenden Blick nichtdurch M annigfaltigkeit der Form am V orw ärtse<strong>il</strong>en hindern. D arum belässt die schlesische Gotikdie W ände ihrer Schiffe ungegliedert, g estaltet die Pfe<strong>il</strong>er weniger als plastische Einzelkörperdenn als Te<strong>il</strong>e der W and, aus der m an n u r die A rkaden herausgebrochen. D agobert F rey h a t inseiner Studie „Schlesiens künstlerisches A n tlitz“ diese E igenheiten der schlesischen G estaltungsweiseherausgestellt und das in ihnen sich ausprägende W ollen als kontinuierlich die K unst derLandschaft bestim m end erwiesen23).Die Pfe<strong>il</strong>er der D om inikanerkirche sind fre<strong>il</strong>ich n icht von dieser A rt, stehen denen der M arienkirchenäher. Solche finden sich hingegen im D om chor, dessen 1322 begonnener N eubau schongrundrisslich von Schlesien herkom m t: er übernim m t das fü r eine K athed rale seltene, am BreslauerDom zur A nw endung gekom m ene Zisterzienserschem a des gerade geschlossenen Choresm it U m gang. — W ichtig indessen ist fü r die E ntw icklung des X IV . Jah rh u n d e rts die G estaltungder oberen M auerpartie des D om langhauses. Sie ist im Sinne der bei der M arienkirche schongekennzeichneten Tendenzen aufgelockert und aufgelöst, dam it grundsätzlich anderen C harakters.Die M auer springt über dem Gesims zurück und gliedert sich in drei N ischen; inder m ittleren, die höher hinaufgeführt und b reiter angelegt ist, befindet sich das F enster. Desgleichenist die W and der D om inikanerkirche plastisch durchgegliedert, sie steh t jedoch derruhigeren und einfacheren Lösung der M arienkirche n äh er als der des Domes. Im D om langhausals dem jüngeren Te<strong>il</strong> des gotischen N eubaus tr itt uns also zuerst jene Tendenz zu reichererP lastizität entgegen. D as kurze Langhaus indessen d a rf kaum als planm ässig gewollt angesprochenwerden; sein zentralisierender C harakter ist n icht künstlerische A bsicht, sondern durch ältereBaute<strong>il</strong>e grundrisslich bestim m t.In sich ruhende R aum form m it plastisch reicher, den Blick zum Verwe<strong>il</strong>en auffordernder W andgcstaltung:das ist böhm ische U rform in zeitbedingter M odifikation. K arl M aria Swoboda h a tin seiner U ntersuchung „Zum deutschen A nte<strong>il</strong> an der K u n st der S udetenländer“24) von der„schweren, breiten M assigkeit des K unstw erks“ als einer w esentlich böhm ischen Q u alität gesprochen.M an neigt bei der A rchitek tur zur U m b<strong>il</strong>dung langgestreckter V orb<strong>il</strong>der ins Kurze,Gedrungene. D am it ist ganz folgerichtig die Vorliebe fü r niedere R aum form en verbunden. K urz:ein au f sich selbst Bezogensein des R aum es, der w eder durch Längen- noch H öhentendenz imhorizontalen wie im vertikalen Sinn ein über sich selbst H inausw ollen zum A usdruck bringt;ein zentralisierendes Prinzip also. T atsächlich h a t die böhm ische A rchitek tur in der P rager K arls­,l) Die K unstdenkm äler der Provinz Niederschlesien. Bd. 1: die S tad t Breslau. 2. Te<strong>il</strong>. Breslau 1933. S. 215, Anmkg. 3.*5) Dagobert Frey: Schlesiens künstlerisches A ntlitz. Die hohe Strasse. Schlesische Jahrbücher für deutsche A rt undKunst im O straum . Bd. 1. Breslau 1938. (Zum gotischen K irchenbau S. 15 f.)**) Karl M aria Swoboda: Zum deutschen Ante<strong>il</strong> an der K u nst der Sudetenländer. B eiträge zur Geschichte der K unstim Sudeten- und K arpatenraum Bd. 1. B rünn und Leipzig 1938. S. 35 f.85


hofkirche die E inzigartigkeit eines gotischen Z entralbaus hervor gebracht25). Die Tendenz zurplastischen A ufgliederung w äre, sagten wir, zeitbedingte M odifikation. Auflockerung und B ereicherungdes Bauw erkes ist typischer A usdruck jen er seit M itte des X IV . Jahrhunderts im m erstärk er w erdenden Absage an die doktrinäre G otik26). E in neues, reicheres Leben beginnt den B aukörperzu durchström en, m ach t ihn leicht u n d vielfältig in seinen Form en. ZentralisierendesPrinzip und plastische D urchgliederung, das ist also böhm ische F orm des X IV . Jah rh u n d erts.W as sich im jüngeren A bschnitt des D om neubaus ankündete, w ard in der G estalt der M arienkirchenun m it aller D eutlichkeit offenbar: die vollzogene W endung zum B öhm ischen. Raum form und Gliederungsprinzipb<strong>il</strong>den eine u n tren n b are E in heit, ein künstlerisches Ganzes. Die traditionellen Zügebleiben natürlich anzum erken, sie geben gleichsam die lokale F ärbung. M aterial und K o n stru k ­tion, zu denen noch als ein schlesisches C harakteristikum die den böhm ischen B auten n ich teigene H öhe zuzuzählen w äre, verraten so das herköm m liche Form enelem ent: das N orddeutsch-Schlesische in heim ischer K rak au er Prägung.E in W echsel in den Z entren der R eichskunst, die a u f das K olonialgebiet ausstrahlen, h a t alsostattgefunden. M an b rau ch t n u r G rundrisse zeitgenössischer K irchen des Böhm ischen zu b e tra c h ­ten , um die nahe A bhängigkeit zu fühlen, etw a den der H e<strong>il</strong>igengeistkirche in K öniggrätz, ohnedass dam it eine greifbare V erw andschaft b eh auptet sei27). A uch die Beziehungen der A rchitektu rp lastik zur P rag er P arlerschule, au f die Misiqg-Bocheiiska hingewiesen h at, sind hier vonW ich tig keit28).L etzte B estätigung aber ist der A usbau des nördlichen Turm es. O berhalb des neunten Geschossesw ird er ins A chteck überfü h rt, um nach zwei w eiteren Geschossen in einen schlanken m it achthölzernen T ürm chen besetzten Spitzhelm auszuklingen. Diese p h an tastisch reiche Form ist u r­tüm lich böhm isch. M an denke n u r etw a an die T ürm e der T eynkirche, das oft zitierte Beispielsolcher A rt. fichauguettes, Sch<strong>il</strong>derhäuschen, h a t Viollet-le-Duc die A n bau ten genannt29). Diepolnische F orschung h a t diese F orm aus der heim ischen H olzbaukunst ableiten wollen, E streicherh a t au f den T urm der H olzkirche von Kom orowice aufm erksam gem acht30), der allerdings ganzanders gestaltet ist31). Zweifellos h a t eine solche E rk lärung dieser T urm form viel Ü berzeugendes,n u r dürfte sie aus der böhm ischen H olzbaukunst herzuleiten sein.Fassen w ir das E rgebnis zusam m en. Norddeutsch-schlesische und süddeutsch-böhm ische E in ­flüsse überschneiden sich in der K rakau er B au kunst des X IV . Jah rh u n d erts. Die Beziehung zuSchlesien w ird nicht aufgegeben, aber das Böhm ische gew innt dom inierende B edeutung. DieM arienkirche, so sei ihre kunsthistorische Stellung Umrissen, ist d e r böhm ische B au K rakaus. Inihr p räg t sich böhm isches R aum gefühl erstm alig und zugleich aufs vollkom m enste aus. Ih r folgendie gleicherweise böhm isch bestim m ten B au ten der Fronleichnam s- un d K atharinenkirche.Mit zwei historischen D aten sei die B etrach tung beschlossen. Sie m ögen die S itu ation erhellen,aus der die eingangs gekennzeichnete kulturgeschichtliche W ende verständlich w ird, unserem B au26) Den Gruudriss b<strong>il</strong>det Joseph N euw irth: Geschichte der b<strong>il</strong>denden K unst in Böhm en, Bd. 1, Prag 1893 auf S. 455 ab.2e) Swoboda: op. cit., S. 19/20.27) Abb<strong>il</strong>dung des Grundrisses bei N euw irth: op. cit., S. 506.2S) Anna Misiqg-Bocheiiska: Ze studiow nad gotyckq rzezbg architektonicznq w Polsce. B iuletyn H istorii Sztuki i Kultury , 3. Jg ., W arschau 1934/35. S. 207f. (Französisches Resum e S. X V <strong>II</strong>I—X X des Anhanges). — Gute Abb<strong>il</strong>dungender A rchitekturplastik bei Fr. Mgczynski: Kosciol Najsw. P an ny M arii w Krakowie. K rak au 1938.29) Essenwein: op. cit., S. 107.30) K arol Estreicher: Krakow. Przew odnik dla zwiedzajqcych m iasto i jego okolice. 3. Aufl. K rakau 1938. S. 108.31) Josef Strzygowski: Die H olzkirchen in der Gegend von Bielitz-Biala. Posen 1927. Abb. 11.86


*gleichsam zur gesam tgeschichtlichen Folie dienen. 1363 findet im K rakauer D om die V erm ählungKaiser K arls IV . m it E lisabeth, der E nkelin K asim irs d. G., s ta tt. Enge persönliche Bande verknüpfenalso die H errscherhäuser der L uxem burger u n d P iasten. B edeutendste kulturgeschichtlicheA usprägung aber h a t diese Beziehung 1364 in der durch P rag angeregten G ründung der K rakauerU niversität erfahren. D er kulturelle A nschluss an die Residenz des deutschen K aisers, der als geb<strong>il</strong>detsterH errscher seiner Zeit P rag zum richtungbestim m endem K u lturzentrum erhoben, w arddurch der F ü rsten F reu ndschaft bew irkt. D as geistige P ra g m ag dem Polen glänzendes Vorb<strong>il</strong>dgewesen sein. — W as hier aber in der H öhenlage dynastischer Beziehungen beleglich fassbarwird, h a t in der tieferen Schichte des B ürgerlichen in stärkerer und vitalerer Weise A usdruck gewonnen:der unm ittelbare Anschluss an das neue K räftezentru m der R eichskunst bezeugt das.Die deutsche B ürgerschaft, aus d eren Spenden der m ächtige B au der neuen S tadtpfarrkirche errichtet w ard, h a t ihre M eister von d o rt herbeigerufen.SCH<strong>RI</strong>FTTU MC onstantin W urzbach: Die K irchen der S tad t K rak au. W ien 1853.A. Essenwein: Die m ittelalterlichen K unstdenkm ale der S ta d t K rakau. 1866.Leonard Lepszy: K rakau. B erühm te K u n ststätten N r. 36, Leipzig 1906. (Polnische A rbeit.)Karl-H einz Clasen: Die gotische B aukunst. H andbuch der K unstw issenschaft. W <strong>il</strong>dpark-Potsdam 1930.H erm ann W eidhaas: K rak au als K u n ststätte. In : K rakau, H a u p tstad t des deutschen GeneralgouvernementsPolen. D eutsche S tädte-F ührer im Osten, B d. 1. Leipzig 1940.D agobert Frey: K rakau. E rscheint 1941 in der Reihe „D eutsche L ande“ des Deutschen K unstverlages, Berlin.Ja n P tasnik: Cracovia artificum . K rak au 1917 und 1936/37.M. W alicki und J. Starzynski: Dzieje Sztuki Polskiej. W arschau 1936.Tadeusz Szydlowski: Pom niki A rchitektury E poki Piastow skiej. K rak au 1928.Jan Zubrzycki: K rakow ska szkola architektoniczna X IV wieku. Rocznik K rakow ski I I. K rak au 1899.K arol Estreicher: K rakow. Przew odnik dla zwiedzajqcych m iasto i jego okolice. 3. Aufl. K rak au 1938. (D ort guteL iteraturangaben.)Zdzislaw Bartkiew icz: Przyczynek do historii Kosciola P. M aryi w K rakowie. Przcglfjd Powszechny X X IX .K rak au 1891.Klemens B:}kowski: Kosciöl N. P. M aryi w Krakowie. B iblioteka K rakow ska Bd. 46. K rak au 1913.Adolf Szyszko-Bohusz: Architekturakosciola Najsw. P. M aryi w K rakowie w historii Budownictwa Polskiego.B iblioteka K rakow ska Bd. 46. K rak au 1913.M arian Friedberg: Zalozenie i poczqtkowe dzieje kosciola N. P an ny M arii w K rakowie (X <strong>II</strong>I—XV w.) RocznikK rakow ski X X <strong>II</strong>. K rak au 1929.Adam Chmiel: Z helm u wiezy M ariackiej. Rocznik K rakow ski X V I. K rak au 1914.Franciszek M aczyiiski: R estauracja Kosciola Najsw . P an ny M arii w Krakow ie w roku 1926, 1927, 1928 i 1929.Ochrona Zabytköw Sztuki, H eft 1— 4.W arschau 1930/31.Franciszek M ^czynski: Kosciol Najsw . P an ny M ariiw K rakow ie. K rak au 1938.ZU D E N A B B ILD U N G ENAbb. 1. W estansicht.Der massige, gedrungene C harakter des B aus kom m t sehr g ut zum A usdruck. Ih n überragt das einfach gegliederteTurm paar (der nördliche, ins Achteck übergehende T urm 1478 vollendet, die H aube des südlichen von 1592). Die Vorhalleist barocke Z u tat von 1756.Abb. 2. Langhaus m it Blick in den Chor.Der um die M itte des X V <strong>II</strong>I. Jh d ts. barockisierte Innenraum wurde im X IX . J h d t. regotisiert und erhielt durch JanMatejko seine heutige Ausm alung. — E in hoher Trium phbogen tren n t Chor und Langhaus. Die reichen Sterngewölbedes Chores von 1442. Die abschliessenden 3 Chorfenster haben noch heute die alten Glasgemälde vom Ende des XIV.Jhdts.87


Abb. 3. Langhaus in Schrägansicht. — Nach Szydlowski: Pom niki arch itektury epoki piastowskiej. K rakau 1928.D er Gegensatz von breitem Langhaus und schlankem Chor wird deutlich. Die Pfe<strong>il</strong>er einfach gegliedert: aufsteigendeDienste, die oberhalb des Gesimses durch Figurennischen unterbrochen sind; die Plastiken neugotisch.Abb. 4. Rechtes Seitenschiff.Die an den Pfe<strong>il</strong>ern ansitzenden Streben sind gut kenntlich. Die Gewölbe der Seitenschiffe, einfache Kreuzrippengewölbewie die des Hauptschiffes, schliessen also nicht an die Pfe<strong>il</strong>er sondern an die sie verstärkenden Streben an.Abb. 5. Grundriss. — Nach Essenwein: Die m ittelalterlichen K unstdenkm ale der S tad t K rakau. 1866.Die gotische Sakristei (heute barockisiert), die Schatzkam m er aus der 2. H älfte des X V I. Jhdts. sowie die A nbauten amChor schem atisch angegeben; die barocke Vorhalle ist fortgelassen. Essenweins Grundriss ist es vor allem um dieHerausstellung des m ittelalterlichen Baus zu tu n . — Sehr beachtlich die reich figurierten Gewölbe der Kapellen.Abb. 6. Q uerschnitt durch das Langhaus. — Nach Ochrona zabytkow sztuki 1930/31, S. 78.Die rechte H älfte zeigt den heutigen Z ustand; die linke die ursprüngliche Planung vom Ende des XIV . Jh d ts.: ohneKapellen, m it Strebebögen und tiefer ansitzendem Dach.Abb. 7. D achpartie des südlichen Seitenschiffes.Sehr deutlich die Ansätze für die Strebebögen an den 4 Strebepfe<strong>il</strong>ern des Langhauses. Die rechts sichtbaren Strebepfe<strong>il</strong>erdes Chores m it reichen, feingearbeiteten T abernakelarchitekturen bekrönt; diese in W erkstein ausgeführt(Verwendung von W erkstein für die architektonisch bedeutsam en Glieder!).Abb. 8. Nördlicher Turm .Als Meister wird ein M athias Heringk genannt. F ü r 1545 eine E rneuerung durch Johan n von Speyer überliefert. W eitereR estaurierungsarbeiten im X IX . J h d t. — Die K rone barock.88


BL. 7 R Ü C K S E IT E DER H A N D SC H R IFT FOL. A 30 DES STA A TSA RCH IV S IN K Ö N IG SB ER G (HO M EVER 612) M IT E IN E M T E ILEIN ER D IE SE R H A N D S C H R IFT DES M EISSEN ER R ECHTSB U C H S E IG E N T Ü M L IC H E N ZU SA TZ ST E LL E. (NACH O R T L O F FI. 11, 13). D IE ST E LL E BEH A N D ELT D IE A U S S T A T T U N G VON T Ö C H T E R N NACH L E H EN R EC H T NACH D E M T O D E DESVATERS. ABDRUCK AM EN D E D IESES A U FSA TZES A U F S E IT E 100 U N T E R <strong>II</strong>.


D I E W A R S C H A U E R H A N D S C H R I F TD E S M E I S S E N E R RECHTSBUCHS*)V O N A S S E S S O R J. W. N I E M A N NDie H andschrift Germ . F . I I . 37. der S taatsb ib lio th ek in W arschau en th ä lt einen T ext des MeissenerR echtsbuchs in der F assung derjenigen H andschriften, in denen das R echtsbuch in fü n f B ü­cher eingete<strong>il</strong>t ist. Die übliche E inte<strong>il</strong>ung, die w eitaus die m eisten H andschriften haben, ist die insieben B ücher— eine H andschrift des Fünf bücherty ps ist w eder in der B öhm e’schen1) noch in derOrtloff’schen2) Ausgabe des R echtsbuchs berücksichtigt w orden. O rtloff h a t sich m it der Feststellungbegnügt, dass die H andschriften in fü n f B üchern jü nger seien als die in sieben B üchern un d h a tim übrigen den W ert der U nterschiede in der B ucheinte<strong>il</strong>ung fü r die T extgeschichte des R echtsbuchsn u r deshalb so gering einschätzen können,3) we<strong>il</strong> er keine H an dsch rift des F ünfbüchertypsdurchgearbeitet h a t. E rst W eizsäcker,4) der erstm alig zwei H andschriften dieses T yps — dieO lm ützer, H om eyer N r. 924/25, und die Leobschützer, H om eyer N r. 714— tex tk ritisch behandeltund sie unterein ander und m it einem tschechischen T ex t des R echtsbuchs verglichen h a t, war dieE ntdeckung V orbehalten, dass dieser T yp des R echtsbuchs eine Reihe von interessanten und te<strong>il</strong>weiseum fangreichen Z usätzen aufw eist, die keine H an dsch rift der ändern T ypen besitzt. G edrucktworden sind diese Zusätze bisher noch nicht. G anz abgesehen von den Z usätzen unterscheidensich aber die H andschriften in fü n f B üchern auch in der sonstigen T extgestaltung an vielenStellen erheblich von den H andschriften in sieben B üchern. Indessen kan n Endgültigesüber die B edeutung der B ucheinte<strong>il</strong>ung u n d üb er das V erhältnis der H andschriften des F ünfbüchertypszueinander erst gesagt w erden, w enn alle H andschriften des Meissener R echtsbuchs,insbesondere alle diejenigen, die die E inte<strong>il</strong>ung in fü n f B ücher hab en, u n tersu ch t w orden sind.Unsere H andschrift ist eine der m ehr als 14005) deutschsprachigen H andschriften der früher russischenGebiete des alten polnischen S taates, die zusam m en m it vielen anderssprachigen in denJahren nach 1772 aus Polen nach R ussland gebracht w orden sind und die die Sow jetunion au fGrund des A rt. 11 des Polnisch-Russischen F riedensvertrages von Riga vom 18. März 1921 unddes Z usatzvertrages vom 31. O ktober 1922 an den polnischen S ta a t zurückgegeben h at. DieH andschrift ist im Mai 1924 aus der öffentlichen S taatsbibliothek in L eningrad an die W arschauerU n iversitätsbibliothek und sp äter an die N ationalbibliothek abgegeben worden6).W ahrscheinlich ist sie im Ja h re 1833 aus der W arschauer U n iversitätsbibliothek — in der sie sichausweislich des von L ukas Golenbiowski gefertigten H andsch riften in ventars noch 1831 befundenh at — m it anderen H andschriften dieser B ibliothek nach Leningrad gebracht w orden7). Im 17.und 18. J h d t. h a t die H an dsch rift einer Stiftsbibliothek in Plozk gehört, wie aus dem V erm erk au f*) Bisher kennen wir ans dem Generalgouvernem ent n u r drei H andschriften des Meissener R echtsbuchs. Zwei vonihnen werden in K rak au, die dritte wird in W arschau aufbew ahrt. Die K rakauer H andschriften h a t der Verfasser inNr. 1 dieser Zeitschrift behandelt (S. 43— 55), wo auch einiges über den C harakter des Rechtsbuchs, den Stand derForschung und die M ethode der U ntersuchung der H andschriften gesagt ist.1) Johann Ehrenfried Bähm e: Schlesisches L andrecht; in den „D iplom atischen B eiträgen zur Untersuchung der schlesischenR echte und Geschichte“ . Berlin 1770— 1775.*) Das R echtsbuch nach D istinctionen nebst einem Eisenachachen R echtsbuch, herausgegehen von Friedrich Ortloff,Jena 1836.*) Ortloff 1. c. S. X V <strong>II</strong>—X X I.*) W <strong>il</strong>helm W eizsäcker: Zur Geschichte des Meissner R echtshuchs in Böhm en und M ähren. Ztschr. der Savignystiftungfür Rechtsgeschichte, Germ. Abtlg. B and 58, 1938, S. 584— 614.5) Piotr Bankowski: R^kopisy rewindykowane przez Polsk? z Z. S. R . R . n a podstawie tra k ta tu ryskiego etc. S. 7.unten, K rak au 1937.*) Homeyer N r. 1126.7) Diese K enntnis verdanke ich einer freundlichen M itte<strong>il</strong>ung der Staatsbibliothek in W arschau.89


iB la tt 2 („Collegium Plocense“) und einem in den B arockeinband am E nde m it eingebundenenR est eines von 1440 d atierten lateinischen Briefes hervorgebt, der von O patow nach Plozk gerichtetist. Der B riefrest h a t keinerlei Beziehung zur H an dsch rift und ist offenbar lediglich wegenseiner m ittelalterlichen H erkunft m it eingebunden w orden. In Plozk gab es im 18. J h d t. zweiStiftskirchen, die des hl. B artholom aeus u n d die des hl. M ichael; aus welcher von beiden die H an d ­schrift stam m en m ag, lässt sich n icht m ehr feststellen. Die H erk u n ft einer H andschrift der W arschauerU n iversitätsbibliothek aus einer geistlichen B ibliothek ist jedoch w eiter nicht verw underlich,w enn m an bedenkt, dass nach dem N ovem beraufstand eine grosse A nzahl von H andschriftender 1819 im K önigreich Polen aufgelösten K loster- u n d Stiftsbüchereien dieser Bibliothek ü b erwiesenw orden sind.Die M öglichkeit, dass ein Plozker K ollegiatstift eine deutsche R echtsbücherhandschrift des M ittelaltersvon fernher beschafft h a t, ist angesichts des fü r einen G eistlichen bedeutungslosen In h altsnahezu ausgeschlossen. V ielm ehr kan n m an die H erk u n ft der H an dsch rift aus Plozk selbst m itSicherheit annehm en. Sie h a t den R ichtern u n d Schöffen von P lozk im M ittelalter als R echtsbuchgedient. Von einigen Spuren einer solchen B enutzung im S tad tg erich t w ird später noch die Redesein.Plozk, die alte Herzogs- u n d B ischofsstadt, ist in Masowien die älteste urkundlich bezeugte G ründungzu deutschem R echt. E ine bestim m te F orm des deutschen R echts ist in der G ründungsurkundevon 12378) n icht genannt, jedoch kan n m an bedenkenlos annehm en, dass diese frühe G ründungdurch das V orb<strong>il</strong>d K ulm s oder einer anderen S tad tg rü n d u n g des Ordens im nahen K ulm erL and beeinflusst w orden ist und Plozk von A nfang an K ulm er R ech t gehabt h at. U rkundlichbelegt erscheint die S ta d t als m it K ulm er R echt bew idm et erst im Priv<strong>il</strong>eg von 13859); 1400 bzw.1424 erhalten dan n R adzanow 10) und Bielsk11) das K ulm er R echt u n te r ausdrücklicher Bezugnahm eau f Plozk.Das K ulm er R echt h a t u n te r den deutschen S tad trechten in Masowien bei w eitem die grössteRolle gespielt. Das M agdeburger R ech t w ar anfänglich ganz ohne B edeutung. E rst im 16. J h d t.erscheint es sehr häufig, was aber wohl d a ra u f zurückzuführen ist, dass m an dam als d o rt alle A rtendes deutschen S tad trechts „M agdeburger R ech t“ zu nennen begann. Von den drei m asowiscbenS tadtgründungen des 13. Jh d ts. sind zwei, näm lich Plozk und P u ltu sk 12), zu K ulm er R echt erfolgt;die d ritte S tad t, Lowicz13), ist zu N eu m ark ter R echt ausgesetzt w orden. Dieses R echt ist fre<strong>il</strong>ich8) T. Lubom irski: Kodeks D yplom atyczny Ksi^stwa Mazowieckiego, Seite 8. Nr. 11, W arschau 1862.9) Lubom irski, S. 103, N r. 111.10) Gawarecki W . H .: Przyw<strong>il</strong>eje, nadania i swobody przez krolow polskich, ksiqzqt mazowieckich i biskupow plockichudzielone m iastom wojewodztwa plockiego, Seite 213 N r. 31.n ) Lubom irski, S. 203, N r. 184.la) P ultusk ist 1257 zu deutschem R echt ohne nähere Bezeichnung des S tadtrechts gegründet worden. (W. H . Gawarecki:W iadomosc H istoryczna m iasta Pultuska. W arschau 1826, S. 19 und Balinski i Lipinski: S tarozytna Polska podwzglgdem historycznym , geograficznym i statystycznym opisana, B and I Seite 613, W arschau 1885) 1339 erhielt dieS tad t nach einem B rande zum zweiten Male deutsches R echt. (Gawarecki, ebenda S. 19) Im Priv<strong>il</strong>eg vom 20. <strong>II</strong>. 1380erscheint P ultu sk als m it K ulm er R echt bewidm et. Die Lage ist also ähnlich wie in Plozk. (Priv<strong>il</strong>eg von 1380: LubomirskiSeite 95 N r. 102).ls) Die S tad t ist wahrscheinlich u n ter der H errschaft Jakob Swinkas gegründet worden, denn in seiner U rkunde von1298 heisst es: in oppido suo et castellania Lovicensi. (Kodeks D yplom atyczny W ielkopolski B and <strong>II</strong> N r. 791). EineB estätigung der Lokation ist uns aus dem Jah re 1359 erhalten. (Kodeks D yplom atyczny W ielkopolski Band I I I Nr.1404). In einem Priv<strong>il</strong>eg für die Vogtei des Städtchens Piontek von 1339 (B. Ulanowski: V isitationes bonorum archiepiscopatusnecnon capituli Gnesnensis saeculi X V I, K rakau 1920, Seite 198) heisst es, dass die Vögte von Piontekdasselbe R echt haben sollen wie die von Lowicz und Uniejow. W eiter wird dann gesagt, dass die Bürger von Piontekzu N eum arkter R echt leben sollten. Also muss auch Lowicz schon dam als N eum arkter R echt besessen haben. DieserSchluss wird durch die U rkunde von 1419 (siehe Ulanowski: V isitationes, Seite 3), in der das „ius Theutonicum etSzredense“ genannt wird, bestätigt.90


in der Folgezeit in M asowien fast gar n icht in E rscheinung getreten, denn im 14. Jh d t. sind nur zweiund im 15. J h d t. ist n u r eine S ta d t m it ihm bew idm et w orden (Mog<strong>il</strong>nica 131714), Sierpc 132215),Skierniewice 145716). B em erkensw ert ist, dass alle diese vier G ründungen zuN eum ark ter R echtau f geistlichem G rundbesitz angelegt sind.A uf die A nw endung des M eissener R echtsbuchs sind diese U nterschiede ohne Einfluss geblieben.Das R echtsbuch h a t in allen deutschen S täd ten des O stens gleichmässig E ingang gefunden undist im dam aligen Polen im G ebiet des K ulm er R echts m ehr oder weniger auch um dieselbe Zeiterschienen wie in K rakau , wo M agdeburger R ech t gegolten h a t. Die H andschrift aus Plozk istnäm lich wie die beiden K rak au er H an dsch riften — nach den Schriftzügen zu urte<strong>il</strong>en — imersten Jah rz e h n t des 15. Jh td s. en tstan d en . Die figürlichen und ornam entalen D arstellungen anden Initialen , je eine zu Beginn eines B uches, — weisen die charakteristischen M erkm ale des„weichen St<strong>il</strong>s“ aus dem E nde des 14. u n d dem A nfang des 15. Jh d ts. in der den polnischenM iniaturen dieser Zeit eigenen P rim itiv itä t a u f17). U n ter den W asserzeichen — es erscheinen dreiverschiedene Form en des Ochsenkopfes und ein Jag d h o rn — ist das am häufigsten vorkom m endeder O chsenkopf m it R ing, Stange und sechsstrahligem S tern, der sowohl im O sten als auch imübrigen E uropa n icht vor 1390 und n u r vereinzelt nach 1410 a u ftritt18).Die T atsache, dass in Plozk im 15. J h d t. noch eine deutsche R echtshandschrift entstehen konnte,bew eist hinreichend, dass das S tad treg im ent ausschliesslich in den H än den der D eutschen lag. Demh a t sicherlich auch eine zahlenm ässige Ü berlegenheit des deutschen E lem ents in der städtischenBevölkerung entsprochen. Plozk ist ja die m asowische S tad t, die am längsten deutsch gebliebenist. Die D eutschen w aren bereits bei der G ründung stark v ertreten , denn sie w erden in der Lokationsurkundevon 1237 an erster Stelle vor den Polen genannt. Die lebhaften H andelsbeziehungen zuden deutschen S täd ten Pom m erellens, insbesondere zu T horn, haben dafür gesorgt, dass das D eutschtum sich auch sp äter hielt und ständig neuen Zuzug bekam . Ü ber Plozk führte bis zur M ittedes 14. Jh d ts., so lange W ladim ir in W olhynien den ersten P latz im O rienthandel noch nicht anLem berg abgetreten h a tte , die H andelsstrasse von T horn nach R eussen19). In der zweiten H älftedes 14. Jh d ts. w urde diese Strasse w eniger begangen, we<strong>il</strong> die K aufleute n ich t m ehr nach W ladim irsondern nach Lem berg reisten und die Strasse dorthin w estlich der W eichsel über G ostynin undLowicz20) bzw. über Przedecz u n d L entschütz21) führte. D urch diese Strassenverlegung w urdezwar die B edeutung von Plozk als T ransithandelsplatz schw er beein träch tig t, auf die N ationali-M) Lubom irski, S. 310 Nr. 5d: Inhabitatores fruentes per om nia iure noviforensi quod Sroda vulgariter dicitur... DasStädtchen darf nicht m it dem gleichnamigen D orf in der W ojewodschaft Plozk verwechselt werden. (Lubomirski Nr.221).15) Lubom irski Seite 44 Nr. 57: Seprcz castrum et civitatem ... locare Iure Srodensij siue nouifori. 1389 erhielt Sierpcerneut S tad trecht (Slownik Geograficzny B and X Seite 441). Nach dem B rande von 1576 erhielt die S tad t M agdeburgerR echt (Gawarecki: Przyw<strong>il</strong>eje etc. Seite 228 N r. 35).18) Ulanowski: Visitationes S. 134: de iure polonico in ius Theutonicum quod Srzdense dicitur. Siehe auch: Balinski undLipinski: S tarozytna Polska B and I S. 666. 1463 h a t K asim ir Jagellosohn die G ründung der S tad t aus dem Dorf Dqbiebestätigt. (W ierzbowski: M atricularum Regni Poloniae Sum m aria, B and IV Suppl. Nr. 969 W arschau 1915). Bei derV isitation von 1549 besitzt die S tad t M agdeburger R echt. (Ulanowski: V isitationes Seite 717: R egitur hoc oppidumsecundum ius Maydeburgense).17) siehe Faksim <strong>il</strong>e.18) F r. Piekosinski: Sredniowieczne Znaki W odne zebrane z rgkopisow przechowanych w Archiwach i Bibliotekach polskichglöwnie krakowskich. W iek X IV . K rakau 1893 bzw. W ybor Znakow W odnych z XV w. K rakau 1896 (Sonderdruckaus den W iad. Numizm. Archeol.) Nr. 130— 140 und Nr. 836. Das Papier ist eingeführt, denn in Polen gab esim Anfang des 15. Jh d ts. noch keine Papierm ühlen. C. M. B riquet: Les F<strong>il</strong>igranes. Dictionnaire H istorique desm arquesdu papier. B and IV , Paris 1907, Nr. 14687.19) Hansisches U rkundenbuch <strong>II</strong>I. 559 (Thelonea an tiqua in Ladim iriam ).20) ebenda: de T horun versus Lemburgam.al) ebenda: versus Lem burgam de Thorum via nova.91


tätenverhältnisse h a tte aber dieser V organg keinen Einfluss, we<strong>il</strong> die S ta d t später als H a u p to rtdes masowischen A ussenhandels m it W aldprodukten a u f der W eichsel auch w eiterhin in ständigerV erbindung m it den S täd ten des deutschen Ordens geblieben ist. So ist es nicht verw underlich,dass das Polentum lange Z eit von der L eitung der S ta d t ausgeschlossen w ar und erst verhältn ismässigsp ät und auch dan n n u r vereinzelt S ta d tä m te r von Polen bekleidet worden sind. D afürbietet unsere H andschrift einen bezeichnenden Beleg, der angesichts der wenigen in dieser H in ­sicht verw ertbaren urkundlichen Nachweise erw ähnt zur w erden verdient. Eine H and aus derM itte des 15. Jh d ts. — offenbar ein polnischer S tadtschreiber oder ein sonstiger städtischer A m tsträger— h a t näm lich einigen wenigen K apiteln titelähnliche lateinische R andbem erkungen b in ,zugefügt, in deren einer — IV . 43, 11 — ein polnisches W o rt gebraucht w ird; ein anderes polnischesW ort ist von derselben H an d in IV . 37 über das entsprechende deutsche W ort geschriebenworden. IV. 43,11 bestim m t, dass der R ichter keinen A nspruch a u f die Eidespfennige habe, w enneine P artei der änd ern den E id erlässt, es sei denn, er behalte sich seinen A nspruch au f die G ebührausdrücklich vor. H ier heisst es in der R andbem erkung: V bi quis alicui ju ram en tum p ro p ter donationemd im ittit, ju dici non te n e tu r dare a cruce, in w ulgari prziszosznego. „Vom Kreuze geben“(dare a cruce) ist eine sinnfällige Bezeichnung für die Eidpfennige und „prziszoszny“ oder im h eutigenPolnisch „przysz^zny“ ist das W o rt fü r die G ebühr, die der Schw örende zu entrichten h a t.Im ändern F all ist im ersten S atz von IV. 37 über „entp frem d t“ „odw edzye“ geschrieben, wasdasselbe bed eutet wie en tfü h rt oder entfrem det. Ü ber die E inte<strong>il</strong>ung der H andschrift bzw.über die Abw eichungen gegenüber dem O rtloff’schen T ex t u n terrich tet im einzelnen die tab ellarischeA ufstellung.Die fü n f B ücher der H an dsch rift haben je 46, 10, 17, 44 un d 51 K ap itel; genau so ist die K ap itelzählungder B reslauer H an dsch rift H om eyer 200, die 1423 von Jacobus Schulcz de Czulchaw geschriebenworden ist und früher der B ernhardinerbibliothek in B reslau gehört h a t. Bis au f dasletzte B uch stim m t die K apitelzählung auch m it der B reslauer H an dsch rift H om eyer 190, diegleichfalls aus dem 15. J h d t. stam m t und früher E igentum der A ugustinerbibliothek in Breslauw ar, überein. Die von O rtloff abw eichende Z ählung b eru h t a u f folgenden V eränderungen: In B uchI sind K ap. 1 und 2 zu einem K ap itel zusam m engezogen und K ap . 12— 15 m it K ap. 11 verbunden.In Buch I I ist das erste m it dem zw eiten und das letzte m it dem vorletzten K apitel verbunden.K apitel 23 fehlt. In B uch V fehlen die K ap itel V. 8, 24— 26, 28, 31, V I. 4 und V I. 14 u n d 17,V. 18,1 erscheint als d ritte und letzte D istinction des 17. K apitels und V. 18,2 als besonderes K ap i­tel. Dazwischen steh t V. 19, gefolgt von der unvollständigen Stelle V. 17,3, die w iederum ein K ap i­tel für sich b<strong>il</strong>det. V I. 3 w ird zwischen V I. 2,5 und V I. 2,6 gestellt, V I. 12 und 13 w erden m it V I.I I verbunden u n d das V <strong>II</strong>. B uch w ird zwischen V I. 26 u n d V I. 27— 29 eingeschoben. Schliesslich istbem erkensw ert, dass n icht n u r die in den beiden K rak au er T exten fehlende Stelle I I I . 9,12 v o r­handen ist, sondern dass die H an dsch rift ausserdem auch noch die Stelle besitzt, die in den K ra ­kauer u n d ihnen verw andten H andschriften den P latz von I I I . 9,12 einnim m t. D as E piphonem istnicht vorhanden. A m Schluss des T extes heisst es: vnde alzo ist des buchis eyn ende, G ot vns allis°b<strong>il</strong> wende. Am en. E xplicit liber distinctionum legum per iure M eydeburgensi approbatus.Die H andschrift w eist folgende A uslassungen auf: 1 .16,2;1.18,2 Ze<strong>il</strong>elO— 1 6 ;I.4 6 ,1 1 ;I.4 6 ,1 4 ;1 .47,10;<strong>II</strong>. 4,22; I I I . 11,6; I I I . 12,8; I I I . 14,10; I <strong>II</strong>. 17,11; I I I . 17,42; IV . 5,20; IV . 10,4; IV . 14,5; IV.20,3; IV. 21,32b; IV .21, 32c; IV. 22,18 Satz 2; IV . 22,19; IV. 23; IV . 25,7; IV . 25,17; IV. 32;IV . 33B; IV . 42,13; IV . 43,6— 8; IV. 44,6; IV. 45,5— 7; IV . 45,10— 11; IV . 45,13; IV . 45,18— 19;IV . 45,25; V. 1,10; V. 2,3; V. 3,3; V. 3,5; V. 4,5; V. 5,6; V. 8 ; V. 9,9; V. 9,10 Satz 1; V. 9,21;V. 9,25; V. 10,7; V. 13,4; V. 17,3, Ze<strong>il</strong>e 21 bis E nde; V. 20,2— 3; V. 20,7— 8; V. 23,2 Satz 1 und 2;V. 24— 26; V. 28; V. 30,3; V. 31; V I. 2,5; V I. 4; V I. 9,8 V I. 14; V I. 17; V I. 19,9; V I. 19,12— 13,V I. 20,6 Satz 2; V I. 20,7— 8; V I. 21,5; V I. 21,7; V I. 22 Ze<strong>il</strong>e 6— 12. D as sind bis au f IV. 42,7,welche Stelle in unserer H andschrift n ich t fehlt, zuzüglich einer ganzen Reihe anderer Auslassun*92


hinF A K S IM ILE VON BL. 157 V O R D ERSEITE D ER H A N D S C H R IF T GERM . F. <strong>II</strong>. 37 D ER STA A TSBIB LIO TH EK INW ARSCHAU (HO M EYER 1126) M IT D E M B E G IN N D ES IV. B U CHES D ES M EISSEN ER R ECHTSBUCH S, DAS VON DENK Ö R PERVERLETZU N G EN H A N D E L . (B L U T R U N S T IS T V N D E H EYSET, DO EYN M EN SCHE IN F R E U IL VORZERETW IR T E T C .) D IE M IN IA T U R Z E IG T IM OBEREN F L D ZW EI M Ä N N ER, D IE SIC H M IT K N Ü T T E L N SCH LA GEN, IMU N TEREN ZW EI, D IE SIC H V ERLETZEN , VON D E N E N D ER E IN E E IN SCH W ERT, DER ANDERE E IN M ESSER HAT


gen dieselben Lucken, die auch die drei von W eizsäcker besprochenen H andschriften des Fünfbuchertypshaben. Die zusätzlich fehlenden Stellen sind die folgenden: I. 18,2 Ze<strong>il</strong>e 10— 16*1.46,11; 1.46,14; I I I . 11,6; I I I . 17,42; IV .2 0 ,3 ; IV .2 1 ,3 2 b + c ; I V .2 2 ,1 8 S a tz 2; IV .2 2 19* IV 23*IV. 33B; IV 42,13; IV . 43,7; IV . 45,13; V. 9,9; V. 9,10 S atz 1; V. 9,21; V. 9,25; V. 17,3 Zeüe 21 bis’Ende; V. 2 0 ,2 + 3 ; V. 23,2 S atz 1 + 2 ; V. 24; V I. 14,2; V I. 20,6 S atz 2; V I. 20,7; V I. 22 Ze<strong>il</strong>e 6— 12.Auffallend ist, dass die zusätzlichen F ehlstellen vielfach den auch in der O lm ützer, Leobschützerund Gew ttscher H andschrift fehlenden D istinctionen vorangehen oder ihnen folgen. So fehlt inunserer H andschrift ausser IV . 4 3 ,6 + 8 auch noch IV . 43,7; das in den drei oben genannten T extenZia^ lreiche L ücken « W e is e n d e 45. K ap itel des IV . Buches h a t Wer noch eine w eitere Lücke(IV. 45,13); von V I. 14 fehlt n icht n u r die erste, sondern auch die zw eite D istinction; in V I 20 fehltschliesslich n ich t n u r die achte D istinction, sondern auch noch die siebente u n d der zweite Satzder sechsten. Die grösseren L ücken in an sich vorhandenen D istinctionen stehen gleichfalls inunm ittelbarem Zusam m enhang m it fehlenden D istinctionen (IV . 22,18 S atz 2 und IV . 22 19*V. 9,9 und V. 9,10 S atz 1; V. 23,2 S atz 1— 2 u n d V. 24; V I. 20,6 S atz 2 und V I. 20,7).Angesichts dieser W ahrnehm ungen ist es n ic h t ausgeschlossen, dass der F ünfb ü ch erty p des MeissenerR echtsbuchs in der W eise entstanden ist, dass m an bestim m te Stellen des an sich um fangreicherenT extes in grösserem oder geringerem Masse ausgelassen u n d dafü r Zusätze gem achth at. F ü r diese A nnahm e spricht auch, dass die T itel der ausgelassenen D istinctionen in den Registern,die den einzelnen K ap iteln vorangestellt sind — ein G esam tregister vor dem T ext besitztunsere H andschrift n icht — regelm ässig vorh anden sind. Sie fehlen n u r dan n, wenn die Registersum m arisch gehalten sind u n d sich n u r a u f den In h a lt des K apitels im allgem einen beziehen.Die W arschauer H andschrift besitzt dieselben Z usätze, die auch Ox und L haben. Die Zusätzestehen auch an denselben Stellen. D arüber hinaus h a t W arschau zwischen I. 46,7 und I. 46,8noch einen w eiteren Z usatz, dessen C harakter als Z usatz fre<strong>il</strong>ich problem atisch ist. Die Zusätzesind säm tlich im A nhang abgedruckt. W arschau w eist schliesslich auch dieselben kennzeichnendenL esarten auf, die Ox und L eigentüm lich sind. So sind insbesondere bei der A ufzählung der Lähm -den m IV. 7,1 die Lähm de in den A rm und die in die H an d als neu nte L ähm de zusam m engezogen,w ahrend gleich d a ra u f die L ähm de in den A rm als zehnte L ähm de noch einm al erscheint. DieStelle la u te t: D y new ende ist dem der arm w irt suber abegehouw en adir der yn dy h a n t gelem etwirt. D y czende dem der a rt w ird suber abegehouw en h y n d er den elbogen adir dovor. V I. 25,2weist keine der den anderen H andschriftengruppen eigenen E ntstellungen auf, sondern lau tetentsprechend der Sachsenspiegelvorlage (Ssp. I I I , 69, § 2): O rte<strong>il</strong> sullen sy vastende vynden.' h a t die gleichfalls Ox und L eigene D oppellesart: W er den b eg ry ft ader w undet v f demvelde. D asselbe g<strong>il</strong>t auch von den sonstigen von W eizsäcker zitierten Stehen: I. 9,1 (ir bestehoke) I. 9,2 (die er von vrow en halben zcu gebom ist), IV . 26,10 (den sal die vrone gew alt been),. 42,24 (vyr wochen) und V. 2,2 (als eyn getruw er m an adir als eyn vryer koufm an).Diese Lesarten haben auch die beiden mir zum Vergleich zur Verfügung stehenden Handschriften,von denen eine aus Schlesien“ ) und die andere aus dem Deutschordensland stammt. Es sind die Für­M* f r / ' 6" « Gelegenhei.t‘ eine andere schlesische H d .chr., näm lich die H d .chr. Hom eyer 178 der Dombibbothekm Breslau und ihre Beziehung zur K rak auer H d.chr. d e. M eißener R echt.buch., Homeyer 645, aufmerk-Z I I Z d e T n T - ^d a . Fehlen der D istinctionen17t8I. 34,4" : Vundm .,WrI.entliChen49,3 m it derdie,elbenK rakauerA"H' la“dsehr.;ungenHom eyerH ° m178- 6«h a,tinsbesonderegleichfalls diete<strong>il</strong>tLückesiehinter <strong>II</strong>I. 9 11,


stensteiner H andschrift H om eyer 370 un d die K önigsberger23) — früher in E lbing au f bew ahrte —H andschrift H om eyer 612. I. 9,1 h a t in K gbg insbesondere eine L ähnliche D oppellesart: „geczeunevnde geczymmere, genze“ und IV . 7,1 h a t hier a n s ta tt „suber abegehouwen“ „selhirabegehouw en“ .Die F ürstensteiner H andschrift ist in 6 B ücher eingete<strong>il</strong>t u n d gehört dem 15. J h d t. an. D asV. B uch beginnt m it IV. 22, das V I. m it V. 1; das siebente B uch ist zwischen V I. 26 und 27 eingeschoben.E in Epiphonem ist n icht vorhanden. A uch diese H andschrift h a t Zusätze. Es sinddie folgenden: N ach I. 50,11 eine D istinction, die aus Te<strong>il</strong>en der beiden D istinctionen b esteh t,die W arschau bzw. Ox und L an dieser Stelle haben. N ach I I. 3,4, IV . 17,4 und IV. 21,18 jeeine D istinction — dieselben wie in W arschau. N ach IV . 42,25 eine D istinction, die W arschaunicht h at, die sich aber in K gbg. findet. E s fehlen m ithin gegenüber W arschau die Zusätze nachI. 9,1, nach I. 20,6 un d nach IV . 27,1.Die H andschrift w eist folgende Fehlstellen auf: 1 .1— 4; I. 6,6; I. 46,14; I. 47,10; <strong>II</strong>I. 3,3; I I I . 11,6;I <strong>II</strong>. 12,8; I I I . 17,42; I I I . 17,45; IV . 5,12; IV . 9,7; IV . 10,6; IV . 13,2; IV . 14,5; IV. 17,11; IV . 20,4;IV . 2 1 ,3 2 b + c ; IV . 22,19; IV . 23; IV . 25,7,13 u n d 17; IV . 45, 18, 19,20 und 25; V. 1,10; V. 2,3;V. 3,3 und 5; V. 4,5; V. 5,6; V. 8; V. 9,9; V. 9,10 Satz 1; V. 9,21; V. 9,25; V. 10,7; V. 13,4; V 20,2;und 3; V. 20,7 un d 8; V. 24— 26; V. 27,2; V. 28; V. 30,3; V. 31; V I. 2,5; V I. 4; V I. 9,8; V I. 14;V I. 17; V I. 19,9; V I. 19,12 und 13; V I. 20,7 u n d 8 ; V I. 21,5 u n d 7.Bei der B etrach tun g des A ufbaus und der E inte<strong>il</strong>ung der H andschrift fallen dem Leser nebenden Abw eichungen viele E inzelheiten auf, die sie m it W arschau u n d K gb. gemeinsam h a t.I. 6,9 steh t zwischen I. 6,7 und 8., I. 10 un d I. 11 sind zu einem K ap itel verbunden. I. 46,10steh t zwischen I 46,8 und 9., 1.4,1— 10 steh t a u f B la tt 28, dann folgt a u f B latt 29 <strong>II</strong>. 3,1— 4m it dem Zusatz u n d d arau f folgt 4,11— 22 als neues K apitel. W ahrscheinlich infolge G edankenlosigkeitbeim A bschreiben steh t I I. 8— 10,2 a u f B la tt 33, w ährend <strong>II</strong>. 10,3— 13 auf B latt 32steh t. N ach I I I . 9,11 folgt die D istinction, die die K rakau er H andschriften anstelle von I <strong>II</strong>. 9,12haben. I I I . 9,12 ist aber— wie in W arschau — ausserdem vorhanden und folgt un m ittelbardarauf. IV . 21,26 steh t vor IV . 21,25. Die Reihenfolge nach V. 17,1 ist dieselbe wie in W arschau(siehe Tabelle) u n d V I. 3,1 u n d 2 sind wie in W arschau m it V I. 2,6 verbunden.Die andere W arschau verw andte H andschrift — H om eyer 612 — gehört dem Masowien b en achbarten D eutschordenslande an. Sie ist eine F ünfbücherhandscbrift m it folgenden A uslassungen:I. 16,2; I. 18,2 Ze<strong>il</strong>e 10— 16; I. 46,14; I. 47,10; I I. 4,22; I I I . 9,6; I I I . 14,10; I I I . 17,10; IV . 21,3 2 b + c ; IV . 22,18 Satz 2; IV . 22,19; IV . 23; IV . 25,7; IV. 25,9 und 17; IV. 32; IV 33B ; IV . 42,13;IV . 43,6—8; V. 1,10; V. 2,3; V. 3,3 un d 5; V. 4.5; V. 5,6; V. 8; V. 9,9 u n d 10 Satz 1; V. 9,21und 25; V. 10,7; V. 13,4; V. 17,3 Ze<strong>il</strong>e 21ff; V. 20,2,3,7 und 8; V. 23,2 S atz 1 und 2; V. 24— 26;V. 28; V. 30,3; V. 31; V I. 2,5; V I. 4; V I. 9,8; V I. 14; V I. 17; V I. 19,9; V I. 19,12 u n d 13; V I. 20,6S a tz 2; V I. 20,7 u n d 8; V I. 21,5 und 7.Diese H andschrift fä llt insbesondere dadurch auf, dass sie eine Reihe von Z usätzen h a t, die sichweder in W arschau noch in F ürstenstein finden. Die Zusätze der W arschauer H andschrift w eistKönigsberg säm tlich auf. D arüber hinaus sind noch folgende Zusätze vorhanden: N ach 1.7,7 eineD istinction, nach I. 11,3 fü n f D istinctionen, nach IV . 42,25 eine D istinction, nach IV . 45,15 eineD istinction, in IV . 46,6 einen Z usatz und nach V I. 29 als zweite D istinction des letzten K apitelsein te<strong>il</strong>weise gereim tes N achw ort, das zusam m en m it den Z usätzen im A nhang abgedruckt ist.**) Im Folgenden abgekürzt: F ürstenst. bzw. Kgbg.94


A B W E IC H U N G E N IN D E R FO R M G EBU N GOrtl. W arsch. Ortl. W arsch. Ortl. W arsch. O rtl. W arsch.Buch I Buch I 3,4+5 3 ,4 2 5 ,7 18,1 16,31+2 1 5, 2+3 5 ,2 25,17 ---------- 19 176 Vorspruch 5 ,1 - 5 7 ,2 + 3 7 ,2 25,18 23, 16 + 17 18, 2 18-6 ,49 ,3 9 ,3 + 4 Anfg. 17, 3 Z. 1 -2 1 19,1+ 26 ,6 - 7 5 ,6 - 7 9, 4 -1 1 9 ,5 - 1 2 25,19 23, 17 Ende 71, 3 Z. 21 fif. --------------------6, 5 5, 89,1 3 26,10 24,10+ 11 20, 2 -3 ----------6, 85 ,99 ,1 2 -1 4 9 ,1 4 -1 66 ,9 - 1 1 5 ,1 0 -1 2 11,6N ach20, 7 - 822 2 2 ,1 - 37 ,1 6 ,1 + 2 11,9+ 10 1 1 ,8 27 26, 1+2 23,1 +8 ,2 7 ,2 + 3 12 ,4 + 5 12,4 32 ----------- 23, 2 S. 3 2 3 ,1 -3N ach 12,8 ---------- 33B ----------- 23, 2 S. 1+2 ----------9 ,1 8, 2 14,10 ---------- 4 1 ,7 3 9 ,7 -1 0 2 4 -2 6 ----------1 2 ,1 -2 1 1 ,1 - 2 1 7 ,1 - 3 Anfg. 17,1 42, 13 ----------- 28 ----------1 3 ,1 -3 1 1 ,3 - 5 17,3 17, 2 42,15+ 16 40, 14 30,3 ----------14, 1 11, 6+7 1 7 ,5 + 6 17,4 42, 17+18 40,15 31 ----------14, 2 - 4 1 1 ,8 -1 0 17,11 ---------- 42, 19+20 40,16 32, 1 2 7,1+ 215 11,11 17, 42 ---------- 4 3 ,6 - 8 ----------16,1 12,1 + 2 17, 47+48 17,43 44, 2+3 4 2 ,216,2 _______ 4 4 ,6 ---------- B uch VI18, 2 Z .1 0 -1 6 _____ B uch IV B uch IV 45, 5 - 7 ----------1 ,1 +Nach1, 1 + 24 5 ,943, 6+7120,6 16,72 ,1 - 445, 10+111 ,2 S. 1 28,1 + 21 ,3 - 6 45,131, 2 R est 28,322, 2 18,2+3 3, 3 2, 3+4 2, 1 -4 2 9 ,1 - 423,1 1 9 ,1 + 2 4, 2 - 44 5,163. 243,11+ 122, 524,3 2 0 ,3 + 4 4 ,645, 18+19 ----------3 ,4 + 5 45, 253, 1 -2 29, 5 -64 6 ,1 - 7 42, 1 -7 5, 20 2 ,6 29,7Nach 7 ,1 6, 1 -1 646, 3+ 4 4 4 ,3 446,7 42 ,8 8, 4+546,127, 444,11 + 129 ,1 + 2 34,14 6 ,8 -1 0 4 2 ,9 -1 1 9, 2+3 8, 24 6 ,1 3 —16 44, 13-169, 846,11 ---------- 10,3 9 ,3 + 44 7 ,1 -2 0 44, 1 7 -3 6 10 3 5 ,1 + 24 6 ,1 2 -1 3 4 2 ,1 2 -1 3 10,4 ______ 11 36,146,14 ----------- 11, 2 10, 2+3 B uch V B uch V 1 2 ,1 - 2 3 6 ,2 - 346,15 42,14 14, 2+3 13, 2 13,1 36, 4+547,10 ---------- 14, 5 ---------- 1,10 _ __ 13, 2 3 6 ,64 9 ,1 + 2 45,1 2, 3 14 _______49,4 4 5 ,3 + 4 N ach3 ,3 17 ----------Nach 17,4 16,5 3 ,5 ___ __ 1 9,9 ----------50,11 46,12+ 13 20, 1 19,1 + 2 4, 5 _ _ _ 19,12 ----------20,3 ---------- 5 ,6 _______ 19, 13 ----------Buch I I B uch <strong>II</strong> 8 2 0 ,6 S. 2 ----------Nach1,26 1 ,2 6 -3 09 ,9 ---------- 2 0 ,7 + 8 ----------3 ,2 3 ,2 - 4 21,18 20,19 9 ,1 0 S. 1 ---------- 21, 4 42, 4+5Nach 2 1 ,1 9 -2 4 20, 20-2 5 9,1 8 + 1 9 8 ,17 21, 5 — ------3 ,43,7 21, 26 20, 26 9, 21 ---------- 21, 7 ----------4, 2221,25 20,27 9 ,2 5 ---------- 22 Z. 1 -5 43 |5 ,1 5 ,1 + 2 21, 32b ---------- 9, 26+27 8, 22 22, Z. 6 -1 2 ----------7 ,4 + 5 7,4 21, 32c ---------- 10, 3+4 9 ,3 2 5 ,4 46, 4+57,7 7 ,6 + 7 22,1 2 1 ,1 - 4 10,7 ---------- 2 6 ,1 + 2 47,122,18 S . 2 ---------- 11,2 1 0 ,2 - 422,19 _ _ _Buch I I I B uch I I I12,1 1 1 ,1 + 223 ---------- 1 3 ,4 Buch V <strong>II</strong> 481 ,1 - 4 1,1 24,1 2 2 ,1 -1 2 1 7 ,1 - 2 1 6 ,1 - 2 V I. 27-2 9 49 -5195


ÜBERSICHT Ü B E R D IE FEH LSTELLENW arschau Kgbg. F ürstenst. O j+ L W arschau Kgbg. Fürstenst. O j+ LI. I. I. I. V. V. V. V.16,2 16,2 1 - 4 16 ,2 1,10 1,10 1,10 1,1018, 2Z. 10-16 18, 2 Z. 1 0 -1 6 6 ,6 46,11 2 ,3 2 ,3 2 ,3 2 ,346,11 4 6,14 46. 14 47,10 3 ,3 + 5 3 ,3 + 5 3 ,3 + 5 3 ,3 + 546,14 47,10 47,10 4 ,5 4 ,5 4 ,5 4 ,547,10 5 ,65 ,65 ,65 ,68888<strong>II</strong>. <strong>II</strong>. <strong>II</strong>. <strong>II</strong>.9 ,9 9 , 9+10S.1 9 , 9+10S.14, 22 4, 22 4,229 ,1 0 S. 1 9,2 1 9,21 10,7I <strong>II</strong>. I <strong>II</strong>. I <strong>II</strong>. I <strong>II</strong>. 9,21 9, 25 9, 2511,6 9 ,6 3 ,3 12,8 9, 25 10,7 10,7 13,412,8 14,10 11,6 14,10 10,7 13,4 13,4 20,7 + 814,10 17,10 12,8 17,42 1 3,4 17,3 Z. 21 ff. 20,2 + 3 2517,11 17,42 17,3Z .21ff. 2 0 ,2 + 3 20,7 + 8 2617,42 17,45 20, 2 - 3 2 0 ,7 + 8 2 4 -2 6 282 0 ,7 - 8 2 3 ,2 S .l - f 2 27,230,3IV. IV. IV. IV. 23,2S. 1+2 2 4 -2 6 28 315 .2 0 21, 32 b + c 5,12 5, 20 2 4 -2 6 28 30,310,4 22,18 S. 2 9 ,7 1 0,4 28 30,3 3114,5 22,19 10,6 14,5 3 0,3 3120,3 23 13,2 25,7 3121,32 b + c 25,7 14,5 25. 1722,18 S. 2 2 5 ,9 17,11 32 V I. V I. VI. V I.22,19 25,17 20,4 4 2,7 2 ,5 2 ,5 2 ,5 2 ,523 32 21,32 b + c 42,13 4 4 4 425,7 33, B 22,19 4 3 ,6 9 ,8 9 ,8 9 ,8 9 ,825,17 42,13 23 4 3 ,8 14 14 14 14,132 4 3 ,6 - 8 25,7 44,6 17 17 17 1733, B 25,13 4 5 ,5 - 7 19,9 19,9 19,9 19,942,13 25,17 45,10 19,12+ 13 19,12+13 19,12+ 13 19,12+134 3 ,6 - 8 4 5 ,1 8 -2 0 45,11 20,6 S . 2 20, 6 S. 2 2 0 ,7 + 8 20,844,6 45, 25 45,18 2 0 ,7 + 8 2 0 ,7 + 8 21,5 21,545, 5 - 7 45,19 21,5 21,5 21,7 21,745,10 45, 25 21,7 21.745,11 22, Z. 6 -1 245,1345,18 + 1945, 2596


Über den A ufbau der H andschrift ist im einzelnen Folgendes zu sagen: D er V orspruch fehlt,in I. 3 heisst es „Origenes“, die K ap itel I. 13— 15 sind m it I. 12 verbunden, auf I. 46,7 folgt dieD istinction, die in W arschau anstelle von I. 46,11 vorhanden ist; K önigsberg h a t aber ausserdemI. 46,11 und zw ar zwischen 46,9 und 10; im I I I . B uch erscheint sowohl 9,12 als auch die Stelle,die in den k rak au er T exten an ihrem P latze steh t; IV . 21,26 steh t vor 21,25; V. 5,4 steh t vorV. 5,3 un d schliesslich ist die Reihenfolge der D istinctionen nach V. 17,1 dieselbe wie in W arschau.Die oben angeführten kennzeichnenden L esarten stim m en gleichfalls säm tlich m it W arschauüberein.Aus alledem und insbesondere aus der tabellarischen Ü bersicht über die fehlenden D istinctionen(S. 96) erhellt, dass die beiden hier besprochenen w eichseldeutschen H andschriften untereinanderu n d m it den schlesischen H andschriften verw an dt sind. Die Feststellung der Zwischenglieder,die diese V erw andtschaft verm itteln , kan n u n d m uss sp äterer A rbeit überlassen werden.D urch seine Stellung zwischen den schlesischen und preussischen H andschriften ist das R echtsbuchjedenfalls ein schönes Zeugnis fü r die V erbundenheit des deutschen Bürgers im m ittelalterlichenPolen m it den alten S tätten deutscher K u ltu r im S udetenland und an der Ostsee.** *D IE EX TRA VAGANTEN DESFÜ N FB Ü C H ERTY PS IN D E R W ARSCHAUER H A N D SC H R IFT D ES M EISSEN ER RECHTSBUCHSG e r a d e i n L e h n r e c h tI.I. 8, 2.1)Czu gerade in lehenrechte gehöret allis getreyde gedrosschen vnd vngedrosschen ane erweys vnd ane hafer vndane m oyn, vnde m an sal losen dem w erte sine notdorft zcu brote vnd zcu byre, ab is do ist, vnde some zcu gerste;vnd ist do eyn hofem an, dem sal m an sein teyl losen. Sint abir do knechte v nd m eyde, den sal m an ir Ion geben vonder gerade vnde dem w erte als sein huys vor gehalden ist zcu byre vnd zcu brote.Alle bezelte p fert vnd alle vyhe m it gespalden vuesen vnd alle veltgenge des vyhes gehöret zcu der gerade, ane diepfert, die zcu sime satel geboren, do her syn gut uffe vordint.Alle gem este sweyn, die gehören nicht zcu der gerade, ouch allis gerouchte fleysch, das gehört allis yn das m ustteyl, als m an das hyrnoch yn sime capittel wol fin d t beschreben; ouch wen dese genante czwey obir sine notdorfwere,zo gehörte das oberyge yn die gerade.Alles gebuwde gehöret yn die gerade ane das die czogebrucke adir m uw er besluset adir plancken adir czwenne,die vm be sinen hof gehen adir vm be seyn bregfred, das her besundern h a t gefestent; vnd die das gebuwde sullenbrechen, habin sie is nicht zu lozen geboten zu rech ter cziet m it der wyssen, das ist yn dem drysegisten, zo vorbuessensie alse als dicke als sie die buw stete ertbroche m achen an swellen, an sulen adir an stykholczern; abirder rosstal gehöret nicht zcu der gerade.Bette, pfole, kuyssen vnd allis vederyn gew andt vnd allis gesneten gewand, is sie wollen adir lynen vnd kästen m itirhaben leden gehört all zcu der gerade, kessele vnde pfannen, ane m annis kleydere vnde was zcu wopen gehöret,sundern m an sal dem w erte sin b ette, sinen stul, sinen thysch vnde sine bank bekleyden, als recht ist,vnde sine twele vnde sein becken.*) Folgt au f O rtloff I. 9, 1.97


Ouch allis gesmyde gehöret zcu der gerade vnde behen vnde gerstenczins, abir den czins en m ak m an von rechtenicht me wenne zcu einem mole gehebin, vnde wer geinde gew ynnet adir n y m pt von eime jore, der enm ag nicht megeinde gewynnen v f dem felde noch yn dem hofe, vnde einen ochsen vnde einen beir, ab die do sint, die sal m andem werte losen von rechte.I I.V e r e r b u n g d e s M a n n e s - u n d F r a u e n g u t e s i m G e b ie te d e s D r itte i l s r e c h t e s b e i V o r v e r s te r b e n d e s M a n n e s . V e r e r b u n g d e s G u tsd e r W i t w e , f a l l s s i e u n g e s o n d e r t u n d f a l l s s i e g e s o n d e r t v o n d e n K i n d e r n s tir b t.I. 16, 7.3)N ym pt eyn m an g ut yn m it syme wybe, erbe, eygen adir varende habe in wicp<strong>il</strong>de, do m an den vrouw en dryttey l gepth at der ouch vor selbir eygen, erbe adir varnde habe, stirb t der m an vnde h a t ouch der vor elyche kindere, her erbetalle siner gutere czwey tey l u f sine kindere, das d ry ttey l v f seyn w yp; vnde h a t sie kindere m it ym , die nem enm it den ersten kinden teyl.Vnde bly p t die m uter m it den ersten kinden vnde m it den leczten in der gewere vngesundet vnde stirp t alzo ynder gewere, sie erb t yren d ritten tey l v f die kindere beydersyt; nym pt sie abir iren teyl hervs in rechter abesunderungevnde stirp t alzo, sie erb t is v f ire k y n t vnde v f yre nehesten.[<strong>II</strong>.I. 42.83).W er einen geweren vorbrenget an erbgute, das v n d i r y m angesprochen w irt, m ak en der nicht geweren, dorvm bem us der dem clegere buessen vm be die vnrechte gewere vnde dem rychtere w etten die hoeste buesse, die her an simegerychte hat. D ornoch sprycht der cleger sein erbgut an, ab her w<strong>il</strong>l; vnd ist landrecht vnd wicp<strong>il</strong>derecht.Ü b e r d e n v o m R a t g e s e tz te n V o r m u n d u n d ü b e r d e n V o r m u n d n a c h L e h e n r e c h t.IV .I. 46, 12.4)W e lc h k i n t n i c h t V o r m u n d e n g e h a b e n m a k m i t r e c h te . W ie g e r y c h te v n d e e y n r a t V o rm u n d e n g e b ins u lle n i n w ic p <strong>il</strong>d e .W e lc h k y n t v o n s in e m v a t e r v o n s w e r tm o g e n n i c h t V o r m u n d e n g e h a b in e n m a k n o c h v o n g e s te n , d ie y n d a s g e r y c h ten i c h t g e h ö r e n , d e m s a l d a s g e r y c h te v n d d e r r a t V o r m u n d e n g e b in , w ie sie d a s y n tr u w c n i r k e n n e n ; v n d e w e nsie d e n n e g e b in , d e r s a l d e m g e r y c h te v n d e d e m r a t e m i t ä n d e r n d e s k y n d e s f r u n d e n v o r g e w y s s e n v n d e v o r m a c h e n ,d a s h e r d e m k y n d e v n d ä n d e r n e r b in , a b s ic h d a s g e b o r t, d a s e re w e d ir g e b e , a ls g u t a ls h e r is e n tp f a n g e n h a t ,v n d e h a t d a s k y n t a lz o v <strong>il</strong>, d a s is s in e n o t d o r f t h a t , zo s a l h e r v o n j o r e z c u j o r e d e m k y n d e v e r e c h e n v n d e s y n e ne r b in v o r d e m r a t e v n d e d e m g e r y c h te . I s t d o o u c h i c h t v o r k o u f t v s d e m g u te , d a s h e r d a s o u c h a n d e s k y n d e s n u c zw e n d e , a ls r e c h t i s t y n a lle m r e c h t e , a lz h ie v o r g e s c h r e b in is t.I. 46, 13.4)W e lc h k y n t l e h e n g u t a n i r s t i r p t . W e r v o n r e c h te e y n V o rm u n d e g e s e in m ö g e .Welchim kynde lehengut anirstyrpt, hat das brudere adir vettern, die lehen mit ym entpfangen haben, die sint wloVormunden des kyndes, alzo das die Vormundeschaft entpfangen ist von dem herren, wenne nym and an lehenguteVormunde gesein mag wen der lehen entpfangen hat von dem herren adir der herre ist selbir Vormunde, ab her w<strong>il</strong>;das lyet an ym . Her sal abir dem kynde sein gut mit obirlouffe wedir gebin, wen is zcu sinen jaren kumpt.2) Folgt auf O rtloff I. 20, 6.3) Folgt au f Ortloff I. 46,7.4) Folgt au f O rtloff I. 50, 11.98


V.Ü b e r d e n F a l l , d a s s j e m a n d b e i V e r le tz u n g i n e i n e r T a b e r n e f i i r d e n B e s c h u l d i g t e n B ü r g e w i r d u n d i h n d a n n n i c h t v o rG e r ic h t g e s te lle n k a n n , i m A n k l a n g a n S s p g l . I I I , 9 , § 1 .<strong>II</strong>. 3, 7.s)G e s c h y t e y n e v n g e s c h y c h t y n e in e r t a f e r n e a d ir s u s t a n d is w o a n to ts la g e , a n w u n d e n a d ir a n le m d e a d ir s u s t a no b <strong>il</strong>h a n d e ln , w o r d e d o y m a n d v o r d e n ä n d e r n b ü r g e v n d e m o c h te d e n n i c h t g e s te lle n , zo d a z h e r s e y n e n e y d d o c z ut u , d a s h e r e n n i c h t g e s te lle n m ö g e , d e r v o r b o r t v m b e e y n e n t o ts la g a c h c z h e n m a r k , v m b e e y n e le m d e v n d ev m b e e y n e w u n d e , d ie d o k a m f w ir d ik i s t , n e u w e n m a r k , v m b e o b <strong>il</strong>h a n d e lu n g e v n d e v m b e r o u f f e n a d ir b a c k e n ­slege d r y s ik S c h <strong>il</strong>lin g e p f u n d y s s c h e r m u n c z e .S a c h s e n s p ie g e l I I , 2 6 § 3 , S a t z 1 .VI.IV. 16, 5.6)W enne der m unczer syne pfennynge felschet, dywyle mag her nym ande falsch geczyhen, do her wandel vmbelyden dorfte. Dez ist lan trech t, wicp<strong>il</strong>derecht vnde keyserrecht.G o s la r e r S t a t u t e n , G ö s c h e n S . 6 0 Z e i l e 8 — 1 0 .V <strong>II</strong>.IV . 20, 19.’)In welchim hueze eyn vorfcstent m an wonit, das seyn eygen ist, der mag do ynne bleyben, wenne her sich andirsgetrosten w<strong>il</strong>, was ym dovon ensten mag.V <strong>II</strong>I.V e r fa h r e n b e i m R i c h t e n ü b e r R a u b , S a c h s e n s p i e g e l I , 2 5 , § 1 u n d 2 m i t Z u s a t z .IV. 26, 1 + 2.8)N u sulle wir irkenne, wer vm be roupliche gewere beclayt w irt, ab der richter den nicht volrychtenenmag.distinctio prim a.W yrt eyn m an vm be roupliche gewere beclayt, do m an dy h anth afte ta t bewysen m ag, vnde w yrt der rychterm it gerychte doczu geladin, der rych ter sal folgen zcu h a n t vnde rychten dem clegere vm be den roup vnde vmbevngerychtis folleyst. Der cleger sal en allirerst beweldegin siner gewere, ab is yenir, v f den dy clege gehet, nicht m itrechte w edirredt.distinctio secunda.Was der rychter nicht entrychten noch volrychten en m ag, daz sal ym der koning rychten, zo her erst kum ptzcu ym yn sechschysser art, ab m an der clage geczug h a t; vnde des ist beydes lan trecht. Abir in wicp<strong>il</strong>de, was derrychter nicht geenden enmag, das sal eyn ra t m it v olb urt aller gemeyne rychten.** *0) Folgt au f Ortloff <strong>II</strong>. 3, 4.•) Folgt au f O rtloff IV . 17, 4.’) Folgt au f O rtloff IV. 21, 18.0) Folgt au f Ortloff IV. 27.99


D IE EX TRA VAGANTEN DESFÜ N FB Ü C H ERTY PS D E R K Ö N IG SB ERG ER H A N D SC H R IFT D ES M EISSEN ER RECHTSBUCHS.I.I. 6,9.1)Wy eyn yczlich schultischum lehen heyssen mag.Alle schultischume heyssen czu rechte lehen vnde erbe adir erblehen; ab sy czu lehen gehen von deme erbherren ydoch,zo sal ys erbin an tochtere vnde an zone; hirum m e zo heysset ys erblehen; vnde m an sal ys thedingen noch erblehensrechte vnde nicht noch der m anne rechte. D er scholtys sal ouch dom itte belehent syn vnde sal seyn recht lehen seynvnde her sal ouch den ban von dem landesherren habin von rechte.<strong>II</strong>*).I. 10, 4— 8.W y m an tochtere bestaten sal von lehengute noch des v ater thode.W enne der v a ter den kyndern erbeteylunge th u n sal noch lehenrechte.Ab sich kyndere voreten ane wissen der elderen.Vff wen eynis m annis erbe vnde lehen yrsterbit, der nicht sone lesset.dist. 4.S tirbit eyn m an vnde lesset hinder ym lehengut vnde lesset ouch sone vnde tochtere, dy zone sullen gebin yczlichirswestir czu bestatunge eynen yerlichen czins, der von deme lehengute yerlichin geuallin m ag noch des gutes achteoff thage noch der nehestin vrunde ra t noch der czeyt, alzo sy dy scholde gegeldin, dy der v ater gemachit h a t; vndeh a t her der v ater erbe, eygin ader varende habe gelossin noch sym e thode, do dy tochtere m itte czu teyle an gehen,zo sullen beyde, sone vnde tochtere, von deme erbe, eygene vnde varende habe dy scholt geldin alz verre alzo dasgewendin mag.dist. 5.Ist ouch eyne tochter by yres v ater lebinde leybe b estatet vnde czu m anne gegebin, derselbin tochter sint yre bruderenicht schuldig czu gebin von deme lehengute, das y r v a ter gelossin hat.dist. 6.W enne eyn m an seynen son czu weybe gebit adir seyne tochter bestatet vnde vorm annet, czu handis ist er yn scholdygyre bestatunge czu gebin noch synis gutes achte, als eczliche sprechin; ich spreche abir, dyweyle eyn m an Iebit, zoist her seynis gutis eyn hirre; ydoch noch gewonheyt der lande m ag m an das haldin sust vnde zo als yn yczlichim landegewonheyt ist.dist. 7.V orm annit sich ouch eyne tochter adir bew eybit sich eyn son ane des vatirs w<strong>il</strong>le vnde ane ra t synir vrunde, dy müssen,yrre bestathunge beyten noch yres v ater thode.dist. 8.Lenrecht heldet alzo: S trebit eyn m an vnde lehet nicht zone, zo ist das erbe kom en an den lehenherren m it rechte;der mag ys gebin weme her wyl. B leybin tochtere, den sal volgin alle vam de habe, ys sey gerade adir was ys sey vndeder husfrouwin. Ab wedir husfrouwe noch tochter do nicht en weren, zo sal ys folgin sym e nehestin, wer der ist vonrechte. Lezet auch eyn m an sone, der herre sal leyhen das lehen dem eldistin sone von rechtis wegin.<strong>II</strong>I.IV. 40,22»).Doch ist yn eczlichin gegenoten pferde anefang yn anderen rechten yrsaczt, in eczlichin steten m it seyms eynis handtin eczlichin selbachte, in eczlichin selbsebinde, alzo bleybit iczlich lan d t yn seynir gewonheyt seynis rechten.l) Folgt auf Ortloff I. 7, 7.*) Folgt auf Ortloff I. 11,3.3) Folgt au f O rtloff IV. 42,25100


IV


B U C H B E S P R E C H U N G E NRichard W inkel (Hrg. im A ufträge der T. H . Danzig),Die W eichsel. Ihre B edeutung als Strom und Schiffahrtsstrasseund ihre K ulturaufgaben. — D eutschland und derOsten, Quellen und Forschungen zur Geschichte ihrerBeziehungen, Bd. 13. — Leipzig: Verlag S. Hirzel 1940.445 Seiten, 150 Textabb<strong>il</strong>dungen, 11 te<strong>il</strong>s m ehrfarbigeTafeln.K urz vor Kriegsausbruch wurde von der deutschenHochschule an der W eichselm ündung diese um fangreicheU ntersuchung und Denkschrift dem polnischen H in terlandals M ahnung und Geschenk zugleich überreicht.Drei M itarbeiter schufen u n ter geographischen, w irtschaftsgeschichtlichenund wirtschaftswissenschaftlichenGesichtspunkten den grossen R ahm en für die Grundfragein der M assenbewirtschaftung des ehem aligen polnischenStaatsraum es und führten hin zum H auptab schnitt, dender M assenwirtschaftler schrieb.N. Creutzburg (Die W eichsel im osteuropäischen R aum )stellt den Strom innerhalb der grossen w estöstlich verlaufenden,zonalen Landschaftsgliederung dar und behandeltvon hier aus die Problem e der erdgeschichtlichenE ntstehung seines Laufes. Das Quellgebiet der jungenW eichsel und ihre ersten Zuflüsse ist die N ordabdachungder Beskiden. D ann folgen oberste W eichsel und in en t­gegengesetzter R ichtung der San m it den grossen tek to ­nischen Bauchschollenrändern, die zugleich die Dreiecksformder W eichsel-San-Senken bestim m en. Noch ungeklä rt ist die Frage der E ntstehung des W eichseldurchbruchesdurch das H orstgebirge zwischen Zawickost undPulawy. Die Ansicht, dass hier bereits v or der Eiszeitein Fluss nach N orden ström te, ist nicht ganz von derH and zu weisen, wenn auch die ste<strong>il</strong>en R andform en derTalenge einen rech t jungen E indruck m achen. Indemdie W eichsel bald nach dem E in tritt ins Flachland einergrossen eiszeitlichen Schmelzwasser-Sammelrinne folgt,kom m t der grosse nach W esten offene Strom bogen zustande,ehe sie über den L au f durch ihren zw eiten D urchbruch,diesm al durch einen stark eiszeitlich beeinflusstenH öhenrücken, das Meer erreicht. N ach diesen vorwiegendnaturw issenschaftlichen Darlegungen wird die geopolitischeStellung im R ahm en der S taatsb<strong>il</strong>dungen gekennzeichnetund das M issverhältnis zwischen Strom und polnischemW irtschaftsleben erörtert.D. K rannhals (Die Rolle der W eichsel in der W irtschafts*geschichte des Ostens) behandelt zuerst die frühen Völkerbewegungenim W eichselraum und belegt dann ausführlich,wie der deutsche R itterorden und später dieS tad t Danzig das V erdienst erw arben, das Strom gebietin die europäischen Handelsbeziehungen hineingestelltund dam it der W eichsel zu einer V erkehrsstellung verholfenzu haben. D er Niedergang setzt um 1660 ein. DieM itte des 19. Jah rhunderts b ringt u n ter dem Einflussder D am pfschiffahrt eine W iederbelebung der Binnenschiffahrt.P. Rehder (Die Verkehrsentwicklung au f der Weichsel)weist an ausführlichen Zahlen nach, wie gering bisher der102A nte<strong>il</strong> der neueren W eichselschiffahrt an dem G esam t­güterverkehr des Raum es war. W ichtig ist der Hinweisdarauf, dass der polnische S taat nach 1919 im Gegensatzzu den vorangegangenen Zeiten die gesam te W eichsel ineinem geschlossenen W irtschaftsgebiet zur Verfügungh a tte, die dam it eröffneten M öglichkeiten aber nicht ausnutzte.Derselbe Verfasser zeigt im vierten H auptte<strong>il</strong> des Buches(Der W eichselstrom und seine Bewirtschaftung) den lebendenStrom in seiner E igenart und die M assnahmen,seine W asserm assen zu bew irtschaften. Hierbei ergibtsich für die Geschichte des Strom ausbaues, bzw. fü r diem annigfachen U nterlassungen au f diesem Gebiet, fürdie Zeit vor dem W eltkrieg eine Gliederung nach S taatsgebieten.Die Sonderstellung der Weichsel hinsichtlichder W asserführung zeigt ein Vergleich zwischen ih r unddem Rhein. Bei der W eichsel verhalten sich die Abflussmengendes niedrigen Niedrigwassers zum M ittelwasserwie 1:4,2, des M ittelwassers zum hohen Hochwasser wie1:10 und schliesslich des niedrigen Niedrigwassers zumhohen Hochwasser wie 1:42. Die entsprechenden Zahlenfür den R hein lau ten 1:2,6, 1:5 und 1:13. Diese Ungleichheitergibt sich aus der geographischen Beschaffenheitder Einzugsgebiete beider Ströme. Sie w irkt sich auch aufdie ungünstigen E isverhältnisse und die Eisversetzungender W eichsel aus. M it den starken Schwankungen in derW asserführung hängen die w andernden Geschiebebänkeder W eichsel und die grosse W andelbarkeit ihres B ettes,vor allem in seinem Flachlandte<strong>il</strong>, zusammen. Da aberder grösste Te<strong>il</strong> des Laufes ein massiges Gefälle besitztund auch über eine durchschnittlich ausreichende W asserführungverfügt, die sich noch durch Staubecken verbessernliesse, so könnte m an aus der W eichsel eineSchiffahrtsstrasse m achen, die bis au f Rhein und D onaualle anderen Ström e M itteleuropas übertreffen w ürde(S. 212).Am zeitigsten begannen kurz nach der M itte des 19. J a h r­hunderts die Baum assnahm en an der Kleinen W eichselund am Grenzfluss der Prem sa. veranlasst durch Ö sterreichund Preussen. Im galizischen Strom stück begannder A usbau im grösseren Um fang in den achtziger Jah renund zwar vor allem in der Form des Uferschutzes. DieA rbeit an der Grenzweichsel zwischen R ussland undÖsterreich (Niepolomice bis Zawickost) wurde erst im 20.Jahrh u n d ert stärk er aufgenom m en, jedoch unzweckmässigte<strong>il</strong>weise zuerst strom abw ärts. Ausserdem hinkte dieRegulierung, die 1922 vertragsgem äss abgeschlossen seinsollte, au f dem linken U fer nach. D er Strom bau in K ongresspolenw ar unzureichend und stark abhängig von derA rt des Einsatzes der A nrainer. Zwei B<strong>il</strong>der (S. 245/46)zeigen den unterschiedlichen D eichzustand in einem deutschenund einem polnischen Siedlungsgebiet der Niederung.F ü r den preussischen Te<strong>il</strong> ab T horn wird eine eingehendeD arstellung der um fangreichen Strom bauarbeitengegeben. Besondere Aufgaben stellte die Gestaltungder M ündung. W ährend des W eltkrieges wurden von deut-


»eher Seite Pläne zu einem A usbau der m ittleren Weichselaufgestellt und die Verm essungen auch schon vorbereitendabgeschlossen. W ährend der polnischen Zeit b etätigtem an sich leider zuerst in einer theoretischen K ritteleiüber die preussischen Leistungen an dem unterstenStrom lauf; die dokum entarischen B <strong>il</strong>der über den Zustanddieser Strecke (S. 373/74) in deutscher und polnischerZeit reden eine andere Sprache, ebenso die A ufnahm envon den Sandbänken in der unteren W eichsel. D annerörterte m an in Polen entgegen einer klaren Planung fürden Strom ausbau weitreichende K analpläne, obgleichschliesslich die Regulierung des vorhandenen Strom esdie Grundlage für die Entw icklung eines leistungsfähigenW asserstrassennetzes ist.F ür Polen erschien das Buch zu sp ät; aber es steh t amAnfang eines neuen Gesprächs- und A rbeitsabschnittesim W eichselraum.Prof. Dr. Czajka, P ragNorbert Krebs, Die Grenzen Osteuropas. Abh. d. Preuss.Akad. d. W issensch. Jg . 1940, m ath. naturw . Kl. N r. 1. —Berlin 1940. 16 Seiten u. 2 T extkarten.I n der rein geographischen U ntersuchung interessiertuns vor allem die Behandlung der Grenze zwischenOst- und M itteleuropa. Die Ostgrenze lässt K rebs imSüden in der M anytsch Niederung beginnen; im weiterenVerlauf bevorzugt er die alte K ulturgrenze von Pallas,die über die Ergeni H öhen zieht, die R epublik derW olgadeutschen im W esten lässt und über den ObschtschiS yrt zur obersten B jelaja fü h rt, u n d schlägt d ann denOstfuss des U ral als Fortsetzung vor, die E inheit desGebirgszuges w ahrend. Gegen M itteleuropa k ann dieGrenze nach Ansicht des Verfassers durch physiographischeLinien n u r gestützt, aber nicht bestim m tfestgelegt werden. Die U nbrauchbarkeit auch des„W aräger-Grenzsaum s“ (A. Penck) wird m it ausführlichemM aterial zu beweisen versucht. Zur Bestim m ungder Grenze können nur eine grossräum ige B etrachtungund ethnographische wie geschichtliche T atsachen dienen.Die grossräum igen V erhältnisse zeigen, dass inM itteleuropa eine vertikale, in O steuropa aber einehorisontale Gliederung der Landschaftszonen vorherrscht;Steppen- u nd T undragürtel reichen nicht m ehr nachM itteleuropa herein. Die Ethnographie aber weist aufeine alte echte Kulturgrenze zwischen B alten-Poleneinerseits, die noch zum W esten und N orden gehören,und W eissrussen und U krainern andererseits. W esentlichv erstärk t wurde die Grenzwirkung durch die E n t­wicklung der kirchlichen Missionen (Rom und Byzanz)nach dem O sten und Norden Europas, deren gemeinsameGrenze des M ittelalters durch die jüngeren politischenB estrebungen innerlich nur gering verschoben wurde.Etw a an diese K ulturgrenze hielten sich auch die m eistenpolitischen Grenzen in der Geschichte Polens. Verfasserkom m t am Schluss zum Ergebnis, dass die neue In te r­essengrenze zwischen D eutschland und R ussland, besondersim Gebiet der m ittleren Läufe von Bug und San,in jenem Grenzgürtel liegt, dev durch die kulturelleund politische Entw icklung zu einer R ealität gewordenist. Am oberen San hingegen werden durch die neueGrenze anthropogeographische Einheiten zerrissen.D r. Hans Graul, K rakauTheodor Rohlfing und Rudolf Schraut: Die Neuordnungdes Rechts in den Ostgebieten. Sammlung der Reichsgesetze,der Verordnungen der M <strong>il</strong>itärbefehlshaber, derR eichsstatthalter Danzig-W estpreussen und W artheland,des Generalgouvem eurs für das GeneralgouvernementPolen m it kurzen Anmerkungen. — GuttentagscheSam m lung Deutscher Reichsgesetze Nr. 220. — Berlin:Verlag de G ruyter 1940. 191 Seiten.Die E igenart der vorliegenden Gesetzessammlung beruhtdarin, dass ihre H erausgeber die N eugestaltung desR echts im deutschen O straum als einheitliches Ordnungsproblem, dessen Lösung dem Reichsgesetzgeberaufgegeben ist, aufgefasst haben. Mit sicherer H andhaben die B earbeiter aus der Fülle des Gesetzesmaterialsdiejenigen wichtigen Rechtsquellen ausgewählt, dieder schrittw eisen Rechtsangleichung in den heimgekehrtenReichsgauen Danzig-W estpreussen und W arthelandund der Rechtsneuordnung im Generalgouvernement dienen.Die A nerkennung des Verdienstes, das sich die Bearbeiterm it der H erausgabe einer die G esam theit der neuendeutschen Ostgebiete berücksichtigenden Quellensammlungerworben haben, schliesst nicht aus, dass der imGeneralgouvernem ent tätig e deutsche Rechtswahrergerade dem in der Sam mlung enthaltenen neuen R echtdes Generalgouvernem ents seine besondere B eachtung,aber auch sein besonderes kritisches Augenm erk schenkt.Abgesehen von der Bezeichnung des Generalgouvernements als „G ouvernem ent Polen“ , die niemals amtlichverw endet w urde, finden sich eine ganze Reihe vonVorschriften, die am 1. 7. 1940, dem Tage, an dem dieZusam m enstellung abschliessen soll, zum m indestenim Generalgouvernem ent keine R echtsgültigkeit mehrhatten. So w aren beispielsweise an dem vorhin angegebenenStichtag für das Gebiet des Generalgouvernementslängst überholt folgende noch vom Oberbefehlshaberdes Heeres au f Grund vollziehender Gewalt erlassenenVerordnungen: Die VO. über Sondergerichte im besetztenpolnischen Gebiet vom 5. 9. 1939 (S. 40), § 4 der VO.über W affenbesitz vom 12. 9. 1939 und die hierzu ergangeneErgänzungs-VO. vom 21. 9. 1939 (S. 42) sowie§§ 2 und 3 der VO. über die Verfolgung der vor dem1. 9. 1939 in den von den deutschen Truppen besetztenpolnischen Gebieten begangenen strafbaren Handlungen.Ebenso ist der W egfall ihrer Geltung im Generalgouvernement festzustellen hinsichtlich der VO. über die Gestaltungder Arbeitsbedingungen und den Arbeitsschutz vom17. 10. 1939 (S. 54), der VO. über die Einsetzung vonkom m issarischen V erw altern für U nternehm ungen, Betriebeund G rundstücke vom 29. 9. 1939 (S. 114) undder VO. über die Reichskreditkassen vom 23. 9. 1939(S. 128).Neben der Berichtigung dieser Unstim m igkeiten istdringend zu wünschen, dass in einer Neuauflage, wie103


dies bei den eingegliederten Reichsgauen übrigens geschehenist, für jedes der Sachgebiete jewe<strong>il</strong>s auch diefür Behördenaufbau und V erw altungsführung grundlegendeVerordnung des Generalgouvem eurs Aufnahm efinden möge. Dies g<strong>il</strong>t zum m indesten fü r die VO. überden A ufbau der Verw altung in den besetzten polnischenG ebieten vom 26. 10. 1939 (VO. Bl. GGP I, S. 3) undfür die VO. über die Verw altung der polnischen Gemeindenvom 28. 11. 1939 (VO. Bl. GGP I, S. 72).Dr. Siegm und Dannbeck, K rakauDas polnische Strafgesetzbuch m it der V erordnung betr.Ü bertretungen und den Einführungsvorschriften. Ü bersetztund eingeleitet von Josef A nton Chodzidlo. Sam m ­lung polnischer Gesetze in deutscher Ü bersetzung imA ufträge des O steuropa-Instituts in Breslau, herausgegebenvon Dr. ju r. Heinz Meyer, Bd. 7. — Berlin:C. Heym anns Verlag 1940. 121 Seiten.Das polnische S trafrecht wurde in den eingegliedertenOstgebieten m it W irkung vom 15. 6. 1940 ausser K raftgesetzt. Die im Generalgouvernem ent bestehenden deutschenGerichte w enden gemäss § 8 der Verordnung desGeneralgouverneurs über die deutsche G erichtsbarkeitim Generalgouvernem ent deutsches Strafrecht an. T rotzdemist die K enntnis des polnischen Strafrechts auch fürdie deutschen Gerichte u n d Staatsanw altschaften imG eneralgouvernem ent von wesentlicher B edeutung, daStrafsachen, deren Gegenstand eine nach deutschemS trafrecht straflose, nach polnischem S trafrecht aberstrafbare H andlung b<strong>il</strong>det, an die polnischen Anklagebehördenabzugeben sind. Die soeben erschienene deutscheAusgabe des polnischen Strafgesetzbuchs und derVerordnung betr. Ü bertretungen vom 11. 7. 1932 w<strong>il</strong>ldem im G eneralgouvernem ent tätig en deutschen R echtswahrer diese K enntnis verm itteln. Die wohlgelungenedeutsche Ü bersetzung schliesst sich in W ort- und Begriffsb<strong>il</strong>dungan die der deutschen Strafgesetzgebung undStrafrechtslehre eigene Terminologie an. Eine knappe,aber tiefgreifende Einleitung berichtet über Ideengehaltund hervorstechende sachliche U nterschiedlichkeiten despolnischen Gesetzgebungswerkes des Jahres 1932. Sob<strong>il</strong>det der handliche kleine B and einen verheissungsvollenA u ftakt der vom O steu ro pa-Institut geplantenSam m lung polnischer Gesetze und kann der Beachtungdes im G eneralgouvernem ent tätig en deutschen S trafrechtlersbestens em pfohlen werden.Dr. Siegm und Dannbeck, K rakau104Ursula Hahlweg, Flugblatt und Zeitung in den Anfängendes Zeitungswesens in Polen. Schriften der Albertus-U niversität. — Königsberg (Pr.): O steuropa Verlag 1940.123 Seiten.Die W ertung der Presse als Spiegelb<strong>il</strong>d ihrer Zeit istlängst zum allgemeinen G ebrauch geworden, und nam entlichdie Forschungen über die Anfänge des Zeitungswesenshaben'm anchm al überraschende Ergebnisse im H inblickauf die geistige, kulturelle und politisch-w irtschaftlicheS tru k tu r der m it ihnen verbundenen Epochen erbracht.Ähnlich steh t es auch m it der sorgfältigen A rbeitvon U rsula Hahlweg, deren B eitrag zur wissenschaftlichenU ntersuchung des beginnenden Zeitungswesens inPolen vor allem deshalb Beachtung erheischt, we<strong>il</strong> durchihn objektiv und unanfechtbar wiederum ein Beweis geliefertw ird fü r die starken deutschen K ultureinflüsse impolnischen R aum , w ährend zugleich die durch die H errschaftdes Adels u n d der Kirche bewirkte geistige undpolitische W irrnis in diesem Lande im 16. und 17. J a h r­hundert erneut eine aufschlussreiche Aufhellung erfährt.Diese U m stände schufen in ihrer Gesam theit fü r dieEntw icklung des polnischen Zeitungswesens insofern einebesonders eigenartige und von den publizistischen V erhältnissenEuropas zur dam aligen Zeit abweichende Situation,als sich das F lugblatt — m eist handgeschrieben,in m inderer Zahl aber auch gedruckt — in Polen weitlänger, näm lich bis ins 18. Jah rh u n d ert hinein, als h a u p t­sächliches nachrichtliches U nterrichtungsm ittel erhielt,als im übrigen E uropa, wo zu dieser Zeit die periodischerscheinende Zeitung in mancherlei G estalt bereits Fussgefasst h a tte. Dies m uss als K riterium für den Z ustanddes öffentlichen Lebens in Polen angesehen w erden, derdurch die einseitig au f Sensation ausgerichtete H altungdes Leserpublikum s und die vor allem von der Geistlichkeitausgeübte Zensur zunächst keine M öglichkeitfür den B estand eines periodisch erscheinenden B lattesbot. D er erste V ersuch einer wirklichen polnischen Zeitung,des von Gorczyn in K rak au herausgegebenen „MerkuryuszPolski“ scheiterte bereits nach einem halbenJ a h r (1661), und es dauerte fast siebzig Jah re, bis derOrden der P iaristen ein naturgem äss ganz von der K irchebestim m tes neues B latt, den „K urier Polski“ , erscheinenliess (1729). E rst m it ihm begann eine längere Zeit fortdauerndeU n terrichtung der polnischen Öffentlichkeitdurch eine Zeitung, allerdings ohne dass dam it das handgeschriebeneF lu g blatt verschw unden wäre.Aus diesen T atsachen allein ist schon ersichtlich, welcheMischung von geistiger Stum pfheit und kirchlicher undstaatlicher Bevorm undung das öffentliche Leben im damaligen Polen charakterisierte. Es ist darum nicht weiterverw underlich, dass sich die P ionierarbeit auf dem Gebietdes Zeitungswesens unter w esentlich deutschem E influssvollzog, selbst da, wo F lu g b lätter und Zeitungenausgesprochen nationalpolnischen Einschlag aufweisen.Denn nicht n ur die frü hen handgeschriebenen Flugblä tte r — deren sich auch die H errscher lange Zeit zueiner A rt von P ropagand a bedienten — sind nach einemkurzen Beginn in lateinischer Sprache laufend deutschsprachiggehalten, sondern auch die späteren gedrucktenStücke sind m it gotischen L ettern in der sogenanntenSchwabacher F rak tu r abgesetzt. D araus ergibt sich m itB estim m theit, dass diese F lugblätter, die eben nur dannA bsatz finden konnten, wenn sie in der am m eistenverbreiteten Sprache gehalten w aren, in der H auptsachesich n ur in den Schichten durchzusetzen verm ochten,deren N iveau durch deutschen K ultureinfluss gehobenwar, und w eiter, dass au f lange Zeit hinaus deutscheW erkm annsarbeit den Polen ü berh aupt erst die M ittelzur Schaffung eines Zeitungswesens in die Hand gab.


Denn auch sowohl der „M erkuryusz Polski“ , als auch derspätere „K urier Polski“ bedienen sich gleicherweise der gotischenF raktur. H inzu kom m t, dass die ersten nachrichtlichenD ruckschriften, die sich neben den handschriftlichenF lugblättern in Polen finden, von dem wesentlichdeutschen K rakau ausgingen, und zw ar auch wieder ausdeutschen W erkstätten, näm lich des Michael Scharffenberger,sowie der D rucker E iert und Schreiber, denen imLauf des 17. und 18. Jahrhunderts viele deutsche F achkräftefolgten.Es ist ein Verdienst der vorliegenden U ntersuchung, dasssie diese Zusam m enhänge erforscht und zugänglich m achtin logischer und streng wissenschaftlicher Darstellung.Sie w irkt deshalb nicht n ur durch sich selbst, sondernverm ag fü r weitere Forschungen die Grundlage abzugeben,au f der w eitergebaut werden k ann in dem Sinn, derheute der Ostforschung einzig ansteh t: der Aufdeckungund Sichtbarm achung der vielfältigen Einflüsse desD eutschtum s in Polen, die ja , wie dargestellt, nicht zumwenigsten auch in der Publizistik festzustellen sind.R udolf Stoppler, K rakauWalter Wiora, Die deutscheVolksliedweise und derOsten.Schriften zur m usikalischen Volks- und R assenkunde,Bd. 4. — W olfenbüttel und Berlin : Georg Kallm eyerVerlag 1940. 128 Seiten.W alter W ioras U ntersuchung über das deutsche Volksliedim Osten, vornehm lich in den seit längeren Zeitläufenschon von dem M utterlande getrennt sichentwickelnden und geographisch ferneren Sprachinseln,unterstellt sich in wissenschaftlicher Strenge dem D ienstder kulturpolitisch ausgerichteten Volkstum sforschung.D adurch, dass W iora seine A rbeit nicht n u r fü r dieMusikwissenschaft als notw endig ansieht, sondern sievon vornherein vom S tan dpun kt desjenigen aus angreift,der m it seiner Spezialuntersuchung B austeine liefernw<strong>il</strong>l fü r ein grösseres, um fassenderes Geistesgebiet,eignet dem W erk neben der Solidität exakter wissenschaftlicherSezierarbeit die angenehm -anregende Blickweitedes grössere Zusam m enhänge Ü berschauenden.Der Verfasser w idm et das erste K apitel — es m achtetw a ein D rittel des Buches aus — der allgemeinendeutschen Volksliedforschung und zeigt in aller D eutlichkeitzunächst einm al die Voraussetzungen zur U ntersuchungdes Te<strong>il</strong>gebietes „Lied im Osten“ auf: Geschichtswissenüber die E ntw icklung der Ostkolonien,(wobei Schlesien u n d O stpreussen als „älteste“ Kolonisationsgebieteselbstverständlich eine nicht geringeRolle spielen), Eindringen in die besonderen Lebensformenund rassischen Zusam m ensetzungen der Menschenin den Sprachinseln, sichere Scheidung zwischen deutschemund nichtdeutschem L iedgut, zu der eine guteK enntnis der Musik der jewe<strong>il</strong>igen Frem dvölker alsHandwerkszeug gehört.Der Verfasser vergleicht die deutschen Liedweisen derOstgebiete m it den gleichen W eisen, wie sie sich innerhalbdes deutschsprachigen Bereiches und seiner „R ückzugsgebiete“erhalten oder selbständig weiterentwickelthaben, und kom m t zunächst zu einer Charakterisierungdes Erscheinungsb<strong>il</strong>des des östlichen deutschen Liedes:Einerseits ein sorgfältigeres und strengeres Bewahrenjener spätestens m ittelalterlichen Form en, die nochkraftvollere Im pulse und grössere rhythm ische Mannigfaltigkeitaufweisen (Siebenbürgen, Gottschee) als jene,die in nachfolgenden Jah rhunderten m it ihrer gewissenVerarm ung durch den stab<strong>il</strong>en T ak t entstanden sind,andererseits die Neigung zu einer musikalischen Prim i­tiv itä t. Diese zeigt sich in der E rhaltung einer hohenZahl von Urform en, die im sich schneller entwickelndenM utterland keine so lange Lebensdauer h atten, sowieauch in der Einfachheit selbständiger Neuschöpfungen.Die P rim itiv ität der Neuschöpfungen ist insofern bedeutsam, als sie u n ter M enschen bunt zusammengewürfelterH erkunft — aus Süden, W esten, M itte und Nordendes M utterlandes — entstanden sind, die zweifellosdurch das abgeschiedene und schlichte Dasein in ihrerm usikalischen P ro d u k tiv ität in ein — am H eim atlandgemessen — rückschrittliches Stadium geworfen wurdenu nd d ort von sich aus neu beginnen. Hier lassen sichanhand der zahlreichen Beispiele von der W andelbark eit eines M elodiekerns in verschiedenen Umgebungenwichtige U ntersuchungen im H inblick auf die musikalischeRassenforschung vornehm en. „OstdeutscheMelodien sind, im ganzen gesehen, tak tbeto n ter undrhythm isch einfacher als westdeutsche Fassungen“ oder„D as Singen der K olonisten ist weniger unbeschwertu nd fröhlich als das Lied im M utterlande“ . In Polenbringen die ständigen volklichen Gegenströmungen diestrengere A rt und m it ihr die puritanischere Frömmigkeit des deutschen Liedes hervor, in R ussland schleichtsich etw as von der slawischen W eichheit in das deutscheSingen ein usw. Diese Beispiele für die Umwelteinflüsselassen sich w eiter ausspinnen.W ichtig sind sodann W ioras E rkenntnisse in Bezug aufdie Durm elodik. D urch das auffallend häufige Vorkommen form al alter Durm elodien bei den Siedlern in denöstlichen Gebieten, die ih r Liedgut bereits vor derallgem einen späteren D ur-V orherrschaft aus dem M utterland m itgenom m en haben, sieht der Verfasser den Beweisdafür, dass das D ur in jener Zeit bereits eine grössereRolle spielte, als m an bisher anzunehmen geneigt war.D er U ntersuchung des deutschen Liedes in den Kolonisationsgebietendes Ostens schliesst sich ein weitererFragenkreis an: Die gegenseitige Überfrem dung desLiedes sowohl der Deutschen als auch ihrer Gastvölker,wobei der Einfluss des deutschen Elementes auf dasöstliche E uropa in diesem begrenzten Rahm en vom Verfasserselbstverständlich nur gestreift werden kann.Im ganzen b ringt das Buch bei klarer Gliederung undgedrängtem In h alt viel M aterial und gibt demjenigen,der sich w eiterhin m it dem Sachgebiet beschäftigenw<strong>il</strong>l, durch ausgezeichnete Quellenangaben, die wegenihrer R eichhaltigkeit au f den Rang einer Bibliographiedes deutschen Liedes im Osten Anspruch haben, Anregungund U nterlagen für weitere Vertiefung.Gerda Pelz, K rakau105


Hermann Barge, Geschichte der Buchdruckerkunst vonihren Anfängen bis zur Gegenwart. — Leipzig: VerlagPh<strong>il</strong>ipp Reclam jun. 1940. 520 Seiten m it 134 Abb.,16 Tafeln u. 1 Be<strong>il</strong>age.H erm ann Barge, dem wir schon eine „Geschichte derB uchdruckerkunst von 1600 bis zur Gegenw art“ (Demeter-Verlag)verdanken, bringt sein um fassendes W erk derB uchstadt Leipzig zum fünf hundertjährigen Jub<strong>il</strong>äumder G utenberg’schen G rosstadt dar. E s ist B. nicht nurum ein Fachbuch, obwohl es auch das in ganz ausgezeichnetemSinn ist, sondern darüber hinaus um eineDarstellung zu tu n gewesen, die auch des Nichtfachm annsInteresse an W esen und W erden des gedruckten Bucheszu gewinnen weiss. So schreibt B. die Geschichte desBuchdrucks als eines wesentlichen F aktors abendländischerK ulturgeschichte, gliedert die Fülle des Stoffesnicht im technisch-historischen, sondern im universalhistorischenSinn (so w ird z. B. dem K apitel „D er B uchdruckdes 16. Jah rhunderts im deutschen Sprachgebiet“ein A bschnitt „D ie neue Zeit und die neuen Ziele“ vorausgeschickt,das K apitel über das 19. und 20. Jahrhundertm it einer B etrachtung über den „allgem einen C harakterder Technik des 19. Jahrh underts“ eingeleitet). Der Buchdruckwird som it im geistesgeschichtlichen R ahm engesehen, erfährt als M ittler des jewe<strong>il</strong>igen Zeitgeistes dieihm wesensgemässe B ehandlung.Dabei ist der regionale R ahm en denkbar w eit gespannt:neben dem deutschen B uchdruck w ird nicht n u r deritalienische, französische, spanische, englische und mederländischebehandelt, auch Nord- und Südam erika sindin die D arstellung einbezogen. Im Blickfeld unserer Betrachtungliegen natürlich vor allem die „R andgebietedes Deutschen Reiches“ . Neben der Schweiz, Böhmen,den baltischen L ändern usw. ist auch den deutschenB uchdruckern Polens eine knappe D arstellung gewidmet,führte doch die Buchnachfrage der U niversitätsstadtK rakau, die durch den westlichen Im port nicht gänzlichgedeckt werden konnte, zur Drucklegung wissenschaftlicherL iteratur. Besonders zu erwähnen w äre hier die P ersönlichkeitdes K rakauer E rstdruckers, des D eutschenCaspar Straube, über dessen H erkunft die Aktenverm erke„von Dresen“ und „von Leypczke“ A uskunft geben, desweiteren Johan n H aller aus R othenburg o. T. und SweipoldVeyl, der einige in altem Kirchenslawisch geschriebeneW erke in zyr<strong>il</strong>lischer Typographie druckt.Heinz G ünther Oliass, K rakauGeorg Königk, Der Kampf um die deutsche Ostgrenzein Versa<strong>il</strong>les. Forschungen des D eutschen AuslandswissenschaftlichenIn stitu ts, Abte<strong>il</strong>ung Politische Geschichte,Bd. 2. — B erlin: Juncker & D ünnhaupt 1940.94 Seiten.Die A rbeit behandelt eigentlich nicht das, was der T itelverm uten lässt. Nach einem einleitenden K apitel, das diepolnische Frage bis 1914 streift, stellt der Verf. die E n t­wicklung des Problem s während des W eltkrieges dar.Die Frage der Grenzziehung wird erst in der M itte desBuches kurz angeschnitten, um dann eingehender n u r indem achtzehn Seiten langen Schlussabschnitt, der denVersa<strong>il</strong>ler V erhandlungen gewidmet ist, erörtert zu werden.Die A rbeit soll nach der Absicht des Verf. eine E r­gänzung b<strong>il</strong>den zu dem nun schon über ein Jah rzehntzurückliegenden B uch W alter Reckes; insbesondere wollteder Verf. die nach jener Zeit veröffentlichten wesentlichenNeuerscheinungen M arian Seydas, Hutten-Czapskisund Lloyd George’s verw erten. N un liegen allerdings ausjüngster Zeit bereits zwei deutsche Arbeiten, die von Perdelwitzund Schapp, vor, von denen wenigstens Perdelwitz diese Quellen bereits in starkem Masse herangezogenhat. Die Königksche V erarbeitung dieses neuen M aterialsist jedoch entschieden geschickt, weitaus geschickterz. B. als die von Perdelwitz geübte Aneinanderreihungvon Z itaten, die m eist aus der doch sehr einseitigen QuelleSey da stam m en. K önigk gibt einen reinen T atsachenberichtund en thält sich eigener B etrachtungen so gut wieganz. Von Interesse ist jedoch die D arstellung der V ersa<strong>il</strong>lerVerhandlungen über die Grenzziehung, bei dersich die einsichtsvollere H altung Lloyd George s scharfvon der parteiisch die masslosen Forderungen Dmowskisbegünstigenden Politik Jules Cambons u nd W<strong>il</strong>son sabhebt. Die Rolle der am erikanischen V ertreter auf derFriedenskonferenz h ä tte noch stärker unterstrichen werdenkönnen, jedoch m ag der Verfasser m it R ücksichtau f den geringen Um fang des Buches au f nähere Ausführungenverzichtet haben.Eine Reihe von Ungenauigkeiten bei der Verwendungvon Jahreszahlen — der Verf. d atiert z. B. die Aufhebungder Leibeigenschaft in R ussland auf 1862, das französischrussischeB ündnis auf 1890— , der Eigennam en — derrussische M inisterpräsident G orem ykin tr itt uns als Goremkin entgegen, ganz abgesehen von der nicht immergenauen Schreibweise polnischer Namen — , und der Zitierweise— so sind z. B. die Angaben über Auflagen undSeiten bei Dmowski kaum nachzufinden — mögen denbesonderen U m ständen zuzuschreiben sein, u n ter denender Verfasser infolge des Krieges seine A rbeit abschliessenm usste. Sie wirken aber störend, besonders im Hinblickdarauf, dass das B uch für den N icht-Fachm ann bestim m tist, der solche Fehler ja nicht gleich erkennen kann. T rotzdemist die flüssig geschriebene A rbeit geeignet, demLaien einen Ü berblick zu verschaffen; dass sie dem H i­storiker nicht viel Neues zu bieten h a t, ist bei der Behandlungeines derart weitverzw eigten Gebiets au f so schm a­lem R aum nicht verw underlich.D r. E llinor von Puttkamer, BerlinCarl Schmitt, Positionen und Begriffe im Kampf gegenWeimar — G enf— Versa<strong>il</strong>les 1923 bis 1939.— H am burg:H anseatische V erlagsanstalt, 1940. 332 Seiten.D er über 300 Seiten starke stattliche B and stellt sich alseine Sam m lung von A ufsätzen, V orträgen und Reden desB erliner Staatsrechtslehrers Carl Schm itt dar. Jede der 36in sich geschlossenen kleineren und grösseren Abhandlungenweist eine Jahreszahl auf, aus der sich Zeitpunkt undAnlass des E ntstehens ergeben. 21 der Abhandlungen


stam m en aus der Zeit, von 1923 bis zur M achtübernahm edurch den Nationalsozialism us, die übrigen 15 Aufsätzeführen bis in die unm ittelbare Gegenwart hinein.Die B edeutung dieses Sam melwerkes liegt in seiner ineinem dreifachen Sinne zu begreifenden V i e ls e itig k e it.Zunächst einm al in einer Vielseitigkeit der behandeltenG e g e n s tä n d e . Staats- u n d verw altungsrechtliche T hemenwechseln ab m it den sehr zahlreich vertretenenArbeiten völkerrechtlichen Inhalts. Staats- u nd rech tsph<strong>il</strong>osophischeProblem e werden neben Fragenkreisender Rechts- und Verfassungsgeschichte behandelt. H ierfinden w ir den im Jah re 1925 zur Jahrtausendfeier derRheinlande in Köln gehaltenen V ortrag „Die R heinlandeals O bjekt internationaler Politik“ , dort die verschiedenender E nthüllung des W esens der Genfer Liga undihrer im Dienste der „Sieger“ von 1918 stehenden Zweckegewidm eten Arbeiten, dort wiederum die b erü h m t gewordeneBarcelonaer Rede über „Das Z eitalter der N eutralisierungenund E ntpolitisierungen“ aus dem Jah re1931 und endlich die um 1935 einsetzenden bahnbrechendenA rbeiten über die Problem e der gegenseitigen Beistandspakte,des Kriegs- und N eutralitätsrechts und diegerade auch für die politische N eugestaltung des O straumes bedeutsam en m eisterhaften Gedanken über dasvölkerrechtliche Grossraum prinzip und über den Reichsbegriffim Völkerrecht. Dem staatsrechtlichen A rbeitsbereichgehört an die bekannte bereits aus dem Jah re1924 datierende Auseinandersetzung m it den VorschlägenR ichard Thom as zur R ezeption „weitläufiger“ , d. h.in W ahrheit der dem okratischen W eltpresse geläufigerund ih r dienstbarer Begriffe. H ier begegnen wir wiederder ersten Fassung der berühm t gewordenen A bhandlungüber den „Begriff des Politischen“ m it der Z urückführungalles Politischen auf die U nterscheidung von F reund undFeind, den tiefgründigen— und leider so oft m issverstandenen—- Darlegungen über den „to talen S ta a t“ und überdas W esen der T o talität als solcher, der K ölner A n trittsvorlesungüber „Reich, S taat und B und“ und der imvorigen J a h r erschienenen B etrachtung der beiden grossen„D ualism en“ des heutigen R echtssystem s (Völkerrecht— S taatsrecht und öffentliches R echt —- P riv atrecht).Vielseitig ist das Sammelwerk zum zweiten im Hinblickau f die P e r io d e n , deren B etrachtung es sich widmet.Es um spannt die ganze Problem atik des 19. Jahrhundertsm itsam t seinen politischen W irrnissen und weltanschaulichenFragw ürdigkeiten, das Bism arck’sche Reich, die beidenJahrzehnte der politischen Ohnm acht des DeutschenVolkes und Reiches u nter Versa<strong>il</strong>les, W eimar und Genf,die nationalsozialistische Schicksalswende, das Werdendes Grossdeutschen Reichs, seine Führungsaufgabe innerhalbder europäischen Grossraumordnung und die E r­füllung des Reichsgedankens in diesem neuen völkerrechtlichenOrdnungssystem . Der besonderen Beachtung desLesers seien hiebei, we<strong>il</strong> innerhalb der Fülle des Gebotenenleicht der Gefahr des Übersehenswerdens ausgesetzt,em pfohlen zwei Aufsätze über den Staatsph<strong>il</strong>osophen desspanischen K onservativism us, Donoso Cortes, deren besondererReiz in dem liebevollen Sichversenken des Autors indie geistige und politische Gesam tsituation des vorigenJah rh u n d erts liegt.Schliesslich ist die Aufsatzsam m lung aber auch ein Zeugnisfür die Vielseitigkeit der M e th o d ik d es D e n k e n s,die von Carl Schm itt ausging und ausgeht. Keiner derAufsätze trä g t das Gepräge einer n u r juristischen odern u r staatsw issenschaftlichen Betrachtungsweise, wie siedem N orm ativism us und Positivism us zu eigen war. SeinDenken ru h t stets au f universellen staats-, kultur- undgeschichtsph<strong>il</strong>osophischen Grundlagen, ohne dabei auchn u r einen Augenblick au f die lebendige Verbindung mitder der konkreten W irklichkeit entspringenden Situationzu verzichten. M an h a t dem Schöpfer des konkretenOrdnungsdenkens gar oft seine dezisionistische Vergangenheitvorgehalten und h a t ihm — und zwar nicht nurgelegentlich der Auseinandersetzung im StaatsgerichtshofverfahrenPreussen contra Reich — den Vorwurf der„Situationsjurisprudenz“ gemacht. Zu Unrecht! Innerebewusstseinsmässige V erbundenheit m it der konkretenLage, die es geistig zu bewältigen g<strong>il</strong>t, b<strong>il</strong>dete stets dieunerlässliche Voraussetzung für F ruchtbarkeit und Geltungskraftalles wissenschaftlichen Bemühens, eine E r­kenntnis, die in ihrer R ichtigkeit seit Hegel dem Gemeingutverantw ortungsbew usster W issenschaft angehört.Dr. Siegmund Dannbeck, Krakau107


a b b i l d u n g e nTitelb<strong>il</strong>d: Aus dem M arienaltar des Veit Stoss, 1477— 1489 zu K rakau entstandenIn- RA<strong>DI</strong>G , Die Vorgeschichte des ostdeutschen Lebensraum esSeiteAbb. 1. W estöstliche Ausbreitung des älteren Nordvolkes (Trichterbecherkultur) in der Indogerm anenzeit 11Abb. 2. Urgerm anen, A ltbalten und N ord<strong>il</strong>lyrer im nördlichen W e ic h s e lra u m ...........................................................14Abb. 3. Besiedlungsgang der frühostgerm anischen B astam en im W eichselraum ...........................................................17Abb. 4. Ausbreitung der B urgunden zwischen Oder und W eichsel im letzten Jahrhundert vor Zw......................19Abb. 5. Ausbreitung der W andalen und B urgunden in S c h le s ie n ..................................................................................... 21Abb. 6. Die W ikinger im Oder- und W e ic h s e lra u m ................................................................................................................ 23In: R AND T, Die Archive des Generalgouvernem entsHerzog K onrad von Masowien tr itt dem Deutschen Orden das K ulm er L and ab (U rk u n d e )32 aWenzel, König von Böhm en, gibt das Herzogtum Auschwitz dem Herzog von Teschen zu Lehen (U rkunde) 32 bG ründungsurkunde der S tad t K rak au zu deutschem R e c h t40 aKönig Ladislaus Ellenlang ü b erträgt dem deutschen Vogt M athias von Opatowice die Gründung der S tadtLublin zu deutschem R echt ( U r k u n d e )4® ^Herzog Johan n von Masowien verleiht der S tad t W arschau deutsches R echt (U rk u n d e )40 cK asim ir, König von Polen, überführt die S tad t R adom aus dem N eum arkter in das M agdeburger R echt (Urkunde) 40 dSigismund König von Polen, bestätig t ein A bkom m en zwischen den Augsburger Fuggern und K rak au überden Blei- und K upferhandel (U rk u n d e )............................................................................................................................. 48 aDas Gericht der 6 Städte (K rakau, Sandez, K asim ir, W ielizka, Bochnia, Olkusz) u rte<strong>il</strong>t in einem S treit zwischenLudwig Pruffer und P eter C z e c h 4®^In: GRAUL, Zur Gliederung der Landschaft zwischen W eichsel und K arpatenkam mAbb. 1. Grenzziehung der Passlandschaft von D u kla...............................................................................................................22Abb. 2. Die Landschaftsgliederung zwischen Weichsel und K arpatenkam m nach B au und R elief...................... 74Abb. 1.Abb. 2.Abb. 3.Abb. 4.Abb. 5.Abb. 6.Abb. 7.Abb. 8.In: OLIASS, Zur kunsthistorischen Stellung der K rakauer MarienkircheIn: NIEM ANN, Die W arschauer H andschrift des Meissener RechtsbuchesBl. 7. Rückseite der H andschrift Fol. A 30 des Staatsarchivs Königsberg (Hom eyer 612) m it einem Te<strong>il</strong> einerdieser H andschrift des Meissener Rechtsbuches eigentüm lichen Z u satzstelle......................................................... 88 aFaksim <strong>il</strong>e (B untdruck) von Bl. 157 Vorderseite der H andschrift Germ. F. <strong>II</strong>. 37 der Staatsbibliothek W arschau(Hom eyer 1126) m it dem Beginn des IV. Buches des Meissener R e c h ts b u c h e s ................................................ 92 a108


V O R A N Z E I G ED a s I n s t i t u t g ib t e r s t m a l i gM itte F e b r u a r 1941, dieM ITTEILUNGENDES<strong>INSTITUTS</strong> FÜR DEUTSCHE OST <strong>ARB</strong>EITh erau s. D ie „ M itte <strong>il</strong>u n g e n “ e n th a lte n w issenschaftliche V eröffen t­lic h u n g e n aus d en S ek tio n en des In stitu ts, a llg e m e in e F o rsch u n g s­ergebnisse aus allen F a c h g e b ie te n sow ie B erich te ü b e r d en A usbauu n d die O rg an isatio n des In s titu ts u n d se in e r S ektio n en. Sie sinddazu b e stim m t, d ie je n ig e n A rb eitserg eb n isse zu v erö ffe n tlic h e n , w elch en ic h t in d e r S c h rifte n re ih e u n d in d e r offiziellen V ierteljah ressch rift „ D IE B U R G “ z u m A b d ru ck g elan g en .

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!