Der Gerresheimer

Der Gerresheimer Titel„Das ist mein Lebenswerk“Interview mit dem Kölner Künstler Gunter Demnig, dem Erfinder der „Stolpersteine“1. Juni 20137Unter der Festnetz-Nummerbraucht man Gunter Demnigeigentlich gar nicht anrufen.280 Tage ist der KölnerKünstler im letzten Jahrunterwegs gewesen. Alsoversuchen wir es mobil.Hallo, Herr Demnig, wo erwischenwir Sie?Ich bin gerade in Dessau in einerPension und komme voneiner Stein-Verlegung.Sind die „Stolpersteine“ füreinen KulturschaffendenFluch oder Segen?Ach, das ist inzwischen zu meinemLebenswerk geworden.Und ich bereue nichts.Haben Sie das am Anfangvorausgesehen?Gar nicht. Vielleicht ein paarhundert, habe ich beim Startgedacht. Wenn’s gut läuft, tausend.Aber jetzt, im Juli, werdenwir in Holland, in Oos, 154Stolpersteine verlegen, und dawird auch mein 40 000. dabeisein. 1220 Kilometer nördlichvon Oslo in Norwegen - daswar bisher die weiteste Reise,wobei manchmal auch Leutevon weit nach Europa kommen,z.B. aus Japan oder Tasmanien.Andererseits habenschon Zeitungen in New Yorkberichtet oder auch die VietnamPost.Wird es beim Nr. 40 000nicht zur Routine?Das haben mich Freunde schonoft gefragt. Aber ich sagedann, kommt doch mal mit.Jetzt war z.B. in Potsdam, undda hat mir eine Schule zugearbeitet,eine 8. Klasse der Gesamtschule.Die haben extra1930er-Jahre-Kostüme besorgt.Das war toll!Wie schaffen Sie überhauptdiese Menge an Terminen?Am Anfang war ich ja ganz allein,aber mittlerweile ist dasein kompliziertes Projekt undDer Kölner Künstler Gunter Demnig,wie man ihn kennt.wir haben ein Fünfer-Team. Dasklappt ganz gut.Was schwebt Ihnen nochvor?Endlich haben wir Frankreich.Die Franzosen waren sehrskeptisch. Sie wollen nicht erinnertwerden, oder wenn, dannversteckt auf dem Friedhof.Das war ein großer Kampf.Schließlich gab es im zweitenWeltkrieg auch Kollaborationzwischen Franzosen und Deutschen.Das ist auch heute nochsehr gegenwärtig. Einfach istes auch nicht mit Polen. Warschauverlangt verschiedeneGutachten, um auszuschließen,dass man mit den Stolpersteinenan Opfer erinnert, dievielleicht Kapos waren, alsoHäftlingswärter in den KZs.Aber das sind alles Vermeidungsstrategien.InfoGunter Demnig, Jahrgang1947, Kunstpädagogik-Studium,ab 1985 freier Künstler,1993 Entwurf zum Projekt„Stolpersteine“.Er erinnert an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letztenselbst gewählten Wohnort Gedenktafelnaus Messing in denBürgersteig einlässt. Inzwischenliegen Stolpersteine inüber 500 Orten Deutschlandsund in mehreren Ländern Europas.schröIm Droste Verlag erschienen: Stolpersteineund ihre Geschichte.17 liegen inGerresheimAusgegrenzt, verletzt, abtransportiert,ermordet. DieVerbrechen der Nazis anBürgern in Gerresheim sindniederträchtig gewesen.Damit der Stadtteil die Menschennicht vergisst, gibt esStolpersteine, bisher 17 an derZahl. Sie sind verlegt wordenim Pflaster vor den letztenWohnstätten der Opfer mit ihrenNamen als Inschriften:Theodor Andresen, Franz Boehm,Karl und Therese Callmann,Jeanette Cohen undKarl Cohen, Bera Dirks undWalter Dirks, Hugo, Albert undHenriette Kussel, Moritz Ludwig,Flora, Arthur und EgonWagner, Adolf und Elise Zürndorfer.Der Droste Verlag hat es zusammenmit einem Expertinnen-Teamder Mahn- und Gedenkstättemöglich gemacht,den Ausgelöschten ein Gesichtzurückzugeben, in Düsseldorf,Erkrath, Langenfeld, Mettmann,Monheim und Ratingen.Zum Kauf des Buches wirdgeraten.schröInfoStolpersteineStumbling StonesHildegard Jakobs, Angela Genger,Andrea Kramp (Hg.)Droste Verlag29,80 EuroISBN 978-3-7700-1476-712 der 17 Stolpersteine, die zurzeit in Gerresheim verlegt worden sind, unter anderem vor der Katharinenstr. 20 (oben), und an der Schönaustr. 1 (2. Reihe). Fotos: schrö