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13.07.2015 Aufrufe

Cambrai, ein Frieden geschlossen, durch den Spanien endgültig zur dominierenden Machtin Italien wurde, während die Lombardei und ihre Nachbargebiete nach mehr als zwanzigJahren Krieg wirtschaftlich und moralisch am Boden lagen.Den politischen und diplomatischen Hintergründen der Ereignisse dieser Zeit sowie denmilitärischen Aktionen und ihren Köpfen sind viele Studien gewidmet worden. Da die Korrespondenzder Herrscher und ihrer Diplomaten in zahllosen Dokumenten überliefert istund der größte Teil der vielgestaltigen Masse an vor Ort entstandenen Quellen die Schilderungdes Krieges in seinen militärischen Einzelheiten in den Vordergrund stellt, beschränkensich diese Studien zumeist auf die Nacherzählung von Ereignissen aus der Vogelperspektiveund in sauberer chronologischer Reihung. Auf diese Weise lassen sich die einzelnenKriegszüge mit den Zahlenstärken der Heere und den Aufenthaltsorten der Protagonistenbis auf den Tag genau rekonstruieren, darüber hinaus aber machen die meisten dieserArbeiten kaum Aussagen. Dazu kommt die Begünstigung des Spektakulären. Schlachtenund Eroberungen, Taten einzelner Persönlichkeiten, deren Schilderung in erster Linie denRuhm des Betreffenden mehren soll, verstellen die Sicht auf die Masse der Beteiligten undverzerren das Bild schließlich auch wieder in chronologischer Hinsicht: wird der Schilderungeiner eintägigen Schlacht mehr Platz eingeräumt als den vorangehenden und nachfolgendenMonaten relativer militärischer Tatenlosigkeit, so entsteht der Eindruck eines Ereignisvakuumsvor und nach der Schlacht, das aber eben nur in militärischer Hinsicht einsolches ist. Diese Perspektive ist nicht nur durch das Interesse der Historiker vor allem des19. Jahrhunderts begründet, sondern wird auch durch die erdrückende Überrepräsentationvon Persönlichkeiten aus Politik, Diplomatie und Militär unter den Urhebern der Überlieferungbegünstigt.Da nun die Geschichte der Ereignisse in den italienischen Kriegen zwischen 1509 und 1530aus dieser Perspektive seit beinahe einem Jahrhundert annähernd vollständig geschriebenist, nimmt diese Arbeit eine andere, am entgegengesetzten Ende der sozialen und militärischenHierarchie angesiedelte Perspektive ein: der Krieg soll aus der Sicht der breiten Masseseiner Beteiligten beschrieben werden, und zwar sowohl aus der Sicht der Soldaten, genauergesagt, der Soldaten in den Diensten Spaniens und des Kaisers, als auch der Bevölkerungin den Gebieten, die jene durchzogen und in denen sie sich niederließen. Der Schwerpunktliegt dabei auf den vielfältigen Berührungspunkten zwischen Soldaten und Bevölkerung,und nicht auf den Ursachen und Umständen militärischer Konfrontationen. Denn derHunger war nicht weniger bohrend, nur weil die Saat im Zuge eines geschickten Manöverszertrampelt worden war, und für die Bewohner einer geplünderten Stadt war es zweitrangig,ob es Franzosen oder Spanier waren, die ihre Türen eintraten, die Truhen leerten undihre Kinder als Geiseln verschleppten. Für die Handwerker und Kaufleute in Mailandmachte es keinen Unterschied, wer die Schlacht von Pavia gewann, solange die Präsenz6

einer riesigen Masse von spanischen, deutschen, französischen, schweizerischen und italienischenSoldaten ihnen gleichermaßen das Geschäft ruinierte und manchmal auch belebte -daher hat der Ausgang der Schlacht von Pavia für die Ergebnisse dieser Arbeit genausowenigBedeutung wie die meisten der anderen hinreichend geschilderten Kriegstaten, die nurwieder politische, diplomatische und militärische, aber für die Masse der Beteiligten zunächstkaum gesellschaftliche Konsequenzen nach sich zogen. Diese Arbeit, so könnte manes auf den Punkt bringen, beschreibt die Phänomene, die den Alltag einer vom Krieg betroffenenGesellschaft prägten, wobei mit Krieg in erster Linie allein die Anwesenheit derSoldaten im Land gemeint ist. Auch dieser Alltag konnte durchaus von spektakulären Ereignissenheimgesucht werden, die aber hier vor allem insoweit von Interesse sind, wie sieihrerseits auf den Alltag zurückwirkten. Das folgende Schema gibt einen groben Überblicküber alle Arten von Beziehungen zwischen den beteiligten Gruppen, die für diese Arbeitvon Interesse sind:Für die Untersuchung wurden Quellen aus den Jahren 1509 bis 1530 von allen italienischenKriegsschauplätzen herangezogen, auf denen spanische und kaiserliche Soldaten zu findenwaren, mit Ausnahme des Königreichs Neapel, das zu dieser Zeit bereits nicht mehr alsbesetztes Gebiet, sondern als Bestandteil des spanischen Königreiches galt und von spanischenVizekönigen regiert wurde. Die geografischen und chronologischen Schwerpunktedieser Arbeit sind die Kriegsperiode von 1509 bis 1516 in der Terraferma und die von 15217

Cambrai, ein Frieden geschlossen, durch den Spanien endgültig zur dominierenden Machtin Italien wurde, während die Lombardei und ihre Nachbargebiete nach mehr als zwanzigJahren Krieg wirtschaftlich und moralisch am Boden lagen.Den politischen und diplomatischen Hintergründen der Ereignisse dieser Zeit sowie denmilitärischen Aktionen und ihren Köpfen sind viele Studien gewidmet worden. Da die Korrespondenzder Herrscher und ihrer Diplomaten in zahllosen Dokumenten überliefert istund der größte Teil der vielgestaltigen Masse an vor Ort entstandenen Quellen die Schilderungdes Krieges in seinen militärischen Einzelheiten in den Vordergrund stellt, beschränkensich diese Studien zumeist auf die Nacherzählung von Ereignissen aus der Vogelperspektiveund in sauberer chronologischer Reihung. Auf diese Weise lassen sich die einzelnenKriegszüge mit den Zahlenstärken der Heere und den Aufenthaltsorten der Protagonistenbis auf den Tag genau rekonstruieren, darüber hinaus aber machen die meisten dieserArbeiten kaum Aussagen. Dazu kommt die Begünstigung des Spektakulären. Schlachtenund Eroberungen, Taten einzelner Persönlichkeiten, deren Schilderung in erster Linie denRuhm des Betreffenden mehren soll, verstellen die Sicht auf die Masse der Beteiligten undverzerren das Bild schließlich auch wieder in chronologischer Hinsicht: wird der Schilderungeiner eintägigen Schlacht mehr Platz eingeräumt als den vorangehenden und nachfolgendenMonaten relativer militärischer Tatenlosigkeit, so entsteht der Eindruck eines Ereignisvakuumsvor und nach der Schlacht, das aber eben nur in militärischer Hinsicht einsolches ist. Diese Perspektive ist nicht nur durch das Interesse der Historiker vor allem des19. Jahrhunderts begründet, sondern wird auch durch die erdrückende Überrepräsentationvon Persönlichkeiten aus Politik, Diplomatie und Militär unter den Urhebern der Überlieferungbegünstigt.Da nun die Geschichte der Ereignisse in den italienischen Kriegen zwischen 1509 und 1530aus dieser Perspektive seit beinahe einem Jahrhundert annähernd vollständig geschriebenist, nimmt diese Arbeit eine andere, am entgegengesetzten Ende der sozialen und militärischenHierarchie angesiedelte Perspektive ein: der Krieg soll aus der Sicht der breiten Masseseiner Beteiligten beschrieben werden, und zwar sowohl aus der Sicht der Soldaten, genauergesagt, der Soldaten in den Diensten Spaniens und des Kaisers, als auch der Bevölkerungin den Gebieten, die jene durchzogen und in denen sie sich niederließen. Der Schwerpunktliegt dabei auf den vielfältigen Berührungspunkten zwischen Soldaten und Bevölkerung,und nicht auf den Ursachen und Umständen militärischer Konfrontationen. Denn derHunger war nicht weniger bohrend, nur weil die Saat im Zuge eines geschickten Manöverszertrampelt worden war, und für die Bewohner einer geplünderten Stadt war es zweitrangig,ob es Franzosen oder Spanier waren, die ihre Türen eintraten, die Truhen leerten undihre Kinder als Geiseln verschleppten. Für die Handwerker und Kaufleute in Mailandmachte es keinen Unterschied, wer die Schlacht von Pavia gewann, solange die Präsenz6

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