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13.07.2015 Aufrufe

Die wichtigste Information, die die Liste darüber hinaus über die Aufkäufer vermittelt, ist,wie gesagt, deren Beruf. Insgesamt 80 Personen geben ihren Beruf an, es handelt sich dabeifast ausschließlich um typische städtische Gewerbetreibende: angeführt wird die Liste von7 Schuhmachern, es folgen 6 Barbiere, jeweils 5 Schmiede und Müller, 4 Schneider undHerolde, daneben mehrere Angehörige weiterer Handwerksberufe wie Wollweber, Tuchfärber,Bäcker, Weber, Maler, Maurer, Kübelmacher, Wollschläger und vereinzelte weitereBerufe, schließlich einige Geistliche. Die Vielfalt der Berufe an sich zeigt bereits dieSelbstverständlichkeit, mit der sich breite Bevölkerungsschichten am Aufkauf der Beutebeteiligten.Die Zusammenhänge zwischen den Berufen der Aufkäufer und der Art und der Menge derWare bestätigen die oben aufgestellte Einteilung der Aufkäufer in drei Kategorien. Dass dieWare teilweise zum Zweck einer hauptberuflich ausgeübten kommerziellen Nutzung gekauftwurde, zeigt sich neben dem Umfang der Posten nämlich oft auch an den Berufen derBefragten: so ist es kein Zufall, dass ausgerechnet ein Kürschner, Francesco Cinghi (71)einen Posten mit 180 Stücken unbearbeitetem Leder kaufte, und der Schmied Piero di Goro(501) gedachte die von ihm gekauften 750 Pfund Alteisen mit Sicherheit in seiner eigenenWerkstatt weiterzuverarbeiten. Bezeichnender noch als ein Zusammenhang zwischen Wareund Beruf ist es aber, wenn ein solcher Zusammenhang eben nicht besteht, die Menge deraufgekauften Ware aber darauf hindeutet, dass sie mit dem Zweck des Weiterverkaufs erworbenworden war. Dieser Umstand zeigt ein weiteres Mal, dass findige Einwohner ausPistoia sich durch die Beteiligung am Ausverkauf der Beute aus Prato einen Nebenverdiensterhofften, der mit ihrer eigentlichen Tätigkeit nichts zu tun hatte. Vor allem für Stoffgab es offenbar einen guten Markt in Pistoia. So kaufte der Müller Giuliano di Francesco(289) insgesamt 114 Ellen Tuch für fast 10 Florin. Neben ihm betätigten sich viele andereauf ähnliche Weise als Gelegenheitskaufleute.Es ist schwer zu sagen, wie die moralische Beurteilung eines solchen Handelns bei denZeitgenossen ausfiel. Verurteilungen finden sich natürlich vor allem von Seiten der Opfer.In der oben schon erwähnten Chronik aus Prato heißt es: "Non si tacera l'innumanita devicini et altri soldati et Fiorentini che con le carre in quantita venivano a Prato a comprare igrani, olii, biade d'ogni sorte ..." 130 Die weite Verbreitung des Phänomens, die sich aus derListe aus Pistoia ergibt, widerspricht allerdings einer tief verwurzelten Einsicht in die Verwerflichkeitdes Aufkaufs von Beute an sich, als die dieser von den Opfern empfundenwurde. Pistoia zählte zu jener Zeit weniger als 6.000 Einwohner. 131 Bedenkt man, dass inder Liste 275 Einwohner von Pistoia als Aufkäufer figurieren und geht man weiterhin da-130131BRP, MS 72, S. 369.BELOCH, KARL JULIUS: Bevölkerungsgeschichte Italiens. Bd. 2: Die Bevölkerung des Kirchenstaates,Toskanas und der Herzogtümer am Po. Berlin 1961. S. 169. Dort ist für das Jahr 1551 die Zahl von 6.000Einwohnern angegeben, sie wird knapp 40 Jahre davor nach der allgemeinen demografischen Tendenzknapp darunter gelegen haben.40

von aus, dass an jedem Haushaltsvorstand im Durchschnitt fünf bis sechs Personen hingen,so ergibt sich, dass mindestens ein Viertel aller Einwohner von Pistoia in die Geschäfte mitder Beute aus Prato verwickelt war, wahrscheinlich aber noch mehr, wenn man unterstellt,dass es einigen gelang, sich dem Zugriff der Kommissare zu entziehen. Nicht weniger alsdie Verbreitung des Phänomens verblüfft auch die ganz selbstverständliche Verstrickungder Kirche in die Transaktionen, und zwar in allen möglichen Rollen: Cristofano di Mariotto(58) spendete ein aus der Beute gekauftes Altartuch an eine fromme Stiftung, undselbst ein Hospital aus Pistoia erscheint als Aufkäufer in der Liste. (155) Filippo di Tommaso(21) kaufte ein Tuch von einer gewissen Schwester Lorenza, Klosterfrau in Pistoia.Die Beteiligung von Geistlichen, die als Privatpersonen auftraten, ist durch weitere Mönche,Priester und einen Domkanoniker belegt. Aus all diesen Umständen lässt sich schließen,dass die Beteiligung am Handel mit Plünderungsbeute für die meisten Zeitgenossendurchaus nichts Anrüchiges war, selbst wenn die eigenen Nachbarn betroffen waren. Mankann sogar annehmen, dass viele sich insgeheim durch die Entschädigungsaktion um ihnenrechtmäßig zustehenden Besitz geprellt fühlten und daher den Kommissaren gegenüberbewusst falsche oder unvollständige Angaben machten. Lazzero di Nanni immerhin verleihtim Nachhinein, und vielleicht eher eingeschüchtert durch die angedrohte Strafe alsgetrieben von ehrlicher Reue und Einsicht in die sozusagen rückwirkend dekretierte Unrechtmäßigkeitseines Handelns, seinem schlechten Gewissen Ausdruck. Der Kommissarhielt in der Einleitung fest: "... volendo fuggire la pena del bando ... e per scharico di suaconscienza ..." (578) In der Regel aber wird durch die weite Verbreitung des Phänomensund durch die Tatsache, dass viele bereits aus zweiter und dritter Hand kauften, der Zusammenhangzwischen der Ware und dem Gedanken an die Plünderung immer indirekterund abstrakter geworden und damit das Gewissen der Aufkäufer immer weniger angesprochenworden sein.B. LösegelderpressungDie Schätzung von gefangenen Feinden, mit anderen Worten: ihre Freilassung gegen Zahlungvon Lösegeldern, war gängiger Brauch im Krieg, vor allem unter Adligen. Sieger undBesiegte beugten sich gleichermaßen einem Kanon von ritualisierten Spielregeln, durch diesowohl die Angemessenheit des Lösegeldes, als auch die Bedingungen der Gefangenschaftbestimmt wurden. Feilschen galt als stillos. 132 Bald wurden auch einfache Soldaten um Lösegeldgeschätzt, und zu Beginn des hier untersuchten Zeitraums hatten sich Konventionenfür die Lösegelder etabliert, die sich nach dem Rang des Gefangenen richteten: für einfache132ERLER, Der Loskauf Gefangener, S. 43.41

von aus, dass an jedem Haushaltsvorstand im Durchschnitt fünf bis sechs Personen hingen,so ergibt sich, dass mindestens ein Viertel aller Einwohner von Pistoia in die Geschäfte mitder Beute aus Prato verwickelt war, wahrscheinlich aber noch mehr, wenn man unterstellt,dass es einigen gelang, sich dem Zugriff der Kommissare zu entziehen. Nicht weniger alsdie Verbreitung des Phänomens verblüfft auch die ganz selbstverständliche Verstrickungder Kirche in die Transaktionen, und zwar in allen möglichen Rollen: Cristofano di Mariotto(58) spendete ein aus der Beute gekauftes Altartuch an eine fromme Stiftung, undselbst ein Hospital aus Pistoia erscheint als Aufkäufer in der Liste. (155) Filippo di Tommaso(21) kaufte ein Tuch von einer gewissen Schwester Lorenza, Klosterfrau in Pistoia.Die Beteiligung von Geistlichen, die als Privatpersonen auftraten, ist durch weitere Mönche,Priester und einen Domkanoniker belegt. Aus all diesen Umständen lässt sich schließen,dass die Beteiligung am Handel mit Plünderungsbeute für die meisten Zeitgenossendurchaus nichts Anrüchiges war, selbst wenn die eigenen Nachbarn betroffen waren. Mankann sogar annehmen, dass viele sich insgeheim durch die Entschädigungsaktion um ihnenrechtmäßig zustehenden Besitz geprellt fühlten und daher den Kommissaren gegenüberbewusst falsche oder unvollständige Angaben machten. Lazzero di Nanni immerhin verleihtim Nachhinein, und vielleicht eher eingeschüchtert durch die angedrohte Strafe alsgetrieben von ehrlicher Reue und Einsicht in die sozusagen rückwirkend dekretierte Unrechtmäßigkeitseines Handelns, seinem schlechten Gewissen Ausdruck. Der Kommissarhielt in der Einleitung fest: "... volendo fuggire la pena del bando ... e per scharico di suaconscienza ..." (578) In der Regel aber wird durch die weite Verbreitung des Phänomensund durch die Tatsache, dass viele bereits aus zweiter und dritter Hand kauften, der Zusammenhangzwischen der Ware und dem Gedanken an die Plünderung immer indirekterund abstrakter geworden und damit das Gewissen der Aufkäufer immer weniger angesprochenworden sein.B. LösegelderpressungDie Schätzung von gefangenen Feinden, mit anderen Worten: ihre Freilassung gegen Zahlungvon Lösegeldern, war gängiger Brauch im Krieg, vor allem unter Adligen. Sieger undBesiegte beugten sich gleichermaßen einem Kanon von ritualisierten Spielregeln, durch diesowohl die Angemessenheit des Lösegeldes, als auch die Bedingungen der Gefangenschaftbestimmt wurden. Feilschen galt als stillos. 132 Bald wurden auch einfache Soldaten um Lösegeldgeschätzt, und zu Beginn des hier untersuchten Zeitraums hatten sich Konventionenfür die Lösegelder etabliert, die sich nach dem Rang des Gefangenen richteten: für einfache132ERLER, Der Loskauf Gefangener, S. 43.41

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