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eine große Zahl von unmittelbaren Zeugnissen existiert, die den Sacco di Roma aus dieserSicht zur am besten dokumentierten Plünderung des gesamten untersuchten Zeitraums machen.Bevor die Mechanismen der Plünderung im Detail beschrieben werden, soll noch einmalauf die schon in der Einleitung angesprochene Verzerrung des Bildes zu Gunsten vonspektakulären Ereignissen hingewiesen werden: den Aufsehen erregenden Plünderungender großen Städte steht eine ungleich größere Zahl kleinerer Plünderungen gegenüber, vondenen man in den Chroniken in der Regel nichts erfährt, weil die betroffenen Orte keineeigene Überlieferung hervorgebracht haben. Im Krieg in der Terraferma wurden unzähligeStädte und Dörfer geplündert, viele davon über die Jahre hinweg mehrmals. Solche Szenerienwiederholten sich später in der Lombardei und ihren Nachbargebieten und vor allemauf dem Zug nach Rom: kaum in päpstliches Gebiet eingetreten, plünderte das Heer vonCharles de Bourbon Anfang April 1527 innerhalb von weniger als zwei Wochen 22 Orte. 90Rechts und links des Weges taten getrennt marschierende Kompanien und marodierendePulks ein übriges. Die Grenzen zwischen Plünderung durch ein Heer, Raubzügen versprengterGruppen desselben und mehr oder weniger offenem Diebstahl durch einzelneSoldaten bei allen Gelegenheiten waren fließend.Wenn ein feindliches Heer vor einer Stadt auftauchte, wurden vor dem Angriff in der RegelHerolde vor die Tore geschickt, die um die Übergabe verhandelten. Wenn man sich einigte,wurde die Stadt gegen die Zahlung einer bei den Verhandlungen festgelegten Abgabe vonder Plünderung verschont. Diese Summe richtete sich in erster Linie nach Größe undReichtum der Stadt, aber auch nach dem Grad der Bedrohung: als der Herzog von Braunschweigim Juni 1528 mit seinen unbezahlten Landsknechten vor Bergamo ankam, verlangteer 50.000 Dukaten von der Stadt. 91 Auf dem Weg des kaiserlichen Heeres nach Florenzim September 1529 wurden Arezzo für 10.000 und Cortona für 6.000 Scudi übergeben.92 Kleinere Städte wie Montagnana ergaben sich für 2.000 Dukaten, 93 Kastelle wieBreno für 500 Dukaten 94 und selbst Dörfer kauften sich bisweilen frei wie etwa Lavagna,das gegen 200 Dukaten durch einen Schutzbrief von der Plünderung befreit wurde. 95 Städte,die sich ergeben hatten, durften nicht geplündert werden. 96 Die Verteidiger befanden sichbei den Verhandlungen allerdings in einer gefährlichen Position: wenn sie die Übergabe90919293949596HHStA, Registratur Karls V., Belgien PA 66, fol. 204 r . Quiñonez an den Kaiser, Mai 1527.BNM, MS 20476, fol. 231 v .ALBÈRI, Relazioni degli ambasciatori veneti, Serie 2, Bd. 1, S. 221.ZANETTI, L'assedio di Padova, S. 106.PUTELLI, ROMOLO: Intorno al castello di Breno. Storia di Valcamonica, Lago d'Iseo e vicinanze. Breno1915. S. 515.SANUTO, Diarii, Bd. 15, Sp. 580.So steht es unter anderem in der Kriegsordnung, die Erzherzog Ferdinand 1527 für die Landsknechteausarbeiten ließ. HALE, JOHN R.: Armies, Navies and the Art of War. In: The New Cambridge ModernHistory. Bd. 2: The Reformation 1520-1559. Hrsg. v. G. R. Elton. Cambridge 1990. S. 560.22

ablehnten, war die Plünderung im Fall der Einnahme der Stadt sicher. Da die Angreiferaber in der Regel auch Zutritt zur Stadt verlangten, bestand die Gefahr, dass es nach derKapitulation trotz der Absprachen zur Plünderung kam. Solche Befürchtungen waren nurzu berechtigt, da die Soldaten die Übergabeverhandlungen mit äußerstem Argwohn verfolgten.Sie fürchteten, um die Beute betrogen zu werden, von der sie nur eine Stadtmauertrennte, und manchmal noch nicht einmal das: während die spanischen Offiziere im November1521 in Como nach einleitender Beschießung um die Übergabe der Stadt verhandelten,postierten sie Wachen in den Breschen der Stadtmauer, die ein Eindringen der beutegierigenSoldaten verhindern sollten. Diese aber waren nicht zu halten, stürmten auf dieBreschen los und überrannten einige der Wachen, während andere ihnen sogar beim Überkletternder Trümmer behilflich waren und sich gern bei der anschließenden Plünderunganschlossen. 97 Mit zunehmendem Verfall der Disziplin häuften sich dann Vorkommnissewie in Como: im Juli 1525 ergab sich Saluzzo den aus Mailand ausquartierten Landsknechten,diese plünderten, kaum dass sie die Stadt betreten hatten. 98 Drei Jahre später, alsder Herzog von Braunschweig mit seinen Landsknechten nach Mailand zog, war ein derartigerBruch mit den Gepflogenheiten kein Zwischenfall mehr: systematisch wurden dieStädte, die auf seinem Weg lagen, zunächst zur Kapitulation gezwungen und nach Zahlungder vereinbarten Summe geplündert. 99 Vor allem solche Erfahrungen waren es, die dieAngst vor den Soldaten und das Misstrauen in das von den Offizieren gegebene Wort imLauf der Jahre immer weiter verstärkten.Wenn eine Kapitulation nicht zu Stande gekommen war, wurde der Angriff vorbereitet. Aufwelche Weise die Städte im Einzelnen erobert wurden, ist für diese Arbeit unerheblich; obdie Soldaten, wie in Prato, durch Breschen stürmten, die sie in die Mauer geschossen hattenoder ob sie diese, wie in Rom, aus Mangel an Artillerie mit Leitern überstiegen: währenddie letzten Verteidiger kopflos durch die Straßen flohen, begann die Jagd nach der Beute.A. Der BeutemarktNachdem die Soldaten die Haustüren eingeschlagen hatten, begann eine fieberhafte Suchenach Geld, die in der Regel erfolglos blieb, weil Geld und Wertgegenstände beim Herannahendes Heeres von den Bewohnern aus der Stadt geschafft oder wenigstens versteckt wordenwaren. Das nützte diesen allerdings wenig, wenn sie selbst ihre Häuser nicht verlassenhatten, da die Soldaten keinen Augenblick zögerten, sie mit Gewalt zur Preisgabe der Ver-979899GIOVIO, Le vite del Gran Capitano e del Marchese di Pescara, S. 273.SALUZZO DI CASTELLAR, GIOVANNI ANDREA: Memoriale. Hrsg. v. V. Promis. Miscellanea di Storia Italiana8. Turin 1869. S. 600.RAH Salazar y Castro, A/43, fol. 113 r . Lope de Soria an den Kaiser, 2. 8. 1528.23

ablehnten, war die Plünderung im Fall der Einnahme der Stadt sicher. Da die Angreiferaber in der Regel auch Zutritt zur Stadt verlangten, bestand die Gefahr, dass es nach derKapitulation trotz der Absprachen zur Plünderung kam. Solche Befürchtungen waren nurzu berechtigt, da die Soldaten die Übergabeverhandlungen mit äußerstem Argwohn verfolgten.Sie fürchteten, um die Beute betrogen zu werden, von der sie nur eine Stadtmauertrennte, und manchmal noch nicht einmal das: während die spanischen Offiziere im November1521 in Como nach einleitender Beschießung um die Übergabe der Stadt verhandelten,postierten sie Wachen in den Breschen der Stadtmauer, die ein Eindringen der beutegierigenSoldaten verhindern sollten. Diese aber waren nicht zu halten, stürmten auf dieBreschen los und überrannten einige der Wachen, während andere ihnen sogar beim Überkletternder Trümmer behilflich waren und sich gern bei der anschließenden Plünderunganschlossen. 97 Mit zunehmendem Verfall der Disziplin häuften sich dann Vorkommnissewie in Como: im Juli 1525 ergab sich Saluzzo den aus Mailand ausquartierten Landsknechten,diese plünderten, kaum dass sie die Stadt betreten hatten. 98 Drei Jahre später, alsder Herzog von Braunschweig mit seinen Landsknechten nach Mailand zog, war ein derartigerBruch mit den Gepflogenheiten kein Zwischenfall mehr: systematisch wurden dieStädte, die auf seinem Weg lagen, zunächst zur Kapitulation gezwungen und nach Zahlungder vereinbarten Summe geplündert. 99 Vor allem solche Erfahrungen waren es, die dieAngst vor den Soldaten und das Misstrauen in das von den Offizieren gegebene Wort imLauf der Jahre immer weiter verstärkten.Wenn eine Kapitulation nicht zu Stande gekommen war, wurde der Angriff vorbereitet. Aufwelche Weise die Städte im Einzelnen erobert wurden, ist für diese Arbeit unerheblich; obdie Soldaten, wie in Prato, durch Breschen stürmten, die sie in die Mauer geschossen hattenoder ob sie diese, wie in Rom, aus Mangel an Artillerie mit Leitern überstiegen: währenddie letzten Verteidiger kopflos durch die Straßen flohen, begann die Jagd nach der Beute.A. Der BeutemarktNachdem die Soldaten die Haustüren eingeschlagen hatten, begann eine fieberhafte Suchenach Geld, die in der Regel erfolglos blieb, weil Geld und Wertgegenstände beim Herannahendes Heeres von den Bewohnern aus der Stadt geschafft oder wenigstens versteckt wordenwaren. Das nützte diesen allerdings wenig, wenn sie selbst ihre Häuser nicht verlassenhatten, da die Soldaten keinen Augenblick zögerten, sie mit Gewalt zur Preisgabe der Ver-979899GIOVIO, Le vite del Gran Capitano e del Marchese di Pescara, S. 273.SALUZZO DI CASTELLAR, GIOVANNI ANDREA: Memoriale. Hrsg. v. V. Promis. Miscellanea di Storia Italiana8. Turin 1869. S. 600.RAH Salazar y Castro, A/43, fol. 113 r . Lope de Soria an den Kaiser, 2. 8. 1528.23

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