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durch die militärische Führung lud Hauptleute einzelner Kompanien und deren Soldatengeradezu ein, zum eigenen Vorteil mit immer rücksichtsloseren Methoden Gelder einzutreiben.Die Kontribution wurde so in ihrer verwilderten Form zur Lösegelderpressung, dieRequirierung zur Plünderung.Damit wäre ein grundsätzliches Phänomen des Krieges angesprochen: die zunehmendeUsurpation von Kompetenzen durch Hauptleute und sogar Soldaten. Sie war eng mit demVerfall der Disziplin wegen des ausbleibenden Soldes verbunden und manifestierte sichneben der beschriebenen Eintreibung von Geldern vor allem in einer immer weiteren Verstreuungund einem immer selbständigeren Agieren der einzelnen Kompanien. Wieder sindParallelen zwischen Stadt und Land zu beobachten: auf dem Land entfernten sich einzelneKompanien so weit von der Führung, dass man kaum noch von einem Heer sprechenkonnte. Dessen Mobilität wurde durch die Verteilung seiner Bestandteile immer weiter eingeschränkt,während die Mobilität dieser Bestandteile im kleineren geografischen Rahmenständig zunahm. Die Aufenthaltsorte der einzelnen Kompanien waren der Führung oft garnicht bekannt. In der Stadt wurde der hohe Organisationsgrad der Einquartierungen durchden eigenmächtigen Wechsel der Quartiere durch die Soldaten und den ständigen Wechselaus Einzug und Auszug ohne Wissen der Besatzungsmacht über lange Zeiträume ad absurdumgeführt. Gegenmaßnahmen konnten kaum gegen den Willen der Soldaten eingeleitetwerden, die gegenüber den Offizieren - vor allem bei den Deutschen war das der Fall - wieeine eigene Autorität auftraten und diesen ihre Forderungen durch Vertreter übermittelten.Massendesertion und das Überlaufen zum Feind wurden immer offener praktiziert, so dassan die Stelle der Bestrafung immer häufiger die Versuche der Offiziere traten, Deserteureund Überläufer durch Versprechungen zur Rückkehr zu ermuntern. Nachdem dieses Verhalteneingerissen war, konnten die Soldaten es sich erlauben, ganz offen mit Desertion undÜberlaufen zu drohen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.Auch die Mobilität der Bevölkerung wurde vom Krieg beeinflusst: neben den Verlustendurch dessen direkte Auswirkungen und seine Begleiterscheinungen wie Hunger und Epidemiewar es vor allem die Abwanderung der Bewohner, die zur Entvölkerung von ganzenStädten und Landstrichen führte. Die Trennung zwischen Flucht und Abwanderung istwichtig, da die Flüchtlinge zumeist nach kurzer Zeit nach Hause zurückkehrten, währenddie Abwanderer ihren Heimatorten oft für mehrere Jahre oder für immer verloren gingen.Wann immer ein Heer sich näherte, setzte eine Fluchtwelle ein, die dazu führte, dass dieSoldaten bei ihrer Ankunft nicht selten menschenleere Städte und Dörfer vorfanden. Wenndie Heere sich über längere Zeit in eng umgrenzten Gebieten aufhielten, hielt die Entvölkerungan. Auch dieses Phänomen lässt sich innerhalb der Städte beobachten, zwar in ganzanderem Rahmen, aber derselben Motivation folgend: die Angst vor Plünderungen und deralltäglichen Gewalt führte zu einer Zusammenballung der Bevölkerung an bestimmtenPunkten, mit anderen Worten: viele verließen das Haus, aber nicht die Stadt. Sie kamen bei221

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