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I. PlünderungEin Heer ist ein großes gefräßiges Tier - so fasst ein Chronist aus Bergamo seinen Eindruckvon den spanischen Soldaten in seiner Stadt zusammen, und ähnlich formulieren es fast alleBerichterstatter, die Zeugen des Durchzugs der spanischen, deutschen und italienischenTruppen wurden - ein ausgehungertes und zugleich unersättliches Tier mit Tausenden vonMäulern, das alles verschlang, was es auf seinem Weg antraf, vor allem aber Geld und immerwieder Geld. 85In diesem ersten Teil geht es um die Mechanismen der Plünderung von Städten. Plünderungenwaren eine Begleiterscheinung des Krieges zu allen Zeiten, sie spielten sich in der Regelab im Spannungsfeld zwischen der entfesselten Beutegier der Soldaten und den Versuchender Autoritäten, diese wenigstens ansatzweise in geregelte Bahnen zu lenken, sei es,um die Bevölkerung zu schonen, sei es, um zu verhindern, dass man vollständig die Kontrolleüber das Heer verlor und damit auch die militärischen Aktionen in Gefahr brachte. Sobefassen sich auch eine Reihe von militärtheoretischen und völkerrechtlichen Schriften mitdem Phänomen der Plünderung. Diese Werke versuchen zumeist, aus der Antike überlieferteRegelungen und kirchenrechtliche Bestimmungen mit den Erfahrungen ihrer Epochein Einklang zu bringen und auf diese anzuwenden. Das wichtigste Moment ist dabei dieUnterscheidung zwischen gerechtem und ungerechtem Krieg, eine Unterscheidung, die zurGrundlage aller weiteren Ausführungen gemacht wird und diese damit von vornherein unanwendbarmacht, da in der Regel alle Parteien den gerechten Krieg für sich beanspruchten,wenn sie sich überhaupt die Zeit nahmen, sich juristische Gedankengebäude zu eigen zumachen, die der Wirklichkeit ohnehin in keiner Weise gewachsen waren.Der italienische Militärtheoretiker Pierino Belli postuliert, dass Städte nur dann geplündertwerden dürfen, wenn die ganze Bevölkerung sich eines Verbrechens schuldig gemachthat. 86 Diese Bestimmung ist an sich schon auslegbar genug, der spanische VölkerrechtlerFrancisco de Victoria geht indes noch weiter: auch Unschuldige dürfen ausgeplündert werden,da sie die Feinde stärken könnten, und sogar Frauen und Kinder dürfen zur Erpressungvon Lösegeldern als Geiseln genommen werden, wenn das der Fortführung des Kriegesdient. 87 Aus demselben Grund dürfen Städte nach der Plünderung sogar angesteckt werden,858687"Un esercito è come un grande animale che vive in continua voracità, ond'è necessario un grand'alimentoancora per mantenerlo nel vigor che bisogna." RONCHETTI, GIUSEPPE: Memorie istoriche della città echiesa di Bergamo dal principio del V. secolo di nostra Salute sino all'anno MCCCCCXXVIII. Bd. 7.Bergamo 1839. S. 125.BELLI, PIERINO: De Re militari & Bello tractatus divisus in partes XI. Venedig 1563. Neudruck mit Einleitungv. Arrigo Cavalieri und englischer Übersetzung v. Herbert C. Nutting. The Classics of InternationalLaw 18. Washington 1936. Fol. 60 r .VICTORIA, FRANCISCO DE: De Indis recenter inventis et de iure belli Hispanorum in Barbaros relectiones.Vorlesungen über die kürzlich entdeckten Inder und das Recht der Spanier zum Kriege gegen die Barbaren.1539. Hrsg. u. übers. v. Walter Schätzel. Tübingen 1952. S. 155ff.20
immer unter der Voraussetzung, dass es sich um einen gerechten Krieg handelt. 88 Die Idee,die Plünderungsbeute zusammenzutragen und wenigstens teilweise der Kriegskasse zuzuführen,trägt der weit verbreiteten Zahlungsunfähigkeit der Kriegsherren Rechnung, siewurde aber so gut wie nie in die Tat umgesetzt und wäre den Soldaten wahrscheinlich geradezulächerlich vorgekommen. 89 Vor Ort zeigte sich immer wieder, wie weit die Theoriender Studierstuben sich von der Wirklichkeit der Kriegsschauplätze unterschieden.In den folgenden beiden Abschnitten sollen an einem überschaubareren Beispielfall, derPlünderung von Prato durch die Spanier im Jahr 1512, die Mechanismen des Verkaufs derBeute und der Erpressung von Lösegeldern dargestellt werden, die durch einige außergewöhnlicheQuellen besser dokumentiert sind, als eine noch so große Zahl von Augenzeugenberichtendas leisten könnte. Und hier liegt bereits ein fundamentaler Mangel fast allerbisher erschienenen Arbeiten vor: bei den Schilderungen berüchtigter Plünderungen - allenvoran des Sacco di Roma - werden fast ausschließlich die Verluste genannt, die einige wenigePersonen des öffentlichen Lebens erlitten. Dass kleinere Haushalte durch eine Plünderungin der Regel stärker in Mitleidenschaft gezogen wurden als die Paläste von Bankiersund Kardinälen, wird meistens nur lustlos und floskelhaft erwähnt, da entsprechendes Zahlenmaterialschwer zugänglich ist und darüber hinaus kaum Aussagekraft besitzt, solangedie Summen von Lösegeldern oder geplünderten Werten isoliert genannt und nicht zumEinkommen und den Lebenshaltungskosten der Opfer in Beziehung gesetzt werden. Eszeigt sich aber bei näherer Betrachtung eindringlich, wie sehr eine Plünderung sich für dieMehrheit der Geschädigten zu einer Bedrohung der Lebensgrundlage auswachsen konnte,da ihr die gesellschaftlichen Möglichkeiten fehlten, sich mit höherrangigen Soldaten zuarrangieren und die materiellen Möglichkeiten, aus der Plünderung entstandenen Verpflichtungenetwa durch die Verpfändung eines Landgutes nachzukommen, weil sie einsolches schlicht und einfach nicht besaß und deshalb gezwungen war, ihren geringen Besitzbis hin zu Kleidung und Kochgeschirr herzugeben oder sich auf lange Zeit hinaus zu verschulden.Vom Standpunkt der Soldaten aus zeigt sich parallel dazu, dass den Offizieren,die in den Palästen das große Geld eintrieben, eine weitaus größere Zahl von Soldaten gegenüberstand, die den ausbleibenden Sold durch den Verkauf von geplünderten Kleidungsstückenund Einrichtungsgegenständen ausglichen und die Städte keineswegs mit Gold beladenverließen, wie man angesichts vieler Aussagen vermuten könnte. Eine nähere Untersuchungsolcher Verkäufe wird in dieser Hinsicht vieles erhellen.Anschließend soll an Hand des Sacco di Roma der Ablauf einer Plünderung aus der Sichtder Opfer nachgezeichnet werden. Die Plünderung der Ewigen Stadt im Mai 1527 durchLandsknechte und Spanier bietet sich deshalb für ein solches Unterfangen an, weil durchdie Masse an schreibkundigen Augenzeugen, die dem Geschehen unfreiwillig beiwohnten,8889VICTORIA, De Indis recenter inventis, S. 165.BELLI, De Re militari, fol. 45 v .21
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I. PlünderungEin Heer ist ein großes gefräßiges Tier - so fasst ein Chronist aus Bergamo seinen Eindruckvon den spanischen Soldaten in seiner Stadt zusammen, und ähnlich formulieren es fast alleBerichterstatter, die Zeugen des Durchzugs der spanischen, deutschen und italienischenTruppen wurden - ein ausgehungertes und zugleich unersättliches Tier mit Tausenden vonMäulern, das alles verschlang, was es auf seinem Weg antraf, vor allem aber Geld und immerwieder Geld. 85In diesem ersten Teil geht es um die Mechanismen der Plünderung von Städten. Plünderungenwaren eine Begleiterscheinung des Krieges zu allen Zeiten, sie spielten sich in der Regelab im Spannungsfeld zwischen der entfesselten Beutegier der Soldaten und den Versuchender Autoritäten, diese wenigstens ansatzweise in geregelte Bahnen zu lenken, sei es,um die Bevölkerung zu schonen, sei es, um zu verhindern, dass man vollständig die Kontrolleüber das Heer verlor und damit auch die militärischen Aktionen in Gefahr brachte. Sobefassen sich auch eine Reihe von militärtheoretischen und völkerrechtlichen Schriften mitdem Phänomen der Plünderung. Diese Werke versuchen zumeist, aus der Antike überlieferteRegelungen und kirchenrechtliche Bestimmungen mit den Erfahrungen ihrer Epochein Einklang zu bringen und auf diese anzuwenden. Das wichtigste Moment ist dabei dieUnterscheidung zwischen gerechtem und ungerechtem Krieg, eine Unterscheidung, die zurGrundlage aller weiteren Ausführungen gemacht wird und diese damit von vornherein unanwendbarmacht, da in der Regel alle Parteien den gerechten Krieg für sich beanspruchten,wenn sie sich überhaupt die Zeit nahmen, sich juristische Gedankengebäude zu eigen zumachen, die der Wirklichkeit ohnehin in keiner Weise gewachsen waren.Der italienische Militärtheoretiker Pierino Belli postuliert, dass Städte nur dann geplündertwerden dürfen, wenn die ganze Bevölkerung sich eines Verbrechens schuldig gemachthat. 86 Diese Bestimmung ist an sich schon auslegbar genug, der spanische VölkerrechtlerFrancisco de Victoria geht indes noch weiter: auch Unschuldige dürfen ausgeplündert werden,da sie die Feinde stärken könnten, und sogar Frauen und Kinder dürfen zur Erpressungvon Lösegeldern als Geiseln genommen werden, wenn das der Fortführung des Kriegesdient. 87 Aus demselben Grund dürfen Städte nach der Plünderung sogar angesteckt werden,858687"Un esercito è come un grande animale che vive in continua voracità, ond'è necessario un grand'alimentoancora per mantenerlo nel vigor che bisogna." RONCHETTI, GIUSEPPE: Memorie istoriche della città echiesa di Bergamo dal principio del V. secolo di nostra Salute sino all'anno MCCCCCXXVIII. Bd. 7.Bergamo 1839. S. 125.BELLI, PIERINO: De Re militari & Bello tractatus divisus in partes XI. Venedig 1563. Neudruck mit Einleitungv. Arrigo Cavalieri und englischer Übersetzung v. Herbert C. Nutting. The Classics of InternationalLaw 18. Washington 1936. Fol. 60 r .VICTORIA, FRANCISCO DE: De Indis recenter inventis et de iure belli Hispanorum in Barbaros relectiones.Vorlesungen über die kürzlich entdeckten Inder und das Recht der Spanier zum Kriege gegen die Barbaren.1539. Hrsg. u. übers. v. Walter Schätzel. Tübingen 1952. S. 155ff.20