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nebst entsprechenden Zeichnungen zeigen, dass vor allem Vokabeln aus dem Bereich derFäkalsprache Eingang in den Wortschatz der Soldaten fanden. 956Die Offiziere indes gingen weitaus distinguierteren Vergnügungen nach. Aus der Zeit derBesatzung in Rom ist das sogenannte Journal von Philibert von Oranges überliefert, das dieAusgaben für das Privatvergnügen des Prinzen aufführt. 957 Auch bei ihm standen alle Artenvon Spielen hoch im Kurs, die allerdings nur dann in den Aufzeichnungen auftauchen,wenn sie mit Ausgaben verbunden waren, mit anderen Worten: wenn Oranges verlor. ImJanuar 1528 verlor er 2 Scudi beim Schachspiel an einen spanischen Hauptmann, 958 einpaar Tage später 39 Scudi an den deutschen Hauptmann Konrad von Bemelberg. 959 Nochein paar Tage darauf wurde es dann teuer: Bemelberg und Urbina nahmen ihm beim Würfelspiel515 Scudi ab. 960 Weitere Partien mit den jeweiligen Verlusten sind über den dokumentiertenZeitraum verstreut, neben Schach und Würfeln vergnügte man sich bei verschiedenenBrettspielen und Kartenspielen. 961 Daneben gab Oranges sich kulturellen Genüssenhin. Schon am 9. Mai 1527, während die Plünderer sich draußen mit ungebrochenerWucht austobten, ließ er sich im Papstpalast ein Trompetenkonzert 14 Dukaten kosten. 962Eine besondere Vorliebe hatte er offenbar für Oboenklänge, aber auch andere Instrumentalistenund ein gemischter Chor traten vor ihm auf. 963 Insgesamt 14 Konzerte verzeichnetdas Journal in den nicht ganz fünf Monaten, die Oranges in Rom weilte. Im Juni ließ er einPorträt von sich anfertigen, was etwas seltsam anmutet, denn zu dieser Zeit muss er durcheine schwere Schussverletzung im Gesicht arg entstellt gewesen sein. 964 Diese wiederumwurde zuerst von Chirurgen - deren Dienste für eine einzige Behandlung mit stolzen 20Dukaten zu Buch schlugen 965 - und dann von Frauen und Barbieren versorgt. 966 Nebenzahlreichen Anschaffungen für die alltäglichen Bedürfnisse seines Gefolges - von Küchengerätenüber Tischtücher und Kerzen bis hin zur Ausstattung für seine Pagen - liebte Orangesselbst die Raffinesse: unter den Ausgaben finden sich eine Phiole mit Rosenwasser fürseine Taschentücher, 967 eine mit Goldfäden durchwirkte Satteldecke, 968 ein Paar parfümierteHandschuhe 969 und allerhand teure Stoffe, aus denen seine Schneider Kleidung fürihn fertigten. Neben einer Reihe von Reparaturen an seiner Ausrüstung kamen auch die956957958959960961962963964965966967968969ASP Ceppi 728. Auch dieses Heft findet sich inmitten von Akten.ADD 7 E 1289. Die unvollständige Edition: PIERRUGUES, Journal.ADD 7 E 1289, S. 410."... contre le capitaine Es ...", ADD 7 E 1289, S. 412. Konrad von Bemelberg wurde wegen seiner Herkunft"Hess" oder "kleiner Hess" genannt.ADD 7 E 1289, S. 412.Tablier, Tarot, Tric-Trac und Paulme.ADD 7 E 1289, S. 181.ADD 7 E 1289, S. 220.ADD 7 E 1289, S. 217.ADD 7 E 1289, S. 181.ADD 7 E 1289, S. 220, S. 221, S. 409 und S. 412.ADD 7 E 1289, S. 194.ADD 7 E 1289, S. 372.ADD 7 E 1289, S. 409.198

geistlichen Dienstleistungen nicht zu kurz: allein in den Monaten Mai und Juni des Jahres1527 ließ er 75 Messen für sein Seelenheil lesen, und kurz nach Weihnachten führte ihnsein Beichtvater durch die sieben Hauptwallfahrtskirchen der Stadt. 970 Einige weitere Eintragungengeben Momentaufnahmen des Lebens im geplünderten Rom wieder: im Mai1527 löste er einen Gefangenen bei einem spanischen Soldaten für 110 Scudi aus, 971gleichzeitig kaufte er eine Uhr für 30 Scudi, die der Anbieter aller Wahrscheinlichkeit nachirgendwo erbeutet hatte. Einen Monat später bezahlte er die Beerdigung eines Toten, denman vor seiner Unterkunft gefunden hatte. 972 Schließlich fand im Januar 1528 ein Maskenballmit Damen statt. 973 Insgesamt gab er während der fünf Monate, die er in Rom verbrachte,für sich und sein Gefolge etwa 7.000 Scudi aus.Galante Feste waren auch bei den Hauptleuten in der Lombardei beliebt. Guasto, der imFebruar 1526 in Asti weilte, nahm dort ebenfalls an einem Maskenball teil, im Anschlussdaran wurde er bei einem Kampfspiel an der Hand verletzt. Eigentlich war er von Mailandnach Asti gezogen, um wegen der Übergriffe dort ein Exempel an einigen Soldaten zu statuieren.974 Das hinderte ihn aber nicht daran, sich sogar seine Jagdhunde hinterherbringenzu lassen, von dem Maskenball berichtet nämlich sein Page, der für den Transport der Hundeverantwortlich war. 975 Ansonsten sind die Berichte über die Vergnügungen der Offizierewegen der Irrelevanz der Informationen für die militärischen Belange selten. Die Zeugnissesind wie so oft in anderen Zusammenhängen überliefert, nämlich dann, wenn es ausscheinbar abwegigen Gründen doch eine Verbindung gab: aus dem März 1527 wird berichtet,dass die Venezianer sich die Karnevalszeit aussuchten, um Antonio de Leyva eineFeier zu verderben. Mitten in der Nacht schossen sie aus allen Rohren vor den Mauern vonMailand, so dass überall in der Stadt Alarm ausgelöst wurde und das Kostümfest sich auflöste.Einer der Beteiligten bemerkte dazu voller Schadenfreude: "Da poi se incominciò ungran remor et grossa allarma, et fu questo a hore 4 di notte et pensamo haverge disviato lafesta, que non havea voglia più di ballare in quella nocte." 9764. ÜbergriffeÜbergriffe gegen die Bevölkerung waren in besetzten Städten an der Tagesordnung. Dennochfinden sich entsprechende Berichte vor allem aus der Anfangszeit der jeweiligen Be-970971972973974975976ADD 7 E 1289, S. 373.ADD 7 E 1289, S. 182.ADD 7 E 1289, S. 220.ADD 7 E 1289, S. 414.SANUTO, Diarii, Bd. 40, Sp. 826.SANUTO, Diarii, Bd. 40, Sp. 867.SANUTO, Diarii, Bd. 44, Sp. 262.199

geistlichen Dienstleistungen nicht zu kurz: allein in den Monaten Mai und Juni des Jahres1527 ließ er 75 Messen für sein Seelenheil lesen, und kurz nach Weihnachten führte ihnsein Beichtvater durch die sieben Hauptwallfahrtskirchen der Stadt. 970 Einige weitere Eintragungengeben Momentaufnahmen des Lebens im geplünderten Rom wieder: im Mai1527 löste er einen Gefangenen bei einem spanischen Soldaten für 110 Scudi aus, 971gleichzeitig kaufte er eine Uhr für 30 Scudi, die der Anbieter aller Wahrscheinlichkeit nachirgendwo erbeutet hatte. Einen Monat später bezahlte er die Beerdigung eines Toten, denman vor seiner Unterkunft gefunden hatte. 972 Schließlich fand im Januar 1528 ein Maskenballmit Damen statt. 973 Insgesamt gab er während der fünf Monate, die er in Rom verbrachte,für sich und sein Gefolge etwa 7.000 Scudi aus.Galante Feste waren auch bei den Hauptleuten in der Lombardei beliebt. Guasto, der imFebruar 1526 in Asti weilte, nahm dort ebenfalls an einem Maskenball teil, im Anschlussdaran wurde er bei einem Kampfspiel an der Hand verletzt. Eigentlich war er von Mailandnach Asti gezogen, um wegen der Übergriffe dort ein Exempel an einigen Soldaten zu statuieren.974 Das hinderte ihn aber nicht daran, sich sogar seine Jagdhunde hinterherbringenzu lassen, von dem Maskenball berichtet nämlich sein Page, der für den Transport der Hundeverantwortlich war. 975 Ansonsten sind die Berichte über die Vergnügungen der Offizierewegen der Irrelevanz der Informationen für die militärischen Belange selten. Die Zeugnissesind wie so oft in anderen Zusammenhängen überliefert, nämlich dann, wenn es ausscheinbar abwegigen Gründen doch eine Verbindung gab: aus dem März 1527 wird berichtet,dass die Venezianer sich die Karnevalszeit aussuchten, um Antonio de Leyva eineFeier zu verderben. Mitten in der Nacht schossen sie aus allen Rohren vor den Mauern vonMailand, so dass überall in der Stadt Alarm ausgelöst wurde und das Kostümfest sich auflöste.Einer der Beteiligten bemerkte dazu voller Schadenfreude: "Da poi se incominciò ungran remor et grossa allarma, et fu questo a hore 4 di notte et pensamo haverge disviato lafesta, que non havea voglia più di ballare in quella nocte." 9764. ÜbergriffeÜbergriffe gegen die Bevölkerung waren in besetzten Städten an der Tagesordnung. Dennochfinden sich entsprechende Berichte vor allem aus der Anfangszeit der jeweiligen Be-970971972973974975976ADD 7 E 1289, S. 373.ADD 7 E 1289, S. 182.ADD 7 E 1289, S. 220.ADD 7 E 1289, S. 414.SANUTO, Diarii, Bd. 40, Sp. 826.SANUTO, Diarii, Bd. 40, Sp. 867.SANUTO, Diarii, Bd. 44, Sp. 262.199

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