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chungen waren vielfältig: Einschüchterung, Kollaboration und Widerstand überlagertensich zur gleichen Zeit und am gleichen Ort ebenso wie Brutalitäten von Seiten der Besatzerund Schutz der Bevölkerung durch einzelne - vor allem nationale - Gruppierungen derselbenvor Übergriffen anderer Gruppierungen.A. Einquartierungen in MailandWenn ein Heer in eine Stadt einzog, stellten sich sofort zwei grundsätzliche und eng miteinanderverknüpfte Probleme: die Unterbringung und die Versorgung einer großen Zahlvon Personen auf engem Raum. Wenn der Aufenthalt sich hinzog, versuchte man die Soldatenso weit wie möglich auf das Umland zu verteilen und in der Stadt selbst nur eine Besatzungzu lassen. Diese allein reichte allerdings oft schon, um das städtische Leben vorallem in wirtschaftlicher Hinsicht auf eine harte Belastungsprobe zu stellen. Die Soldatenbewohnten die Häuser in der Regel zusammen mit den Familien und brachten ihre unfreiwilligenGastgeber allein durch ihre Anwesenheit in finanzielle Schwierigkeiten: mit einemMal saßen mitunter doppelt so viele Esser am Tisch, und obwohl die Soldaten eigentlich fürihre Verpflegung aufzukommen hatten, blieben die Bewohner zumeist mit der Belastungallein gelassen, sei es, weil die Soldaten auf Grund des ausbleibenden Soldes gar nicht bezahlenkonnten, sei es, weil sie sich weigerten. Gegen ein solches Verhalten waren die Bewohnerin der Regel völlig machtlos. In den schlimmsten Fällen wurden sie Monate langvon den bei ihnen einquartierten Soldaten drangsaliert und ausgepresst.Am Beispiel der kaiserlichen Besatzung in Mailand soll hier gezeigt werden, wie die Organisationder Einquartierung und Verpflegung von Soldaten im Einzelnen funktionierte. Daskaiserliche Heer operierte seit dem November 1521 unter Prospero Colonna in der Lombardei,und zwar zunächst im Bündnis mit dem Herzog Francesco Sforza. Nach dem Todvon Colonna im Dezember 1523 übernahm Pescara das Kommando, und im November1525 kam es zum Bruch mit Sforza, was den Einmarsch des gesamten Heeres in Mailandzur Folge hatte. Die Situation war chaotisch: während Sforza im Kastell belagert wurde,zogen die Soldaten zwischen der Stadt, den Vororten, den umliegenden Dörfern und anderenStädten der Lombardei hin und her. Im April und im Juni 1526 brachen zwei schwereAufstände unter der Bevölkerung aus, kurz darauf tauchte das venezianische Heer vor denToren von Mailand auf. Nachdem Sforza mit der Kastellbesatzung im Juli 1526 kapitulierthatte, beruhigte sich die Lage etwas, und im Februar 1527 zog der größte Teil der spanischenSoldaten aus Mailand ab, um sich mit den Landsknechten zu vereinigen, die mitFrundsberg nach Italien gekommen waren und bei Piacenza auf sie warteten. Es blieben vorallem Deutsche und einige Spanier unter dem Kommando des Gouverneurs Antonio de160

Leyva in der Stadt zurück, während sich verbündete italienische Condottieri mit ihrenKompanien im Umland aufhielten. Im Dezember 1529 kam es schließlich zur Aussöhnungzwischen dem Kaiser und Sforza, und einen Monat später verließen die letzten Reste deskaiserlichen Besatzungsheeres die Stadt.Die Besatzung in Mailand ist neben vielen anderen Aspekten für das Verständnis der Organisationvon Einquartierung und Versorgung von Soldaten in einer besetzten Stadt beispielhaft.Der ständige Wechsel der Quartiere, die Versuche der Autoritäten, die Belastunggleichmäßig auf die Haushalte zu verteilen und das Interesse der Soldaten an einer möglichstbequemen Unterbringung, die Eintreibung von Kontributionen, mit denen das Heermehr schlecht als recht zusammen gehalten wurde, die schwankenden Lebensmittelpreiseund das Tauziehen um die Bezahlung der Lebensmittel in den besetzten Haushalten: all dassind Phänomene, die sich auch in anderen besetzten Städten immer wieder beobachten lassen.Dabei ist die Unterscheidung zwischen Feinden und Verbündeten eher abstrakt, wiedie Erfahrungen in Mailand zeigen - der Bruch mit dem Herzog änderte nichts am Verhaltender Soldaten in der Lombardei, die im übrigen rechtlich vom Land eines verbündetenFürsten zu einem durch den Abfall des kaiserlichen Vasallen heimgefallenen Lehen wurde.1. Organisation der EinquartierungenWenn ein Heer in eine Stadt einrückte, waren die Vorbereitungen für die Unterbringung derSoldaten in den meisten Fällen bereits abgeschlossen. Quartiermeister und manchmal diehöchsten Offiziere ritten den Kompanien voran, um sich nach den Einquartierungsmöglichkeitenvor Ort umzusehen und darüber hinaus die Versorgung des Heeres in der Stadt zugewährleisten. Den städtischen Autoritäten blieb nichts anderes übrig, als mit den Militärszusammenzuarbeiten, um die Unordnung so gering wie möglich zu halten. In Cremonasprach im Juni 1526 ein spanischer Offizier beim Stadtrat vor und verlangte Unterkünftefür 200 Reiter und 2.000 Fußsoldaten sowie die Bereitstellung von Getreidevorräten fürdrei Monate. 686 Im Februar 1527, als ein Teil der Landsknechte von Mailand nach Monzaverlegt wurde, ließen die Quartiermeister dort nach der Vorbereitung der Einquartierungenkurzerhand die Stadt absperren, um den Abtransport von Lebensmitteln zu verhindern. 687In Mailand selbst erlauben die Quellen eine genauere Fokussierung auf den Ablauf derQuartierzuteilung. Hier wurde die Verwaltung bis zur untersten Instanz hinab in den Dienstder Wohnraumbeschaffung für die Besatzungsmacht gestellt. Die Offiziere stellten Papiereaus, mit denen die Quartiermeister bei den Pfarreivorstehern derjenigen der insgesamt 82686687SANUTO, Diarii, Bd. 41, Sp. 519.SANUTO, Diarii, Bd. 44, Sp. 105.161

Leyva in der Stadt zurück, während sich verbündete italienische Condottieri mit ihrenKompanien im Umland aufhielten. Im Dezember 1529 kam es schließlich zur Aussöhnungzwischen dem Kaiser und Sforza, und einen Monat später verließen die letzten Reste deskaiserlichen Besatzungsheeres die Stadt.Die Besatzung in Mailand ist neben vielen anderen Aspekten für das Verständnis der Organisationvon Einquartierung und Versorgung von Soldaten in einer besetzten Stadt beispielhaft.Der ständige Wechsel der Quartiere, die Versuche der Autoritäten, die Belastunggleichmäßig auf die Haushalte zu verteilen und das Interesse der Soldaten an einer möglichstbequemen Unterbringung, die Eintreibung von Kontributionen, mit denen das Heermehr schlecht als recht zusammen gehalten wurde, die schwankenden Lebensmittelpreiseund das Tauziehen um die Bezahlung der Lebensmittel in den besetzten Haushalten: all dassind Phänomene, die sich auch in anderen besetzten Städten immer wieder beobachten lassen.Dabei ist die Unterscheidung zwischen Feinden und Verbündeten eher abstrakt, wiedie Erfahrungen in Mailand zeigen - der Bruch mit dem Herzog änderte nichts am Verhaltender Soldaten in der Lombardei, die im übrigen rechtlich vom Land eines verbündetenFürsten zu einem durch den Abfall des kaiserlichen Vasallen heimgefallenen Lehen wurde.1. Organisation der EinquartierungenWenn ein Heer in eine Stadt einrückte, waren die Vorbereitungen für die Unterbringung derSoldaten in den meisten Fällen bereits abgeschlossen. Quartiermeister und manchmal diehöchsten Offiziere ritten den Kompanien voran, um sich nach den Einquartierungsmöglichkeitenvor Ort umzusehen und darüber hinaus die Versorgung des Heeres in der Stadt zugewährleisten. Den städtischen Autoritäten blieb nichts anderes übrig, als mit den Militärszusammenzuarbeiten, um die Unordnung so gering wie möglich zu halten. In Cremonasprach im Juni 1526 ein spanischer Offizier beim Stadtrat vor und verlangte Unterkünftefür 200 Reiter und 2.000 Fußsoldaten sowie die Bereitstellung von Getreidevorräten fürdrei Monate. 686 Im Februar 1527, als ein Teil der Landsknechte von Mailand nach Monzaverlegt wurde, ließen die Quartiermeister dort nach der Vorbereitung der Einquartierungenkurzerhand die Stadt absperren, um den Abtransport von Lebensmitteln zu verhindern. 687In Mailand selbst erlauben die Quellen eine genauere Fokussierung auf den Ablauf derQuartierzuteilung. Hier wurde die Verwaltung bis zur untersten Instanz hinab in den Dienstder Wohnraumbeschaffung für die Besatzungsmacht gestellt. Die Offiziere stellten Papiereaus, mit denen die Quartiermeister bei den Pfarreivorstehern derjenigen der insgesamt 82686687SANUTO, Diarii, Bd. 41, Sp. 519.SANUTO, Diarii, Bd. 44, Sp. 105.161

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