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im Dezember 1528 wurde eine Amnestie verkündet, mit der die Rückkehr erleichtert werdensollte. 347Verbote allein halfen indes nicht viel. Neben der Verhaftung betuchter Mailänder zur Erpressungder Kontributionen wurden auch Frauen und Kinder als Geiseln genommen, umdie Väter zum Verbleib in der Stadt zu zwingen. 348 Solche Methoden wandten die Soldatenauch eigenmächtig an, um sich ihr Auskommen in den besetzten Häusern zu sichern. 349Auszüge des Besatzungsheeres für militärische Operationen wurden von der Bevölkerungdaher als dankbare Gelegenheit zur Flucht wahrgenommen. 350 Dabei war es angeraten,beim Verlassen der Stadt nicht als wohlhabend erkannt zu werden: einige reiche Mailänderwurden dabei beobachtet, wie sie sich bei Bauern mit ärmlicher Kleidung eindeckten, umnicht ausgeraubt oder aufgehalten zu werden. 351 Den Aufrufen der letzten Jahre leisteteallerdings kaum noch jemand Folge: die Situation im Staat hatte sich trotz aller Ankündigungennicht verbessert und die Strafen konnten niemanden mehr schrecken, da die zurückgelassenenGüter ohnehin längst zerstört, beschlagnahmt oder von den Soldaten in Folgeder ausbleibenden Bestrafung geplündert worden waren.B. Krieg auf dem LandWie einleitend mehrfach betont wurde, muss diese Arbeit, die sich eine möglichst umfassendeSchilderung der Kriegswirklichkeit zum Ziel gesetzt hat, einer Reihe von Verzerrungenentgegen treten, die durch die Blickrichtung der Quellen bedingt sind. Neben der Konzentrationdes Überlieferungsinteresses auf Personen von hohem gesellschaftlichen Rangund Ereignisse von politischer und militärischer Bedeutung oder emotionaler Tiefenwirkungist es auch das Quellenaufkommen selbst, das zu einer anderen, nämlich demografischbedingten Form der Verzerrung beiträgt: der weitaus umfangreichste Teil der Überlieferunghat die Städte zum Schauplatz. Das entspricht aber nicht der Gewichtung der Wirklichkeit,und zwar weder in Bezug auf die Zeit, die man in der Stadt verbrachte, noch auf den Anteilder Soldaten, die tatsächlich die Städte betraten und sich länger dort aufhielten. Mit anderenWorten: ein Heer, das zwei Monate lang in einer Stadt hauste und täglich neue Ausrufe desEntsetzens in Chroniken und Briefen provozierte, konnte zuvor zwei Monate lang sengendund brennend durch das Umland gezogen sein, ohne dass sich mehr als ein paar Bemerkungenvon Militärs und örtlichen Beamten fanden, die dieses für die Bewohner der geschä-347348349350351ASM Sforzesco, Cart. 1506, Dekret vom 1. 12. 1528.FORMENTINI, Il ducato di Milano, S. 346.CAPELLA, Beschreibung und Geschicht, fol. 30 v .RODRIGUEZ VILLA, Italia desde la batalla de Pavia, S. 179.SANUTO, Diarii, Bd. 41, Sp. 684.100

digten Gebiete nicht weniger gravierende Verhalten der Soldaten zum Thema machten.Einer Kompanie, die in der Stadt einquartiert war, stand eine andere gegenüber, die währendder ganzen Zeit zwischen verschiedenen Ortschaften hin und her geschoben wurde,ganz abgesehen davon, dass ein größerer Anteil der Bevölkerung auf dem Land lebte unddie Auswirkungen des Krieges dort zu spüren bekam und nicht in der Stadt. Den wenigen,aber Aufsehen erregenden Plünderungen größerer Städte stehen eine Unzahl von kleinerenund kleinsten Plünderungen auf dem Land gegenüber, die im einzelnen gar nicht mehr zurekonstruieren sind. Die Städte stellen sozusagen den Wasserkopf der Überlieferung dar,wann immer die Soldaten dort einzogen, traten sie ein in den Lichtkegel der Berichterstattung,der um so heller war, je bedeutender die Städte waren, je höher die Schriftlichkeit vonWirtschaft und Verwaltung, denen die Zeugen zumeist entstammten. Das gilt auch von derSeite der Soldaten aus betrachtet, da die höchsten Offiziere zumeist in der Stadt residiertenund von dort aus ihre Briefe schrieben, und das wiederum brachte auch die Spione in dieStädte, deren Berichten ein guter Teil der Informationen zu verdanken ist. Die Tatsache,dass die Soldaten sich auf dem Land in der Regel selten lange an einem Ort aufhielten, trägtihren Teil dazu bei, dass die Beschreibung der Zustände sich zumeist auf die Oberflächedes unmittelbar Beobachtbaren reduziert. Verwaltungsaufwand für Einquartierung undVersorgung fiel kaum an, Beziehungen wie in einer länger besetzten Stadt, die dem Bild,das die Soldaten hinterließen, einige Kontur gegeben hätten, konnten sich selten etablieren.Des weiteren schlägt durch den Mangel an parallelen Quellen, die eine Relativierung ermöglichen,die Bevorzugung des Empörenden noch stärker durch als in der Stadt: die Geschichtedes Krieges und der Besatzung ist auf dem Land mehr als irgendwo sonst eine Geschichtevon Übergriffen, Ausplünderung und Gewalttätigkeit. Die Häufung der Klagen ausder Feder nicht nur der Opfer, sondern auch der Offiziere lässt den Schluss zu, dass solcheZustände auf dem Land tatsächlich in einem beängstigenden Grad zur Normalität gewordenwaren. Um der erdrückenden Überrepräsentation der städtischen Berichterstattung ein Gegengewichtaufzuhängen, soll dieser Abschnitt ausschließlich den Auswirkungen des Kriegesauf dem Land gewidmet sein.1. Auf dem MarschIm Sommer war der größte Teil der Heere unterwegs. 352 Dabei suchte man in der Regelkeineswegs die Schlacht mit dem Feind, sondern vielmehr dessen Übervorteilung durchManöver, die in erster Linie die Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Ressourcen352Auf den Karten im Anhang III sind die Bewegungen der Heere für den gesamten untersuchten Zeitraumnachgezeichnet.101

digten Gebiete nicht weniger gravierende Verhalten der Soldaten zum Thema machten.Einer Kompanie, die in der Stadt einquartiert war, stand eine andere gegenüber, die währendder ganzen Zeit zwischen verschiedenen Ortschaften hin und her geschoben wurde,ganz abgesehen davon, dass ein größerer Anteil der Bevölkerung auf dem Land lebte unddie Auswirkungen des Krieges dort zu spüren bekam und nicht in der Stadt. Den wenigen,aber Aufsehen erregenden Plünderungen größerer Städte stehen eine Unzahl von kleinerenund kleinsten Plünderungen auf dem Land gegenüber, die im einzelnen gar nicht mehr zurekonstruieren sind. Die Städte stellen sozusagen den Wasserkopf der Überlieferung dar,wann immer die Soldaten dort einzogen, traten sie ein in den Lichtkegel der Berichterstattung,der um so heller war, je bedeutender die Städte waren, je höher die Schriftlichkeit vonWirtschaft und Verwaltung, denen die Zeugen zumeist entstammten. Das gilt auch von derSeite der Soldaten aus betrachtet, da die höchsten Offiziere zumeist in der Stadt residiertenund von dort aus ihre Briefe schrieben, und das wiederum brachte auch die Spione in dieStädte, deren Berichten ein guter Teil der Informationen zu verdanken ist. Die Tatsache,dass die Soldaten sich auf dem Land in der Regel selten lange an einem Ort aufhielten, trägtihren Teil dazu bei, dass die Beschreibung der Zustände sich zumeist auf die Oberflächedes unmittelbar Beobachtbaren reduziert. Verwaltungsaufwand für Einquartierung undVersorgung fiel kaum an, Beziehungen wie in einer länger besetzten Stadt, die dem Bild,das die Soldaten hinterließen, einige Kontur gegeben hätten, konnten sich selten etablieren.Des weiteren schlägt durch den Mangel an parallelen Quellen, die eine Relativierung ermöglichen,die Bevorzugung des Empörenden noch stärker durch als in der Stadt: die Geschichtedes Krieges und der Besatzung ist auf dem Land mehr als irgendwo sonst eine Geschichtevon Übergriffen, Ausplünderung und Gewalttätigkeit. Die Häufung der Klagen ausder Feder nicht nur der Opfer, sondern auch der Offiziere lässt den Schluss zu, dass solcheZustände auf dem Land tatsächlich in einem beängstigenden Grad zur Normalität gewordenwaren. Um der erdrückenden Überrepräsentation der städtischen Berichterstattung ein Gegengewichtaufzuhängen, soll dieser Abschnitt ausschließlich den Auswirkungen des Kriegesauf dem Land gewidmet sein.1. Auf dem MarschIm Sommer war der größte Teil der Heere unterwegs. 352 Dabei suchte man in der Regelkeineswegs die Schlacht mit dem Feind, sondern vielmehr dessen Übervorteilung durchManöver, die in erster Linie die Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Ressourcen352Auf den Karten im Anhang III sind die Bewegungen der Heere für den gesamten untersuchten Zeitraumnachgezeichnet.101

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