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Lernskript Fundamentaltheologie I: Was ist das ... - vaticarsten.de

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<strong>Lernskript</strong><strong>Fundamentaltheologie</strong> I: <strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>das</strong> eigentlich, Theologie?Theologie als GlaubenswissenschaftProf. Dr. Alexan<strong>de</strong>r LoichingerSS 08A Die klassischen Konzepte von TheologieI Der Begriff „Theologie“1. Generelle Definition- Theologie als Re<strong>de</strong> von Gotto qeos logoj -> „von Gott re<strong>de</strong>n“ -> Theologen als „Gott-Kün<strong>de</strong>r“o in Antike nicht unbedingt wissenschaftlich -> AT & NT auch Re<strong>de</strong> von Gott eher Verkündigung als wissenschaftliche Aussagen- Theologie als Wissenschaft von Gotto Kritik an reiner „Re<strong>de</strong> über Gott“ -> es gehören auch kritische undvernünftige Aspekte zur „Re<strong>de</strong> über Gott“ -> Verwissenschaftlichungo Ar<strong>ist</strong>oteles als großer Wissenschaftstheoretiker Dreiteilung: poietische, praktische und theoretische Bereiche theoretischer Bereich nochmals unterteilt: Physik, Mathe undMetaphysik (= Theologie) Ansehen <strong>de</strong>r Disziplin hängt ab vom Gegenstand -> Metaphysik alsKönigsdisziplin, weil Beschäftigung mit „ewigen Dingen“ undHinführung zur „Weisheit“ (= Einsicht in ewige Grundsätze)- Theologie als (rationale) Glaubenswissenschafto Semmelroth: Wissenschaft kann nicht nur Wissenschaft von Gott sein,menschlicher Transzen<strong>de</strong>nzbezug muss auch reflektiert wer<strong>de</strong>n ->Personalisierung Theologie wird zur Wissenschaft <strong>de</strong>s personalen Glaubenso Nishitani: Mensch <strong>ist</strong> religiös bedürftig, hat Ex<strong>ist</strong>enzfragen, die ihm <strong>de</strong>rGlaube beantworten sollte Sind Antworten <strong>de</strong>s Glaubens vernünftig?-> Überprüfung <strong>ist</strong> Aufgabe rationaler Theologie2. Theologiebegriff bei Augustinus (354-430)- Unterscheidung:o scientia (wissenschaftliche Theologie) – gerichtet auf zeitliche Erscheinung(Gottes Wirken in Schöpfung, Inkarnation, Sakrament,…)o sapientia (weisheitliche Theologie) – gerichtet auf <strong>das</strong> ewige Wesen Gottes(Trinität, göttliche Attribute,…)- neuplatonischer Erkenntnisaufstieg: in Stufen vom irdischen (zeitlichen) in <strong>de</strong>njenseitigen (ewigen) Bereich -> Ziel: weisheitliche Einsicht <strong>de</strong>s göttlichen Bereichs<strong>Lernskript</strong>_ Aaron_Torner_<strong>Fundamentaltheologie</strong>_1 1


- Theologie als ex<strong>ist</strong>enzieller Wegbereiter („durch Wissenschaft gelangen wir zurWeisheit“)o Weisheit sollte zum eigentlichen Höhepunkt führen-> intellectus fi<strong>de</strong>i (= Gottesliebe)3. Theologiebegriff bei Anselm von Canterbury (1033-1109)- Definition <strong>de</strong>r Theologie (Werke: proslogion und monologion)o streng vernunftwissenschaftliche Theologieo fi<strong>de</strong>s quaerum intellectum (= Glaube, <strong>de</strong>r nach Einsicht fragt)- Aufgabe <strong>de</strong>r Theologieo Narrative Theologie -> Verkündigung (Predigt, Katechese,..)o Diskursive Theologie -> Systematisierung (An was glaube ich? -> Credo,Dogmen,…)o Verstehen<strong>de</strong> Theologie -> Einsicht, rationale Begründung und Bewahrheitung(rationale Reflexion <strong>de</strong>ssen was wir glauben) intellectus fi<strong>de</strong>i (= Glaubensvernunft)- intellectus fi<strong>de</strong>i – Der Weg und die Ziele(1) Glaubeno Glaube <strong>ist</strong> Grundlage -> „credo ut intelligam“ (= Ich glaube, um zu verstehen.)(2) Einsicht (= Ziel <strong>de</strong>s Glaubens)o Glaubenslehre soll mittels menschlicher Vernunft einsichtig gemacht undbegrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n -> „sola ratione“ (= durch Vernunft allein, Offenbarungnicht nötig) rationale Einsicht <strong>de</strong>s Glaubens (-> intellectus fi<strong>de</strong>i)(3) Schau <strong>de</strong>s Göttlicheno Gott <strong>ist</strong> rational nicht greifbar (= Grenze <strong>de</strong>r Vernunft [vgl. OntologischerGottesbeweis]) -> Gott immer größer als <strong>de</strong>r Mensch <strong>de</strong>nken kann- Aufgabe Theologie: Weg zu Gott weisen bzw. freihalten und <strong>de</strong>n Glauben rational zuverantwortenII Theologie als Wissenschaft1. Thomas von Aquin (1224/25-1274)- Ar<strong>ist</strong>otelesrezeptiono Erkenntnisanspruch <strong>de</strong>r Wissenschaft (Unterscheidung doxa [= bloßeMeinung] und ep<strong>ist</strong>eme [= echtes Wissen])o Beweisen<strong>de</strong> Wissenschaft (-> Konklusionswissenschaft) Beweis beruht auf ersten Prämissen (-> Axiomen) Axiome sind nicht mehr beweisbar, dafür selbstevi<strong>de</strong>nto Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Konklusionswissenschaft (aus Urgrün<strong>de</strong>n geschlussfolgertesWissen) in Abgrenzung zur weisheitlichswissenschaftlichen Metho<strong>de</strong>(Einsehen/Beschäftigung mit <strong>de</strong>n Urgrün<strong>de</strong>n selbst -> Metaphysik)- Übertrag <strong>de</strong>s Thomas (TvA):o Ar<strong>ist</strong>oteles: wissenschaftlicher Beweis aus selbstevi<strong>de</strong>nten Axiomeno TvA: wisschenschaftlicher Beweis aus geoffenbarten Glaubenssätzen (Bibel)<strong>Lernskript</strong>_ Aaron_Torner_<strong>Fundamentaltheologie</strong>_1 2


- I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r Universität – artes liberaleso artes liberales als „Vorstudium“: Trivium (Grammatik, Rhetorik, Logik -> sprachlich) Quadrivium (Arithmetik, Musik, Geometrie, Astronomie-> mathematisch)o dann „richtiges“ Studium: Philosophie, Jura, Medizin o<strong>de</strong>r Theologieo Philosophie kann Axiome hinterfragen, Theologie nicht, weil von Gottgeoffenbart -> Theologie wirklich Wissenschaft?- Thomasische Wissenschaftskonzeption <strong>de</strong>r TheologieAr<strong>ist</strong>otelesTvA(1) Vernunft-Wissen (1) Glaubens-Wissen(2) Konklusions-Wissenschaft(2) Konklusions-Theologie(aus Axiomen)(aus Offenbarung)-> diskursiv-schlussfolgern<strong>de</strong>s Wissen -> auf diskursiv-schlussfolgern<strong>de</strong>s Wissen<strong>das</strong> auf <strong>de</strong>r Einsicht in die Axiome beruht beschränkt / keine Durchdringung <strong>de</strong>sGlauben (vgl. Anselm)-> irdische Theologie nur subalterneWissenschaft, weil sie nur Ableitungenaus <strong>de</strong>n als wahr vorausgesetzten„Axiomen“ vornimmt, die sie nicht nocheinmal beweisen/einsehen kann(3) Weisheitliche Wissenschaft möglich(= Einsicht in die Axiome)(3) weisheitliche Theologie <strong>ist</strong> lediglichals himmlische Theologie vorstellbar-> scientia die et beatorum (= WissenschaftGottes und <strong>de</strong>r Seligen)-> Schau <strong>de</strong>r Wahrheit Gottes selbst2. Vaticanum I – Dei filius (1870)- mysteria stricte dicta (= Glauben als reiner Gehorsamsakt / ohne Nutzen <strong>de</strong>rVernunft)- Wahrheit <strong>de</strong>s sich offenbaren<strong>de</strong>s Gottes steht über <strong>de</strong>r Vernunft und kann sich nichttäuschenIII Fi<strong>de</strong><strong>ist</strong>isches TheologieverständnisDefinition: Glaube und Vernunft haben nichts miteinan<strong>de</strong>r zu tun.Grün<strong>de</strong>:- Glaubensinhalte sind übernatürlich übersteigen Vernunft- Vernunft als objektive Größe – Glaube höchst subjektive Größeo Wissenschaft bemüht sich um rationales Erfassen (-> Objektivität)o Glaube setzt persönliches Gottesvertrauen (nicht anbeweisbar) voraus,Mensch vom Glauben unmittelbar betroffen (-> Subjektivität) Passen Wissenschaft und Glaube zusammen?<strong>Lernskript</strong>_ Aaron_Torner_<strong>Fundamentaltheologie</strong>_1 3


1. Klassischer Fi<strong>de</strong>ismus – „credo quia absurdum est“- Tertullian (160-220)o „Ich glaube, weil es absurd <strong>ist</strong>“ -> Glaube nicht vernünftig zu erklären,son<strong>de</strong>rn zu glauben, weil er gera<strong>de</strong> so paradox <strong>ist</strong>!o Theologie <strong>ist</strong> folglich „menschliche Hybris“ (= Hochmut)- Karl Barth (1886-1968)o Dialektische Theologie: Gott <strong>de</strong>r ganz An<strong>de</strong>re!o Große D<strong>ist</strong>anz zw. Gott und <strong>de</strong>n Menschen -> Vernunft <strong>ist</strong> sündhaftverdorben und bringt nichts in Bezug auf die Gotteserkenntnis-> Theologie als „sündhafte Selbstüberschätzung“- Sören Kierkegaard (1813-1855)o Objektivität (Vernunft -> gleichgültig) Subjektivität (Glaube -> lei<strong>de</strong>nschaftlich)o Glaube als „ex<strong>ist</strong>enzielle Betroffenheit <strong>de</strong>s Menschen“ -> Risiko: Sprung insUngewisseo Theologie <strong>ist</strong> „Interessiertheit in unendlicher Lei<strong>de</strong>nschaft“- Wertung: Glaube mit Sicherheit in großen Stücken sehr subjektiv, aber Vernunft<strong>de</strong>nnoch nötig, weil die Gefahr <strong>de</strong>s religiösen Irrationalismus viel groß <strong>ist</strong>2. Wittgensteinscher Fi<strong>de</strong>ismus- Sprachspieltheorie Wittgensteins (-> Vgl. Schachspiel)o Kontext: lingu<strong>ist</strong>ic turn -> „Alles Vermittelte nur über Sprache möglich“(1) Be<strong>de</strong>utungstheorie(2) Sprachstilgebrauch legt Wissen fest (die Be<strong>de</strong>utung eines Wortes hängtimmer von <strong>de</strong>m entsprechen<strong>de</strong>n Kontext ab)• durch <strong>das</strong> Aufwachsen in bestimmten Kontexten übernehme ichgewisse Rahmenvorstellung, die für mich die nicht hinterfragbarenGrundlagen meiner Wahrnehmung sind(3) Sprachspielinterne Plausibilitäten -> Sprachspiel <strong>ist</strong> da, kann nichthinterfragt wer<strong>de</strong>n -> externe, vernünftige Begründungen unnötig(4) Aufgabe <strong>de</strong>r Philosophie: Analysieren <strong>de</strong>r Sprach, so wie sie <strong>ist</strong> (keinHinterfragen)- Sprachspiel <strong>de</strong>s Glaubens (Norman Malcolm) -> Übertrag auf Glaubeno Religion als ein Sprachspiel von vieleno muss sich nicht rechtfertigen, <strong>ist</strong> einfach dao Aufgabe <strong>de</strong>r Theologie -> <strong>das</strong> Klar-Wer<strong>de</strong>n von Sätzen Vernünftige Argumentation für Glauben nicht notwendig Theologie muss aber Glaube vernünftig erklären, um zu überprüfen ob eingewisses Sprachspiel berechtigt ex<strong>ist</strong>iert o<strong>de</strong>r eben nicht (Bsp: Inquisitionssprachspiel)<strong>Lernskript</strong>_ Aaron_Torner_<strong>Fundamentaltheologie</strong>_1 4


B Theologie und mo<strong>de</strong>rne WissenschaftstheorieIV Theologischer GlaubensbegriffDrei unverzichtbare Charakter<strong>ist</strong>ika von Glauben1. Inhaltlicher Glaube – Credo, Dogmen, Normen und Werte- mo<strong>de</strong>rne Anthropologie (Plessner, Scheler): Mensch als weltoffenes Wesen ->Mensch schafft sich Kultur- Freiheit <strong>de</strong>s Menschen führt zu Sinnfrage -> Mensch braucht Orientierung- Glaube gibt ihm Sinn und Orientierung -> Glauben als Weltanschauungo Weltanschauung könnte auch athe<strong>ist</strong>isch ge<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n2. Vertrauensglaube – konkret gelebter Gottes-/Transzen<strong>de</strong>nzbezug -> „Herzstück <strong>de</strong>sGlaubens“- Glauben als Vertrauen auf Gott -> Gott <strong>ist</strong> treu und gibt so letzten Halt- Gott als Person <strong>ist</strong> Grund dieses Vertrauens -> Gott <strong>de</strong>r Bibelo JHWH (=„Ich bin da“) / „Immanuel“ (= Gott mit uns)- Konkret gelebter Gottesbezug -> lebendiger Charakter (-> nie abgeschlossen)o Augustinus: fi<strong>de</strong>s quae (Inhalt) und fi<strong>de</strong>s qua (personaler Glaube)o TvA: fi<strong>de</strong>s caritate formate (= Liebe vervollkommnet <strong>de</strong>n inhaltl. Glauben)3. Glaubenswagnis – Entscheidung, Bekenntnis, Freiheit- conditio humana (= Mensch kann nichts sicher wissen) -> Glauben bleibt immerWagnis -> Vertrauensvorschuss nötig!- gut so im Sinne <strong>de</strong>r menschlichen Glaubensfreiheit (wenn keine Zweifel, dann klareEntscheidung -> dann kein Glaube, son<strong>de</strong>rn Wissen) -> Freiheit nur dort möglich, wowirkliche Zweifel!- Soteriologischer Prozess -> Glaubensfreiheit als Bedingung <strong>de</strong>s personalenTranformationsprozesses (Reifeprozess -> Ziel <strong>ist</strong> „Heil-Wer<strong>de</strong>n“)V Wissenschaftstheoretischer Rationalitätsbegriff1. <strong>Was</strong> be<strong>de</strong>utet Vernunft?(1) Rationalität – Signum <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rneo Max Weber -> okzi<strong>de</strong>ntaler (=abendländischer) Rationalismus Rationalität als Strukturmerkmal unserer Ge<strong>ist</strong>es- & Lebenswelto Immanuel Kant -> Wortführer <strong>de</strong>r Aufklärung Autonomie <strong>de</strong>r Vernunft, Gebrauch <strong>de</strong>r ratio „verpflichtend“o aber auch: Krise <strong>de</strong>r Vernunft Rationalität schafft auch Probleme (Gentechnik, Waffentechnik) Kritik an reiner Zweckrationalität, weil sie nicht mehr Frage nachNutzen für Menschen stellt (nur noch Optimierung)(2) Klassik – Vernunft als Substanz <strong>de</strong>s Menschen (= Vernunft gehört substantiell zumMenschen dazu)o Platon: Kosmos als Ganzer vernünftig angeordnet -> Mensch auch vernünftig<strong>Lernskript</strong>_ Aaron_Torner_<strong>Fundamentaltheologie</strong>_1 5


o Ar<strong>ist</strong>oteles: Vernunft gehört zur Seele (vegetative, sensitive und vernünftigeSeelenteile) -> alle drei sind konstitutiv für Mensch -> Vernunft kann nichtvom Mensch getrennt wer<strong>de</strong>no TvA: Leib-Seele-Einheit <strong>de</strong>s Menschen(3) Mo<strong>de</strong>rne – Vernunft als menschliche Verhaltensdisposition (= Vernunft nicht mehrzwingend zum Menschen gehören, nicht mehr substantiell)o Situiertheit von Vernunft (vgl. Habermas, Schnä<strong>de</strong>lbach, Rescher)o Mensch <strong>ist</strong> nicht zwangsläufig immer vernünftig / nicht dazu gezwungen Vernunft als geschichtliche Größe (= <strong>ist</strong> erst gewachsen)o Mensch hat nur die Möglichkeit vernünftig zu sein -> „Rationalität“o Rationalität als I<strong>de</strong>e und Appell umgangssprachlich: „Ich appelliere an <strong>de</strong>ine Vernunft!“- Rationalität als bestimmtes Verhalten (-> rationales Han<strong>de</strong>ln) Voraussetzung: Offenheit für Argumente -> Ethos unbedingter Ehrlichkeit (bessere Argumente müssenAusschlag geben für eine Entscheidung, nicht eigene Disposition) nur dann han<strong>de</strong>ln wir auch verantwortlich2. <strong>Was</strong> le<strong>ist</strong>et Rationalität?- Letztbegründungsanspruch -> Klassisches Wissenschaftsi<strong>de</strong>al (Ar<strong>ist</strong>oteles)„Überzeugungen dann rational, wenn sie sich zwingend schlüssig beweisen lassen.“o Wissensgewissheit aus schlüssigen Beweisen <strong>ist</strong> ep<strong>ist</strong>emeo Letztbegründungsanspruch: Deduktion aus ersten (notwendig wahren,selbstevi<strong>de</strong>nten) Prämissen -> Kritik: Scheinevi<strong>de</strong>nz?- Kritizismus (Karl Popper)„Überzeugungen dann rational, wenn sie sich kritischen Einwän<strong>de</strong>n ggü. bewähren.“o statt Begründung, (nur) Bewährung vor Kritiko erkenntn<strong>ist</strong>heoretische Konsequenz: es gibt nur hypothetisches, vorläufigesWissen -> absolut sicheres Wissen nicht möglicho Theorienpluralismus möglich -> Toleranz notwendig- Probabilismus (Rudolph Carnap)„Überzeugungen dann rational, wenn für sie gute Wahrscheinlichkeitsargumentesprechen.“o For<strong>de</strong>rung nach guten Wahrscheinlichkeitsargumenten geht weiter alsKritizismus Kritizismus: „Es spricht nichts gegen Theorie A und B.“ Probabilismus: „Theorie A <strong>ist</strong> wahrscheinlicher als Theorie B.“o Probabilismus for<strong>de</strong>rt mehr Rationalität- Glaube und Rationalitäto Probabilismus für Theologie kein Problem, <strong>de</strong>nn Glaube <strong>ist</strong> nichts an<strong>de</strong>res alshypothetisches Wissen (vgl. Glaube als Wagnis)<strong>Lernskript</strong>_ Aaron_Torner_<strong>Fundamentaltheologie</strong>_1 6


VI Theologie und Rationalität1. Rationale Glaubenswissenschaft- Geschichte: Theologie als Krönung <strong>de</strong>r Wissenschaften- Heute: Infrage-Stellung <strong>de</strong>r Theologie als Ganzes (schwin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Interesse etc.)o steigern<strong>de</strong>r Legitimationsdruck -> umso mehr Einhaltung <strong>de</strong>rwissenschaftlichen Standardso kein unwissenschaftliche Dogmatisierung eines Autoritätsglaubens-> son<strong>de</strong>rn auch kritische Hinterfragung <strong>de</strong>s Glaubens (u.a. auch Katechismus)2. In welcher Welt leben wir eigentlich? -> Rahmenbedingungen- Naturalisierungsprozesso MA: Sakralisierung <strong>de</strong>r Welt / ordo-Gedankeo Mo<strong>de</strong>rne: Säkularisierung <strong>de</strong>r Welt / Theologie verliert Einfluss Naturalisierung: Gott <strong>ist</strong> nicht mehr nötig um Welt zu erklären, eswird alles von <strong>de</strong>r Natur her erklärt- Pluralisierungo Postmo<strong>de</strong>rne = Ineinan<strong>de</strong>r divergenter (Lebens-)Stile, Kulturen,Wertesysteme, … positiv ausgedrückt: Subjekt kann wählen, große Auswahl negativ ausgedrückt: Unübersichtlichkeit, Einheitsgedanke verloreno Segmentierung <strong>de</strong>r Realität / Welt fällt auseinan<strong>de</strong>r -> „Expertenkulturen“ Verlust eines einheitlichen Weltbil<strong>de</strong>sSinn- und Orientierungssuche <strong>de</strong>s Menschen- Sinnsuche <strong>de</strong>s einzelnen Menscheno Orientierungskrise von Gesellschaft und globaler Welto Kirche & Religion als mögliche Sinnfindungs- und Sinngebungsinstanz indieser pluralen Welt große Chance, muss genutzt wer<strong>de</strong>n (nicht mit MA-Theologie)o Theologie behan<strong>de</strong>lt Totalität <strong>de</strong>r Wirklichkeit -> Relevanz und Ex<strong>ist</strong>enzrechtin Gesellschaft und Universitätslandschaft kann 2000jährigen, reflektierten Erfahrungsschatz einbringen kann interdisziplinär und auch interreligiös arbeiten (sollte mehrgemacht wer<strong>de</strong>n!)C (Denk-)Bedingungen aktueller GegenwartstheologieVII Theologie und Erfahrung – Ansatz beim Menschen1. Erfahrung als Ausgangspunkt- Erfahrung als <strong>de</strong>r Kontakt mit <strong>de</strong>r Wirklichkeit- Erfahrung auch Ausgangspunkt/Quellgrund von Religion und Glaubeo Glaube als Ergebnis <strong>de</strong>r Reflexion <strong>de</strong>r religiösen Erfahrungeno Vgl: Buddha, Mose, Propheten, Mohammed machten alle Erfahrungeno auch Chr<strong>ist</strong>usdogma <strong>de</strong>r Kirche als Ergebnis <strong>de</strong>r Jüngererfahrung<strong>Lernskript</strong>_ Aaron_Torner_<strong>Fundamentaltheologie</strong>_1 7


- Erfahrung heute? -> Ausfall religiöser Erfahrungo Erfahrung, <strong>das</strong>s es keine religiöse Erfahrung mehr gibto neue religiöse Erfahrungen? vermutlich: Ja, aber nicht mehr in <strong>de</strong>m Maßeund auch in an<strong>de</strong>ren Formen2. Wie nimmt <strong>de</strong>r Mensch Wirklichkeit wahr? (-> Hick)- Dreifache Welterfahrungo perzeptuell (fünf Sinne) -> neutral beobachtend / geringer Interpretationsspielraumo evaluativ (als „gut, wertvoll, schön,…“) -> wertend, empfin<strong>de</strong>nd / etwas größerer Interpretationsspielraumbei Einordnung gewisser Sinneserfahrungeno religiös (religiöse Be<strong>de</strong>utsamkeit) -> göttliche Deutung, in letzten Sinnzusammenhang stellend / nochgrößerer Interpretationsspielraum- Kognitive Freiheit im Umgang mit <strong>de</strong>r Wirklichkeit (ein und <strong>de</strong>rselbe Gegenstand indrei Perspektiven) Erfahrung <strong>ist</strong> immer schon interpretierte Wahrnehmungo passive Wahrnehmung nicht möglich, immer aktiv interpretierend3. Kontingenz – Transzen<strong>de</strong>nzerfahrung (Karl Rahner)- Bedingungen menschlicher Wirklichkeitserfahrungo Kontext Transzen<strong>de</strong>ntaltheologie: Mensch als kontingentes (endliches)Wesen erfährt in allem Begrenztheit und will darüber hinaus -> Vorgriffo Mensch <strong>ist</strong> als Wesen <strong>de</strong>r Transzen<strong>de</strong>nz auf die Transzen<strong>de</strong>nz hingezogen- die transzen<strong>de</strong>ntale Fragedynamik kann Mensch entwe<strong>de</strong>r verneinen o<strong>de</strong>r sich ihranvertrauen (-> Glauben)o riesiger Raum religiöser Erfahrungen, die Alltagsspiritualität ermöglichen- Aufgabe <strong>de</strong>r Theologie: offengehaltene Frage <strong>de</strong>m Menschen aufzeigen, ihn dafürsensibel zu machen, <strong>de</strong>nn je<strong>de</strong>r hat diese FrageVIII Theologie und Kunst – Theologische Ausdruckswelten1. Phänomen- Freu<strong>de</strong> am Schöneno Mensch als „homo aestheticus“ -> zweckfrei, dient nicht <strong>de</strong>m Überleben- Kunsto in religiösen Kontexten entstan<strong>de</strong>no zwei Möglichkeiten bei <strong>de</strong>r Erkenntnis <strong>de</strong>r Wirklichkeit: rational-begrifflich -> neutral „beobachtend“ sinnlich-anschaubar -> Erleben (= innere Betroffenheit)<strong>Lernskript</strong>_ Aaron_Torner_<strong>Fundamentaltheologie</strong>_1 8


2. Gehalt <strong>de</strong>r Kunst- klassisch: mimetisch-erzieherisches Kunstverständnis [mimetisch = nachahmend]o Kunst <strong>ist</strong> Ausdruck <strong>de</strong>r göttlichen Sinnordnungo Kunst wird in <strong>de</strong>n Dienst genommen, <strong>ist</strong> sinnenfälliges Abbild und dient <strong>de</strong>rVerherrlichung Gottes (-> Erziehungsaspekt)- mo<strong>de</strong>rn: autonome Werk-Kunsto Kunst als Sich-Ausdrückeno Subjektives Selbstbewusstsein <strong>de</strong>s Künstlers -> in seiner Kunst drückt sichseine Wirklichkeitsverständnis aus3. Reflexionskunst <strong>de</strong>r Theologie- „Reflexionskunst“o Mo<strong>de</strong>rne Ep<strong>ist</strong>emologie: Wirklichkeit wird immer interpretierendwahrgenommen -> Reflexion <strong>de</strong>r Erfahrung in verschie<strong>de</strong>nen Formen Sprache, Begriffe Wissenschaft und Kunsto Hirnforschung: Wahrnehmung durch ständige kreative Ent- undVerwerfungen von Abbil<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Wirklichkeit -> regelmäßige Überprüfung Erfahrungsverarbeitung als (1) rationale Begriffsspracheo<strong>de</strong>r (2) als Kunst bei<strong>de</strong>s sind grundsätzliche Weisen <strong>de</strong>r einen menschlichenWirklichkeitserfahrung und -kodierung- Kunst und „Transzen<strong>de</strong>nz“o Negative Theologie: Gott kann begriffssprachlich nicht erfasst wer<strong>de</strong>no „Ersatz“ in Kunst -> Kunst kann diese Lücke füllen- Mo<strong>de</strong>rne/postmo<strong>de</strong>rne Kunsttheorieno Kunst erhebt eigenen Wahrheits- und Erkenntniswert (Adorno)o Kunst entgrenzt <strong>das</strong> Alltagsbewusstsein und kann so selber zur religiösenErfahrung wer<strong>de</strong>n (Gräb)IX Interdisziplinäre TheologieAusgangsthese: „Es <strong>ist</strong> die Pflicht <strong>de</strong>r Theologen, sich regelmäßig über wissenschaftlicheErgebnisse zu informieren, um eventuell zu überprüfen, ob sie diese in ihrer Reflexionberücksichtigten o<strong>de</strong>r ihre Lehre an<strong>de</strong>rs formulieren müssen.“ [JP II]1. Schöpfungsglauben und Astrophysik- Situationo Antike/MA: Kugelkosmos-Mo<strong>de</strong>ll -> religiöse Geborgenheito Heute: expandieren<strong>de</strong>s Universum -> Entbehrlichkeit Gottes?- Gotteserklärung überflüssig?o Urknalltheorie konnte man mit Schöpfungsakt Gottes gut verbin<strong>de</strong>n, dieseallerdings nicht mehr aktuell<strong>Lernskript</strong>_ Aaron_Torner_<strong>Fundamentaltheologie</strong>_1 9


o Quantenkosmologie (Hawking-Hartle-Universum) / „Theories of Everything“(TOE) als finale Weltformel Universum raum-zeitlich grenzenlos -> kein Anfang Ziel <strong>de</strong>r „exakten Naturwissenschaft“: Weltformel, aus <strong>de</strong>r alleNaturkonstanten etc. herzuleiten sind -> gesamte Natur ließe sichdaraus schließen -> Determinismus Wo wäre Platz für Gott?• mögliche Antwort: Ergebnisse <strong>de</strong>r Quantenphysik undKonsequenzen <strong>de</strong>r Chaostheorieo Mathematisierbarkeit <strong>de</strong>s Universmus Mathematische Struktur (bspw.: String-Theorie) Fine-Tuning <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n Konstanten für <strong>das</strong> Entstehen vonLeben• solch rationale Schöpfung = Handschrift Gottes?o Ein Universum – Viele Universen? Inflationstheorie -> Vielzahl an entkoppelter Universen [Alan Guth] fortgesetzte Schöpfung? -> Multiversumstheologie?2. Theologie und Hirnforschung- Aktuelle Situation: Naturalisierung <strong>de</strong>s Bewusstseins?o Freu<strong>de</strong>n und Lei<strong>de</strong>n = nur bestimmte Ansammlung von Nervenzellen undzugehörigen Molekülen?o immer weitergehen<strong>de</strong> natural<strong>ist</strong>ische Erklärungen (<strong>Was</strong>ser = H 2 O-Moleküle /Blitze = elektr. Entladung) -> Bewusstsein/Seele = physikalische neuronaleHirnzustän<strong>de</strong>?- Qualia-Problem -> „Rätsel <strong>de</strong>s Bewusstseins“o Wie kann <strong>das</strong> Gehirn als Materie subjektive Erlebnisqualitäten bekommen?o man kann naturwissenschaftlich viel untersuchen und erkennen, aber manwird nie alles erkennen und erklären können Bsp.:(1) Schmerz = Reizung von C-Nervenfasern -> Wir wissen trotz<strong>de</strong>mnicht wie sich die Schmerzen anfühlen… [Saul Kripke](2) Naturwissenschaftlich umfassen<strong>de</strong> Erklärung bzgl. Fle<strong>de</strong>rmaus ->trotz<strong>de</strong>m wissen wir nicht wie es <strong>ist</strong>, eine zu sein [Thomas Nagel]o „Dritte Person-Perspektive“ (naturgesetzlich <strong>de</strong>terminiert) „Erste Person-Perspektive“ (Wünsche, freiheitliches Gestalten,…)- Problem <strong>de</strong>r Willensfreiheito Chr<strong>ist</strong>liches Menschenbild: Mensch gottgeschaffene freie Person Freiheit als Basis sämtlicher Lebensvollzügeo Hirnforschung: neurobiologische Determiniertheit -> keine objektive Freiheito Metarepräsentationale Bewusstseinstheorien [Hans Flohr] Gehirn als selbstreflexives Neurosystem, mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Mensch sichselbst gewahr wer<strong>de</strong>n und reflektieren kann -> „geprägte Freiheit“ Freiheitsspielraum (-> langt <strong>de</strong>r Theologie zur Ausfaltung)<strong>Lernskript</strong>_ Aaron_Torner_<strong>Fundamentaltheologie</strong>_1 10

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