Ethisch Handeln lernen (SS 2004, Prof. Simon, von ... - vaticarsten.de

Ethisch Handeln lernen (SS 2004, Prof. Simon, von ... - vaticarsten.de Ethisch Handeln lernen (SS 2004, Prof. Simon, von ... - vaticarsten.de

13.07.2015 Aufrufe

Ethisch handeln lernen (SS 2004, Prof. Simon) von Anke Heinz. Mehr Skripte unter www.vaticarsten.deS. 20entsprechen sollte, es ging also um eine Herzensbildung durch Religion im Kern desMenschen. Das Gesollte sollte durch sittliche Vorbilder geschaut, eingeübt und gefestigtwerden.3.4. Jean-Jaques Rousseau: Negative Erziehung in Bindung an die natürlicheEntwicklung des HeranwachsendenRousseau lebte von 1712-1778. Er führte ein ruheloses und widerspruchvollesLeben 11 . Zunächst arbeitete er als Kulturkritiker. Seine „Confessiones“ schrieb er nochvor der Französischen Revolution. Sein pädagogisches Hauptwerk ist ohne Frage„Emile, oder: Von der Erziehung“. Sein Gesellschaftsvertrag von 1762 hattestaatsphilosophisch eine große Wirkung. In zwei Preisschriften ging er zwei Fragennach:1. (1750) Hat der Fortschritt der Künste und Wissenschaften zur Reinigung derSitten beigetragen?2. (1753) Was ist der Grund für die Ungleichheiten unter den Menschen?Seine Antwort auf die erste Frage lautete: Nein. Seine Beantwortung der zweitenFrage hängt damit zusammen und verdeutlicht seinen naturalistischen Ansatz: DieKultur und Gesellschaft haben die Sitten korrumpiert, die Menschen einander entfremdetund ungleich gemacht. Deshalb gilt es, zur Natur zurückzukehren: „Retour à lanature!“. Dies ist das Hauptziel der Erziehung nach Rousseau. Die Erziehung zurSittlichkeit muß dem Gang der Natur folgen, wie es in „Emile“ beschrieben wird.Rousseau geht von der ursprünglichen Gutheit des Menschen aus, Bosheit und Übelsind Folgen der Sozialisation des Menschen.Rousseau ist deshalb Verfechter der sog. „indirekten Erziehung“ für Kinder bis12 Jahre („methode inaktive“, passive Methode). Der Erzieher soll hierbei dieUmgebung so arrangieren, daß sie die Entwicklung des Kindes anregen kann. Das Kindentwickelt in der Begegnung mit den Dingen seine Interessen, Bedürfnisse undFähigkeiten völlig selbsttätig, da es im Umgang mit den Sachen Erfahrungen macht: eslernt, was nützlich und was schädlich ist. In diesem Stadium verfolgt das Kind einevormoralischen Utilitarismus: die natürlichen Folgen des sittlichen Handelns wirkensich als Belohnung oder Bestrafung aus. Für den Erzieher besteht die schwersteHerausforderung wohl darin, die Kinder durch sein Nicht-Einwirken zu erziehen.11 Er gab z.B. die eigenen Kinder ins Heim…

Ethisch handeln lernen (SS 2004, Prof. Simon) von Anke Heinz. Mehr Skripte unter www.vaticarsten.deS. 21Das Lernen ist bei Rousseau gekennzeichnet von Experimentieren undschöpferischen Tätigsein. Die Kindesphase besitzt ihr eigenes Recht: „Die Natur will,daß die Kinder Kinder seien, bevor sie Menschen werden“. Es gehört also zurnatürlichen Entwicklung des Kindes, daß es durch Eigenanschauung lernt. Es soll sichfrei entwickeln in aktiver Auseinandersetzung mit der Natur und der Welt – undzwar ohne den Einfluß einer Autorität. Die Auseinandersetzung geschieht somit a-sozialund natürlich.Rousseau war der Meinung, daß ab dem 12. Lebensjahr die Vernunft, und abdem 15. „das Gefühl“ erwache. Dieser natürlichen Erziehung muß erzieherischbegleitend entsprochen werden. Es geht deshalb nicht um eine Erziehung des laissézfaire, sondern es soll , v.a. in der pubertären Phase, eine „Kultur der Gefühle“aufgebaut und in die Begriffe des jeweiligen Lebensalters eingeführt werden. Dievormoralischen Erfahrungen des Kindes sollen weitergeführt werden zu einembegrifflichen Erfassen des Sittlichen.Die Liebe zwischen Erzieher und Kind gilt Rousseau als die Basis der Erziehung,es herrscht keine emotionale Gleichgültigkeit. Sobald der Erzieher spürt, daß im KindVernunft oder Gefühl erwacht, ist es seine Aufgabe, zum Reifen beizutragen, indem ersich als Gesprächspartner einschaltet.Im Prozeß des Reifens kommt der Jugendliche auch mit Religion in Kontakt, undzwar zunächst mit der „natürlichen“ Religion. Diese besteht in der Erfahrung desGetragenseins von einem göttlichen Wesen, das alle Vernunft durchdringt. DieStimme dieses göttlichen Wesens wird im Gewissen hörbar; es handelt sich dabei umden Anspruch des Wissens Gottes. Es kommt zu einem theologisch motiviertensittlichen Handeln. Rousseau spricht vom Gewissen auch als vom „Gefühl desHerzens“. Es geht also um eine vorrationale Bindung, die ursprünglicher ist als jedervon außen herangetragene sittliche Anspruch (wie er z.B. im Über-Ich deutlich wird).Das Gefühl des Herzens weist auf eine ihm immanente Sittlichkeit, auf seineGrundbedürfnisse hin.Durch seine Erfahrungen gelangt ein Kind schließlich zu Begriffen von Gut undBöse, von Liebe und Gerechtigkeit. Die sittliche Erziehung wird also frei vom äußerenZwang der Sitte, Autorität, gesellschaftlichen Normen usw. vollzogen. Rousseau siehtdie Auswirkung der menschlichen Gesellschaft auf die Entwicklung des Menschengrundsätzlich negativ. Deshalb steht für ihn die Autarkie des jungen Menschen imVordergrund. Voraussetzung dafür ist eine Entsprechung von Natur und Vernunft

<strong>Ethisch</strong> han<strong>de</strong>ln <strong>lernen</strong> (<strong>SS</strong> <strong>2004</strong>, <strong>Prof</strong>. <strong>Simon</strong>) <strong>von</strong> Anke Heinz. Mehr Skripte unter www.<strong>vaticarsten</strong>.<strong>de</strong>S. 21Das Lernen ist bei Rousseau gekennzeichnet <strong>von</strong> Experimentieren undschöpferischen Tätigsein. Die Kin<strong>de</strong>sphase besitzt ihr eigenes Recht: „Die Natur will,daß die Kin<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r seien, bevor sie Menschen wer<strong>de</strong>n“. Es gehört also zurnatürlichen Entwicklung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s, daß es durch Eigenanschauung lernt. Es soll sichfrei entwickeln in aktiver Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r Natur und <strong>de</strong>r Welt – undzwar ohne <strong>de</strong>n Einfluß einer Autorität. Die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung geschieht somit a-sozialund natürlich.Rousseau war <strong>de</strong>r Meinung, daß ab <strong>de</strong>m 12. Lebensjahr die Vernunft, und ab<strong>de</strong>m 15. „das Gefühl“ erwache. Dieser natürlichen Erziehung muß erzieherischbegleitend entsprochen wer<strong>de</strong>n. Es geht <strong>de</strong>shalb nicht um eine Erziehung <strong>de</strong>s laissézfaire, son<strong>de</strong>rn es soll , v.a. in <strong>de</strong>r pubertären Phase, eine „Kultur <strong>de</strong>r Gefühle“aufgebaut und in die Begriffe <strong>de</strong>s jeweiligen Lebensalters eingeführt wer<strong>de</strong>n. Dievormoralischen Erfahrungen <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s sollen weitergeführt wer<strong>de</strong>n zu einembegrifflichen Erfassen <strong>de</strong>s Sittlichen.Die Liebe zwischen Erzieher und Kind gilt Rousseau als die Basis <strong>de</strong>r Erziehung,es herrscht keine emotionale Gleichgültigkeit. Sobald <strong>de</strong>r Erzieher spürt, daß im KindVernunft o<strong>de</strong>r Gefühl erwacht, ist es seine Aufgabe, zum Reifen beizutragen, in<strong>de</strong>m ersich als Gesprächspartner einschaltet.Im Prozeß <strong>de</strong>s Reifens kommt <strong>de</strong>r Jugendliche auch mit Religion in Kontakt, undzwar zunächst mit <strong>de</strong>r „natürlichen“ Religion. Diese besteht in <strong>de</strong>r Erfahrung <strong>de</strong>sGetragenseins <strong>von</strong> einem göttlichen Wesen, das alle Vernunft durchdringt. DieStimme dieses göttlichen Wesens wird im Gewissen hörbar; es han<strong>de</strong>lt sich dabei um<strong>de</strong>n Anspruch <strong>de</strong>s Wissens Gottes. Es kommt zu einem theologisch motiviertensittlichen <strong>Han<strong>de</strong>ln</strong>. Rousseau spricht vom Gewissen auch als vom „Gefühl <strong>de</strong>sHerzens“. Es geht also um eine vorrationale Bindung, die ursprünglicher ist als je<strong>de</strong>r<strong>von</strong> außen herangetragene sittliche Anspruch (wie er z.B. im Über-Ich <strong>de</strong>utlich wird).Das Gefühl <strong>de</strong>s Herzens weist auf eine ihm immanente Sittlichkeit, auf seineGrundbedürfnisse hin.Durch seine Erfahrungen gelangt ein Kind schließlich zu Begriffen <strong>von</strong> Gut undBöse, <strong>von</strong> Liebe und Gerechtigkeit. Die sittliche Erziehung wird also frei vom äußerenZwang <strong>de</strong>r Sitte, Autorität, gesellschaftlichen Normen usw. vollzogen. Rousseau siehtdie Auswirkung <strong>de</strong>r menschlichen Gesellschaft auf die Entwicklung <strong>de</strong>s Menschengrundsätzlich negativ. Deshalb steht für ihn die Autarkie <strong>de</strong>s jungen Menschen imVor<strong>de</strong>rgrund. Voraussetzung dafür ist eine Entsprechung <strong>von</strong> Natur und Vernunft

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!