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Brechtfestival-Programmheft (PDF)

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<strong>Brechtfestival</strong> Augsburg 2014Es war ein kalter Februarmorgen, als Bertolt Brechtzum ersten Mal mit dem Zug nach Berlin aufbrachund als Abschied auf seine Augsburger Jugendzeitdie Erinnerung an die Marie A. schrieb. 13 Jahrespäter, wieder an einem kalten Februarmorgen,musste er in der Nacht nach dem Reichstagsbrandüberstürzt aus der deutschen Hauptstadt fliehen.Die Jahre in Berlin waren für Brecht eine chaotischeund erfolgreiche, vielleicht seine beste Zeit.„Ich liebe Berlin, aber m.b.H.“, schrieb er am 29. Februar1920, nur wenige Tage nach seiner Ankunft.Die 20er Jahre waren im Anbruch. Bis dahin unbekannteFormen der Massenkultur entfalteten sichin rasendem Tempo. Eine Kunst- und Unterhaltungsindustrieentstand, und Brecht verstand schonbald, sie zu bedienen. Er schrieb für alle Genres,veröffentlichte sogar Reklamegedichte, sah dieSportpaläste als Vorbild für sein neues Theater, daser später das epische nannte, sorgte für Provokationenund Skandale, aber auch für die Glanzlichterder Zeit. Die radikalen Experimente, die ästhetischenNeuerungen, die Verbindung von E- und U-Musik, all das schuf Brecht in den Berliner Jahren:Kunst auf der Höhe der Zeit, so wie es später kaummehr erreicht wurde. Dass anspruchsvolle, mit denMitteln eines neuen Theaters spielende und zugleichscharfe Gesellschaftskritik beinhaltendeSprach- und Musikkunst ein Massenpublikum erreichten,ist in der deutschen Geschichte einzigartig.All dem setzten die Nazis ein brutales Ende. „EinExodus von Schriftstellern und Künstlern begann,wie ihn die Welt noch nicht gesehen hatte“, schrieb06Brecht über diese Zeit. Für ihn bedeutete das dieFlucht um die halbe Welt und ein 15-jähriges Exil,weitgehend abgeschnitten von den Produktionsmitteln.Gerade die Jahre 1928 bis 1932, die Zeit derLehrstücke und der Opern, bilden trotz aller spätererWelterfolge in ihrer formalen und inhaltlichenRadikalität den Höhepunkt in Brechts dramatischemSchaffen, den er danach nicht mehr erreichte.Im fünften Jahr des <strong>Brechtfestival</strong>s, im zweiten Jahrin Kooperation mit dem Theater Augsburg, stehendie 20er Jahre bis zur Flucht im thematischen Zentrum.Seit dem Beginn im Jahr 2009 hat sich das<strong>Brechtfestival</strong> weiter entwickelt und verändert. Gebliebenist ein wesentliches Markenzeichen: DieVerbindung von international wirkenden Künstlernmit der freien Augsburger Szene und dem Stadttheater.Dieses Mal ist der Weltstar keine geringereals Patti Smith und mit Iris Berben, Burghart Klaußnerund Thomas Thieme dürfen wir Künstler begrüßen,die zu den besten und wichtigsten dieses Landesgehören. Es ist etwas Besonderes, dass ThiemesBaal, eine Eigenproduktion des <strong>Brechtfestival</strong>s2013 und damit der Augsburger Kultur, inzwischenin Weimar, Hamburg, Dresden, Stuttgart und imBerliner Ensemble gastierte. In diesem Jahr werdenBurghart Klaußners Fragen Sie mehr über Brechtund der große Abend mit Iris Berben und ThomasThieme Das Chaos ist aufgebraucht… zu den Höhepunktengehören. Als Neuproduktion inszeniertJohanna Schall Brechts Lehrstück, und das TheaterAugsburg ist wieder mit zwei Projekten vertreten:Katerina Evangelatos’ Inszenierung von Der guteMensch von Sezuan und das Sinfoniekonzert Freiheitunter der Leitung des GMD Dirk Kaftan. Ichmöchte mich ganz herzlich beim Theater Augsburgund seiner Intendantin Juliane Votteler für die sehrgute Kooperation bedanken. Ebenso herzlich bedankeich mich bei den Künstlern und Kulturschaffendender freien Szene, die sich seit Jahren für das<strong>Brechtfestival</strong> engagieren. Das multi mediale, internationaleExperiment von Bluespots ProductionsBrecht³ mit einer Inszenierung des Jasagers undNeinsagers in Osaka, Augsburg und Chicago ist nureines der vielen außergewöhnlichen Projekte. Dazukommen die von Girisha Fernando kuratierte LangeBrechtnacht, das popkulturelle Programm von LydiaDaher mit dem Veranstaltungsklassiker Poetry –Dead or Alive!?, die Auftritte von Isabell Münschund Geoffrey Abbott, eine Uraufführung des SensembleTheaters sowie viele Veranstaltungen vonAkteuren, die das Festival seit Jahren prägen.Uns Machern sind die Diskussionen und Anregungenrund um das Festival von großer Wichtigkeit;wir versuchen unser Konzept ständig weiter zu entwickeln.Auch dieses Jahr gibt es wieder Neuerungen:Im Mittelpunkt steht dabei der internationaleSchwerpunkt mit Gastspielen aus Ungarn und Italien.Sándor Zsótér führt Regie bei Das Leben Eduardsdes Zweiten von England und Carlo Cerciellobei Die Mutter; dazu gibt es einen Thementag mitinternationalen Künstlern. Ein weiterer Schwerpunktsind die Projekte für Kinder. Über 2000 Schülerinnenund Schüler aus ganz Bayerisch-Schwabenzeichneten für den Wettbewerb Es war einmal einRabe…Kinder illustrieren Brecht, den Dr. MichaelFriedrichs und Karla Andrä ins Leben riefen, und zudem beim Festival ein Bildband präsentiert wird.07Nicht nur für diesen Band gilt mein besonderer DankFrau Barbara Brecht-Schall; sie unterstützt das Festivalin vielerlei Hinsicht und ich freue mich, sieauch dieses Jahr wieder in Augsburg begrüßen zudürfen. Robin Haefs von Rapucation bringt MC Messermit Augsburger Jugendlichen zur Uraufführung undarbeitete mit ihnen bereits im Vorfeld des Festivalsin Workshops zusammen. Ebenso neu ist die wissenschaftlicheVortragsreihe im Brecht-Haus mit anschließendemBrecht-Stammtisch. Diese Veranstaltungensollen auch ein Forum zur Diskussion um dieGeburtsstätte des Dichters und zum Thema Brechtund Augsburg überhaupt bieten.Das <strong>Brechtfestival</strong> ist zu einem Treffpunkt von Künstlern,Wissenschaftlern, Kulturschaffenden und demPublikum geworden, das in dieser Form einzigartigist; es gehört inzwischen zum festen Bestandteil desdeutschen Kulturkalenders. Ich lade Sie ein zu elfspannenden, erkenntnisreichen und unterhaltsamenTagen, in denen der Höhepunkt von Brechts Schaffenim Mittelpunkt steht. Lassen Sie uns gemeinsamfeiern, diskutieren, reflektieren über einen Künstler,der in den 20er Jahren wie kein anderer Experimentewagte, die bis in die Gegenwart das Theater, dieKunst, die Philosophie, die Politik und die Gesellschaftprägen.Dr. Joachim A. Langkünstlerischer Leiterdes <strong>Brechtfestival</strong>s

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