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21_LB175.pdf - Lübeckische Blätter

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Theater<br />

Neu im Theater Lübeck:<br />

„Verbrennungen“, ein aufwühlendes Zeitstück<br />

Von Klaus Brenneke<br />

In den Kammerspielen am 10. Dezember,<br />

kurz vor 20 Uhr: „Zweieinhalb Stunden<br />

ohne Pause“ teilt uns die freundliche<br />

Öffentlichkeitsreferentin mit. Die Aufführung<br />

beginnt mit Verspätung, weil immer<br />

noch lachende, plaudernde jugendliche<br />

Besucher in den Saal strömen. Doch bald<br />

nach Vorstellungsbeginn herrscht atemlose<br />

Stille. „Verbrennungen“ ist ein emotional<br />

ebenso berührendes wie intellektuell<br />

forderndes Zeit-Stück, auch in dem Sinne,<br />

dass es eine Zeitreise in die Vergangenheit<br />

ist, ähnlich wie einst der „Ödipus“ des Sophokles.<br />

Es beginnt damit, dass ein Testamentsvollstrecker<br />

(sehr diskret und etwas<br />

zu leise: Robert Brandt) den 22-jährigen<br />

Zwillingen Jeanne und Simon den letzten<br />

Willen ihrer Mutter verkündet, der zunächst<br />

darin besteht, dass Simon seinen<br />

Vater und Jeanne einen weiteren Bruder<br />

der beiden suchen soll. Während der<br />

Amateurboxer Simon (kraftvoll und trotzig:<br />

Patrick Heppt) außer sich ist und mit<br />

unflätigen Anwürfen nicht spart, versucht<br />

Jeanne (überlegt und einfühlsam: Karoline<br />

Reinke) mit dem logischen Sinn der<br />

Mathematikerin an die Aufgabe heranzugehen.<br />

Doch der Auftrag verschließt sich<br />

planem Verständnis und führt statt dessen<br />

in die Abgründe von Krieg, Anarchie und<br />

Chaos.<br />

Der Autor Wajdi Mouawad, einst aus<br />

dem Libanon geflohen und in Kanada ansässig,<br />

verzichtet auf konkrete Ortsangaben;<br />

da ist lediglich vom Süden und vom<br />

Norden die Rede. Die Personennamen<br />

deuten jedoch auf den Nahen Osten hin,<br />

so dass wir die Behauptung wagen: Seit<br />

Joshua Sobols „Palästinenserin“ vor <strong>21</strong><br />

Jahren hat es in den Kammerspielen kein<br />

Stück gegeben, dass sich mit den 2006<br />

uraufgeführten „Verbrennungen“ vergleichen<br />

ließe, die wiederum der zweite Teil<br />

einer Tetralogie sind.<br />

Zentrale Gestalt ist Nawal Marhan, die<br />

lernende, liebende, leidende und am Ende<br />

verstummende Mutter. Sie wird verkörpert<br />

von Susanne Höhne. Diese Darstellerin<br />

hat in den drei Jahren ihres Lübecker<br />

Susanne Höhne (Nawal)<br />

Engagements spürbar an Festigkeit und<br />

Ausdruckskraft gewonnen und wird hier<br />

allen Facetten ihrer Rollen zwischen Jugend<br />

und mittlerem Alter, Verhärtung und<br />

Verzeihen gerecht. Ihre Nawal steht zugleich<br />

sinnbildlich für das Leid der Frau<br />

und Mutter in einem von Männern angezettelten<br />

Krieg.<br />

Sven Simon (Blindenführer), Robert Brandt (Abdessamad), Matthias Hermann (Wahab), Susanne Höhne (Nawal), Karoline Reinke<br />

(Jeanne) (Fotos: Lutz Roeßler)<br />

388 <strong>Lübeckische</strong> <strong>Blätter</strong> 2010/<strong>21</strong>

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