CDer Eichenwidderbockentwickeltsich bevorzugt inabgestorbenemEichenholz.Foto: J. Limbergerwo der Blitz sich sonst entladen hätte.Gut möglich, dass er dem Haus und seinenBewohnern das Leben gerettet h<strong>at</strong>.Auch sind Zeugen von längst vergessenenStürmen in der Baumkrone erhalten geblieben.Und schließlich durfte ich nochin das alte Familienalbum Einblick erhalten.Einige der historischen Aufnahmenzeugten davon, dass schon so manchesrauschende Fest unter dem Baum gefeiertwurde. Die Hochzeitstafel des Urgroßv<strong>at</strong>erszum Beispiel. Einige Seiten weiternoch einmal eine Aufnahme mit fastdemselben Aufnahmewinkel, aber diesesMal zur Feier des Goldenen Hochzeitsjubiläums.Auf all den Aufnahmen, wo derGarten in irgendeiner Art und Weise zusehen war, sah ich kein einziges Mal etwas,das in mir das Gefühl regte, dass esdem Baum hier im Garten nicht gut geht.Seit Gener<strong>at</strong>ionen wird darauf geachtet,dass im Wurzelraum des Baumes nichtgegraben und gebaut wird. Manchmal istes gar nicht so einfach, Menschen dazu zuüberreden, den Lebensraum des Baumeszu respektieren. So mussten schon LeitungsbauunternehmenverschiedensterArt davon überzeugt werden, ihre Leitungennicht direkt unter der Baumkronezu verlegen. Beim Bau der Gasleitungüberzeugte erst eine Tasse Kaffee, getrunkenan einem heißen Sommertagim Sch<strong>at</strong>ten des Baumes. Und siehe da,es war plötzlich kein Problem mehr, dieTrassenführung zu ändern. Ja, die Anwesenheiteines so mächtigen Baumes lässtvielleicht doch die Macht des Geldesetwas schwinden. Schließlich kann maneinen Baum dieser Größenordnung nichteinfach verpflanzen. Auch die Bitte anden Baum, er möge doch kurz mal einStück zur Seite treten, wird, fürchte ich,nicht mit Erfolg gesegnet werden. Und sobleibt nichts anderes übrig, als mit allenMitteln dafür einzutreten, den Standraumdes Baumes möglichst unverändert zubelassen. Und irgendwie scheint es, alswürde der Baum auch alles ihm Möglichedazu beizutragen.Lebensraum für TiereDa riefen die Kinder plötzlich vomBaumhaus herunter, dass sie gerade einenBockkäfer gefunden haben. Mit welcherBegeisterung sie das t<strong>at</strong>en. Gut, dass ichbei der Arbeit im Baum nicht das ganzeDürrholz entfernt habe. Von den dickerenabgestorbenen Ästen habe ich Stumpenam Baum belassen. Die Schnittstellen derStumpen habe ich noch etwas angeschnitten,damit sie ein bisschen wie abgebrochenaussehen. Diese können oft nochjahrzehntelang am Baum verbleiben,ohne herunterzufallen. Solches Totholzwird von den Bockkäfer-Larven als Lebensraumbenötigt und wieder „zum Lebenerweckt“. Irgendwie also doch keinTotholz.Bei einem Blick in die Nachbargrundstückesah ich einige Pool-Abdeckungen.Und so konnte ich mir die Frage nichtverkneifen, ob auch hier in diesem Gartenschon einmal der Wunsch nacheinem Pool laut wurde. Die Antwortkam prompt und überzeugend mit einem„Nein“. Denn für Abkühlung an heißenTagen sorgt ohnehin der Sch<strong>at</strong>ten. „Fürmeine Kinder und Enkel habe ich frühermanchmal ein Planschbecken aufgestellt.Und wenn man wirklich schwimmen will,kann man das im nahe gelegenen Freibadohnehin viel besser als in einem immerzu kleinem Pool. Außerdem bieten derPl<strong>at</strong>z im und unter dem Baum das ganzeJahr über Aufenthaltsmöglichkeiten. Undweil beides gleichzeitig auch nicht Pl<strong>at</strong>zfinden würde, stellte sich die Frage nieernsthaft.“ Das mit dem nebeneinanderPl<strong>at</strong>zfinden haben auch so manche Nachbarnwohl unterschätzt. Einige nicht sehrvorteilhaft gekappte <strong>Bäume</strong> zeugen nochdavon.<strong>Bäume</strong> brauchen Pl<strong>at</strong>zWelches Glück die Eiche doch h<strong>at</strong>.Weniger Glück h<strong>at</strong>ten da schon die <strong>Bäume</strong>,die im Laufe der Zeit von der Eicheverdrängt wurden. Einige wurden auchgefällt, bevor sie die Eiche bedrängenkonnten, um der Eiche ein ungehindertesWachstum zu ermöglichen. Undwenn ich mir das Ergebnis davon ansehe,glaube ich, dass es richtig war.Manchmal ist eben doch weniger mehr.Wenn man fünf Hühner in einen kleinenKäfig sperrt, kommt ja auch keiner aufdie Idee, es wäre Tierschutz, noch einesdazu zu sperren. Wo der Pl<strong>at</strong>z doch ohnehinzu wenig ist, um ein artgerechtesDasein zu ermöglichen. Die <strong>Bäume</strong>hinter den Gartenzäunen erinnern auchmanchmal an Käfighaltung. Viel zu dichtgepflanzt, um sich entfalten zu können.Und so mancher „Baumfreund“ wagtes nicht, rechtzeitig einen Baum davonzu entfernen. So werden sie größer undgrößer, bis sie einfach wirklich zu großsind. – „Nein, einfach wegschneiden gehtINF RMATIVSeite 10 s6/2013
doch Fachleute und Experten, die es wissenmüssen, der h<strong>at</strong> recht. Aber Gott seiDank, gibt es besorgte Bürger, die beimBürgermeister anrufen, um darauf hinzuweisen,dass da doch bestimmt noch<strong>Bäume</strong> fehlen. Und so werden die Fachleutezu Gejagten der Politik und pflanzendoch noch einen Baum mehr auf diekleine Grünfläche. Später korrigierendeinzugreifen, geht aus vorauseilendemGehorsam schon nicht. Das würde dochnur den Unmut der vom Bürger getriebenenPolitik hervorrufen.CAbgestorbeneEichenäste bietenSpechten und BockkäfernNahrung undLebensraum, auchim Garten.Foto: J. Limbergernicht, das bringe ich nicht übers Herz.“– Doch vorher noch versuchen, sie einzukürzen,etwas kleiner zu machen. Aberdafür gleich alle einer Baumgruppe. Mitder Erkenntnis, dass sie, meistens zumindest,wieder Austreiben. Die unzähligenneuen Triebe, die durch Lichtkonkurrenzin Richtung Himmel wachsen. Und so istdie ursprüngliche Höhe bald wieder erreicht.Übrigens ist die Krone auch nochdichter geworden. Nun müssen sie ebennoch einmal geschnitten werden. DiesesMal aber etwas tiefer unten, damit nichtgleich wieder geschnitten werden muss.Dieses Spiel wird fortgesetzt, bis nurmehr ein erbärmlicher Rest eines Baumesübrig bleibt. Ein Stück vom Stamm undvielleicht ein paar Reste von Seitenästen.Voll bewachsen mit Nottrieben. Ja, soheißen die Neuaustriebe, die der Baummachen muss, um seine Blätter wiederbilden zu können. Schließlich lebt der gesamteBaum von den Assimil<strong>at</strong>en, die inden Blättern gebildet werden. Eigentlichsind die <strong>Bäume</strong> jetzt aber auch gar nichtmehr schön. Und so kommt der Tod aufR<strong>at</strong>en zu seinem Ende. Die <strong>Bäume</strong> werdengefällt und von ihrem Leiden erlöst.Nun sind alle weg, wo doch ein BaumPl<strong>at</strong>z gefunden hätte. Ein schöner Baumkönnte noch da sein. Und das nur ausdem Glauben heraus, als Baumschützerdürfe man keinen Baum fällen. Und soplagt einen nach der Aktion des Baumfällensschnell das schlechte Gewissen.Ja, neue <strong>Bäume</strong> müssen gepflanzt werden.Aber für diese doch große Fläche isteiner bestimmt zu wenig. Übrigens h<strong>at</strong>auch der nette Herr in der Baumschule,wo ich die <strong>Bäume</strong> gekauft habe, gesagt,dass einer sicher viel zu wenig ist. Ja undübrigens h<strong>at</strong> der nette Herr auch gesagt,dass die Eichen, die sie bei uns kaufen,auch nicht so groß werden.Wer jetzt sagt, dass die Stadtgartenämterdie Nachpflanzungen auch manchmalso dicht zusammenstellen, der h<strong>at</strong>gut beobachtet. Und wer sagt, das sindAuf die Bedürfnisse der<strong>Bäume</strong> achtenWie immer ist alles eine Frage derVerteilung. N<strong>at</strong>ürlich werden nichtgrundsätzlich zu viele <strong>Bäume</strong> gepflanzt.Manchmal sind es aber zu viele Parkplätze.Dafür fällt dann die Baumscheibeetwas kleiner aus. Einen Meter maleinen Meter vielleicht. Über den Wurzelraumnoch einen Eisenrost oder eineLochpl<strong>at</strong>te. Die ist im Winter übrigensbestens dazu geeignet, um dort den miteiner Prise Salz versehenen Schnee zu lagern.Um den Stamm noch ein massivesEisengitter. Für solche Standorte hätteich auch schon einen Vorschlag für dieNachnutzung, denn die Lebenserwartungist dort ohnehin gering. Der Eisenrost istja ähnlich dem in der Tierhaltung. DasBaumschutzgitter etwas erweitern undum die ganze Fläche ziehen. Und fertigist die Einzelbucht für ein Schaf. Abernein. Gemäß Tierhalteverordnung darfein Schaf in einer Einzelbucht nicht aufso kleiner Fläche gehalten werden. Nundenn. So pflanzen wir eben doch wiedereinen Baum hin.Und so habe ich einen Traum. EinesTages werden wir verstehen, was esbraucht, damit sich <strong>Bäume</strong> wohlfühlen.Wir werden danach handeln und demWunder Baum einen würdigen Pl<strong>at</strong>z inunserer Gesellschaft zugestehen.Und so genieße ich noch den letztenSchluck Kaffee vor der Heimreise. Fürdie Eiche h<strong>at</strong> sich mein Traum schon erfüllt.Und wenn ich wieder in die Kronedes mächtigen Baumes sehe, dann weißich, ich habe den schönsten Beruf derWelt.Seite 11INFRMATIV