Kennen Sie das WTZ-Journal? - Westdeutsches Tumorzentrum Essen

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13.07.2015 Aufrufe

k u r z u n d k n a p pw t z - j o u r n a l 4 · 2 0 1 3 · 5 . J g144undkurzknappBosutinib (Bosulif ® )„Kurz und knapp“. Unter diesem Motto stellen wir Ihnenregelmäßig wichtige Neuzulassungen aus Hämatologie undOnkologie vor.Priv.-Doz. Dr. med. Jürgen Novotny von der Klinik fürHämatologie im Westdeutschen Tumorzentrum nimmt denTyrosinkinase-Inhibitor Bosutinib unter die Lupe, der in derCML-Behandlung (CML-TKI) eingesetzt wird. Gleichzeitigbezieht er Stellung zur Entscheidung des Herstellers, dasPräparat in Deutschland nicht mehr zu vermarkten.Seit dem 27. März 2013 ist der Tyrosin -kinase-Inhibitor Bosutinib als Bosulif®in Europa zur Behandlung erwachsenerPatienten mit chronischer myeloischerLeukämie (CML) zugelassen, genauer:bei Patienten, die Philadelphiachromosom-positivsind. Bosutinib wird nurdann eingesetzt, wenn Imatinib, Nilotinibund Dasatinib sich für die Behandlungals nicht geeignet herausgestellthaben. Da es sich bei der CML um eineseltene Erkrankung handelt, ist Bosutinibals Orphan Drug ausgewiesen.Die Verfügbarkeit des Präparates inDeutschland ist allerdings sehr eingeschränkt,da die Herstellerfirma Pfizeram 15. November die Verhandlungenüber die Kostenerstattung mit demSpitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungenwegen Aussichts -losigkeit abgebrochen und Bosulif®vom deutschen Markt genommen hat.Seither ist das Medikament in Deutschlandzwar noch verordnungs fähig,muss aber über die internationaleApotheke beschafft werden. BetroffenePatienten müssen die Kosten vor -strecken und einen Erstattungsantragbei ihrer Krankenkasse stellen.1. Wie wirkt Bosutinib?Bosutinib ist ein sogenannter Tyrosinkinase-Inhibitor(TKI). Diese Medikamentenklassehemmt Tyrosinkinasen, alsoEnzyme, die in der Signaltransduktionpraktisch aller Zellen eine zentrale Rollespielen. Bosutinib hemmt unter anderemdie nur in Zellen chronischer myeloischerLeukämien und bestimmterakuter lymphoblastischer Leukämienvorhandene, also leukämiespezifischeTyrosinkinase bcr-abl. Damit wirkt Bosutinibprinzipiell wie Imatinib, Dasatinib,Nilotinib und Ponatinib, die alle für dieBehandlung der bcr-abl-positiven CMLzugelassen sind (CML-TKI). Wie alle anderenTKI wirkt Bosutinib nicht nur aufbcr-abl, sondern auch die Tyrosinkinasender src-Gruppe, die abl-Tyrosinkinaseund andere, was im Wesentlichen fürdie Nebenwirkungen verantwortlich ist.2. Wie groß ist der zu erwartendeNutzen für Patienten?Die Wirkung von Bosutinib führt in denmeisten Fällen zu einer zytogenetischenund molekularen Remission. Diese Wirkungist für die Mehrzahl der CML-Patientenauch mit Imatinib, Dasatiniboder Nilotinib erreichbar. Jedoch nimmtdie Zahl derjenigen Patienten allmählichzu, für die diese drei TKI nicht eingesetztwerden können und auch der fünfteCML-TKI (Ponatinib) kontraindiziertist. Für diese Patienten kann nur durchBosutinib die Chance einer normalenLebenserwartung aufrechterhalten werden.Ihr Sterberisiko erhöht sich dramatisch,wenn sie nicht für eine allogeneStammzelltransplantation mit der fürsie typischen Mortalität und Morbiditätund der Verfügbarkeit eines geeignetenSpenders qualifizieren.3. Gibt es Patientengruppen, beidenen das Präparat besonders gutwirkt?Bosutinib ist als Zweitlinientherapieoder in einer späteren Therapielinie zugelassenzur Behandlung Erwachsenermit Philadelphiachromosom-positiverchronischer myeloischer Leukämie (Ph+CML) in der chronischen Phase (CP), akzeleriertenPhase (AP) und in der Blastenkrise(BK), wenn Imatinib, Nilotinibund Dasatinib nicht zur Behandlung geeignetsind. In meinem eigenen Patientenkollektivfinden sich mehrere Patientenmit dieser dreifachen Unverträglichkeit.Ponatinib, der neben Bosutinibzweite CML-TKI der dritten Generation,ist in vielen Fällen keine Alternative.Laut aktuellen Veröffentlichungen derUS-amerikanischen ZulassungsbehördeFDA kommt es nach Angaben des Herstellersbei 20 Prozent der mit Ponatinibbehandelten Patienten zu „Blutgerinnselnoder Verengungen der Blutgefäße“.Damit ist bei Patienten mit kardiovaskulärenRisikofaktoren Bosutinib nachbisherigen Kenntnissen die eindeutigbessere Alternative.

k u r z u n d k n a p pw t z - j o u r n a l 4 · 2 0 1 3 · 5 . J g4. Was müssen verabreichendeÄrzte besonders beachten?Durch die engen Zulassungskriterienist im Wesentlichen abzuwägen, obPonatinib besser geeignet sein könnte.Hier ist auf die genannte Häufung vonGefäßkomplikationen unter Ponatinibhinzuweisen. Bei jüngeren beziehungsweisegeeigneten Patienten muss auchdie allogene Stammzell-Transplantationin die Überlegungen ernsthaft einbezogenwerden.5. Welche unerwünschten Nebenwirkungensind zu erwarten?Alle für die Behandlung der CML zugelassenenTKI haben häufig Nebenwirkungen.Diese sind meist mild, oft reversibeloder beeinflussbar und betreffenletztlich alle Organe. Unterschiede betreffendie Verteilung der Nebenwirkungenauf verschiedene Organe. So tretenbei Bosutinib häufig Durchfall, Übelkeit,Erbrechen, Bauchschmerzen, Ausschlag,Thrombozytopenie, Anämie, Fieber underhöhte Leberenzymwerte auf. Dies istbei allen anderen CML-TKI sehr ähnlich.Ob Bosutinib häufiger schwerwiegendeNebenwirkungen in bestimmten Organenauslöst, lässt sich derzeit noch nichtbeurteilen, da weltweit nur wenige tausendPatienten und davon viele erst seitkurzer Zeit mit Bosutinib behandeltwerden.Es ist sehr wahrscheinlich, dass Bosutinibbei einem relativ kleinen, aber nichtunbedeutenden Anteil der CML-Patientender am besten verträgliche CML-TKIist. Damit könnte für diese Betroffenender Zugang zu einer hochwirksamenTherapie erhalten werden.6. Wie hoch sind die Therapiekosten?Die monatlichen Therapiekosten für dasjeweilige Medikament in der Standarddosierungbetragen (laut aktueller RoterListe) für Imatinib 3.407,95 Euro, fürDasatinib 5.638,42 Euro, für Nilotinib3.743,03 Euro für die Erst- und 5.354,60Euro für die Zweitlinie. Bosutinib schlägtmit monatlich 6.166,21 Euro und Pona -tinib mit 7.350,24 Euro zu Buche. DieseZahlen variieren im Handel nur geringfügig,zum Beispiel durch verschiedeneZwischenhändler. Der für die Krankenkassenzu zahlende Preis wird nochdurch Abschläge, z. B. den 16-prozentigenPflichtrabatt reduziert. Die Preisfestlegungfür Bosutinib muss als vorläufigangesehen werden, da die Verhandlungenzwischen Hersteller undKostenträgern für Deutschland geradegescheitert sind. Darüber hinaus istzu erwarten, dass der Patentablauf vonImatinib im Jahr 2015/16 das Preisgefügeerheblich verändern wird.7. Wie beurteilen Sie die Einstellungder Vermarktung in Deutschland?Auch wenn in Deutschland bisher nuretwa 50 Patienten außerhalb von Studienmit Bosutinib behandelt werden, istmittelfristig mit mindestens 500 Patientenzu rechnen, für die Bosutinib diemedizinisch beste Option ist. Bedingtdurch die europaweite Zulassung istBosutinib in Deutschland nach wie vorverkehrs- und verordnungsfähig undkann über Auslandsapotheken beschafftwerden. Aber der meist müh -selige Kampf um die Erstattung derhohen Arzneimittelkosten wird vombehandelnden Arzt und vor allem vomPatienten auszufechten sein. Nur wenigekönnen die jährlichen Kosten vonbis zu 70.000 Euro so einfach zwischenfinanzierenund auch die juristischeGegenwehr ist für viele ältere Patientenoft praktisch nicht möglich. Im End -effekt wird dies unweigerlich dazu führen,dass geeignete Patienten nichtmit Bosutinib behandelt werden und –nicht unwahrscheinlich – dadurchfrüher sterben.Wenn aus den angeführten Gründenauf eines der Medikamente aus derVor-CML-TKI-Zeit wie Hydroxyurea,Interferon-alpha oder gar Busulfangewechselt werden müsste, wäre eindeutigmit einem erhöhten Sterberisikozu rechnen. Dies ist weder ethisch nochjuristisch akzeptabel. Damit ist die Entscheidungzum opt-out von Bosutinibvehement abzulehnen. Eine Schuld -zuweisung kann und soll hier nicht erfolgen,da viele Informationen nichtoder völlig widersprüchlich vorliegen.Es ist aber anzunehmen, dass die Verantwortungauf viele verteilt ist, undes muss eindringlich an alle Verantwortlichenin der Politik, der Industrie undsonstigen Beteiligten appelliert werden,diese Entscheidung zu revidieren undähnliche Entwicklungen unbedingt zuverhindern.Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologieund Onkologie (DGHO) hat zuletztim August 2013 eine dezidierte Stellungnahmemit konstruktiven Vorschlägenvorgelegt (http://www.dgho.de/informationen/nachrichten/BosutinibDGHO Stellungnahme 20130822.pdf).Die betroffenen Patienten und ihre betreuendenÄrzte müssen unbedingtbesser in diese Entscheidungsfindungeneingebunden werden. Alles andereist in Deutschland ethisch, politisch undjuristisch nicht akzeptabel.ZusammenfassendeKurzbewertungBosutinib ist ein für die chronischemyeloische Leukämie entwickelterTyrosinkinase-Inhibitor der drittenGeneration. Während er relativ spätzugelassen wurde und über keine überragendenEigenschaften verfügt, kanner ohne Zweifel für bestimmte Patientendie einzige verbleibende Alternativesein, wenn man von den im Vergleich zuden TKI deutlich weniger wirksamenklassischen Therapien (z. B. Hydroxyurea)absieht.Eine eingeschränkte Verfügbarkeitkann für die entsprechenden Patientenletztlich tödliche Folgen haben.Bosutinib ist eindeutig als Ophan Drugeinzustufen, womit in vielerlei Hinsichtbesondere Regeln gelten (sollten).15

k u r z u n d k n a p pw t z - j o u r n a l 4 · 2 0 1 3 · 5 . J g144undkurzknappBosutinib (Bosulif ® )„Kurz und knapp“. Unter diesem Motto stellen wir Ihnenregelmäßig wichtige Neuzulassungen aus Hämatologie undOnkologie vor.Priv.-Doz. Dr. med. Jürgen Novotny von der Klinik fürHämatologie im Westdeutschen <strong>Tumorzentrum</strong> nimmt denTyrosinkinase-Inhibitor Bosutinib unter die Lupe, der in derCML-Behandlung (CML-TKI) eingesetzt wird. Gleichzeitigbezieht er Stellung zur Entscheidung des Herstellers, <strong>das</strong>Präparat in Deutschland nicht mehr zu vermarkten.Seit dem 27. März 2013 ist der Tyrosin -kinase-Inhibitor Bosutinib als Bosulif®in Europa zur Behandlung erwachsenerPatienten mit chronischer myeloischerLeukämie (CML) zugelassen, genauer:bei Patienten, die Philadelphiachromosom-positivsind. Bosutinib wird nurdann eingesetzt, wenn Imatinib, Nilotinibund Dasatinib sich für die Behandlungals nicht geeignet herausgestellthaben. Da es sich bei der CML um eineseltene Erkrankung handelt, ist Bosutinibals Orphan Drug ausgewiesen.Die Verfügbarkeit des Präparates inDeutschland ist allerdings sehr eingeschränkt,da die Herstellerfirma Pfizeram 15. November die Verhandlungenüber die Kostenerstattung mit demSpitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungenwegen Aussichts -losigkeit abgebrochen und Bosulif®vom deutschen Markt genommen hat.Seither ist <strong>das</strong> Medikament in Deutschlandzwar noch verordnungs fähig,muss aber über die internationaleApotheke beschafft werden. BetroffenePatienten müssen die Kosten vor -strecken und einen Erstattungsantragbei ihrer Krankenkasse stellen.1. Wie wirkt Bosutinib?Bosutinib ist ein sogenannter Tyrosinkinase-Inhibitor(TKI). Diese Medikamentenklassehemmt Tyrosinkinasen, alsoEnzyme, die in der Signaltransduktionpraktisch aller Zellen eine zentrale Rollespielen. Bosutinib hemmt unter anderemdie nur in Zellen chronischer myeloischerLeukämien und bestimmterakuter lymphoblastischer Leukämienvorhandene, also leukämiespezifischeTyrosinkinase bcr-abl. Damit wirkt Bosutinibprinzipiell wie Imatinib, Dasatinib,Nilotinib und Ponatinib, die alle für dieBehandlung der bcr-abl-positiven CMLzugelassen sind (CML-TKI). Wie alle anderenTKI wirkt Bosutinib nicht nur aufbcr-abl, sondern auch die Tyrosinkinasender src-Gruppe, die abl-Tyrosinkinaseund andere, was im Wesentlichen fürdie Nebenwirkungen verantwortlich ist.2. Wie groß ist der zu erwartendeNutzen für Patienten?Die Wirkung von Bosutinib führt in denmeisten Fällen zu einer zytogenetischenund molekularen Remission. Diese Wirkungist für die Mehrzahl der CML-Patientenauch mit Imatinib, Dasatiniboder Nilotinib erreichbar. Jedoch nimmtdie Zahl derjenigen Patienten allmählichzu, für die diese drei TKI nicht eingesetztwerden können und auch der fünfteCML-TKI (Ponatinib) kontraindiziertist. Für diese Patienten kann nur durchBosutinib die Chance einer normalenLebenserwartung aufrechterhalten werden.Ihr Sterberisiko erhöht sich dramatisch,wenn sie nicht für eine allogeneStammzelltransplantation mit der fürsie typischen Mortalität und Morbiditätund der Verfügbarkeit eines geeignetenSpenders qualifizieren.3. Gibt es Patientengruppen, beidenen <strong>das</strong> Präparat besonders gutwirkt?Bosutinib ist als Zweitlinientherapieoder in einer späteren Therapielinie zugelassenzur Behandlung Erwachsenermit Philadelphiachromosom-positiverchronischer myeloischer Leukämie (Ph+CML) in der chronischen Phase (CP), akzeleriertenPhase (AP) und in der Blastenkrise(BK), wenn Imatinib, Nilotinibund Dasatinib nicht zur Behandlung geeignetsind. In meinem eigenen Patientenkollektivfinden sich mehrere Patientenmit dieser dreifachen Unverträglichkeit.Ponatinib, der neben Bosutinibzweite CML-TKI der dritten Generation,ist in vielen Fällen keine Alternative.Laut aktuellen Veröffentlichungen derUS-amerikanischen ZulassungsbehördeFDA kommt es nach Angaben des Herstellersbei 20 Prozent der mit Ponatinibbehandelten Patienten zu „Blutgerinnselnoder Verengungen der Blutgefäße“.Damit ist bei Patienten mit kardiovaskulärenRisikofaktoren Bosutinib nachbisherigen Kenntnissen die eindeutigbessere Alternative.

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