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braunschweigisches jahrbuch - Digitale Bibliothek Braunschweig

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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> <strong>Braunschweig</strong>http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042650338 Rezensionen und Anzeigensichtlich des sozialpolitischen Programms sehr schnell die Diskrepanz zwischen Anspruchund Wirklichkeit. Die Autoren weisen übrigens die These, das Volkswagen-Projekt habevon vornherein einen rüstungspolitischen Hintergrund bzw. sollte mittels des besonderenSparsystems Kaufkraft abschöpfen, entschieden zurück. Es als HitIers 'Lieblingsspielzeug'zu bezeichnen verkürzt das Projekt jedoch allzusehr.Bereits in der Aufbauphase traten erhebliche Engpässe auf. Es fehlte an Rohstoffen,und es fehlten angesichts des durch die Rüstungsproduktion leergefegten Arbeitsmarktesvor allem die Arbeitskräfte. Für den Aufbau von Werk und Stadt wurden Tausende von italienischenArbeitern herangezogen.Der Kriegsbeginn stellte das Werk vor erhebliche Schwierigkeiten: Es war in der rüstungswirtschaftlichePlanung nicht verankert. In den folgenden Monaten bemühte sich dieWerksleitung, den Betrieb auf Rüstungsproduktion umzustellen. Am Ziel, nach dem Kriegzivile PKW zu produzieren, hielt sie jedoch fest. In den ersten Kriegsjahren lebte das Werkvon Reparaturaufträgen; die Autoren sprechen für diese Phase vom 'Lumpensammler' derKriegswirtschaft. Mit der Übernahme von Aufträgen der Luftwaffe gelang schrittweise dieUmwandlung in einen Rüstungsbetrieb. Porsches Schwiegersohn Anton Piech, seit 1942Hauptgeschäftsführer und bis Kriegsende der entscheidende Mann im Unternehmen, steIltehierfür die Weichen. Die Produktion des Kübelwagens brachte den Durchbruch; einGroßabnehmer war die Waffen-SS, wodurch sich die Beziehungen zwischen Werk und derSS intensivierten. In der letzten Kriegsphase produzierte das Werk verstärkt für die Luftrüstung.Bei Kriegsende war die Ausgangslage des Werkes nicht ungünstig. Die englische Besatzungsarmeebrauchte Kraftfahrzeuge und war an der raschen Produktionsaufnahme sehrinteressiert. Jetzt begann der rasante Aufstieg des VW-Werkes.Zu den eindrucksvollsten Abschnitten des Buches gehört die Beschreibung der Arbeits-und Lebensbedingungen der Zwangsarbeiter im Werk und in den Lagern.Im Krieg stützte sich das Werk zunehmend auf ausländische Arbeitskräfte, zunächst aufangeworbene Arbeitskräfte aus Italien, Dänemark, Holland und Frankreich, dann aufZwangsarbeiter aus üsteuropa, schließlich auf Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. 1944machten die ausländischen Beschäftigten mehr als 65 % der Belegschaft aus. Die Initiativefür die ÜbersteIlung von Zwangsarbeitern ging von der Werksleitung aus. Auch der früheEinsatz von KZ-Häftlingen 1941/42 beim Bau der Leichtmetallgießerei ging auf direkteIntervention von Porsche bei Himmler zurück, desgleichen die Beschäftigung von KZ­Häftlingen bei der Untertageverlagerung der Produktion im letzten Kriegsjahr; dabeischeint die Rettung des Maschinenparks wichtiger gewesen zu sein als die Rettung derMenschenleben.Wir erhalten detaillierte Berichte über das Verhältnis von deutschen und ausländischenArbeitern, über die unterschiedliche Behandlung der Zwangsarbeiter nach ihren Herkunftsländern,über Verpflegung und medizinische Versorgung und über die vielfältigenFormen der Repression. Zu kurz kommen allerdings die strafrechtlichen Maßnahmen(Sondergerichte). Erschütternd lesen sich die Berichte über das KZ-Außenlager Laagberg.Etwas besser behandelt wurden die von Ingenieuren des Werkes direkt in Auschwitz ausgewähltenjüdischen KZ-Häftlinge.Um die Arbeitseinsatzpolitik des Werkes abschließend beurteilen zu können, wäre einintensiverer Vergleich mit schon vorliegenden Untersuchungen notwendig gewesen. Feststeht, daß im Wettlauf um Rüstungsaufträge die Firmenleitung bewußt die Ausbeutung derZwangsarbeiter und KZ-Häftlinge in Kauf nahm.Die Geschichte des VW-Werkes ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Verstrickungvon Unternehmern und Technikern in das NS-System. Sie zeigt die Gefahr einer Mentali-

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