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braunschweigisches jahrbuch - Digitale Bibliothek Braunschweig

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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> <strong>Braunschweig</strong>http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042650Rezensionen und Anzeigen 323rung der Umwelt- und Lebensbedingungen im Lande in der 2. Hälfte des 18.Jahrhundertszielte insbesondere darauf ab, das Wohl des Staates zu befördern. Die Senkung der Säuglingssterblichkeitund Stabilisierung der Gesundheit der Untertanen, zu der auch Vorsorgemaßnahmenwie die Pockenimpfung beitrugen (wenngleich das Interesse daran eher geringwar), konnte zu dem volkswirtschaftlich erwünschten Bevölkerungszuwachs führen.War es bisher wichtig gewesen, den Berufstätigen ihren Broterwerb zu sichern und dafürauch Konkurrenten auszuschalten, ging das Streben fortan dahin, eine möglichst weitgehendeVersorgung der Menschen zu gewährleisten. Vielfalt entstand durch die Zulassungvon Wettbewerb, auch z. B. durch die Aufhebung der Reglementierung für die Produkte,die in Apotheken verkauft werden durften.Abschließend (Kap. 5) spürt die Autorin noch einmal der Haltung der Betroffenen gegenüberihrem Kranksein nach und beschreibt die manchmal wenig fürsorgliche Behandlungkranker Obdachloser oder wandernder Handwerker, Armer und geistig Verwirrter,aber auch die Einrichtung von kleinen Hospitälern und Heimen für kranke alte Menschenund deren finanzielle Unterstützung durch die Behörden. Eine bunte Palette von Erkrankungenund oft abenteuerlichen, mit Elementen des Aberglaubens durchsetzten Heilverfahrenwird hier vorgestellt. Dieses Kapitel führt dem Leser noch mehr als die vorangegangenenplastisch vor Augen, wie schwierig und langwierig der Umdenkprozeß gewesen ist,der schließlich zu unserer heutigen Einstellung sowohl zu Krankheiten und ihrer Behandlungals auch zu einer auf wissenschaftlichen Forschungsergebnissen aufbauenden, auf Vorsorgehin orientierten Gesundheitspolitik führte.Ausgedehnte Anmerkungen (S. 379-458), ein umfassendes Literaturverzeichnis (S.459-488), Abbildungen und Karten ergänzen den Text, ein Index (S. 489-506) erschließtihn.Wie viele US-amerikanische Wissenschaftler zeichnet Mary Lindemann ein anspruchsvoller,literarischer Stil aus. Durch die besonders kunstvoll aufgebauten Satzstrukturen undoft barock anmutenden Formulierungen gewinnt ihr Text nicht nur Eleganz, sondern außerdemeine epische Breite, die durch zahlreiche inhaltliche Wiederholungen noch verstärktwird, was einer zügigen Rezeption dieses material gesättigten Buches hinderlich ist. Hinzukommt, daß bei einer Darstellung, die weitgehend auf direkte Querverweise verzichtet, allgemeingültigeSchlußfolgerungen bisweilen etwas versteckt bleiben. Doch wer den Alltagvor allem in Kleinstädten und im ländlichen Bereich in seinen vielgestaltigen, schillerndenFacetten kennenlernen will und Muße für die Lektüre mitbringt, für den ist dieser Band, demdie erkennbar große Quellennähe zu Lebendigkeit und Authentizität verhilft, unverzichtbar.Wer zunächst überhaupt einen Zugang zu der Thematik sucht, könnte sich möglicherweisein Mary Lindemanns Einzelfällen verlieren und ist deshalb besser beraten, die zweitehier anzuzeigende Publikation zu benutzen (beide Autorinnen kannten übrigens die jeweilsandere Ausarbeitung noch nicht): Gabriele Reisswangers 1995 an der TU <strong>Braunschweig</strong>angenommene Dissertation gibt neben der vom Titel her zu erwartenden eingehendenSchilderung der Arzneimittelversorgung auch einen qualifizierten Überblick über dasbraunschweigische Medizinal- und Apothekenwesen im 18. Jh. einschließlich seiner wirtschaftlichenund verwaltungsmäßigen Grundlagen (v. a. Kap. 2 und Kap. 7 - Zusammenfassung).Besonderen Zugriff der Obrigkeit erfuhren die Apotheken, die seit 1677 ein Privilegerlangen mußten: 1750 wurde eine Gruppe von ihnen für rund zwanzig Jahre verstaatlicht.Die Arzneimittel für diese Staatsbetriebe produzierte ein zentrales ChemischesLaboratorium, ihre Auslieferung erfolgte ebenfalls zentral durch eine Material-Handlung(eine zu jener Zeit in Deutschland singuläre Maßnahme, vgl. v. a. Kap. 5). Wegen mangelnderAkzeptanz von seiten der Apotheker wie der Ärzte gleichermaßen wurde dieserModellversuch 1771 beendet.

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