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braunschweigisches jahrbuch - Digitale Bibliothek Braunschweig

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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> <strong>Braunschweig</strong>http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042650Regionalhistorische Forschungen zur NS-Zeit 251Ernst Nolte schrieb sein Buch über den "Faschismus in seiner Epoche" und gleichzeitigbegann die Renaissance linker, sozioökonomisch argumentierender Faschismustheorien.Primat der Wirtschaft - Primat der Politik hießen die Schlagworte inden heftigen Kontroversen um die Rolle der Industrie im NS-System.Die siebziger Jahre waren geprägt von der Debatte um die innere Struktur des NS­Systems. Martin Broszats bahnbrechendes Werk über den "Staat Hitlers" fand als Taschenbuchviele Leser; endlich erschienen die bereits im zweiten Weltkrieg geschriebenenStudien von Ernst Fraenkel (Der Doppelstaat) und Franz Neumann (Behemoth)in deutscher Sprache.Sahen die einen das NS-Herrschaftssystem entscheidend bestimmt durch Hitlersunumschränkte Machtstellung und die konsequente Realisierung eines festen Programms,verwiesen die anderen auf die systemimmanente Dynamik, auf das Chaosder Zuständigkeiten, auf rivalisierende Machtgruppen. Damit stellte sich die Fragenach dem Handlungsspielraum und nach der Verantwortung der traditionellen Führungselitenin Wirtschaft, Bürokratie, Justiz und Armee neu.Anfang der 80er Jahre kam die große Stunde der Alltagsgeschichte. Und Alltagsgeschichtewar weitgehend Lokal- und Regionalgeschichte. Geschichtswerkstättenund örtliche Initiativgruppen bildeten sich; auch hier in <strong>Braunschweig</strong>. Arbeitergeschichte,Geschichte der "kleinen Leute" wollten sie erforschen; nicht nur, aber auchfür die Jahre 1933-1945. "Geschichte von unten" versprach neue Erkenntnisse überdie NS-Zeit, nicht nur über Institutionen und Strukturen, sondern über die Menschen,ihr Denken, ihr Verhalten, ihre subjektiven Wahrnehmungen. Manche, heuteganz zentrale Forschungsbereiche sind erst durch die Alltagsgeschichte entdeckt worden,z. B. Verweigerung und Resistenz zwischen Mitmachen und aktivem Widerstand,oder die Geschichte der Zwangsarbeit. Alltagsgeschichte hat die Vielfältigkeitvon Verhaltensformen in der NS-Zeit deutlich gemacht, hat auch unsere Kenntnisseüber die Herrschaftsmechanismen des Systems erweitert. Daß sie hin und wieder diezentralen politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozesse aus dem Augeverlor, sei kritisch angemerkt.Im "Historikerstreit" Mitte der 80er Jahre interpretierte der Historiker Ernst Nolteden Holocaust als Reaktion auf die bolschewistische Klassenvernichtung. Da solltemit der Relativierung der Verbrechen des Dritten Reiches, einschließlich des Holocausts,ein neues politisches Selbstbewußtsein der Deutschen geschaffen werden. Heftigist ihm widersprochen worden.So wichtig dieser Streit für die politische Kultur in Deutschland und für die Geschichtspolitikim Besonderen war, wissenschaftlich gesehen brachte er keine neuenErkenntnisse. Folgenreicher erwiesen sich die Veröffentlichumgen zur Sozialpolitikdes Dritten Reiches, die auf Kontinuitäten zur Zeit vor 1933, aber auch für die Zeitnach 1945 verwiesen. Wichtig und überfällig waren die Untersuchungen zu "Randgruppen",zu Zigeunern, zu Homosexuellen, zu den Zeugen Jehovas. Forschungsanstößezur Medizin und Psychiatrie kamen nicht aus der Historikerzunft, sondern vonÄrzten und Psychologen.Und heute? Nach wie vor wird die Frage nach dem historischen Standort des Nationalsozialismusin der deutschen Geschichte sehr kontrovers diskutiert. Das zeigt

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