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braunschweigisches jahrbuch - Digitale Bibliothek Braunschweig

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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> <strong>Braunschweig</strong>http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042650Die "Erbgesundheit" Heinrichs des Löwen 247lieh" gestaltet war 46 • Neben diesen Werten machte Fischer aber keine Ausrufezeichen,sie entgingen entweder seiner Aufmerksamkeit, oder er wollte erst gar keine aufsie lenken. Dies legt nahe, daß Fischer mit dem Problem der Hüftgelenksdysplasievollkommen voreingenommen war. Dies erklärte sich aber nur, wenn man den Befundunter der rassenhygienischen Brisanz betrachtete, die er im Dritten Reich hatte.Dem Erbgesundheits-Oberrichter Fischer waren diese Zusammenhänge geläufig, mitGeburtskunde beschäftigte er sich doch eher selten.Wenngleich ich für meine Vermutung über die bereits genannten Belege hinauskeine weiteren schriftlichen Dokumente anführen kann, halte ich es für wahrscheinlich,daß Fischer 1935 sehr wohl um die Schwierigkeiten der Abgrenzung zwischenangeborener und traumatischer Hüftgelenksluxation wußte, vor allen Dingen aberwar er sich als Erbgesundhcits-Oberrichter der Konsequenzen klar: Die angeboreneForm machte den vermeintlichen Besitzer Heinrich den Löwen zum "Erbkranken",der unter den Gesetzen des Dritten Reiches wegen "schwerer körperlicher Mißbildung"gern. "GzVeN" zwangssterilisiert worden wäre. Ob Fischer diesen Aspekt inseinem Gutachten (an dem er ein geschlagenes Jahr lang feilte) differentialdiagnostischanführte oder nicht, muß solange ungeklärt bleiben, wie das Originalgutachtenvon 1936 verschollen ist. Wenn aber Fischer die angeborene Form der Luxation zumindestdifferentialdiagnostisch anführte oder diese Möglichkeit erwähnte, erklärtdies zwanglos, warum jede weitere Veröffentlichung mit einer Nachrichtensperre verhindertwurde und das Gutachten damit geheime Verschlußsache war.Als Fischer am 29. Juni das erste Mal nach <strong>Braunschweig</strong> kam, war nur eine Grabstellefreigelegt. Losgelöst von der Frage, ob es sich um ein Frauen- oder Männerskeletthandelte, muß Fischer schlagartig klar geworden sein, daß er hier zu entscheidenhatte, ob eine sterilisierungspflichtige Erbkrankheit vorlag oder nicht. Erst die am4. Juli gefundene zweite GrabsteIle mit der Lederhülle und das Ergebnis der weiterenhistorischen Abklärung (weIches vermutlich ebenfalls von Prof. Roloff geliefertwurde), daß nämlich Heinrich eineinhalb Jahre vor seinem Tode einen schwerenReitunfall mit einer wie auch immer gearteten "Beinverletzung" hatte, ermöglichteFischer eine elegante und für alle Beteiligten befriedigenden Lösung des Falles: Dasgefundene Skelett gehörte Heinrich dem Löwen, die traumatisch verursachten Spurendes Reitunfalles am linken Becken und Oberschenkel bewiesen dies. Mehr noch,das Skelett mußte nachgerade Heinrich dem Löwen gehören, denn von einem UnfallMathildes von England berichten die Quellen bekanntlich nichts! Damit bewahrtesich der patriotisch gesinnte Fischer vor der unerhörten Peinlichkeit, einen Heldender deutschen Geschichte oder dessen Gemahlin zur "erbkranken Person" zu stempeln.Johannes Fried konstatierte bezogen auf das Dritte Reich, nach einer anfänglichpositiven Einstufung Heinrichs, eine spätere " ... Abwertung des Löwen im braunenGeschichtsbild", wo Heinrich schließlich pejorativ als "Kleinsiedler" apostrophiertwurde. 47 Im Lichte der hier vorgetragenen Zusammenhänge, darf man davon ausge-.. Vgl. O. KÄSER et al. (Hg.), Gynäkologie und Geburtshilfe. Bd. 1, S. 4.4, Stuttgart 1993 .• 7 Johannes FRIED (wie Anm. 3), S. 687.

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