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braunschweigisches jahrbuch - Digitale Bibliothek Braunschweig

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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> <strong>Braunschweig</strong>http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042650Die nErbgesundheit" Heinrichs des Löwen 243Aus dieser Bemerkung läßt sich die Schlußfolgerung ziehen, daß bereits der bloßeAnblick des Skelettes nicht recht zur Erwartungshaltung der Anwesenden über Heinrich(groß, schwarzhaarig) passen wollte und Hofmeister sich von Anfang an über dieBehinderung des Toten im klaren war. Die Tatsache, daß man bereits jetzt den Verdachthatte, daß es sich um das Grab Mathildcs handeln könnte, erhärtet sich dadurch,daß nun der <strong>Braunschweig</strong>er Mediziner, Prosektor Prof. Dr. Schultze, zugewgenwurde, der abklären sollte, welchen Geschlechtes das Skelett ist. D. h. auch 1935wurde in einem frühen Stadium bereits erwogen, daß es sich um ein Frauenskeletthandelt, wie die Tagebuchaufzeichnungen Hofmeisters eindeutig belegen 36 • Der Medizinerkonnte aber zu keinem Urteil gelangen, weil ihm nicht erlaubt wurde, einzelneKnochen aus dem Grab herauszunehmen und genauer zu untersuchen. Man darfdavon ausgehen, daß er die Frage ebenfalls an Hand des Beckenbefundes geprüfthätte. Nun wird aber berichtet, daß das ganze Skelett von Gewandstaub bedeckt war,d. h. dem Mediziner muß zumindest erlaubt worden sein, den Staub über dem Beckenzu entfernen, um einen Blick auf die freigelegten Knochen zu werfen. Ab diesemPunkt bis zum Eintreffen Fischers bin ich auf schriftlich nicht belegbare Schlußfolgerungenangewiesen.Ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß dem <strong>Braunschweig</strong>er Prosektor die Veränderungenan der linken Hüfte genauso ins Auge fielen, wie sie 1952 den anderenmedizinischen Fachleuten auffielen (denen sie sogar nur aufgrund der Photoaufnahmenbekannt wurden). Die Tatsache der Luxation der linken Hüfte muß Prof. Schultzesofort aufgefallen sein, auch ohne die Knochen in der Hand gehabt zu haben. Dochin dem Moment, in dem das Wort Hüftluxation 1935 zum ersten Mal gefallen war,bekam die Angelegenheit eine rassenhygienische Dimension, an die 1952 niemandmehr denken wollte und 1974 Schmidt mangels Kenntnis der Hintergründe nichtdenken konnte: Der oder die Tote war nicht nur "mißgestaltet", es lag der Verdachtauf Hüftluxation vor!"Hüftluxation" war nicht irgendeine Diagnose; im Dritten Reich hatte sie eine spezifischeund hochaktuelle Bedeutung im Zusammenhang mit den neuen Erbgesundheitsgesctzcndes NS-Regimes erhalten. Das "Gesetz zur Verhütung erbkrankenNachwuchses" sah die Zwangssterilisation von Personen mit ,,schweren körperlichenMißbildungen" vor - die angeborene Form der Hüftluxation wurde hierzu gezählt 37 !Und noch am selben 27. Juni, exakt an dem Tag, an dem erstmals der Verdacht aufHüftluxation geäußert werden konnte, wurde Fischer telefonisch an die <strong>Braunschweig</strong>erGruft gerufen. Über diesen zeitlichen Zusammenhang sind wir bestens orientiert.Fischer bestätigte sein Kommen mit einem Schreiben vom selben Tag: "ImAnschLuss an unser Ferngespräch teile ich Ihnen mit, dass ich Sonnabend um 10 53Uhr in <strong>Braunschweig</strong> ankommen werde . ... Mir würde es besonders Freude machen,36 Ebd., S. 293 : .Er wurde herbeigerufen, um festzustellen, ob wir es mit einer männlichen oder weiblichenPerson zu tun hällen." Beachte auch Tilmann SCHMIDT (wie Anm. 2), S. 24.31 Fischers Schüler und späterer Nachfolger als Dir. d. KWl für Anthropologie, Otmar v. Verschuer, derehenfalls Erbgesundheitsrichter war, hatte zusammen mit Prof. F. Oaussen ein entsprechendes Gutachtenverfaßt: Ferdinand CLAUSSEN & Otmar v. VERSCHUER, Hüftverrenkung als schwere erblichekörperliche Mißbildung. Ein Gutachten. In: Erbarzt 2, 1938, S. 30 f.

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