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braunschweigisches jahrbuch - Digitale Bibliothek Braunschweig

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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> <strong>Braunschweig</strong>http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042650Die Fundierung der sozialen Republik mißlingt 221rater bestand darin, daß sie kurz vor der politischen Explosion des Herbstes 1925 -spürten sie schon das Grummeln? - noch die Vermögensinteressen ihres Herrn in Sicherheitund vor allem aus der "Schußlinie" brachten. Die Konzessionen jedenfalls,zu denen das vormalige preußische Königshaus im Herbst 1926 unter dem Eindruckdes Volksentscheids noch genötigt wurde, bliehen dem ehemaligen Herzog von<strong>Braunschweig</strong> erspart.4. Der Volksentscheid zur FürstenenteignungUnabhängige Linke, die KPD und schließlich sogar die SPD machten sich die ansteigendeEmpörung zu eigen - sprangen sozusagen in den Führerstand des Zuges, dersich in Fahrt gesetzt hatte - und beantragten im Wege der Volksgesetzgebung, das gesamteVermögen der Fürsten, die bis zur Staatsumwälzung im Jahre 1918 in einemder deutschen Länder regiert haben, sowie das gesamte Vermögen der Fürstenhäuser,ihrer Familien und Familienangehörigen ... zum Wohl der Allgemeinheit ohne Entschädigungzu enteignen 166 • Es sollte zugunsten der Erwerbslosen, Kriegsbeschädigtenund anderer Benachteiligter verwendet werden. Alle Verfügungen, die nach dem1. November 1918 über diese Vermögen durch Urteil, Vergleich, Vertrag oder aufsonstige Weise getroffen worden waren, sollten nichtig sein.Die Reichspolitik wechselte nun gewissermaßen die Frustrationsform. SiebenJahre lang hatte sie die Länder alleingelassen, das gemeindeutsche Problem ignoriertund sich einer Pseudoneutralität befleißigt - "pseudo", weil die Orientierung auf die"gegebene Rechtslage" und der Verweis auf die Justiz strukturell natürlich eine Parteinahmeeinschlossen. Von mehreren formellen Interventionen wurde diejenige imFalle Waldeck schon angesprochen. Jetzt changierte man zu hektischer Aktivität, umein Abfanggesetz zustandezubringen, das dem bevorstehenden Volksentscheid "denWind aus den Segeln nehmen" sollte - ohne daß diese sogenannte "Kompromißgesetzgebung"tatsächlich zu einem vorweisbaren Ergebnis geführt hätte.Es heißt nicht der Versuchung unangemessener Aktualisierung zu erliegen, wennman den modischen Ausdruck "Politikverdrossenheit" heranzieht, um zu bezeichnen,was damals viele Menschen in puncto Vermögensauseinandersetzungen empfanden:Unmut, ja Ärger darüber, daß das politische System ein gravierendes Problemnicht löste. Dabei unterschieden sich die heiden idealtypischen Varianten kaum:Verdruß provozierten die Konservativen, wenn sie ein ganz offenkundiges Problemignorieren zu können glaubten; Frustration erzeugten die Mittelparteien im Vereinmit der Sozialdemokratie - die hier sozusagen auf zwei Pferden ritt -, wenn aus eifrigsterparlamentarischer Geschäftigkeit sachlich nichts Endgültiges herauskam.166 Mit "Enteignung" hatte dieser Vorgang freilich gar nichts zu tun; darüber besteht mit SCHMIDT (wieAnm. 1) S. 152 Anm. 694, fachliche Ubereinstimmung. Enteignung meint rechtlich Güterbeschaffungfür irgendwelche Projekte überindividueller Nützlichkeit; entfaltet wurde das Enteignungsinstitutals Spezialfall der Eigentumsgewährleistung im Eisenbahnzeitalter, und von daher wird auch seineEntschädigungslogik verständlich - dergleichen wäre bei dem bisherigen Domanium natürlich absurdgewesen. Allerdings unterscheidet Schmidt nicht zwischen politischer Sprache und rechtstechnischerTerminologie bzw. fragt nicht, warum in ersterer so gern ein Begriff verwendet wurde, der nach letzterernicht zutraf.

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