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braunschweigisches jahrbuch - Digitale Bibliothek Braunschweig

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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> <strong>Braunschweig</strong>http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042650220 O. JungHinzu kam der soziale Kontrast. Vielleicht mögen 12,8 Mio. Mark für den ehemaligen<strong>Braunschweig</strong>er Herzog nicht aufregen, wenn man die Milliarden unserer öffentlichenHaushalte betrachtet oder fragt, was heute z. B. schon ein V-Bahn-Kilometerkostet 164. Aber man muß sich klarmachen, daß im selben Herbst 1925, als dieseSumme vereinbart wurde, das durchschnittliche Stundenlohnniveau bei 87,1 Pfennigenlag und daß 1923 in Preußen nach offiziellen Angaben die Hälfte der Schulkinderunterernährt und speisungsbedürftig war.Dennoch bedurfte es eines besonderen Auslösers, damit 1925 eine Volksbewegunggegen die Fürsten in Gang kam, und diesen lieferte das Reich mit seiner verunglücktenAufwertungsgesetzgebung: Die Betrogenen der Inflation, die geprellten Patriotenund um ihr Vermögen gebrachten Mittelständler mußten sich "verschaukelt"fühlen, als das Reich den mit Sachwerten reichlich ausgestatteten Geldschuldnern -von der großen Industrie bis zu den Agrariern - als sogenannte "Aufwertung" einemilde Nachschußpflicht auf den Papiermarkzauber von z. B. 12,5 % bei Sparkassenguthabenund 15 % bei Industrieobligationen auferlegte und sich selbst - nach demKrieg auf Pump den allergrößten Schuldner - gleich besonders drastisch sanierte,indem es seine Kriegsanleihen grundsätzlich mit 2,5 % ihres Nennbetrags "ablöste".Was jetzt politisch-ökonomisch feststand, daß die Lasten des Krieges und seiner Folgenendgültig von den Besitzenden femgehalten und den Lohn- und Gehaltsempfängernaufgebürdet werden sollten, war öffentlich-demokratisch nicht legitimierbar.Die vorgeschützte Argumentation mit wirtschaftlichen Sachzwängen aber vermochtenicht zu verhindern, daß Bitterkeit aufstieg, das allgemeine Gefühl des Betrogenseinsbreitete sich aus, und diescr schlimme Schluß eines üblen Spiels führte zu schwersten,kaum zu überschätzenden politischen Deformationen in Deutschland.In diese geladene Atmosphäre brauchte nur eine Justizentscheidung zu platzen:jener Schiedsspruch, mit dem das Oberlandesgericht Jena Ende Oktober 1925 dieRente des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach um mindestens 33%, beidemagogischer Lesart aber um sage und schreibe 1 357 % aufwertete - und an diesemKontrast entzündete sich die Volksbewegung gegen die Fürsten. Nach der Novemberrevolutionwaren Millionen ohne Aufhebens geflossen; 100 000 RM, die dasGefühl ungerechter Bevorzugung transportierten, reichten nun hin, einen ganzen Politikbetriebbersten zu lassen.Vor diesem Hintergrund bekommt der Auseinandersetzungsvertrag vom 23. Juni1925, dem der <strong>Braunschweig</strong>ische Landtag am 17. Oktober 1925 zustimmte, seineeigentliche Bedeutung. Jener kam nicht wegen "der übergroßen Kompromißbereitschaftdes Herzogshauses" zustande, wie Schmidt meint, demzufolge der ehemaligeHerzog "nach dem Inhalt der Verhandlungen vor dem Oberlandesgericht bei bloßerAbwägung der Prozeßrisiken" zu solcher Nachgiebigkeit eigentlich keinen Grund gehabthätte 165 • Die Berater des ehemaligen Herzogs dachten eben politisch; sich aufeinen justizinternen Maßstab zu beschränken lag ihnen fern. Die Leistung dieser Be-164 Entsprechendes gilt von dem 10 000 RM-Honorar für ein Rechtsgutachten (s. oben Anm. 89), wennman unreflektiert die heutige Hochschullehrer-Besoldung zum Vergleich nimmt.165 Vgl. SCHMIDT (wie Anm. 1) S. 166.

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