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braunschweigisches jahrbuch - Digitale Bibliothek Braunschweig

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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> <strong>Braunschweig</strong>http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042650216 O. Jungdie Eigentumsfrage am Domanium [sc. in Deutschland] danach allgemein zu lösen,noch die genügenden tatsächlichen und rechtlichen Handhaben, um für den Einzelfalldie verschiedenen Bestandteile des Domaniums nach dem Eigentum durchRechtsspruch für die beiden Ansprucherhebenden in gesicherter Weise zu sehe i­den"!52. Gefordert war also im Grunde etwas Unmögliches: daß Gerichte einenSachverhalt nach einer Norm entscheiden sollten, die es weder gab noch geben konnte- kein Regime legt seine eigene Abwicklung fest.Wenn der Richter hier nicht resignieren wollte, blieb ihm nur, etwas Ähnliches zuwagen wie sein Schweizer Kollege, dem Art. 1 ZGB für solche richterliche Lückenfüllungauftrug, "nach der Regel zu entscheiden, die er als Gesetzgeber aufstellenwürde". Freilich wurden damit den Richtern enorme Spielräume des Gutdünkenseingeräumt, in die natürlich auch die soziale Rekrutierung, die professionelle Formalorientierungund nicht zuletzt die alte politische Loyalität mehr oder minder bewußteinströmten. Die Methode der Wahl wäre gewesen, nach der nächsten Fallkonstellation,die am ehesten passen könnte, zu suchen. Am einen Ende einer denkbarenSkala stand dabei der alltägliche Streit von Privatleuten um ein Grundstück: Das Gerichtsieht im Grundbuch nach und entscheidet, wenn kein voller Gegenbeweis geführtwird, zugunsten des Buchberechtigten. Am anderen Ende der Skala konnteman an die völkerrechtliche Praxis bei der Durchführung von Gebietsabtretungendenken, wie sie ja nach dem Ersten Weltkrieg im Osten und Westen Deutschlands aktuellgeworden waren: Das Grundbuch wird gegebenenfalls als unrichtig angesehenund berichtigt, das heißt der französische oder polnische Staat an Stelle des bisherigendeutschen Fiskus als Eigentümer eingetragen. Niemand kam dabei auf die Idee, daßsich im abgetretenen Gebiet das Deutsche Reich nun als Privateigentümer etwa einesBahnhofs gerieren könnte. Wem gleicht - wäre zu fragen gewesen - die Abdankungeines Fürsten und der Übergang von der Monarchie zur Republik mehr, dem Eigentumsstreitbeliebiger Privater oder der völkerrechtlichen Funktions- und damitRechtsnachfolge?Doch statt sieh die normative Aporie einzugestehen und gleichwohl methodischtransparent eine gerechte Lösung zu suchen, klammerten sich die Richter an dasSchlagwort, daß der Staatsumsturz die Privateigentumsverhältnisse unberührt gelassenhabe, und übersahen großzügig, daß die alten Domanialregelungen dem materiellen,oft sogar dem formellen Bereich des alten Landesverfassungsrechts angehörten.Im Ergebnis judizierten sie, als ob es die Revolution gar nicht gegeben hätte. Bis zumEnde des Kaiserreichs wären solche Urteile immanent logisch gewesen - im JahreVier oder Fünf der Republik mußten sie gespenstisch wirken.152 Friedrich Wilhelm Rudolf ZIMMERMANN, Geschichliche Entwicklung und derzeitiger Stand derRechtsverhältnisse am Domanium in Deutschland, in: Finanz-Archiv 35, 1918, S. 395-526 (526).Vgl. ein halbes Jahrhundert später Erich KITTEL, Novemberumsturz 1918. Bemerkungen zu einer vergleichendenRevolutionsgesch. der deutschen Länder, in: BI. für deutsche Landcsgcsch. 104, 1968,S. 42-108 (94): "Eine Aufteilung des in Jahrhunderten gewachsenen Domaniums war exakt wederhistorisch noch juristisch möglich, so daß nur der Weg der politischen Entscheidung oder der Vereinbarungblieb."

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