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Pudendusneuralgie - Unité de Proctologie Genève

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coloproctologyOriginalarbeit<strong>Pu<strong>de</strong>ndusneuralgie</strong>Anatomisch-chirurgische AspekteBruno Roche 1 , Jean Clau<strong>de</strong> Dembe 1, 2 , Wolfram Karenovic^s, Joan Robert-Yap 1 , Alex Cahana 3ZusammenfassungAnatomie: Das Perineum wird hauptsächlich von <strong>de</strong>n Nervi pu<strong>de</strong>ndi versorgt. DerNervus pu<strong>de</strong>ndus, ein tiefliegen<strong>de</strong>r Dammnerv, durchläuft mehrere Zonen, in <strong>de</strong>nenKompressionen auftreten können: zwischen <strong>de</strong>m Ligamentum supraspinatum und<strong>de</strong>m Ligamentum sacrococcygeum, zwischen <strong>de</strong>m Ligamentum sacrotuberale und<strong>de</strong>m Ligamentum sacrospinale, im Alcock-Kanal sowie im Bereich <strong>de</strong>s Musculus obturatoriusinternus. Eine <strong>de</strong>rartige Kompression kann zu einem Schmerzsyndrom imDammbereich führen.Symptome: Klinisch äußert sich die Kompression <strong>de</strong>s Nervus pu<strong>de</strong>ndus durch neurologischeSymptome einer Nervenkompression. Derartige Kompressionen können zuschwer diagnostizierbaren Schmerzzustän<strong>de</strong>n führen. Brennen<strong>de</strong> Schmerzen imDammbereich, die ein<strong>de</strong>utig <strong>de</strong>m Versorgungsgebiet <strong>de</strong>s Nervus pu<strong>de</strong>ndus zugeordnetwer<strong>de</strong>n können, im Sitzen verstärkt und einseitig auftreten, müssen an eine Kompression<strong>de</strong>s Nervus pu<strong>de</strong>ndus <strong>de</strong>nken lassen.Diagnose: Die Diagnose stützt sich auf Anamnese und Klinik. Elektrophysiologischeund bildgeben<strong>de</strong> Untersuchungen dienen <strong>de</strong>m Ausschluss an<strong>de</strong>rer Pathologien. Diediagnostische Infiltration <strong>de</strong>s Canalis pu<strong>de</strong>ndalis kann in 30–40% <strong>de</strong>r Fälle therapeutischsein. Ein chirurgischer Eingriff zur Dekompression ist in 65–70% <strong>de</strong>r Fälle erfolgreich.Da die Besserung oft nicht sofort eintritt, müssen die Patienten über diese Tatsachepräoperativ informiert wer<strong>de</strong>n. Eine multidisziplinäre Betreuung ist unerlässlich.Schlüsselwörter: Nervus pu<strong>de</strong>ndus · Alcock-Syndrom · Infiltration · Nerven<strong>de</strong>kompressionPu<strong>de</strong>ndal Nerve Neuralgia – an Anatomic-Surgical ApproachAbstractAnatomy: The pu<strong>de</strong>ndal nerves supply the principle innervation of the perineum. Thepathway of this nerve runs <strong>de</strong>eply through the perineum and is subjected to compressionin various zones: between the infraspinous and the sacro-coccygeal ligaments,1Abteilung für Proktologie, Departement für Chirurgie, HUG, Genf, Schweiz,2Anatomisches Institut <strong>de</strong>r Universität Genf, Schweiz,3Interventionelle Schmerztherapie, Departement für Anästhesiologie, HUG, Genf, Schweiz.Eingang: 27. Mai 2005; Annahme: 31. Mai 2005coloproctology 2005;27:236–41DOI 10.1007/s00053-005-5182-8236 coloproctology 27 · 2005 · Nr. 3 © Urban & Vogel


Roche B, et al. <strong>Pu<strong>de</strong>ndusneuralgie</strong>between the sacro-tuberal and the scro-spinous ligaments, and in Alcocks's canal, atthe level of the obturator internus. This compression can lead to a syndrome of perinealpain.Symptoms: The signs and symptoms of this syndrome are typical of a classical nervecompression syndrome. However, due to its atypical location and presentation, perinealpain due to pu<strong>de</strong>ndal nerve compression presents a diagnostic challenge. The pain ofpu<strong>de</strong>ndal nerve compression is often <strong>de</strong>scribed as burning in the perineum, occurringconsistently in the same region, unilaterally, and increasing in sitting position. Thesesymptoms should evoke the thought of pu<strong>de</strong>ndal nerve compression.Diagnosis: The diagnosis relies heavily on a good history and clinical examination.Electrophysiological tests and diagnostic imaging are useful to exclu<strong>de</strong> other pathology.Diagnostic infiltration of Alcock's canal may be therapeutic in 30–40% of cases.Surgical <strong>de</strong>compression is efficacious in 65–70%. The effect is not immediate and thepatients should be informed of this prior to the procedure. A multidisciplinary approachto treatment is mandatory.Key Words: Pu<strong>de</strong>ndal nerve · Alcock's syndrome · Infiltration · Nerve <strong>de</strong>compressionEinleitungDas Perineum wird hauptsächlich von <strong>de</strong>n Nervi pu<strong>de</strong>ndiinnerviert. Durch (insbeson<strong>de</strong>re traumatische)Vaginalgeburten, Prolaps von Beckenorganen und Senkung<strong>de</strong>s Beckenbo<strong>de</strong>ns kann <strong>de</strong>r Nervus pu<strong>de</strong>ndus geschädigtund allmählich ge<strong>de</strong>hnt wer<strong>de</strong>n. Dies führt zueiner Nervenschädigung durch ein- o<strong>de</strong>r beidseitigeNervenüber<strong>de</strong>hnung.Eine direkte Schädigung <strong>de</strong>s N. pu<strong>de</strong>ndus ist selten.Der Nerv liegt tief und ist durch <strong>de</strong>n Beckenring gutgeschützt. Er kann jedoch durch Beckenfrakturen, penetrieren<strong>de</strong>Verletzungen, tiefe Hämatome infolge vonInjektionen sowie durch Schuss- und Stichwun<strong>de</strong>n verletztwer<strong>de</strong>n. Des Weiteren kann er durch Über<strong>de</strong>hnunggeschädigt wer<strong>de</strong>n, z.B. bei <strong>de</strong>r Reposition von Frakturenauf <strong>de</strong>m orthopädischen Tisch o<strong>de</strong>r durch lang andauern<strong>de</strong>Strapazierung <strong>de</strong>r Sitzbeine wie etwa beimRadfahren [1].Anatomische GrundlagenAls Endast <strong>de</strong>s Plexus pu<strong>de</strong>ndus ist <strong>de</strong>r N. pu<strong>de</strong>nduso<strong>de</strong>r Schamnerv ein vorwiegend somatischer Nerv, <strong>de</strong>rseinen Ursprung in <strong>de</strong>n Rami ventrales <strong>de</strong>r SpinalnervenS2–S4 hat (Abbildung 1). Er verlässt das Beckendurch das Foramen ischiadicum majus unterhalb <strong>de</strong>sMusculus piriformis (Foramen infrapiriforme). So gelangter an die Rückseite <strong>de</strong>s M. coccygeus, <strong>de</strong>r zusammenmit <strong>de</strong>m Ligamentum sacrospinale <strong>de</strong>n kokzygosakrospinalenMuskel-Sehnen-Verbund bil<strong>de</strong>t [2].Anschließend führt er medial vom Lig. sacrospinaleum die Spina ischiadica herum. Unterhalb <strong>de</strong>r Pu<strong>de</strong>ndalgefäßeverlaufend, tritt <strong>de</strong>r Nerv dann durch das Foramenischiadicum minus in das Perineum ein. Hierführt er durch <strong>de</strong>n Engpass zwischen <strong>de</strong>m Lig. sacrospinaleund <strong>de</strong>m Lig. sacrotuberale (Abbildung 2).Nach<strong>de</strong>m er die Spina ischiadica umrun<strong>de</strong>t hat, gibt<strong>de</strong>r Nerv in <strong>de</strong>r Regel einen ersten Ast ab (einen <strong>de</strong>r Nn.rectales inferiores; Abbildung 3). Diese Verzweigungkann allerdings auch früher, auf Höhe <strong>de</strong>s Oberran<strong>de</strong>s<strong>de</strong>s Lig. sacrospinale, stattfin<strong>de</strong>n.In seinem weiteren Verlauf in <strong>de</strong>n Damm, jenseits<strong>de</strong>s Unterran<strong>de</strong>s <strong>de</strong>s Lig. sacrospinale, tritt das pu<strong>de</strong>ndaleNerven-Gefäß-Bün<strong>de</strong>l in eine Duplikatur <strong>de</strong>r Faszie<strong>de</strong>s M. obturatorius internus, <strong>de</strong>n Alcock-Kanal, ein.Hier steht es in enger Beziehung zum Processus falciformis<strong>de</strong>s Lig. sacrotuberale (Abbildung 1). Im Alcock-Kanalgibt <strong>de</strong>r Nerv seine Äste für das Perineum ab undläuft in seinen Endast aus, <strong>de</strong>n N. dorsalis penis o<strong>de</strong>rclitoridis (Abbildung 3).coloproctology 27 · 2005 · Nr. 4 © Urban & Vogel 237


Roche B, et al. <strong>Pu<strong>de</strong>ndusneuralgie</strong>Abbildung 1. Mediale Beckenansicht. Ursprung <strong>de</strong>s N. Abbildung 2. Posteriore Ansicht <strong>de</strong>r Glutealregionpu<strong>de</strong>ndus. Der M. levator ani wur<strong>de</strong> teilweise durchtrennt.Die bei<strong>de</strong>n En<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Lig. sacrospinale wer<strong>de</strong>n N. pu<strong>de</strong>ndus durch das Foramen ischiadicum majusnach Eröffnen <strong>de</strong>s M. gluteus maximus. Verlauf <strong>de</strong>sdurch Klemmen rekliniert. Man sieht das Lig. sacrotuberale(7) und <strong>de</strong>n N. pu<strong>de</strong>ndus (1), <strong>de</strong>r entlang diesem <strong>de</strong> durchtrennt und mit Klemmen rekliniert, um <strong>de</strong>nunter <strong>de</strong>m M. piriformis. Das Lig. sacrotuberale wur-Ligament in <strong>de</strong>n Damm eintritt.Nerv sichtbar wer<strong>de</strong>n zu lassen, <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Stelle hervortritt,wo er die Spina ischiadica hinter <strong>de</strong>m Lig. sacrospinaleumrun<strong>de</strong>t.Abbildung 3. Posteriore Sicht in dieFossa ischioanalis. Eröffnung <strong>de</strong>sAlcock-Kanals. Die Rän<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>nvon Klemmen gehalten. Der Nervverläuft im Kanal mit <strong>de</strong>n Gefäßenzusammen und gibt seine Äste ab,die in die Fossa ischioanalis führen.Legen<strong>de</strong>: 1: N. pu<strong>de</strong>ndus; 2: untere Glutealgefäße; 3: Truncus lumbosacralis; 4: N. cutaneus femoris posterior; 5: Mm. obturatorius internus etgemelli; 6: M. piriformis; 7: Lig. sacrotuberale; 8: Lig. sacrospinale; 9: Fascia obturatoria interna; 10: N. rectalis inferior; 11: N. perinealis; 12: N.dorsalis penis aut clitoridis; 13: eröffneter M. levator ani; 14: Spina ischiadica; 15: Fossa ischioanalis; 16: Tuber ischiadicum; S1–S4 = Nn. sacrales.Nervenkompressionsbereiche: a) unter M. piriformis, b) Spina ischiadica, c) Durchgang zwischen Lig. sacrotuberale und Lig. sacrospinale, d) Alcock-Kanal.Die Äste <strong>de</strong>s N. pu<strong>de</strong>ndus verlaufen im Fettgewebe<strong>de</strong>s Ischioanalbereichs (Abbildung 3). Der N.rectalis inferior kann aus <strong>de</strong>m N. perinealis o<strong>de</strong>r aber,proximal davon, direkt aus <strong>de</strong>m Stamm <strong>de</strong>s N. pu<strong>de</strong>ndushervorgehen. Er kann auch aus <strong>de</strong>m Plexus pu<strong>de</strong>ndushervorgehen, begleitet dann aber <strong>de</strong>n N. pu<strong>de</strong>ndusin seinem Verlauf [3]. Der N. rectalis inf. versorgt <strong>de</strong>nquergestreiften Muskel <strong>de</strong>s Sphincter ani externus undanschließend die Haut im perianalen Bereich. Der N.perinealis gewährleistet die Sensibilität <strong>de</strong>s Dammbereichs:<strong>de</strong>s Skrotums beim Mann, <strong>de</strong>r großen Schamlippenbei <strong>de</strong>r Frau. Motorisch versorgt er die Mm.bulbospongiosi, ischiocavernosi, transversi superficialesund profundi perinei sowie <strong>de</strong>n quergestreiften äußerenHarnröhrenschließmuskel. Sein Endast ist auchan <strong>de</strong>r Sensibilität <strong>de</strong>s Penis bzw. <strong>de</strong>r Klitoris beteiligt.Bereiche möglicher KompressionIn seinem Verlauf kann <strong>de</strong>r N. pu<strong>de</strong>ndus an verschie<strong>de</strong>nenStellen komprimiert wer<strong>de</strong>n. Die erste befin<strong>de</strong>tsich auf Höhe <strong>de</strong>s Foramen infrapiriforme, wo <strong>de</strong>rNerv von <strong>de</strong>n inferioren glutealen Nerven und Gefä-ßen sowie <strong>de</strong>m N. ischiadicus umgeben ist. DieseDurchtrittsstelle kann eingeengt wer<strong>de</strong>n durch Auswüchse<strong>de</strong>r Spina ischiadica o<strong>de</strong>r durch eine Hypertrophie<strong>de</strong>s M. piriformis infolge übermäßiger Abduktions-und Flexionsbewegungen (Abbildung 2) [4]. Diezweite Stelle befin<strong>de</strong>t sich hinter <strong>de</strong>r Spina ischiadica(Abbildung 2). Eine dritte Konfliktzone stellt <strong>de</strong>r Engpassdar, <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Ligg. sacrospinale und sacrotuberalegebil<strong>de</strong>t wird (Abbildung 1) [3–6].Im Laufe <strong>de</strong>s Lebens können Verän<strong>de</strong>rungen imVerhältnis dieser bei<strong>de</strong>n Ligamente zueinan<strong>de</strong>r auftreten,wobei eine Rotation dieser Strukturen eine engereSuperposition herbeiführt [7]. In manchen Fällen durchbricht<strong>de</strong>r Nerv das Lig. sacrospinale [5]. Schließlichkann <strong>de</strong>r Nerv auch im Alcock-Kanal selbst komprimiertwer<strong>de</strong>n, entwe<strong>de</strong>r durch Kontakt mit <strong>de</strong>m Proc. falciformis(Abbildung 3) [3, 4] o<strong>de</strong>r durch eine Verdickung<strong>de</strong>r Faszie <strong>de</strong>s M. obturatorius int. [6]. Letzterer kannsich beim Übergang von <strong>de</strong>r sitzen<strong>de</strong>n in die aufrechteStellung nach kranial bewegen [3, 4]. In Anbetracht<strong>de</strong>r anatomischen Variabilität <strong>de</strong>r Verzweigungen <strong>de</strong>sNervs kann die Lokalisation von Schmerzen im Dammbereichlediglich als Hinweis auf die Kompressionsstellegewertet wer<strong>de</strong>n.238 coloproctology 27 · 2005 · Nr. 4 © Urban & Vogel


Roche B, et al. <strong>Pu<strong>de</strong>ndusneuralgie</strong>Symptome <strong>de</strong>r <strong>Pu<strong>de</strong>ndusneuralgie</strong>Die Schädigung <strong>de</strong>s N. pu<strong>de</strong>ndus durch Kompression istin je<strong>de</strong>r Hinsicht mit an<strong>de</strong>ren Tunnelsyndromen vergleichbar,wie z.B. <strong>de</strong>m Karpaltunnelsyndrom o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rKompression <strong>de</strong>s N. ulnaris in <strong>de</strong>r Guyon’schen Loge.Die Kompression betrifft Frauen im Verhältnis von 2 zu1 häufiger als Männer. Symptome sind gleichbleiben<strong>de</strong>Spontanschmerzen im Dammbereich, die <strong>de</strong>m Pu<strong>de</strong>ndusversorgungsgebietzuzuordnen sind. Es han<strong>de</strong>lt sichum neuralgische Schmerzen, für die Parästhesien sowie– selten – einfahren<strong>de</strong> Schmerzen wie durch einen elektrischenSchlag charakteristisch sind. Die Schmerzennehmen im Sitzen o<strong>de</strong>r bei Druck auf die Sitzbeine wiebeim Radfahren zu [8]. Häufig klagen die Patientenüber ein Brennen, das diese Schmerzen begleitet. Siewer<strong>de</strong>n im Stehen und beim Gehen gelin<strong>de</strong>rt. Sehr seltentreten Schmerzen im Liegen auf, die aber im Allgemeinen<strong>de</strong>n Schlaf nicht stören und nachts nicht vorkommen.Ein auf eines <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen vom N. pu<strong>de</strong>ndusinnervierten Organe begrenztes Auftreten <strong>de</strong>rSchmerzen kann beobachtet wer<strong>de</strong>n, so z.B. in <strong>de</strong>n Ho<strong>de</strong>nbeim Mann, in <strong>de</strong>r Schei<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r Frau sowie beibei<strong>de</strong>n Geschlechtern im Bereich <strong>de</strong>s Sphincter ani o<strong>de</strong>r<strong>de</strong>s Rektums, wo sie sich als Fremdkörpergefühl äußern.All diese Symptome sind meist einseitig. Sie könnenAusdruck einer isolierten Schädigung eines <strong>de</strong>rNervenäste sein.Die klinische Untersuchung zeigt oft keinerlei Störung<strong>de</strong>r Sensibilität; es existiert jedoch eine Triggerzoneim Bereich <strong>de</strong>r Spina ischiadica bei <strong>de</strong>r rektaleno<strong>de</strong>r vaginalen Untersuchung. Druck auf diese Gegendlöst einen heftigen Schmerz aus, <strong>de</strong>r sich u.U. ausbreitenund in je<strong>de</strong>r Hinsicht die Schmerzen, über die <strong>de</strong>r Patientklagt, reproduzieren kann. Dies ist jedoch bei weitemnicht immer <strong>de</strong>r Fall. Alle diese Elemente sind nichtspezifisch für eine Neuralgie; sie können auch bei an<strong>de</strong>renStörungen <strong>de</strong>r Beckenbo<strong>de</strong>nstatik angetroffen wer<strong>de</strong>n,etwa bei <strong>de</strong>r Kokzygodynie. Allerdings kommtdiesen Hinweisen aus Anamnese und klinischer Untersuchungbeson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung zu, wenn sie einseitigauftreten o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r stärker symptomatischen Seitelokalisiert sind.Die distalen Kompressionen <strong>de</strong>s N. pu<strong>de</strong>ndus müssenvon an<strong>de</strong>ren neurologischen Krankheitsbil<strong>de</strong>rn unterschie<strong>de</strong>nwer<strong>de</strong>n, etwa von Schädigungen auf Höhe<strong>de</strong>r Nervenwurzeln o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Plexus, <strong>de</strong>m perinealenHerpes zoster, Schädigung <strong>de</strong>s Plexus nach Radiotherapieo<strong>de</strong>r durch neoplastische Infiltration, Rückenmarksschä<strong>de</strong>n,gutartigen und bösartigen Tumoren, insbeson<strong>de</strong>reNeurinom und Ependymom.DiagnoseDie Diagnose stützt sich auf die erwähnten Elementeaus Anamnese und Klinik, die elektrophysiologischeUntersuchung, Zusatzuntersuchungen wie Beckenröntgenbild,Knochenszintigraphie, MRT <strong>de</strong>s Beckens und<strong>de</strong>s Conus medullaris, selektive Infiltration <strong>de</strong>s N. pu<strong>de</strong>ndusunter fluoroskopischer, echographischer o<strong>de</strong>relektrostimulatorischer Kontrolle.Elektrophysiologische DiagnoseDie Beurteilung <strong>de</strong>r elektrophysiologischen Untersuchung<strong>de</strong>s Perineums ist häufig schwierig. Das Besteheneiner unilateralen peripheren Nervenschädigung weistauf eine Läsion <strong>de</strong>s Hauptstamms <strong>de</strong>s N. pu<strong>de</strong>ndus hin.Die sakrale Latenzzeit ist nur dann von Be<strong>de</strong>utung,wenn sie normal ist: In diesem Fall kann eine proximaleSchädigung auf Höhe <strong>de</strong>r Nervenwurzel ausgeschlossenwer<strong>de</strong>n. Es sei jedoch daran erinnert, dass bei gewissenKrankheitsbil<strong>de</strong>rn, etwa bei Status nach chirurgischenEingriffen im Beckenbereich o<strong>de</strong>r nach gewissen, <strong>de</strong>nN. pu<strong>de</strong>ndus nur wenig traumatisieren<strong>de</strong>n Risikoentbindungenaufgrund von Dystokie, eine Verlängerung<strong>de</strong>r Latenz beobachtet wer<strong>de</strong>n kann, die nicht pathognomonischfür das Pu<strong>de</strong>ndussyndrom ist [4]. Die distaleLatenzzeit <strong>de</strong>s N. pu<strong>de</strong>ndus, die durch endorektaleStimulation mit einer St.-Mark-Elektro<strong>de</strong> ermitteltwird, ist unzuverlässig, schwer zu interpretieren undnicht reproduzierbar. Da die Kompression <strong>de</strong>s N. pu<strong>de</strong>ndushäufiger bei <strong>de</strong>r Frau auftritt, ist die Latenzzeitoft hoch, und nur eine sehr <strong>de</strong>utliche einseitige Verän<strong>de</strong>rungkann als Zeichen einer Kompression gewertetwer<strong>de</strong>n. Die Messung <strong>de</strong>r Latenzzeit <strong>de</strong>s N. pu<strong>de</strong>nduszur Diagnose von neurologischen Erkrankungen <strong>de</strong>sBeckenbo<strong>de</strong>ns wird mehr und mehr aufgegeben.Röntgenbild <strong>de</strong>s BeckensDurch ein frontales Beckenbild und eine Seitenaufnahme<strong>de</strong>s Sakrums kann ein Tumorlei<strong>de</strong>n im Bereich<strong>de</strong>s Sakrums o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Spina ischiadica, das zu einerKompression <strong>de</strong>r sakralen Nervenwurzeln o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>scoloproctology 27 · 2005 · Nr. 4 © Urban & Vogel 239


Roche B, et al. <strong>Pu<strong>de</strong>ndusneuralgie</strong>N. pu<strong>de</strong>ndus führt, ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n. DerartigeNeoplasien sind allerdings extrem selten. Einige Fällevon Exostosen <strong>de</strong>r Spina ischiadica mit Schamnervenkompressionsind beschrieben wor<strong>de</strong>n [9].KnochenszintigraphieEine Knochenszintigraphie kann bei Verdacht auf posttraumatischeKnochenläsion o<strong>de</strong>r neoplastischesWachstum hilfreich sein. Die Szintigraphie muss aber inje<strong>de</strong>m Fall mit einem Standardröntgenbild verbun<strong>de</strong>nwer<strong>de</strong>n und wird heutzutage meist durch die MRT ersetzt.MRT <strong>de</strong>s BeckensDie MRT kann Störungen <strong>de</strong>r Beckenbo<strong>de</strong>nstatik,Rektum- und Uterusprolaps sowie präsakrale Tumorendarstellen, die <strong>de</strong>n Plexus komprimieren. Plexusschä<strong>de</strong>nund Nervenkompressionen führen jedoch in <strong>de</strong>nmeisten Fällen nicht zu pathologischen Bil<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>rMRT.MRT <strong>de</strong>s Conus medullarisDiese Untersuchung erscheint uns für die Bilanzierungvon perinealen Schmerzen unerlässlich. Sie kann fokaleAnomalien wie gut- o<strong>de</strong>r bösartige Tumoren (Neurinom,Ependymom) aufzeigen, die für Schmerzen imDammbereich verantwortlich sein können.TherapieKanaläre InfiltrationenDie Kompressionsstellen <strong>de</strong>s N. pu<strong>de</strong>ndus können mitKortikoi<strong>de</strong>n und lang wirken<strong>de</strong>n Lokalanästhetika infilitriertwer<strong>de</strong>n. Diese Infiltrationen wer<strong>de</strong>n unter radioskopischerKontrolle durchgeführt. Kürzlich wur<strong>de</strong>auch die Infiltration <strong>de</strong>s Alcock-Kanals unter CT- [10]o<strong>de</strong>r Ultraschallkontrolle [11] beschrieben. In unserereigenen Praxis konnten wir bei 112 Patienten in 97Fällen ein Verschwin<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r eine Besserung <strong>de</strong>r Symptomatologiebeobachten. In 43 Fällen (38,4%) bestan<strong>de</strong>nweiterhin Schmerzen. Die unterschiedlichen Ergebnissekönnen durch verschie<strong>de</strong>ne Faktoren erklärt wer<strong>de</strong>n:• Infiltrationstechnik: Die Schwierigkeit im Auffin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>sAlcock-Kanals kann durch Radioskopie, Ultraschallo<strong>de</strong>rCT-Führung o<strong>de</strong>r gleichzeitige Elektrostimulationwie bei Plexusanästhesien umgangen wer<strong>de</strong>n.• Zeitlicher Abstand zwischen Beginn <strong>de</strong>r Nervenkompressionund Diagnose: Die Infiltration ist umso erfolgreicher,je kürzer dieses Intervall und je jünger <strong>de</strong>rPatient ist.• Kompression an mehreren Stellen: wie unter AnatomischeGrundlagen beschrieben.• Häufiges Vorkommen assoziierter proximaler Läsionen,wie Wirbelkanalstenose, Bandscheibenverän<strong>de</strong>rungeno<strong>de</strong>r eine vorausgehen<strong>de</strong> Dehnung <strong>de</strong>s Nervs,die <strong>de</strong>ssen Wi<strong>de</strong>rstandskraft und Regenerationsfähigkeitverringert.• Neurovegetative Komponente: 30% <strong>de</strong>r Fasern <strong>de</strong>s N.pu<strong>de</strong>ndus gehören <strong>de</strong>m sympathischen System an.• Ppsychogene Komponente, bedingt durch die Chronizität<strong>de</strong>r Schmerzen.• Häufiges Auftreten assoziierter urogenitaler, anorektaler,muskulärer und osteoartikulärer Lei<strong>de</strong>n.In je<strong>de</strong>m Fall ist die Infiltration <strong>de</strong>s Alcock-Kanals<strong>de</strong>r Schlüssel zur Diagnose. Die temporäre Besserungo<strong>de</strong>r das Verschwin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Symptome nach <strong>de</strong>r Infiltrationhilft bei <strong>de</strong>r Selektion <strong>de</strong>r Patienten, die von einerchirurgischen Nerven<strong>de</strong>kompression eine Besserungerhoffen können.Chirurgische DekompressionZwei Zugänge sind hier möglich:• Über <strong>de</strong>n perinealen o<strong>de</strong>r endovaginalen Zugang können<strong>de</strong>r Alcock-Kanal und, schwieriger, auch Einklemmungenim sakrotuberalen Bereich <strong>de</strong>komprimiertwer<strong>de</strong>n. Dieser Zugang wur<strong>de</strong> von Shafik beschrieben[12]. Während er bei <strong>de</strong>r Frau leicht durchführbarist, erscheint er uns beim Mann als relativschwierig.• Wir bevorzugen <strong>de</strong>n von Robert et al. [13] ausführlichbeschriebenen und kodifizierten transglutealenZugang. Er erlaubt einen ausgezeichneten Überblickauf die sakrotuberale Engstelle und ermöglicht erfor<strong>de</strong>rlichenfallsdie Resektion <strong>de</strong>r Spina ischiadica,die Verlagerung <strong>de</strong>s Nervs in das kleine Becken sowiedie Behebung von Störungen im Bereich <strong>de</strong>r Obturatorfaszieund <strong>de</strong>s Proc. falciformis sowie <strong>de</strong>s Lig.sacrotuberale, das <strong>de</strong>n Nerv im Sitzen abdrückenkann.240 coloproctology 27 · 2005 · Nr. 4 © Urban & Vogel


Roche B, et al. <strong>Pu<strong>de</strong>ndusneuralgie</strong>Der Nutzen dieser Intervention zeigt sich nur seltensofort. Häufig beobachtet man eine sprunghafte Zunahme<strong>de</strong>r Schmerzen nach <strong>de</strong>r Befreiung <strong>de</strong>s Nervs.Wir infiltrieren <strong>de</strong>n Nerv daher während <strong>de</strong>r Operationmit lang wirken<strong>de</strong>n Lokalanästhetika.Die 53 Patienten wur<strong>de</strong>n 6 und 12 Monate postoperativnachuntersucht. Unsere Resultate spiegeln diejenigen<strong>de</strong>r Literatur wi<strong>de</strong>r: Nach 12 Monaten konnte in35 Fällen (66,1%) eine Besserung o<strong>de</strong>r Heilung beobachtetwer<strong>de</strong>n, und die Patienten nahmen keine Analgetikamehr. In 18 Fällen (33,9%) war keine Besserungeingetreten. Es war jedoch keine Verschlechterung <strong>de</strong>rSymptomatologie festzustellen [13, 14].SchlussfolgerungDer N. pu<strong>de</strong>ndus, ein tiefliegen<strong>de</strong>r Dammnerv, kann anmehreren Stellen komprimiert wer<strong>de</strong>n. Derartige Kompressionenkönnen zu schwer diagnostizierbarenSchmerzsyndromen führen. Einseitige, brennen<strong>de</strong> perinealeSchmerzen im Versorgungsgebiet <strong>de</strong>s N. pu<strong>de</strong>ndus,die sich im Sitzen verstärken, müssen an eine Kompression<strong>de</strong>s N. pu<strong>de</strong>ndus <strong>de</strong>nken lassen.Die Diagnose basiert auf <strong>de</strong>r Infiltration. Diesekann in 30–40% <strong>de</strong>r Fälle auch therapeutisch sein. Diechirurgische Dekompression führt in 65–70% <strong>de</strong>r Fällezur Heilung. Die Wirkung tritt jedoch nicht sofort ein.Die Patienten müssen über diese Tatsache informiertwer<strong>de</strong>n. Eine multidisziplinäre Betreuung ist unerlässlich.Literatur1. Laubichler W. Traumatische Läsionen <strong>de</strong>s Nervus pu<strong>de</strong>ndus. AktNeurol 1978;5:47–50.2. Alevizon SJ, Finan MA. Sacrospinous colpopexy: management ofpostoperative pu<strong>de</strong>ndal nerve entrapment. Obstet Gynecol1996;88:713–5.3. Labat JJ, Robert R, Bensignor M, et al. Les névralgies du nerf pu<strong>de</strong>ndal(honteux interne): considérations anatomocliniques etperspectives thérapeutiques. J Urol (Paris) 1990;96:239–44.4. Robert J, Labat JJ, Lehur PA, et al. Réflexions cliniques neurophysiologiqueset thérapeutiques sur le nerf pu<strong>de</strong>ndal (honteux interne)lors <strong>de</strong> certaines algies périnéales. Chirurgie 1989;115:515–20.5. Robert R, Prat-Pradal D, Labat JJ, et al. Anatomic basis of chronicperineal pain: role of the pu<strong>de</strong>ndal nerve. Surg Radiol Anat1998;20:93–8.6. Hough DM, Wittenberg KH, Pawlina W, et al. Chronic perinealpain caused by pu<strong>de</strong>ndal nerve entrapment: anatomy andCT-gui<strong>de</strong>d perineural injection technique. AJR Am J Roentgenol2003;181:561–7.7. Antolak SJ, Hough DM, Pawlina W, et al. Anatomical basis ofchronic pelvic pain syndrome: the ischial spine and pu<strong>de</strong>ndalnerve entrapment. Med Hypotheses 2002;59:349–53.8. Amarenco G, Lanoe Y, Ghnassia RT, et al. Syndrome du canald’Alcock et névralgie périnéale. Rev Neurol (Paris) 1988;144:523–6.9. Watanabe H, Chigira M. Irregularity of the apophysis of the ischialtuberosity. Int Orthop 1993;17:248–53.10. Thoumas D, Leroi AM, Mauillon J, et al. Pu<strong>de</strong>ndal neuralgia:CT-gui<strong>de</strong>d pu<strong>de</strong>ndal nerve block technique. Abdom Imaging1999;24:309–12.11. Kovacs P, Gruber H, Piegger J, et al. New, simple, ultrasound-gui<strong>de</strong>dinfiltration of the pu<strong>de</strong>ndal nerve: ultrasonographictechnique. Dis Colon Rectum 2001;44:1381–5.12. Shafik A. Pu<strong>de</strong>ndal canal syndrome: a cause of chronic pelvicpain. Urology 2002;60:199.13. Robert R, Brunet C, Faure A, et al. La chirurgie du nerf pu<strong>de</strong>ndallors <strong>de</strong> certaines algies périnéales: évolution et résultats. Chirurgie1994;119:535–9.14. Mauillon J, Thoumas D, Leroi AM, et al. Results of pu<strong>de</strong>ndalnerve neurolysis-transposition in twelve patients suffering frompu<strong>de</strong>ndal neuralgia. Dis Colon Rectum 1999;42:186–92.Korrespon<strong>de</strong>nzanschriftPriv.-Doz. Dr. Bruno Roche<strong>Unité</strong> <strong>de</strong> <strong>Proctologie</strong>Hôpital Universitaire <strong>de</strong> <strong>Genève</strong>Rue Micheli-du-Crest 241211 Genf 14SchweizTelefon (+41/22) 372-7910, Fax -7909E-Mail: Bruno.Roche@hcuge.chcoloproctology 27 · 2005 · Nr. 4 © Urban & Vogel 241

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