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Bayer/H.C. Starck 2004 über Niob statt Tantal

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Neue Kondensatoren aus Refraktärmetall für schnelle LaptopsDie Zähmungdes <strong>Niob</strong>s64<strong>Niob</strong>Reduktionsofen:Sascha Böhnkebereitet die Reduktionvon <strong>Niob</strong>dioxidzu elementarem<strong>Niob</strong> vor,die dann bei rund1.000 Grad Celsiusabläuft.Für die Herstellung leistungsfähiger,aber dennoch günstigerKondensatoren, wie sie zu hundertenin Laptops, Mobiltelefonenund Spielekonsolen verwendetwerden, haben Forscherder <strong>Bayer</strong>-Tochter H.C. <strong>Starck</strong>das widerspenstige Metall <strong>Niob</strong>bezwungen. Mit Trickreichtumund geballter Energie holensie es in höchster Reinheit ausdem Erz.


<strong>Niob</strong>experte:Dr. ChristophSchnitter hat einVerfahren entwickelt,mit demsich <strong>Niob</strong> in 99,95Prozent Reinheitherstellen lässt.65Wer in den Harz fährt, will für gewöhnlichin freier Natur Sauerstoff tanken.In Goslar am Fuße des Harzes jedochgibt es Menschen, die nichts sosehr fürchten wie eben jenen Sauerstoff.Denn sie lassen zwei Pulver bei<strong>über</strong> 1.000 Grad hinter dicken Stahlwändenmiteinander reagieren, undkäme Sauerstoff hinzu, wären die Folgenverheerend.Herr <strong>über</strong> diese Reaktion ist Dr. ChristophSchnitter. Als Mitarbeiter der<strong>Bayer</strong>-Tochter H.C. <strong>Starck</strong> haben er undKollegen aus Newton/USA und Goslarein Verfahren entwickelt, mit dem sichdas Metall <strong>Niob</strong> mit 99,95-prozentigerReinheit herstellen lässt. Statt sich wieandere Metalle einfach aus den Erzenherausschmelzen zu lassen, muss das<strong>Niob</strong> wegen seiner hohen Schmelztemperaturvon den H.C.-<strong>Starck</strong>-Forscherneinem aufwändigen Prozessunterzogen werden. Doch der Aufwandlohnt sich: <strong>Niob</strong> ist der Schlüsselzu neuen, kleinen, leistungsfähigenund dennoch kostengünstigen Kondensatoren– ohne die kein Laptoprechnet, kein Mobiltelefon klingelt undkeine Spielekonsole funktioniert.Tonnenweise reinstes <strong>Niob</strong>pulverfür KondensatorenherstellungBislang enthalten viele Hochleistungskondensatoren<strong>Tantal</strong>, ein dem <strong>Niob</strong>verwandtes Element. H.C. <strong>Starck</strong>, einSpezialist für die so genannten Refraktärmetalle<strong>Tantal</strong>, <strong>Niob</strong>, Wolfram,Molybdän und Rhenium, ist ein führendesUnternehmen in der Produktionvon <strong>Tantal</strong>. Doch das Metall ist rar unddaher teuer. Die Experten aus Goslarliebäugelten deshalb schon lange mitdem häufiger vorhandenen und dahergünstigeren <strong>Niob</strong>, das in den natürlichenErzen häufig in Gesellschaft von<strong>Tantal</strong> vorkommt. Einer Karriere alsKondensator-Material stand bislangdie mangelnde Reinheit des Metallsin Verbindung mit der notwendigengroßen Oberfläche im Wege – undniemand schaffte es, das sperrige <strong>Niob</strong>vollends zu zähmen. Niemand, bisauf Schnitter und seine Kollegen.Mittlerweile produzieren sie in einerPilotanlage in Goslar hochreines <strong>Niob</strong>– jeden Monat im Tonnenmaßstab –und liefern es für ausgedehnte Versuchean Kondensatorhersteller.Das <strong>Niob</strong> aus dem Erz zu holen ist einaufwändiger Prozess. Teilweise werdendie Rohstoffe, die H.C. <strong>Starck</strong> ausSüdostasien bezieht, im oberrheinischenLaufenburg aufbereitet. „Somuss es in der Hölle aussehen“, sagtSchnitter, der die Anlage einmal besichtigte.Mit elektrischen Strömen vontausenden Ampere wird der Rohstoffgeschmolzen. Von dieser Schmelzekönnen die unerwünschten Bestandteiledann als Schlacke abgegossenwerden. Der zerkleinerte Rückstand,der an erkaltete Lava erinnert undjetzt <strong>Tantal</strong> und <strong>Niob</strong> in höherkonzentrierterForm enthält, wird dann mitFlusssäure behandelt, einem der amschwierigsten zu handhabenden chemischenMedien <strong>über</strong>haupt. Die Säurelöst die beiden Metalle. In der flusssaurenLösung werden dann <strong>Tantal</strong>und <strong>Niob</strong> durch ein spezielles Verfahrenvoneinander getrennt und weiterverarbeitet.Aus dem Flusssäuresalzdes <strong>Niob</strong>s wird zum Beispiel mithilfevon Ammoniak hochreines <strong>Niob</strong>pentoxid(Nb 2O 5) hergestellt.1.300 Grad Celsius, Magnesiumdampfund Öfen wie BanktresoreDas weiße, mehlartige Pulver ist dieAusgangssubstanz für das zweistufige,patentierte H.C.-Stark-Verfahren,das in Goslar und Newton entwickeltwurde. Der erste Schritt ist eineReduktion, also die Abspaltung vonSauerstoff unter Zugabe von Wasserstoffbei Temperaturen von mehr als1.000 Grad Celsius zu <strong>Niob</strong>dioxidNbO 2. In Metallkästen läuft das weißePulver auf einem Fließband durch einenBackofen. Für das, was hintenherauskommt, würde jeder Bäcker ei-Ohne Kondensatoren geht nichtsOb in Mobiltelefon, Spielekonsole, Computer,Digitalkamera oder Auto: Kondensatorensind – nach Widerständen –die zweithäufigsten passiven Bauelementein elektronischen Schaltkreisen.GerätAnzahl verwendeterKondensatorenHandy 260Digitalkamera 310Spielekonsole 315Computer 700Automobil 1.700<strong>Bayer</strong> research 16


1. Stufe:Reduktion mitWasserstoff2. Stufe:Reduktion mitMagnesiumdampf3. Stufe:Reaktion mit<strong>Niob</strong>pentoxidund Wasserstoff3 µm 3 µm 3 µm 3 µmAusgangssubstanz<strong>Niob</strong>pentoxid (Nb 2O 5)Zwischenverbindung<strong>Niob</strong>dioxid (NbO 2)Kondensatormaterial<strong>Niob</strong> (Nb)Kondensatormaterial<strong>Niob</strong>monoxid (NbO)Stufen zum ErfolgIn einem patentierten mehrstufigen Verfahren stellt H.C. <strong>Starck</strong><strong>Niob</strong>pulver in Kondensatorqualität her. Die jeweiligen Produktesind in elektronenmikroskopischen Aufnahmen dargestellt.Ein Teil des hochreinen <strong>Niob</strong>s wird zu <strong>Niob</strong>oxid weiterverarbeitet.66<strong>Niob</strong>Hohe Sicherheit:Durch die Erdungder Schaufel fürdas <strong>Niob</strong>pulverwird jede elektrischeLadungdirekt abgeführt.nen Rüffel kriegen: ein schwarzes Brikettmit Holzkohlekonsistenz. Hier hates aber damit seine Richtigkeit. Dieschwarzen Blöcke werden vermahlenund gesiebt.Auch der folgende Reaktionsschritt –die weitere Reduktion des <strong>Niob</strong>dioxidsmit Magnesium – ist eine technischeMeisterleistung: Schon die Metalltonne,in der das Magnesium lagert, mussaus Sicherheitsgründen vor einer elektrischenEntladung gut geschützt werden.Deshalb sind sowohl das Fass alsauch alle metallischen Schaufeln, mitdenen das Magnesium umgefüllt wird,<strong>über</strong> Klemmen und Drähte geerdet. Sowird jede elektrische Ladung rechtzeitigabgeführt. Das silberglänzendeMagnesiumpulver und das schwarze<strong>Niob</strong>dioxidpulver werden vorsichtig inzwei Kästen gefüllt und aufeinanderin eine Box gestellt. In einem tonnenförmigenStahlofen mit dicken Wändenund einer Tür, die jedem Banktresorzur Ehre gereichen würde, entstehtbei rund 1.000 Grad im Magnesiumdampfein Gemisch aus elementarem<strong>Niob</strong> und Magnesiumoxid. Damit auchja kein Sauerstoff die Reaktion weiteranfacht, wird zu Beginn des Aufheizensjeder Sauerstoff durch Edelgasverdrängt und anschließend durchÜberdruck ein späteres Eindringen vonSauerstoff verhindert.Das Magnesiumoxid wird dann einenStock tiefer in großen Reaktoren mitSäure und Wasser ausgewaschen. Einweiteres Stockwerk darunter wird das<strong>Niob</strong>pulver schließlich in Trockenschränkenauf Blechen getrocknet. Auch hierbeiherrschen erhöhte Sicherheitsbedingungen.Registriert ein Messfühlerim <strong>Niob</strong>pulver eine unzulässige Temperaturerhöhung,schaltet das Gerätautomatisch ab und flutet die Kammernmit Edelgas, um den Sauerstoffzu verdrängen. Denn das <strong>Niob</strong> würdesich entzünden, wenn es sich zu starkaufheizt und Sauerstoff vorhanden ist.Mikroskopische Schwämme ausSchwermetall speichern EnergieIn einem letzten Schritt wird ein Teildes <strong>Niob</strong>s mit etwa gleichen Teilen derAusgangssubstanz, dem <strong>Niob</strong>pentoxid,zusammengebracht, um zu <strong>Niob</strong>monoxidNbO zu reagieren. Diese imVergleich zum elementaren <strong>Niob</strong> etwaspreisgünstigere Verbindung istebenfalls als Ausgangssubstanz fürKondensatoren geeignet. <strong>Niob</strong>monoxidtrotzt höheren Temperaturen,dafür lässt sich das geschmeidigere<strong>Niob</strong> weit besser verarbeiten.Nun ist die Arbeit der H.C.-<strong>Starck</strong>-Experteneigentlich getan. Sollte manmeinen. Tatsächlich aber experimentierensie auch mit der weiteren Verarbeitungdes <strong>Niob</strong>s.Das wertvolle Know-how, das sie sichdabei erwerben, kommt Kondensatorherstellernzugute. Kondensatorenspeichern, genau wie Batterien, elektrischeLadung zwischen zwei Elektroden,der Anode und der Kathode.Während Batterien allerdings dieLadung durch chemische Prozesse<strong>über</strong> Stunden aufnehmen und wiederabgeben, können die nach anderenphysikalischen Prinzipien arbeitendenKondensatoren die maximale Ladunginnerhalb von Sekundenbruchteilenaufnehmen und auch wieder abgeben.Dabei gilt die Regel, dass umso mehrLadung gespeichert werden kann, dasheißt, die Kapazität umso höher ist, jegrößer die Oberflächen von Anode undKathode sind und je enger sie beieinanderliegen.Heutige Kondensatoren haben mitdem einfachen Plattenaufbau, denman vielleicht noch aus dem Physikunterrichtkennt, nur noch wenig gemeinsam.Im Falle der <strong>Tantal</strong>- und<strong>Niob</strong>kondensatoren ähneln sie vielmehrmikroskopischen Schwämmen.Um diese Struktur zu erreichen, werdendie nur tausendstel Millimetergroßen Pulverkörner zunächst umeinen <strong>Tantal</strong>draht zu millimetergroßenKörpern verpresst und dann so miteinanderverschmolzen, dass sie als


67Anode ein durchgehend leitendesGebilde mit großer Oberfläche ergeben.Anschließenderhalten sie im Säurebadunter elektrischer Spannungeine hauchdünne, nicht leitende Oxidschicht,die die Anode isoliert. Die verbleibendenSchwammzwischenräumewerden mit Mangandioxid oder zunehmendauch mit leitfähigen Polymeren,wie dem H.C.-<strong>Starck</strong>-WerkstoffBaytron ® , als spätere Kathode ausgefüllt.<strong>Niob</strong>kondensatoren arbeiten inSpielekonsolen und Laptops<strong>Niob</strong>kondensatoren sind etwa gleichleistungsfähig wie solche aus <strong>Tantal</strong>.Während <strong>Tantal</strong>kondensatoren für Betriebsspannungenbis 60 Volt geeignetund unerreicht stabil und zuverlässigsind, eignen sich die günstigeren Kondensatorenmit <strong>Niob</strong> nur für Spannungenbis zehn Volt. <strong>Tantal</strong> ist demnachfür die knallharten Präzisionsjobsin Flugzeugen, Autos und Medizinproduktenprädestiniert, während<strong>Niob</strong> eher die anstrengende Geduldsarbeitin Massenprodukten wie Spielekonsolenund Laptops verrichtet. DieKonkurrenz für beide sieht Schnitter inden Aluminium- und Keramikkondensatoren.Aluminiumkondensatorensind zwar preiswert, haben aufgrundihrer flüssigen Kathode jedoch rechthohe Widerstände. Bis zu zehnherkömmliche Aluminiumkondensatoren,so Schnitter, können deshalb fürbestimmte Anwendungen durch einen<strong>Niob</strong>kondensator ersetzt werden. DerPreisvorteil des Aluminiums ist dannallerdings wieder dahin. Zwar gibt esauch Hochleistungs-Kondensatorenaus Aluminium mit einem leitfähigenPolymer als Kathode, aber die sinddeutlich teurer. Bei den Keramikkon-densatoren ist es ähnlich. Wenn nurkleine Kapazitäten benötigt werden,sind sie konkurrenzlos günstig. SolcheKondensatoren folgen tatsächlich dembekannten Plattenaufbau. Je größerdie Leistung werden soll, desto dünnermüssen die Platten sein, damit sichmöglichst viele <strong>über</strong>einander stapelnund sich so höhere Kapazitäten erreichenlassen. Und das wirkt preistreibend.Die Zukunft – davon sind Schnitter undMarktforschungsexperten <strong>über</strong>zeugt –gehört den <strong>Niob</strong>kondensatoren. Denndie immer höheren Taktraten bei Computernbringen immer niedrigereBetriebsspannungen mit sich, wie siefür <strong>Niob</strong>kondensatoren erforderlichsind.Dem Siegeszug der Elektronik ebnetdas Goslarer <strong>Niob</strong>pulver also den weiterenWeg. Verschiedene Laptops derneuesten Generation dürfen von sichschon behaupten: <strong>Niob</strong> inside! Um fürdie weitere Marktentwicklung gerüstetzu sein, reicht die Pilotanlage in Goslarnicht mehr aus. Eine Großanlageist bereits in Planung.<strong>Niob</strong>mühle: AxelKrämer steuertdie Brech-Mahl-Sieb-Stufe, in derdas <strong>Niob</strong>dioxidzerkleinert undgesiebt wird.<strong>Bayer</strong> research 16www.deutsches-museum.deDie Links „Ausstellungen“ und „Metalle“führen zu Bildern und Textender Dauerausstellung <strong>über</strong> die Weltder Metalle.Reaktionspartner:ÜberschüssigerWasserstoff wirdabgefackelt.

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