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Jahresbericht 2012 - Archäologie Baselland - Kanton Basel ...

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2IMPRESSUMHerausgeber: <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong>, LiestalRedaktion, Layout: Reto MartiLektorat: Andreas FischerGrafik:Tom – it’s fair design! www.tom-ifd.chDruckversion: Schwabe AG, MuttenzBezugsquelle: <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong>Amtshausgasse 7CH-4410 Liestaloder als Download:www.archaeologie.bl.ch© 2013 <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong>; Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion des <strong>Kanton</strong>s <strong>Basel</strong>-LandschaftAbbildungsnachweis: sämtliche Fotografien, Zeichnungen und Pläne stammen, wo nicht anders vermerkt,aus dem Archiv der <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong>.


3Ein Jahr der MünzenAls die <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> im Herbst 2011 ein Projekt zur Auswertung der Fundmünzen des <strong>Kanton</strong>slancierte, ahnte noch niemand, dass sich dieser Bestand bald sehr beträchtlich erweitern würde. KurzeZeit später traf die Meldung von der Entdeckung eines spätlatènezeitlichen Münzhortes ein, der 300 Silbermünzenumfasst und als «Keltenschatz von Füllinsdorf» durch zahlreiche nationale und internationaleMedien geisterte.Damit nicht genug: Während der Aufarbeitung der historischen Münzbestände aus der Sammlung des<strong>Basel</strong>bieter Land- und Ständerats Martin Birmann (1828–1890) stellte sich heraus, dass ein bisher demsüdbadischen Beuggen zugewiesener mittelalterlicher Schatzfund in Wahrheit von der Beuggenweid beiBubendorf stammt. Mit angeblich rund 800 Münzen ist auch dieses Ensemble nicht gerade ein Leichtgewicht,auch wenn die meisten heute nicht mehr auffindbar sind.Münzen sind nicht einfach Geldstücke mit einem grösseren oder kleineren Sammlerwert. Sie sind vielmehrwichtige historische Zeugnisse – für die Archäologen zur Datierung ihrer Fundstellen, aber auch fürwirtschafts-, sozial- und kulturgeschichtliche Forschungen. Von zentraler Bedeutung ist dabei aber, dass ihreFundumstände ganz genau bekannt sind. Erst dann offenbaren die kleinen Fundstücke ihren wahren Wert.Münzen ohne Herkunft, etwa aus Raubgrabungen, sind für die Wissenschaft wertlos.Reto Marti<strong>Kanton</strong>sarchäologe


3InhaltJahresrückblick 4Fundstellen und Schutzzonen 10Grabungen und Bauuntersuchungen 22Fundabteilung 120Konservierungslabor 134Archäologische Stätten 144Dokumentation und Archiv 164Auswertung und Vermittlung 176Zeittabelle 216


5JahresrückblickDas Ereignis des Jahres war zweifelsohne der «Keltenschatz von Füllinsdorf», der grösste Hortfund vonEdelmetallmünzen der jüngeren Eisenzeit aus der Schweiz. Die Entscheidung, die 300 Silbermünzen, dieum 80/70 v. Chr. versteckt wurden, noch vor der wissenschaftlichen Auswertung der Öffentlichkeit zupräsentieren, hat sich als richtig herausgestellt. Die Anteilnahme der Medien und der Bevölkerung an demeinmaligen Fund war umwerfend. Und es ist mir ein grosses Anliegen, den beiden Entdeckern WolfgangNiederberger und Jean-Luc Doppler an dieser Stelle für ihre ausgezeichnete Zusammenarbeit herzlich zudanken.Sensationsfunde sind in der <strong>Archäologie</strong> jedoch nicht die Regel. Der Alltag wird durch Ausgrabungen aufBaustellen und die Untersuchung historischer Gebäude bestimmt, die auf den ersten Blick oft weit wenigerspektakulär erscheinen. Dennoch sind sie wichtige Mosaiksteine eines Gesamtbildes, das sich erst ausallen verfügbaren Quellen zur jeweiligen Epoche ergibt. Auch ein Keltenschatz wäre ohne diesen historischenRahmen nur schwer zu beurteilen.Nach wie vor bestimmen auch die Burgen beziehungsweise deren Erhaltung die Arbeit der <strong>Archäologie</strong><strong><strong>Basel</strong>land</strong>. Trotz erfreulicher Fortschritte stehen hier noch grosse Aufgaben bevor. Das Jahr <strong>2012</strong> erwies sichin dieser Hinsicht eher verhalten: Auf Pfeffingen verhinderte eine Einsprache den Beginn der Sicherungsarbeiten,und auf der Farnsburg, wo sich ebenfalls eine dringliche Sanierungsetappe aufdrängt, fehlten diefinanziellen Mittel für deren Umsetzung. Letztere hat der Landrat für 2013 mittlerweile bereit gestellt.Reto Marti


6 JahresrückblickEin Fund begeistert die ÖffentlichkeitDie kleineSonderausstellungüber den Neufunddes Jahres stiess aufgrosses Interesse.Die Bekanntmachung des «Keltenschatzes von Füllinsdorf»rückte die <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> für einenkurzen Moment ins Rampenlicht der weltweitenBerichterstattung. In der Rekordzeit von siebenWochen und mit einem Budget von 5000 Frankengestalteten Andreas Fischer und Reto Kurth imMuseum.BL eine kleine, ausserplanmässige Sonderausstellungzum Schatzfund, die auf äusserst regesInteresse stiess. Erfreulicherweise haben Medien undÖffentlichkeit den Ball aufgenommen und wenigerden materiellen Wert der rund 300 Silbermünzenthematisiert als seine historische Aussagekraft. DerFund hielt Einzug in die Haupt ausgabe der Tagesschaudes Fernsehens SRF, wurde im SchweizerRadio als «Aufsteller der Woche» kommentiert undfand als Quizfrage verschiedenen orts Einzug inshelvetische Allgemeinwissen.Rund 8000 Besucher haben die kleine Ausstellung,die vom 31. März bis zum 23. September dauerte,gesehen und die Originale bewundert. Anschliessendkamen die Münzen ins Depot, wo sie nunwissenschaftlich bearbeitet werden. Dank demEntgegenkommen des Swisslos-Fonds des <strong>Kanton</strong>s<strong>Basel</strong>-Landschaft und der Freiwilligen AkademischenGesellschaft <strong>Basel</strong> war es möglich, dasbereits letztes Jahr angelaufene Fundmünzenprojektum einen entsprechenden Auftrag zu erweitern.


Jahresrückblick7Das Tagesgeschäft: Ausgrabungenund BauuntersuchungenSchleichende ZerstörungEntdeckungen vom Kaliber eines «Keltenschatzes»locken leider immer auch Raubgräber an. Ein grossesAugenmerk galt in diesem Jahr deshalb der umfassendenSicherung des Fundplatzes in Füllins dorf,bevor er der Öffentlichkeit nun bekannt gemachtwird. Von grossflächigen Notgrabungen blieb die<strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> dieses Jahr verschont, dochzeigte sich einmal mehr, dass zahlreiche kleinere Interventionenin der Summe letztlich aufwändigersind als einzelne grosse.Oft ist weniger die Bautätigkeit der Grund, dassarchäologisches Kulturgut unwiederbringlich verschwindet,denn diese wird von der <strong>Archäologie</strong><strong><strong>Basel</strong>land</strong> kontrolliert und eng begleitet. Die Zerstörungerfolgt vielmehr schleichend, durch dieErosion einer Fundschicht, durch Boden- oder Geländeeingriffein der Forst- und Landwirtschaft oderDer «Keltenschatz» mitseinen 300 Münzenist im Gegensatzzu einigen anderenEnsembles dieser Artvollständig erhalten.Bedingt duch die knappen Mittel, die im <strong>Kanton</strong><strong>Basel</strong>-Landschaft für die <strong>Archäologie</strong> zur Verfügungstehen, bleiben die Interventionen auf das Notwendigstebeschränkt. Wie schwierig eine Gewichtungjeweils ist, mögen die Untersuchungen in der bekanntenrömischen Wasserleitung im Ergolztal illustrieren,die auch nach über 100 Jahren Forschungimmer noch spannende neue Erkenntnisse liefern.Erst recht mit Überraschungen zu rechnen ist imFalle von Altbauten, wo die schönsten historischenDetails nicht selten unter Gips und Täfer verborgensind.


8JahresrückblickBurgen – ein teures <strong>Basel</strong>bieter GutAnita Springer dokumentierthistorischeInschriften in der römischenWasser leitung beiLiestal, die allmählichunter Kalkablagerungenverschwinden.schlicht durch den Zahn der Zeit. Zum Auftrag der<strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> gehört es auch, solche Verlusteim Auge zu behalten und nach MöglichkeitMassnahmen dagegen zu ergreifen. Das jüngsteBeispiel der zerstörten steinzeitlichen Fundstelle amWachtfels bei Grellingen zeigt, wie wichtig dieseAufgabe nach wie vor ist.Das 2008 gestartete Programm zur Sicherung vonBurgen und Ruinen ist auf gutem Weg. Neben derHomburg wurden in den letzten Jahren unter fachlicherBegleitung der <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> undmit finanzieller Unterstützung durch den Swisslos-Fonds des <strong>Kanton</strong>s <strong>Basel</strong>-Landschaft auch auf mehrerenBurgen Sanierungen durchgeführt, die nichtin <strong>Kanton</strong>sbesitz sind.Trotz enormen Spardrucks hat das Parlament auchdie Notwendigkeit einer raschen Sicherung derRuine Pfeffingen erkannt und hätte für <strong>2012</strong> dieMittel für eine erste Jahresetappe freigegeben – hätte,denn eine Einsprache vor <strong>Kanton</strong>sgericht gegendie Vergabe der Baumeisterarbeiten warf das Projektum ein ganzes Jahr zurück. Ungemach droht auchauf der Farnsburg, deren Sicherung man eigentlicherst nach Pfeffingen angehen wollte. Dort haben dieSchäden an der Schildmauer schneller ein bedrohlichesAusmass angenommen als prognostiziert. Biszur Erscheinung dieses <strong>Jahresbericht</strong>s hat der Landrateinen Kredit zur Behebung bewilligt. Ziel ist es,die im Juni <strong>2012</strong> aus Sicherheitsgründen abgesperrteAnlage so rasch wie möglich wieder freizugeben.


Jahresrückblick9Sondengänger bedrohen KulturerbeFast täglich erfährt man in den Medien von Kulturgütern,die illegal ausgegraben, geraubt oder garabsichtlich zerstört werden. Dabei stehen zwar Berichteaus fernen Kriegs- und Krisengebieten imVordergrund. Die mehr oder weniger mutwilligeZerstörung von Kulturgut durch Raubgräber machtjedoch auch vor unseren Breitengraden nicht halt.Im Sommer <strong>2012</strong> kam es sogar zu einer öffentlichgeführten Debatte mit einem Sondengänger aus derRegion, der seine «Schatzsuche» mittels Metalldetektorzu rechtfertigen trachtete.Raubgrabungen zerstören archäologisches Kulturerbeunwiederbringlich. Die kantonalen Dienststellenhingegen dokumentieren und bergen bedrohteObjekte für die geschichtsinteressierte Allgemeinheit.Wer sich ernsthaft mit der Vergangenheit seinerHeimat auseinandersetzen will, muss deshalb mitden Fachleuten zusammen arbeiten, nicht gegen sie.Die <strong>Kanton</strong>spolizei <strong><strong>Basel</strong>land</strong> hat im Frühjahr <strong>2012</strong>mit einer gross angelegten Aktion gegen einenHehler gezeigt, dass sie das Thema ernst nimmt.Die Raubgräberei ist verboten, und bei Zuwiderhandlungdrohen hohe Bussen oder gar Gefängnis.Der erwähnte Sondengänger zeigte sich übrigenseinsichtig. Er hat alle seine Funde der <strong>Archäologie</strong><strong><strong>Basel</strong>land</strong> abgegeben und arbeitet in Zukunft mitihr zusammen, mit klaren, verbindlichen Regeln.Reto MartiLeute, die mit demMetallsuchgerät nacharchäologischen Objektensuchen, handelnillegal und schaden derAllgemeinheit!


12 Fundstellen und SchutzzonenDie Anlage einesParkplatzes im Bereichder römischen VillaMunzach bei Liestalwurde archäologischüberwacht. Es kamenallerdings keinerömischen Befundezum Vorschein.


Fundstellen und Schutzzonen13BaugesuchskontrolleIm Jahr <strong>2012</strong> wurden 2263 Baugesuche kontrolliert(2011: 2293). Wenn die Bauprojekte innerhalb einerarchäologischen Schutzzone oder im Bereich bekannterFundstellen lagen und deshalb mit archäologischenBefunden zu rechnen war, die möglicherweisedurch die Arbeiten zerstört würden, wurdeEinsprache gegen die Baugesuche erhoben. Dieswar im vergangenen Jahr 87 mal der Fall (2011: 79),also in 3,8 % aller Baugesuche. Nach der Zusicherungder Bauherrschaft und der projektverantwortlichenPersonen, dass sie die <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong>rechtzeitig vor Beginn der Bauarbeiten informierenund ihr ausreichend Zeit zur Dokumentation eventuellzu Tage tretender archäologischer oder bauhistorischerBefunde lassen, wurden die Einsprachenzurückgezogen, was bei 79 % der Einsprachen derFall war. Bei den restlichen Einsprachen haben sichdie Planungsabläufe verzögert, so dass die Rückzügespäter erfolgen werden.Aufgrund von Baueinsprachen wurden 54 Baustellenüberwacht (<strong>2012</strong>: 40), bei denen mit archäologischenBefunden zu rechnen war. Bei 28 Baustellenhandelte es sich um Baugesuche aus dem laufendenJahr, bei den restlichen um Baugesuche aus denVorjahren. In fünf Fällen wurden archäologischeÜberwachung einesBaugrubenaushubsam Gätterliacherwegin Reigoldswil, inder Nähe römischerSiedlungsreste.


14 Fundstellen und SchutzzonenAushub einer Baugrubean der Rebgassein Gelter kinden, womit prähistorischenSiedlungsresten zurechnen war.Befunde kurzfristig und während des Baugrubenaushubsdokumentiert. In 36 Fällen führte dasGrabungsteam Notgrabungen durch. Zehn davonerfolgten wegen Baueinsprachen im Jahr <strong>2012</strong>, dieweiteren aufgrund von Einsprachen der Jahre 2011(7), 2010 (8), 2009 (5) und 2008 (6).Zusätzlich zu den Notgrabungen fanden 12 Bauuntersuchungenstatt: sieben als Folge von Baueinsprachendes laufenden Jahres, zwei wegen Einsprachenaus den Vorjahren. Drei Untersuchungen inhistorischen Gebäuden erfolgten nach frühzeitigenAbsprachen mit der Bauherrschaft, ohne dass eineBaueinsprache erforderlich war.Die archäologischen oder bauhistorischen Untersuchungenerfolgten im Allgemeinen parallel zu denBauarbeiten, in einzelnen Fällen auch vor dem eigentlichenBeginn. Dank genauer Absprachen undeinem gutem Zusammenspiel zwischen den beteiligtenFirmen und der <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> wares möglich, die archäologischen Dokumentationenganz ohne oder in Einzelfällen mit nur sehr geringenBauverzögerungen durchzuführen.


Fundstellen und Schutzzonen15In mehreren Fällen haben sich Bauherrschaften bereitsvor dem Einreichen des Baugesuchs mit der<strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> in Verbindung gesetzt, umabklären zu lassen, ob eine archäologische Ausgrabungoder eine Bauuntersuchung vor Beginn derArbeiten erforderlich ist. So konnte man bereits ineiner frühen Phase der Projekte die erforderlichenDokumentationen in Angriff nehmen und eventuelleVerzögerungen für den Bauablauf ausschliessen.Auch wenn die Zusammenarbeit insgesamt ingutem gegenseitigem Einvernehmen verlief, gab esauch in diesem Jahr wieder einzelne Fälle, in denensich die Bauherrschaften nicht an die Vereinbarungenhielten und in archäologisch sensiblenGebieten ohne archäologische Beobachtungen undunbewilligt Bodeneingriffe vornahmen. Möglicherweisewurden dadurch archäologische Quellen zerstört.Dies ist ein Verstoss gegen das RaumplanungsundBaugesetz, was bei der Staatsanwaltschaft zurAnzeige gebracht wird.Bericht: Michael SchmaedeckeÜberwachung einesBaugrubenaushubs amFichtenweg in Hölstein.Aus der Umgebungsind steinzeitlicheFunde bekannt.


16 Fundstellen und SchutzzonenStellungnahmenAusschnitt aus demGeoView-Portal des<strong>Kanton</strong>s <strong>Basel</strong>-Landschaft,mit archäo logischenSchutzzonen.<strong>2012</strong> wurden 21 Stellungnahmen zu Zonenplanungsverfahrenabgegeben, in Form von Angabenzu Schutzzonen oder Vorprüfungen. Dabei wurdendiejenigen Bereiche innerhalb der Planungsperimeter,in denen archäologische Reste bekannt odermit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind, alsSchutzzonen ausgewiesen. Innerhalb dieser Schutzzonenkann die bisherige Nutzung vollumfänglichfortgeführt werden; für die Eigentümerinnen undEigentümer gibt es somit keine Einschränkung.Wenn jedoch eine Nutzungsänderung erfolgt, waszumeist bei Baumassnahmen der Fall ist, ist eineBewilligung der <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> erforderlich.Diese wird erteilt, nachdem abgeklärt ist, obauf der Parzelle archäologische oder bauhistorischeBefunde vorhanden sind und diese im positiven Falldokumentiert sind. Zwar ist theoretisch auch mitder Möglichkeit zu rechnen, dass vorhandene Befunde– etwa besonders gut erhaltene Reste einerrömischen Villa – erhalten werden müssen, so dassdie Bewilligung nicht oder nur mit Auflagen erteiltwerden kann. Doch dieser Fall, der zudem durchden Regierungsrat genehmigt werden müsste, ist inden vergangenen Jahrzehnten noch nie eingetreten.Da mittlerweile die archäologischen Schutzzonennahezu aller Gemeinden des <strong>Kanton</strong>s auf dem In-


Fundstellen und Schutzzonen17ternet einsehbar sind, können sich potentielle Bauherrenbei Bauvorhaben bereits in einer frühenPhase der Planung über eventuell vorhandene oderzu erwartende archäologische Befunde informierenund dies beim weiteren Vorgehen berücksichtigen.Für den gemeindeübergreifenden WaldentwicklungsplanSissach-Farnsburg erhielt das Amt fürWald Informationen über die in diesem Gebietvorhandenen archäologischen Zonen. Mit der Eintragungder Schutzgebiete in diesen Plänen sollinsbesondere gewährleistet werden, dass die archäologischenObjekte bei forstlichen Planungen, beispielsweisebei Rodungen oder dem Waldwegbau,berücksichtigt und geschützt werden.Im Zusammenhang mit Meliorations-, StrassenbauundLeitungsbauprojekten wurden verschiedenenDienststellen in zehn Fällen Stellungnahmen zubetroffenen archäologischen Objekten abgegeben.Auch war die <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> in die Planungder Neugestaltung der Ortsdurchfahrten in Waldenburgund Langenbruck involviert, so dass hierdie Interessen der <strong>Archäologie</strong> frühzeitig berücksichtigtwerden konnten.Bericht: Michael SchmaedeckeLangenbruck verdanktseinen Namen der mitHolzbohlen befestigtenPassstrasse, die durchdie neuen Sanierungenwohl tangiert wird.


18 Fundstellen und SchutzzonenGertrud de Vries beider konzentriertenSuche nach jungsteinzeitlichenSteinartefakten.


Fundstellen und Schutzzonen19Gertrud de Vries (1922–2011)Während mehr als einem halben Jahrhundert beschäftigtesich Gertrud de Vries neben ihrer künstlerischenTätigkeit im Keramikatelier intensiv mitder <strong>Archäologie</strong>. Mit grosser Begeisterung undFachkenntnis sammelte sie in unzähligen Feldbegehungenauf Äckern und in Baugruben – vorallem im <strong>Kanton</strong> <strong>Basel</strong>-Landschaft – Tausende vonarchäologischen Objekten. Ausgestattet mit einemuntrüglichen Gespür für das Auffinden von urgeschichtlichenSiedlungsorten entdeckte sie mehrereFundstellen aus der Jungsteinzeit, wo unsere bereitssesshaften Vorfahren vor etwa 6000 Jahren als Viehzüchterund Ackerbauern lebten.Ihre jungsteinzeitlichen Lesefunde umfassen haufenweisegeschliffene Beilklingen aus Felsgestein,die man in handliche Holzschäfte einsetzte. Diejungsteinzeitlichen Bauern brauchten diese Beilefür mannigfaltige Holzarbeiten, wie zum Beispielfür das Herstellen und Bearbeiten von Balken,Pfosten und Brettern beim Hausbau. Gertrud deVries fand ausserdem zahlreiche Pfeilspitzen, Messer,Kratzer und andere Werkzeuge aus Silex sowieMahlplatten aus Felsgestein, auf denen mit einemReibstein Getreidekörner zu Mehl verarbeitet wurden.Ihre unermüdliche Suchtätigkeit sorgte nichtnur für einen enormen Zuwachs an Funden, sondernerweiterte durch die neu hinzu gekommenenFundstellen auch das jungsteinzeitliche Siedlungsbildin unserem <strong>Kanton</strong>.Beilklingen ausFelsgestein unterschiedlicherFormund Grösse aus einerjungsteinzeitlichenSiedlung aus Ettingen.


20 Fundstellen und SchutzzonenZwei jungsteinzeitlichePfeilspitzen aus Ettingenund mittelsteinzeitlicheMikrolithenaus Ettingen undMuttenz. M 1:1.Bei ihren Feldbegehungen stiess Gertrud de Vriesauch auf Artefakte, die mit rund 8000 bis 9000 Jahrenum einiges älter sind als die eben erwähntenjungsteinzeitlichen Objekte. Es sind sogenannteMikrolithen aus der Mittelsteinzeit, die vor allemals Spitzen in hölzerne Pfeilschäfte eingesetzt wurden.Pfeil und Bogen waren zu dieser Zeit, als dienomadisierenden Menschen noch vom Jagen undSammeln lebten, die gebräuchliche Jagdwaffe.Im Archiv der <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> sind 27 Fundstellenaufgeführt, die von Gertrud de Vries regelmässigabgesucht wurden. Die daraus stammendenFunde decken ein zeitliches Spektrum von derSteinzeit bis in die Neuzeit ab. Es würde an dieserStelle zu weit führen, auf alle diese Fundstellen einzugehen.Zwei besonders interessante Fundstellenseien jedoch erwähnt, die gegensätzlicher nicht seinkönnten. Es handelt sich einerseits um den Fundeiner eisernen Lanzenspitze aus dem 7. Jahrhundertn. Chr., die 1975 auf einem Acker in der GemeindeAesch zum Vorschein kam und andererseits umneuzeitliche Apothekergegenstände. Letztere fandGertrud de Vries in einer längst zugeschütteten Abfallgrube,die man beim Bau der AutobahnausfahrtH18 bei Muttenz wieder öffnete. Speziell sind dabeidie aus Glasstangen von ehemaligen Posamenter-Webstühlen gefertigten Stössel.Gertrud de Vries stand in vorbildlicher Weise in ständigemKontakt mit den Mitarbeitern der Archäo lo-


Fundstellen und Schutzzonen21gie <strong><strong>Basel</strong>land</strong>. Ihre Erkenntnisse wurden laufend inkommentierter Form in die Akten übernommenund ihre Funde bestimmt und inventarisiert, so dasssie jederzeit interessierten Fachleuten zur Verfügungstehen. Einige Funde fanden bereits Eingang inwissenschaftliche Publikationen. Mit diesen Zeilenwürdigen wir nun die ehrenamtliche Tätigkeit vonGertrud de Vries und danken ihr postum für ihreForschungen und den daraus erwachsenen Wissenszuwachs.Die archäologische Wissenschaft wirdnoch lange von ihrem stetigen Schaffen profitieren.Bericht: Jürg SedlmeierApothekergegenstände(Fläschchen, Salbentöpfchenund Glasstössel)aus Muttenz undfrühmittelalterlicheLanzenspitze vomSchlatthof bei Aesch.


Surtalbach22BaustellenkontrolleNotgrabungBauuntersuchungEinsatz inarchäologischer Stätte1417102351268161812,1343, 92120111522197


23Grabungen und BauuntersuchungenDas Berichtsjahr zeichnete sich durch zahlreiche eher kleinere Interventionen im Feld aus. Eine Auswahldavon wird im Folgenden vorgestellt. Klein ist nicht gleichbedeutend mit unwichtig. Oft sind es geradesolche Detailbeobachtungen, die dann – im grösseren Zusammenhang gesehen – für das Gesamtbild wichtigsind. Das trifft zum Beispiel für die fast alljährlichen Untersuchungen in der römischen Wasserleitungvon Liestal nach Augst zu, wo immer wieder unerwartete Beobachtungen gemacht werden. Aber auch derrömische Gutshof von Pratteln-Kästeli/St. Jakobstrasse, wo jeder Gebäuderest neue Informationen zumFunktionieren dieser imposanten Anlage liefern kann, hat noch längst nicht alle Geheimnisse preisgegeben.Einen wichtigen Bestandteil des Leistungsauftrages der <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> bilden heute Bauuntersuchungen.Seit nunmehr sieben Jahren stellt die Bauarchäologie ein eigenes Ressort und hat sich für dieErforschung der <strong>Basel</strong>bieter Baukultur zu einem wertvollen Wissenstank gemausert. Sie ergänzt die durchGrabungen gewonnenen Erkenntnisse zur <strong>Basel</strong>bieter Geschichte und liefert Einsichten in vergangeneWohnkulturen, Lebensweisen und das Bauhandwerk. Gebäude werden vor und während dem Umbau,einer Sanierung oder ihrem Abriss dokumentiert, wobei das Erkennen und Verstehen der «Anatomie» undder «Biografie» des Gebäudes im Vordergrund der Untersuchungen steht.Das Bauforschungsteam wurde Ende 2011 mit der internen Umverteilung einer 70 %-Stelle auf nun 160Stellenprozente aufgestockt. Die Entlastung der Ressortleitung soll mittelfristig eine vertiefte Forschungsarbeitüber die <strong>Basel</strong>bieter Baukultur ermöglichen.Reto Marti


24Grabungen und BauuntersuchungenGrabungenBauuntersuchungen1 Pratteln, Hohle Gasse (Urgeschichte)2 Füllinsdorf, Büechlihau (Urgeschichte,Römerzeit)3 Liestal, Heidenloch (Römerzeit)4 Liestal, Unterer Burghaldenweg (Römerzeit)5 Pratteln, St. Jakobstrasse (Römerzeit)6 Aesch, Grienweg 5 (Frühmittelalter)7 Eptingen, Witwald (Mittelalter)8 Reinach, Brunngasse 9 (Mittelalter, Neuzeit)9 Liestal, Büchelistrasse 4 (Neuzeit)10 Birsfelden, Friedensgasse (Neuzeit)11 Sissach, Mühlegasse 612 Liestal, Kanonengasse 39–4113 Liestal, Rathausstrasse 914 Binningen, Hollee 4215 Ziefen, Hauptstrasse 10016 Arlesheim, Dom17 Bottmingen, Bruderholzstrasse 7 und 918 Arlesheim, Obere Mühle19 Wenslingen, Mittlere Gasse 44Einsätze in archäologischen Stätten20 Pfeffingen, Schloss21 Ormalingen, Farnsburg22 Bubendorf, Gutenfels23 Muttenz, Wartenberg


Grabungen und Bauuntersuchungen25BaustellenkontrollenAesch, Dornacherstrasse 1Aesch, DrosselwegAllschwil, Feldstrasse 43Allschwil, Kreuzstrasse 3Allschwil, Langgartenweg 21Allschwil, OchsengartenwegAnwil, HauptstrasseBennwil, Martinshübel 12Binningen, MargarethenstichBinningen, Margarethenstrasse 48Diepflingen, Sommerauweg 21Füllinsdorf, Oberer Rainweg 29Füllinsdorf, WölferstrasseGelterkinden, Höldeliweg 15Gelterkinden, Ischlagweg (3 Etappen)Gelterkinden, RebgasseGelterkinden, TecknauerstrasseGelterkinden, Turnhallenstrasse (2 Etappen)Giebenach, MarksteinwegHölstein, FichtenwegItingen, DellenbodenwegItingen, Kreuzenstrasse 21 und 23Kirchberg, RainwegLausen, Hof Weissbrunnen 9Liestal, BienentalstrasseLiestal, Vogelsangweg 1Lupsingen, JägerackerLupsingen, SteinmertenmattwegMünchenstein, Helsinkistrasse 9Münchenstein, Rüttiweg 6Muttenz, Brühlweg 42Ormalingen, BaumgartenwegOrmalingen, Buchsweg 2Ormalingen, GaissackerPratteln, Kästeliweg 4–6Reigoldswil, GätterliacherwegReinach, BaumgartenwegReinach, BrühlgasseReinach, FleischbachstrasseReinach, StockackerstrasseRümlingen, HohrainwegSeltisberg, Im WinkelSissach, BergwegSissach, Heidengässli 11Sissach, Schulgasse 20Zwingen, Blauenstrasse


26 Grabungen und BauuntersuchungenPratteln, Hohle Gasse: wie alt ist dasälteste Werkzeug der Schweiz wirklich?Pratteln, Hohle Gasse.Blick von Norden aufden mittleren Profilschnitt,wo ChristophHauser 1974 denFaustkeil entdeckte.Am 16. Februar 1974 entdeckte der Schüler ChristophHauser in einem Hohlweg oberhalb desDorfes Pratteln einen Faustkeil aus Silex, den manwohl als ältesten steinzeitlichen Fund der Schweizbezeichnen darf. Nach anfänglichen Zweifeln istseine Echtheit heute unbestritten. Das verwendeteSilexrohmaterial, das aus einer regionalen Lagerstättebei Lausen stammt, sowie seine gesamte Ausprägunglassen keinen anderen Schluss zu. Was jedoch wiederholtzu Diskussionen führte, war sein möglichesAlter. Seit seiner Entdeckung wurden diesbezüglichimmer wieder grobe Schätzungen vorgenommen,die den beträchtlichen Zeitraum zwischen etwa120 000 und 400 000 Jahren umfassten. Vor kurzemwurde zudem erkannt, dass der Faustkeil durch natürlichegeologische Vorgänge verlagert wurde undsein Fundort am Hang des Hohlweges nicht der ursprünglicheAblagerungsort ist, was die Beantwortungder Altersfrage zusätzlich erschwert.Nachdem Naturwissenschaftler eine neue Methodezur Datierung von Geröllablagerungen mit einemAlter von mehr als 100’000 Jahren bekannt gemachthatten, entschloss sich die <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> zu


Grabungen und Bauuntersuchungen27deren Anwendung, um vielleicht doch noch Genaueresüber das Alter des Faustkeils zu erfahren. ImVorfeld der geplanten Untersuchungen hat ChristophHauser die exakte Fundlage des Objekts festgelegt,wofür wir ihm zu grossem Dank verpflichtetsind. Interessant ist auch seine Aussage, dass dasWerkzeug beim Auffinden grösstenteils noch in derErde steckte.Auf der Suche nach dem eiszeitlichen Deckenschotter,aus denen der Faustkeil mutmasslich stammt,reinigten Christine Pümpin, Philippe Rentzel undMathias Lutz vom Institut für Prähistorische undNaturwissenschaftliche <strong>Archäologie</strong> der Universität<strong>Basel</strong> auch den oberen Profilschnitt, wo sichBesprechung beimoberen Profilschnittmit Reto Marti, JürgSedlmeier, PhilippeRentzel und MathiasLutz (vlnr).Anschliessend wurden im September <strong>2012</strong> amFundort und an zwei weiteren Stellen des HohlwegesSondierschnitte angelegt. Die Untersuchunghatte zum Ziel, die geologisch-bodenkundlichenVerhältnisse im Umfeld der Faustkeilfundstelle neuzu beurteilen sowie mittels der vor kurzem entwickeltenBeryllium-Methode indirekt weitereAnhaltspunkte für die Datierung des Faustkeils zuerhalten.


28 Grabungen und BauuntersuchungenNaki Akçar von derUniversität Bern undSusan Ivy-Ochs von derETH Zürich bei derProbenentnahme.erfreulicherweise noch originale Reste des Deckenschotterserhalten haben. Dies gab schliesslichden Ausschlag für die Entnahme einer Probenseriezur Datierung des Deckenschotters mit Hilfe derMessung des Gehaltes an kosmogenen Nukleiden(Beryllium-Methode) durch Naki Akçar von derUniversität Bern und Susan Ivy-Ochs von der ETHZürich. Die mit Spannung zu erwartenden Ergebnissesollten einen konkreten Anhaltspunkt zur Alterstellungdes lokalen Deckenschotters und damitauch zum ursprünglich wohl darin eingelagertenFaustkeil liefern.Bericht: Jürg Sedlmeier, Philippe RentzelGeoarchäologie: Philippe Rentzel, Universität <strong>Basel</strong>Aluminium-Beryllium-Analysen: Naki Akçar, UniversitätBernSeptember <strong>2012</strong>


Grabungen und Bauuntersuchungen29links:So könnte der Besitzerdes Pratteler Faustkeilsausgesehen haben.Je nach Datierungdes Fundes dürfte erein Homo erectus, einHomo heidelbergensisoder ein Homo Steinheimensisgewesensein (Zeich nung BenoïtClarys).rechts:Christine Pümpinund Mathias Lutzvom Institut fürPrähistorische undNaturwissenschaftliche<strong>Archäologie</strong> derUni versität <strong>Basel</strong> beider Probenentnahmeund Dokumentationdes mittleren Profilschnittes.


30 Grabungen und BauuntersuchungenFüllinsdorf, Büechlihau.Für einmal keineNot grabung auf derBaustelle, sondernein Einsatz im Wald:Susanne Afflerbach,Alessandro Mastrovincenzound SabineBugmann untersuchendie Fundstelle um denkeltischen Hortfundgründlich.


Grabungen und Bauuntersuchungen31Füllinsdorf, Büechlihau: ein spätkeltischerMünzhort und weitere FundeEnde 2011 meldeten zwei Späher der <strong>Archäologie</strong><strong><strong>Basel</strong>land</strong>, Wolfgang Niederberger und Jean-LucDoppler, sie hätten in einem Wald bei Füllinsdorfeinen keltischen Münzhort entdeckt. In der Folgehändigten sie der <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> sämtlicheMünzen aus, die sie vor Ort bereits gefunden hatten.Es zeigte sich, dass es sich dabei in erster Linieum spätlatènezeitliche Quinare des Typs Kaletedouhandelte.Ein erster Augenschein vor Ort ergab, dass sich dieFundzone an einem ebenmässigen Abhang überein Areal von rund 50 Quadratmetern erstreckte,mit einer klaren Fundkonzentration im oberenMittelfeld. Man konnte also davon ausgehen, dassdie Münzen ursprünglich gemeinsam verborgenworden sind und erst im Laufe der Zeit verstreutwurden. Der aktuelle Baumbestand ist etwa 50–60Jahre alt – denkbar ist demnach, dass die Fundstelleanlässlich der Rodung oder der Neubestockung desGeländes durchwühlt wurde.Im Frühjahr <strong>2012</strong>, nach der Schneeschmelze, erfolgteneine Nachgrabung und eine intensive Untersuchungdes umliegenden Geländes durch die<strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong>, unter engagierter Mithilfevon Wolfgang Niederberger. Auf diese Weise kamenschliesslich insgesamt exakt 300 Münzen ansDie 300 keltischenSilbermünzen aus demHort von Füllinsdorf.


32 Grabungen und BauuntersuchungenKaletedou-Quinar ausdem Hort von Füllinsdorf.Dieser Münztypbildet in verschiedenenVarianten den Hauptanteilim Fund. M 2:1.Licht. Trotz der schönen runden Zahl ist damit zurechnen, dass bereits zu einem früheren Zeitpunkteinige Münzen durch Bodeneingriffe verloren gegangensind, denn hangabwärts wird die Fundzonevon einem Waldweg durchschnitten. An dessen Böschungsind denn auch ebenfalls einzelne, verlagerteMünzen gefunden worden.Die Grabung ergab keinerlei Hinweise auf dieArt und Weise der Deponierung des Münzhortes.Unter dem rund 30 Zentimeter tiefen Waldbodenzeichnete sich der gewachsene Boden ab, in demauch im Bereich der grössten Fundkonzentrationkeinerlei Spuren einer Grube oder dergleichen zuerkennen waren. Auch Keramikscherben oder andereHinweise auf ein Behältnis fehlen. Der Hortwar also vermutlich in geringerer Tiefe vergrabenworden – vielleicht in einem organischen Behältnis,das seither zergangen ist, oder er wurde oberirdischversteckt, zum Beispiel in einem hohlen Baum.Der Füllinsdorfer Fund setzt sich also aus insgesamt300 Silbermünzen zusammen, womit es sich um dengrössten keltischen Hort mit Edelmetallmünzen imGebiet der heutigen Schweiz handelt, der zudemweitgehend vollständig erhalten ist. Mit wenigenAusnahmen besteht er aus einem einzigen Münztyp:den so genannten Kaletedou-Quinaren. Beifrühen Varianten des Münztyps ist in griechischem


Grabungen und Bauuntersuchungen33Alphabet KAΛETEΔOY (= Kaletedou) zu lesen. Eshandelt sich um einen keltischen Personennamen– wahrscheinlich eines gallischen Anführers. Nachund nach wurden die Buchstaben in für uns bedeutungsloseZeichen aufgelöst. Solche Exemplare sindauch im Füllinsdorfer Hort sehr häufig.Die Kaletedou-Quinare stammen ursprünglich ausOstfrankreich, sind aber auch in der Schweiz sehrzahlreich. Wegen der vielen Varianten und ihrerweiten Verbreitung geht die Forschung von einerPrägung an mehreren Orten aus, wie auch Münzstempelaus den weit auseinanderliegenden spätlatènezeitlichenSiedlungen vom Mont Vully im<strong>Kanton</strong> Fribourg und vom Donnersberg in Rheinland-Pfalzbelegen.Andere Münztypen sind im Hort zwar selten, weisenjedoch markante Beziehungen ins Rhonetalund besonders nach Bayern auf. Dort fand sich inder spätlatènezeitlichen Grosssiedlung von Manchingebenfalls ein Hort hauptsächlich aus ortsfremdenKaletedou-Quinaren. Bemerkenswerterweiseenthielt er daneben genau dieselben vereinzeltenMünztypen wie Füllinsdorf, zum Beispiel aus demRhonetal. Auch die Zusammensetzung der Kaletedou-Variantenentspricht sich sehr gut, so dass vonengen Beziehungen zwischen den beiden Hortenauszugehen ist.Drachme der Allobroges(Rhonetal): DerMünztyp kommt auchim Hort von Manching-Pichl und in der Siedlungvon Altenburgvor. M 2:1.


34 Grabungen und BauuntersuchungenBayerischer Viertelquinardes Typs Manching:Der Münztyp kommtauch im Hort vonManching-Pichl undin der Siedlung vonAlten burg vor. M 2:1.Die spätlatènezeitliche Grosssiedlung von Altenburgam Hochrhein (Baden-Württemberg) weist ebenfallsdiese Marker im Münzspektrum auf. Überdiesstammt von dort ein weiterer Hort mit Kaletedou-Quinaren. Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, dassdie Kontakte zwischen den beiden Regionen überdie Siedlung in Altenburg liefen. Wie diese aussahen,ist allerdings noch nicht abschliessend geklärt. Dadas massive Aufkommen von Silberquinaren ab derausgehenden älteren Spätlatènezeit in der Schweizaber mit Soldzahlungen in Verbindung gebrachtwird, ist bei der Interpretation des Sachverhalts einemilitärische Komponente durchaus in Erwägung zuziehen. Beim momentanen Stand der Auswertungist von einer Niederlegung des Hortes in den Jahrenum 80/70 v. Chr. auszugehen.Im Umkreis des Hortfundes, aber etwas abseits derFundkonzentration, kamen zwei eiserne spätlatènezeitlicheFibelfragmente zum Vorschein. In der untersuchtenFläche, aber auch im weiteren Umfeldder Fundstelle, wurden zudem zahlreiche römischeSchuhnägel entdeckt. Sie sind wohl als Hinweis zuwerten, dass der Ort in antiker Zeit stark begangenwar.In dieselbe Richtung weisen weitere Funde, dennder keltische Hort ist nicht die einzige aussergewöhnlicheEntdeckung im Büechlihau. Gut 100


Grabungen und Bauuntersuchungen35Meter hangaufwärts fand sich beispielsweise einweiterer Münzschatz, der über 100 Jahre nach denkeltischen Münzen dem Boden anvertraut wordenwar: Er besteht aus 25 Silberdenaren der RömischenRepublik aus den Jahren zwischen 149 und 42 v.Chr. sowie zwei deutlich jüngeren Goldmünzen(Aurei) der Kaiser Tiberius (14–37 n. Chr.) undNero (54–68 n. Chr.). Auch diese Münzen fandensich über einige Quadratmeter verstreut, ohne Hinweisauf ein zugehöriges Behältnis. Da die Silbermünzenstark abgegriffen sind, müssen sie währendJahrzehnten in Umlauf gewesen sein; es liegt deshalbauf der Hand, dass sie erst zusammen mit denviel jüngeren Goldstücken im ersten Jahrhundert n.Chr. in den Boden gelangt sind.Der Fundplatz war danach noch während Jahrhundertenvon Bedeutung, denn unweit der republikanischenSilberdenare und der beiden Goldmünzenfanden sich zwei weitere ausserordentliche Ensembles:Einerseits sind dies zwei Silbermünzen (Antoniniane)der Kaiser Gordianus III. (238–244 n.Chr.) und Philippus I. (244–249 n. Chr.), die wohlebenfalls gemeinsam deponiert worden sind. Undandererseits fanden die beiden Späher Niederbergerund Doppler bei der Nachkontrolle des Geländesdrei spätantike Silbermünzen (Siliquae) aus den Jahren364–367, die unter den Kaisern Valentinianus I.und Valens geprägt wurden.Goldmünze (Aureus)des Nero, um 64/65 n.Chr. in Rom geprägt.M 2:1.


36Der römische Sockelfür ein Götterbildnisfand sich rund 250Meter von den Fundstelleder beiden Horteentfernt.Zusammenfassend ist festzustellen, dass die schonfrüh geäusserte Vermutung, es könnte sich hier umeine Kult- oder Opferstätte handeln, zunehmendbestärkt wird. In diese Richtung weist auch derFund eines qualitätvollen römischen Statuettensockelsaus Buntmetall, auf dem noch die Zinnspurender aufgelöteten Figuren zu erkennen sind.Aufgrund der Anzahl und der Verteilung der Lotspurenkönnte es sich bei der verehrten Figur umMerkur mit Begleittieren gehandelt haben.Der Mangel an nachweisbaren baulichen Strukturenlässt am ehesten an einen «heiligen Hain» denken,der sich hier über diesen exponierten Berghang,am Ausgang des Ergolztales, erstreckte. Einige Jahrzehntenach der Verbergung des keltischen Fundesentstand am Fusse dieses Hügels die römische KoloniestadtAugusta Raurica, doch bedeutete dies keineswegsdas Ende des Platzes; die Funde belegen imGegenteil dessen während Jahrhunderten fortdauerndeBedeutung bis in die Spätantike.Nicht nur die topographische Lage und das Fehlenvon Siedlungs- oder Befestigungsstrukturen sprichtfür eine Deutung als Kult- oder Opferplatz, sondernauch die Zusammensetzung der römischenEnsembles, die einen völligen Gegensatz zu denSiedlungsfunden im nahen Augusta Raurica bilden:


37Während in Augst in erster Linie grosse Mengenvon Kleingeld aus Buntmetall zu Tage treten, das imAlltag verloren ging, fand Wolfgang Niederbergerin Füllinsdorf fast ausschliesslich wertvollere Geldeinheitenaus Edelmetall, die eindeutig mit Absichtdem Boden anvertraut worden waren.Mittlerweile ist die Fundstätte systematisch abgesucht,nicht zuletzt, um Raubgräbern jeglicheMöglichkeit zu nehmen, ihr zerstörerisches Werk inFüllinsdorf anzugehen. Auch die wissenschaftlicheAuswertung dieses ausserordentlichen Ensembles istbereits angelaufen.Es ist uns ein Anliegen, den ehrlichen FindernWolfgang Niederberger und Jean-Luc Doppler andieser Stelle für ihre tolle Zusammenarbeit herzlichzu danken. Ihrem Spürsinn und scharfen Auge verdankendie <strong>Basel</strong>bieterinnen und <strong>Basel</strong>bieter eineder spektakulärsten Entdeckungen der letzten Jahre,die – wie die Reaktionen der Medien und der Ausstellungsbesuchendenzeigt – weitherum auf grosseFaszination und Begeisterung stösst.Bericht: Reto Marti, Michael Nick, Markus Peter,Inventar der Fundmünzen der Schweiz IFS, BernÖrtliche Leitung: Jan von WartburgFebruar bis Dezember <strong>2012</strong>Teil des jüngstenEnsembles von Füllinsdorf:Silbermünze(Siliqua) Valentinians I.,364–367 in Rom geprägt.M 2:1.


38 Grabungen und BauuntersuchungenLiestal, Heidenloch.Beispiel eines Deckblatteszur Dokumentationder neuzeitlichenInschriften. In derBildmitte ist «LudwigGass» in Kurrentschriftlesbar.


Grabungen und Bauuntersuchungen39Liestal, Heidenloch: ein Bauwerk mit2000-jähriger GeschichteEntlang der Heidenlochstrasse in Liestal verläuft dierömische Wasserleitung, die einst Augusta Rauricamit Frischwasser aus der Ergolz versorgte – guterhalten, aber unscheinbar im Boden. Ein rund 70Meter langer Abschnitt ist heute noch zugänglichund begehbar. Er wurde in den 1950er und 1980erJahren bereits untersucht. Ein auffälliges Merkmaldieses Leitungsabschnitts sind Schriftzeichen an denKanalwänden. Sie stammen hauptsächlich aus dem17./18. Jahrhundert. Der Liestaler Lehrer und ForscherTheodor Strübin nahm an, dass Rebbauern,vielleicht aber auch lichtscheue Gestalten diesenLeitungsabschnitt bei Regen und Hitze als Unterschlupfnutzten. Ein Besuch in diesem hier nochperfekt erhaltenen Bauwerk fasziniert jedenfalls dieMenschen – damals wie heute.Ein Augenschein im November 2011 ergab, dasseine umfassende Dokumentation dieser Inschriftendringend angezeigt war: Das von oben in die Leitungeindringende Wasser lagert langsam aber stetigKalksinter an den Kanalwänden ab. Dieser Sinterüberzieht die neuzeitlichen Inschriften und machtsie von Jahr zu Jahr unlesbarer.Die Dokumentationsarbeiten, die Hand in Handmit einer kompletten, dreidimensionalen Neuvermessungder Leitung gingen, wurden im März desBerichtsjahres durchgeführt. Zuerst wurden die Kanalwändesystematisch fotografisch erfasst, die Bilderanschliessend auf dem Computer entzerrt undim Massstab 1:5 ausgedruckt. Der Ausdruck dienteFotografie des linksumgezeichnetenAusschnitts. Dieweissen Kreuze sindPasspunkte für dieFotoentzerrung.


40 Grabungen und BauuntersuchungenNach der GewölbeerstellungzugemauerterEinstiegsschacht: Es istdeutlich zu sehen, wiedie Abdrücke der Schalungsbretterim Bereichdes Schachts fehlen.als Grundlage für die Erstellung eines transparentenDeckblatts, auf dem man die Details der Inschriftenvor Ort überprüfte und ergänzte.Es ist heute nicht mehr eruierbar, von wo aus dieneuzeitlichen Besucherinnen und Besucher in dieWasserleitung gelangten. Ein einfaches Loch im Gewölbedürfte als Einstieg gereicht haben. Die meistenInschriften sind wohl als «Ich war hier»-Aussagezu verstehen. Die Zeichen wurden mit Kohle, Kreide,Bleistift, Rötel oder (selten) als Einritzung imKalkverputz der Wasserleitung angebracht. Rötel isteine Mineralfarbe, die aus einer Mischung von Kreide,Ton und Hämatit besteht. Solche Mischungenwurden schon in der Altsteinzeit für Höhlenmalereieneingesetzt. Seit der Renaissance wurde Rötelauch in Stiftform verwendet. In einem Grossteil derFälle verewigten sich die Verfasser mittels der Angabeder Initialen, häufig in Kombination mit einerJahreszahl. Die heute noch lesbaren Jahreszahlenreichen von 1621 bis 1927, mit einem Schwerpunktim 18. Jahrhundert. In einigen wenigen Fällen sindauch ausgeschriebene Namen erkennbar, die sowohlin Kurrentschrift wie auch als «Normalschrift» mitalleine stehenden Buchstaben auftreten.Im Zuge der Vermessungsarbeiten wurden auchzwei bisher noch nicht erkannte römerzeitlicheEinstiegsschächte dokumentiert. Die knapp einenMeter breiten Öffnungen liegen knapp 30 Meter


Grabungen und Bauuntersuchungen41auseinander und wurden erst zugemauert, nachdemdas Gewölbe der Wasserleitung erstellt war.Sie dienten wohl als Serviceschächte während desInnenausbaus, um die Elemente des Lehrgerüstesund der Schalungsbretter entfernen und den Dichtungsmörtelanbringen zu können. Denkbar ist allenfallsauch, dass solche Schächte als Einstieg fürUnterhaltsarbeiten während des Betriebs der Wasserleitungdienten, beispielsweise bei ReinigungsoderReparaturarbeiten. Sie hätten dann allerdingsjeweils aufgebrochen und nach Abschluss der Arbeitenwieder zugemauert werden müssen. Zudemmachen zwei Serviceschächte in solch geringemAbstand zueinander kaum Sinn, was die Hypothesevon bauzeitlich benützten Einstiegen stärkt.Ein weiteres, bisher unbekanntes Detail sind Fleckenvon rötlichem, ungebranntem Lehm, die sichsporadisch über die gesamte Länge des Leitungsabschnittsgenau am Übergang zwischen den Seitenwändenund dem Gewölbeansatz finden. DerLehm wurde während des Baus der Wasserleitungdort verteilt. Seine genaue Funktion ist bis heuteunbekannt. Möglicherweise sollte er den Gewölbeansatzzusätzlich abdichten und so verhindern, dassverschmutztes Regenwasser von aussen eindringenkonnte.Bericht und örtliche Leitung: Jan von WartburgMärz <strong>2012</strong>Flecken rötlichenLehms am Gewölbeansatzder Wasserleitung.Unten im Bild sind dieobersten Steine derSeitenwand sichtbar.


42 Grabungen und BauuntersuchungenLiestal, UntererBurghaldenweg.Daniel Perez bei Vermessungsarbeitenmit Laserstrahl undKlappmeter. DieLeitung ist teilweisenoch mit Sedimentenverfüllt.


Grabungen und Bauuntersuchungen43Liestal, Unterer Burghaldenweg: dieWasserleitung, fast perfekt erhaltenAm Unteren Burghaldenweg löste der Bau vonzwei Einfamilienhäusern eine vorgängige archäologischeUntersuchung aus. Bereits 1987 hat mandie römische Wasserleitung in der benachbartenParzelle dokumentiert. Daher war bekannt, dass siein diesem Abschnitt sehr gut erhalten ist. So war esbereits damals möglich, den nun zu untersuchendenLeitungsabschnitt komplett zu begehen.Der höchste Punkt des Gewölbes lag nur 40 Zentimeterunter der heutigen Oberfläche. Unter anfänglicherZuhilfenahme eines Baggers und spätervon Hand wurde das Gewölbe komplett freigelegt.Dabei zeigte sich, dass der rund 21 Meter lange Abschnitt– mit Ausnahme eines drei Meter langenStückes ganz im Süden – vollständig intakt war.Dort war auch zu erkennen, dass sowohl die hangalsauch die talseitige Seitenwand der Wasserleitungleicht verrutscht waren. In der Nordhälfte der Parzellehingegen hatte sich die Leitung in den rund2000 Jahren seit ihrer Erbauung keinen Zentimeterbewegt!Das Gewölbe wurde von aussen und von innen dokumentiert.Für die Innendokumentation mussteDas freigelegteGewölbe derWasserleitungzeigte sich in einemhervorragendenZustand.


44 Grabungen und BauuntersuchungenDetail eines Gerüstloches:zu erkennen istderselbe rötliche Lehm,der im Heidenloch zumersten Mal entdecktwurde (s. oben).zuerst ein Einstiegsloch aufgebrochen werden. Eszeigte sich, dass die Sohle der Wasserleitung mitrund 60 Zentimetern Sediment bedeckt war. DieserUmstand führte dazu, dass das Gewölbe nur in gebückterHaltung begehbar war, was die Dokumentationsarbeitenerschwerte.Am Gewölbeansatz waren mehrere Gerüstlöchererkennbar: Sie gehen auf Holzbalken zurück, dieman seitlich auf die bereits gebauten Seitenwändegelegt hatte, um das Lehrgerüst für das Gewölbeaufzulegen. Nach der Fertigstellung des Gewölbeswurden das Lehrgerüst und die Balken entfernt.Übrig blieben die Gerüstlöcher, die man in denmeisten Fällen mit einem Stein verschloss.Der nächste Arbeitsschritt verdeutlichte die Richtigkeitder auf archäologische Untersuchungen gemünztenAussage: «Ausgraben heisst zerstören»: Umdie Sedimentationsschichten auf der Leitungssohledokumentieren und ausgraben zu können, mussteder Bagger zuerst das Gewölbe entfernen. DieseMethode wurde gewählt, weil der Leitungsabschnittdurch den Neubau anschliessend ohnehin zerstörtworden wäre.


Grabungen und Bauuntersuchungen45Die von Philippe Rentzel durchgeführte geoarchäologischeUntersuchung zeigte, dass die dickenSedimentationsschichten im Inneren der Leitungauf zwei unterschiedliche Arten entstanden waren.Diejenigen Ablagerungen, die direkt über derSohle lagen, kamen durch das Absedimentieren vonFeststoffen aus dem langsam fliessendem Wasserzustande. Dieser Prozess wird sich gegen Ende derNutzung der Wasserleitung abgespielt haben, als dasWasser zwar noch gegen Augusta Raurica hin floss,aber die Leitung nicht mehr aktiv unterhalten beziehungsweisegereinigt wurde. Die zweite, darüberFür die Untersuchungder massiv gebautenLeitung war schweresGerät nötig.


46 Grabungen und BauuntersuchungenSarah Hänggidokumentiert ganzgenau, wie die Leitungseinerzeit überdecktworden war.liegende Schicht besteht aus einem Lehm, der – imWasser gelöst – im Laufe der Jahrhunderte durchkleinste Spalten und Öffnungen des Gewölbes eindrangund sich ablagerte. Die starke Versinterungdes Gewölbes zeigt, dass hier viel Wasser von obendurch das Gewölbe eingesickert ist.Ein Querschnitt durch die Wasserleitung zeigt exemplarisch,wie beim Bau vorgegangen wurde: Inder Baugrube, die bis zu zwei Meter breiter war alsdie Wasserleitung, wurde zuerst der Fundamentgrabenausgehoben. Dieser wurde anschliessend mitgrossen Kalkbruchsteinen gefüllt und mit Mörtelübergossen. Auf diesem Fundament mauerte mandie Seitenwände auf, die schliesslich als Auflagerfür das Gewölbe dienten. Gegen Ende der Arbeitenwurden die Baugruben beidseits der Leitungbis zum Gewölbeansatz mit Kalkbruchsteinen zugeschüttet.In einem letzten Schritt folgte die kompletteÜberdeckung der Leitung mit Lehm.Nach Abschluss der archäologischen Untersuchungenwurde die Parzelle für die Bauarbeitenfreigegeben. Mit dem Baugrubenaushub wurde dierömische Wasserleitung schliesslich bis auf die Unterkantedes Fundaments entfernt.Bericht und örtliche Leitung: Jan von WartburgGeoarchäologie: Philippe Rentzel, Universität <strong>Basel</strong>April <strong>2012</strong>


Grabungen und Bauuntersuchungen47Der Querschnitt durchdie Wasserleitungverdeutlicht derenAufbau in idealerWeise. Die hellbrauneSchicht über demhöchsten Punkt desGewölbes zeigt dasrömische Gehniveaunach dem Zuschüttender Leitung durch dieErbauer. Die untersten15 Zentimeter der Verfüllungin der Leitunghaben sich noch in derspätesten Benützungszeitabgelagert.


48 Grabungen und BauuntersuchungenBaslerstrasseKästeliwegPratteln, St. Jakobstrasse.Gesamtplander bisher bekanntenStrukturen desGutshofes mit Lagedes neu entdecktenGebäudes (roteingerahmt). SeineFlucht stimmt mit derjenigender meistenGebäude der grossenVilla überein.MuttenzerstrasseN100m


Grabungen und Bauuntersuchungen49Pratteln, St. Jakobstrasse: ein Stallgebäudedes römischen Gutshofes?Die <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> begleitete die Aushubarbeitenfür das neue Prattler Feuerwehrmagazin ander St. Jakobstrasse. Das Bauprojekt liegt im Perimeterder grossen römischen Villa «Kästeli», deren Anfängeim frühen 1. Jahrhundert nach Christus liegenund die bis ins spätere 4. Jahrhundert Bestand hatte.Die letzte grosse Ausgrabung fand im Jahr 2009 vordem Bau des Lidl-Supermarktes statt. In der damaligenUntersuchung wurden umfangreiche Mauerrestedes Hauptgebäudes und von Nebenbauten, einTeil der Umfassungsmauer, ein Sodbrunnen sowieSpuren von Holzgebäuden dokumentiert (s. <strong>Jahresbericht</strong>2009, 34 ff.; 2011, 164 ff.).Die <strong>2012</strong> freigelegte Fläche lag knapp 200 Meternordöstlich vom Hauptgebäude. Aus diesem Bereichwaren bisher nur spärliche Mauerreste eineslänglichen Gebäudes sowie ein vermutetes Torhausbekannt.Am Nordende der Untersuchungsfläche kamen dieuntersten Fundamentreste eines römischen Gebäudeszum Vorschein. Die Häufung von Dachziegelnin der unmittelbaren Umgebung sowie die Dickeund Tiefe der Fundamentreste weisen auf ein mitZiegeln gedecktes Gebäude hin. Leider hatte sichdas römische Gehniveau nicht erhalten, so dass derBoden innerhalb des Gebäudes – wahrscheinlichein gestampfter Lehmboden – nicht untersuchtwerden konnte.Nur die unterstenFundamentrestedes neu entdecktenGebäudes sinderhalten geblieben.


50 Grabungen und BauuntersuchungenAufsicht auf dieFundamentreste desvermutlichen Stallgebäudesgegen Norden.Die Pfeile weisen auf diesüd liche und nördlicheGebäudemauer.Die dokumentierte Gebäudebreite von 5 Meternstimmt mit dem nur rund 7 Meter nördlich liegenden,im Jahr 1964 ausgegrabenen, länglichen Gebäudeüberein. Während der Freilegung der Fundamenteliess sich auch eine Innenunterteilung desGebäudes fassen. Es handelte sich dabei um schmalereFundamentreste aus aneinander gefügten Kalkbruchsteinen,die möglicherweise als Unterbau fürHolzwände dienten.Aufgrund der länglichen Gebäudeform, der Lage innerhalbdes landwirtschaftlichen Teils der Villa (parsrustica) sowie der Dokumentation von ähnlichenBefunden auf anderen Grabungen in römischenGutshöfen könnten die entdeckten Fundamentrestezu Stallungen gehört haben. Es ist vorstellbar,dass die Innenunterteilung des Gebäudes eine Art«Boxenabteile» darstellte, in denen die Tiere gehaltenwurden. Leider gibt es keine Hinweise, welcheTierart(en) hier untergebracht waren.Zusammen mit dem bereits 1964 entdeckten Gebäudescheint sich hier das Bild zweier sich gegenüberliegenderStallungen mit einem Hofbereichdazwischen abzuzeichnen. Die Deutung einer Gebäudefunktionausschliesslich aufgrund der Fundamenteist allerdings heikel und muss mit einer gewissenVorsicht genossen werden.Bericht und örtliche Leitung: Jan von WartburgAugust <strong>2012</strong>


Grabungen und Bauuntersuchungen51Die Suche nach denResten des grossenrömischen Gutshofesin Pratteln-Kästeligestaltet sich schwierig,weil grössere Teileheute überbaut unddie Böden zum Teilbelastet sind.


52 Grabungen und BauuntersuchungenGrienwegAm <strong>Basel</strong>wegAesch, Grienweg. Dasneu untersuchte Areal(rot) liegt praktischinmitten von bereitsdokumentiertenGräbern. Auch in den«leer» scheinendenParzellen nördlich undöstlich davon sindBestattungen zu vermuten,doch wurdendort bisher noch nieAusgrabungen durchgeführt.Andlauweg


Grabungen und Bauuntersuchungen53Aesch, Grienweg: auf den Spuren desfrühmittelalterlichen GräberfeldesDer bevorstehende Ausbau eines Einfamilienhausesam Aescher Grienweg führte im Vorfrühling <strong>2012</strong>zu einer vorgängigen Ausgrabung. Die betroffeneParzelle liegt inmitten eines der bedeutendstenfrühmittelalterlichen Gräberfelder der Region. DieChancen, auf Gräber zu stossen, war ausserordentlichhoch, lag doch das nächste dokumentierte Grabnur gerade fünf Meter von der geplanten Baugrubeentfernt.Der Friedhof, von dem dank früheren Grabungenbisher rund 70 Bestattungen erfasst sind, ist seit dem18. Jahrhundert bekannt. Er muss eine Ausdehnungvon 200–300 Metern besessen haben und umfasstewohl mehrere hundert Gräber aus dem 6. bis frühen8. Jahrhundert. An dessen Südrand – wo sich auchdie zu untersuchende Parzelle befindet – wurde umdas Jahr 650 n.Chr. ein Separatfriedhof eingerichtet,in dem die Angehörigen einer reichen Oberschichtihre Toten bestatteten. Die reichsten Gräberwaren ursprünglich mit Grabhügeln und Gräbenoberflächlich markiert, wurden aber – wie die Grabungskampagnenin den Jahren 1983, 1991/92 sowie1996 zeigten – von Grabräubern heimgesucht.Obwohl dadurch ein Grossteil der ursprünglichenBeigaben verloren ging, kamen in den GrabungenSchwierige Spurensuchein bereits überbautemGelände ...


54 Grabungen und BauuntersuchungenAlessandro Mastrovincenzo,Daniel Perezund Mustafa Uslu (hinten)suchen das Terrainnach Grabresten ab.direkt neben der nun untersuchten Parzelle wertvolleBeigaben wie Gürtelbeschläge mit Silber- undMessingeinlagen, Halsketten oder verzierte Fibeln(Mantelschliessen) zum Vorschein. Der spektakulärsteFund, eine goldene Filigranscheibenfibel derZeit um 660/680 n.Chr., kam in der Grabung 1991ans Licht.Die hohen Erwartungen an die aktuelle Kampagnewurden indes enttäuscht: Es kamen keine weiterenGräber zum Vorschein. Ein Grossteil der Fläche warbereits beim Bau einer heute nicht mehr sichtbarenRampe in die rückwärtige Kellergarage zerstörtworden. In den noch intakten Flächen waren nurwenige Befunde – meist neuzeitlich bis modern zudatierende Gruben – erhalten geblieben.Den einzigen Hinweis auf die Präsenz des frühmittelalterlichenFriedhofs lieferten verlagerte,menschliche Knochenfragmente, die in der Einfüllungeines modernen Leitungsgrabens lagen. Sie beweisen,dass es in unmittelbarer Umgebung weitereGräber gegeben haben muss.Bericht und örtliche Leitung: Jan von WartburgFebruar und März <strong>2012</strong>


Grabungen und Bauuntersuchungen55Diese reich verzierteFiligranscheibenfibelkam im Jahr 1991 naheder diesjährigen Grabungsflächezum Vorschein.Vorderseite undSeitenwand bestehenaus einer Gold-Silber-Legierung. Die Seitenwandwurde über einModel mit Blattrankendekorgetrieben. DieFassungen enthaltenfarbige Glasplättchen,Silberkalotten und imZentrum eine Gemmeaus Glas. Ein Röhrchenkranzum den Mittelbuckelenthielt vermutlichechte Perlchen. Dieverbliebenen Freiflächensind sorgfältig mitFiligrandraht verziert.Durchmesser 8 Zentimeter.


56 Grabungen und BauuntersuchungenEptingen, Witwald.Die herbstliche Idylletäuscht: Die Mauernder mittelalterlichenBurgruine drohen zuzerfallen.


Grabungen und Bauuntersuchungen57Eptingen, Witwald: letzte Reste derOberburgEin aufmerksamer Wanderer meldete der <strong>Archäologie</strong><strong><strong>Basel</strong>land</strong> im Oktober den Fund von Ziegelfragmentenund Mauerresten auf einem Felsspornoberhalb der Ruine Witwald. Die Funde kamen inund unter dem Wurzelteller eines grossen, umgestürztenBaumes zum Vorschein.Die Ruine Witwald liegt nördlich des Dorfes aneinem Südhang. Die mächtigen Mauerreste desehemaligen Wohnturms sind von weithin sichtbar.Die Erbauungszeit der Burg, die den Herren vonEptingen gehörte, ist unbekannt. 1398 wurde sie daserste Mal urkundlich erwähnt. 1487 verkaufte dieErbengemeinschaft der Herren von Eptingen dieBurg an die Stadt <strong>Basel</strong>, die sie nicht weiter unterhielt.Daraufhin zerfiel die Burg rasch.Im Jahr 1909 fanden Ausgrabungen statt. Die damalsfreigelegten Mauerzüge sind heute grösstenteilsnoch sichtbar. Bereits damals wurden auf demFelssporn oberhalb der Burg Mauerreste eines wohlursprünglich länglichen Gebäudes freigelegt. DieAnlage lässt sich somit in eine Ober- und eine Unterburgaufteilen, was bei Kleinburgen der Regionsonst eher selten der Fall ist.Jan von Wartburgvermisst den künstlichabgearbeiteten Felsder Oberburg. Linksder Wurzelteller desumgestürzten Baumes.


58 Grabungen und BauuntersuchungenDie spärlichen Mauerrestesind links oben zuerahnen, unmittelbarneben dem bearbeiteten,brandgerötetenFels in der Bildmitte.Die Anfang des 20. Jahrhunderts freigelegten Mauernder Oberburg sind heute nicht mehr sichtbar.Es ist gut möglich, dass sie nach der Grabung derstarken Erosion in diesem exponierten Bereich zumOpfer gefallen sind. Durch den umgestürzten Baumin einem damals nicht untersuchten Bereich kamnun ein neuer, bislang unbekannter Mauerabschnittder Oberburg ans Tageslicht: ein Teil der Ostmauer.Sie war kaum noch als solche zu erkennen. Diestarke Durchwurzelung sowie bereits früher erfolgteErosionsprozesse haben sie komplett aufgelöst.Die Baukeramikfragmente – durchwegs von Biberschwanzziegeln– lagen direkt westlich der Mauerreste.Etwas südlich davon kam der anstehende,als horizontale Fläche abgearbeitete Fels zum Vorschein,der das damalige Bodenniveau im Innerndes Gebäudes anzeigt. Der Fels wies Brandrötungenauf. Ob das Gebäude letztlich durch eine Brandkatastropheeingestürzt ist, liess sich jedoch nicht mehrfeststellen. Die gefundenen Ziegelfragmente zeigtenkeine erkennbaren Brandspuren.


Grabungen und Bauuntersuchungen59Im Zuge der Dokumentationsarbeiten auf derOberburg wurde auch gleich die Gelegenheit wahrgenommen,die gesamten heute noch sichtbarenMauerreste dreidimensional zu vermessen und zufotografieren. Dabei bestätigte sich der seit längerembekannte, schlechte Zustand der Anlage. Viele Mauerpartiendrohen zu zerfallen. Ein Vergleich mitBildern der letzten fotografischen Dokumentationder Mauern von 2002 zeigt Erschreckendes: Bereitsdamals existierende Mauerausbrüche sind grössergeworden. Zusätzlich sind an im Jahr 2002 noch intaktenStellen neue Schäden aufgetreten.Einige Mauerausbrüchewie hier beimEingangsbereich sindgegenüber 2002(links) deutlich grössergeworden.


60 Grabungen und BauuntersuchungenDie Ruine Witwald inder Darstellung vonEmanuel Büchel 1752(links) und im Plan von1909 von Max Alioth(nach Walter Merz).Der Zerfall der Ruine schreitet rasch voran. GrosseMauerabbrüche im Bereich der exponierten Südmauerdes Wohnturms sind bereits erfolgt und werdensich zweifelsohne ausweiten. Es droht der endgültigeEinsturz der Mauer. Eine rasch in die Wegegeleitete Sanierung könnte die Schadenstellen behebenund diese schön gelegene Ruine in ihrerjetzigen Form erhalten. Die <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong>sucht derzeit gemeinsam mit der Eigentümerin derBurg nach einer Lösung dieses dringenden Problems.Bericht und örtliche Leitung: Jan von WartburgOktober <strong>2012</strong>


Grabungen und Bauuntersuchungen61links:Aktueller Mauerplander Ruine Witwald.Der neu entdeckteMauerrest auf demoberen Burgfelsen istrot eingezeichnet.10 mN<strong>2012</strong> sichtbare Mauerpartien1909 freigelegte oder rekonstruierte Mauerpartienneu entdeckter Mauerabschnittmoderne Elementerechts:Luftbild der Anlagevon Südwesten. Untenist die markante talseitigeMauer des Wohnturmeszu erkennen.Der neu untersuchteGebäuderest liegt inder Bildmitte auf demoberen Felsen.


62 Grabungen und Bauuntersuchungen2 15Reinach, Brunngasse.Die Lage der aktuellenSt.NikolausAusgrabung (rotumrandet) im Bezug zuden früheren Untersuchungen:1 Alte Brauerei2 Gemeindezentrum3 Stadthof4 Kirchgasse5 RankhofIn gelb eine vermutetealte Birstalstrasse.43100mN


Grabungen und Bauuntersuchungen63Reinach, Brunngasse: am Rande desmittelalterlichen DorfesIn den letzten 50 Jahren hat sich Reinach zur einwohnerstärkstenGemeinde des <strong>Kanton</strong>s <strong><strong>Basel</strong>land</strong>entwickelt, mit entsprechend reger Bautätigkeit. Dabeistiess man immer wieder auf die Spuren vergangenerEpochen, so 1989 im Areal der Alten Brauerei,1998 beim Stadthof, 1998/99 an der Kirchgasse und2000/2001 beim Gemeindezentrum.Aufgrund dieser aussergewöhnlich hohen Funddichtewurde auch das Areal an der Brunngassevor der geplanten Überbauung auf archäologischeFunde untersucht. Es liegt nur etwa 100 Meterwestlich der Fundstellen «Alte Brauerei» und «Gemeindezentrum»,wo vor einigen Jahren nebst vorgeschichtlichenund römischen Funden zahlreicheSiedlungsreste aus dem 6. bis 11. Jahrhundert zumVorschein kamen.In einem bislang wenig untersuchten Teil des Dorfkerns,dem Taunerquartier, gelegen und weitgehendunüberbaut, bot diese Parzelle gute Vorraussetzungen,um weitere Aufschlüsse über die Ausdehnungder mittelalterlichen Siedlung zu erhalten.Bereits während des Voraushubs konnten denn auchmehrere mittelalterliche Scherben aufgelesen werden.Nach dem Abtrag der oberen Erdschichtenzeichneten sich die Umrisse einiger Gruben, Gräbenund sonstiger Vertiefungen im ansonsten ungestörten,kiesigen Boden ab. Völlig überraschendNach dem Humusabtrag:Im kiesigenUntergrund zeichnensich dunkel die Spurenvon Pfosten undGruben ab.


64 Grabungen und BauuntersuchungenSabine Bugmann undSusanne Afflerbachanalysieren die archäologischenBefunde imneu entdeckten Keller.kamen am südöstlichen Rand des Grundstücks, unterder Humusdecke des Gartens, die Mauerresteeines neuzeitlichen Kellers zum Vorschein. Wederder Eigentümer, dessen Grosseltern hier gelebt hatten,noch die befragten, teils alteingesessenen Anwohnerhatten je von einem Gebäude an dieserStelle gehört.Die meisten mittelalterlichen Gebäude bestandenzur Hauptsache aus Holz, das unter den hier vorherrschendenBodenverhältnissen relativ rasch vergeht.Von ihnen bleiben deshalb selten mehr als diePfostengruben und andere in den Boden eingetiefteStrukturen übrig, die sich kaum von denen andererZeitstellungen unterscheiden. Deshalb kann jedesKeramikscherbchen wichtig sein, das in einer solchenStruktur zum Vorschein kommt.Bei der anschliessenden Ausgrabung liessen sich ausMangel an aussagekräftigen Funden nur wenige derStrukturen eindeutig datieren. Früh- und hochmittelalterlicheBefunde fehlen dabei ganz. EinzelnePfostengruben sind dem Spätmittelalter zuordenbar.Ganz im Osten, zwischen Haus und Strasse, liessensich noch kleinere Bauten und eventuell ein kleinesGrubenhaus erahnen. Grubenhäuser sind leicht eingetiefteGebäude, die häufig als Web- und Vorratskellerdienten.


Grabungen und Bauuntersuchungen65Rekonstruktion einermittelalterlichenSiedlung: Die Gebäudesind zu einem grossenTeil aus Holz, Lehm undStroh, weshalb sie imBoden kaum Spurenhinterlassen (AndreaLeisinger).


66 Grabungen und BauuntersuchungenZivi Benjamin Kettnerbeim Freilegen archäologischerBefunde.Die meisten Funde stammen jedoch aus der frühenund späten Neuzeit. Es handelt sich dabei hauptsächlichum Pfosten- und Abfallgruben. Das rascheAusdünnen der Befunddichte gegen Westen unddas Fehlen grösserer Gebäude deutet darauf hin, dasssich das Areal im Randbereich des spätmittelalterlich-frühneuzeitlichenDorfes befindet.Über den neuzeitlichen Keller liess sich mithilfe derBrandlagerakten des Staatsarchivs mehr erfahren: Inden Akten der Gemeinde Reinach ist im Jahr 1849ein Grossbrand verzeichnet, dem unter anderem dasGebäude, zu welchem der Keller gehörte, zum Opferfiel. Als Eigentümer ist ein Bartholomäus Wenger,Bauer, angegeben. Auch das Nachbarhaus, derVorgängerbau des mittlerweile abgerissenen HausesNummer 9, brannte dabei vollständig ab.Der Lehmboden des neuzeitlichen Kellers sowiedessen Verfüllung aus Bauschutt wiesen deutlicheBrandspuren auf, was den Zusammenhang mit demBrand von 1849 bekräftigt. Über das Baudatum unddie Nutzung der Räumlichkeiten schweigen sichdie Quellen jedoch aus. Allerdings deuten der breite,steinerne Treppeneingang sowie der nahe gelegeneSüdosthang, an dem noch heute Reben kultiviertwerden, auf einen möglichen Weinkeller hin.Bericht und örtliche Leitung: Susanne AfflerbachJuli bis September <strong>2012</strong>


Grabungen und Bauuntersuchungen67links:In einer Brandlagerakteder Gemeinde Reinachist der Grossbrandvon 1849 vermerkt.Erwähnung findetauch der EigentümerBartholomäus Wenger(Staatsarchiv <strong><strong>Basel</strong>land</strong>).rechts:Über eine breiteTreppe gelangte manin den neuzeitlichenKeller. Die hintereWand und der Lehmbodendavor weisenBrandspuren auf.


68 Grabungen und BauuntersuchungenLiestal, Büchelistrasse 4.Neben unzähligenSchneckenhäuschenfanden sich in derGrabenböschung auchzahlreiche Tierknochen-Abfälle.


Grabungen und Bauuntersuchungen69Liestal, Büchelistrasse 4: das «Schneckenbord»Die Büchelistrasse südöstlich des Liestaler Tors liegtam einstigen mittelalterlichen Befestigungswall mitaltem Wegverlauf um die Stadtmauer Richtung Gestadeck.Auf der Stadtseite des aufgeschütteten Wallsbefand sich der innere Graben, der um die Mittedes 17. Jahrhunderts – einhergehend mit der zunehmendenÖffnung der Stadtmauer – bereits mit Gärtenbepflanzt war. Das äussere Bord des Walls dientebis zu dessen Überbauung ab den 1830er Jahren alsKehrichthalde. Noch im frühen 20. Jahrhunderthaben Schüler «Beutezüge» auf dem «mächtigenAbfallhügel» gemacht. Die hunderten Gehäuse derWeinbergschnecke (Helix pomatia), die noch heutegeborgen werden können, scheinen der Schutthaldebereits zu Benutzerzeiten den Namen gegeben zuhaben.Die ersten Häuser standen am Wegrand über derHalde. Die Abtiefung des Kellergeschosses der LiegenschaftNr. 4 um einen Meter ermöglichte es, dieobersten Ablagerungsschichten in einem Ausschnittzu dokumentieren. Der maschinelle Abbau erlaubtejedoch nur eine grobe Zuweisung der Funde in diezugehörige Schicht. Dennoch war tendenziell eineAbfolge von unten nach oben vom 15./16. bis ins19. Jahrhundert feststellbar. Auch wenn eine detaillierteAuswertung noch aussteht, seien hier einigebesondere Funde kurz vorgestellt.Fragment eines mitTonwülsten verstärktenNachttopfes (links) undPfeifenkopf (rechts; mitDetail des Stempelabdrucks«ISC»).


70 Grabungen und BauuntersuchungenFragment einesZylinderhalskrugesaus Steinzeug (links)und Bodenstück einesSteingutgeschirrs ausSarreguemines (rechts).M ca. 1:1.- Schlachtabfälle: Unzählige Tierknochen weisenSchneidespuren auf, die vom Schlachten und demVerzehr der Tiere stammen. Dank der Volkszählungim Jahr 1774 ist bekannt, dass in Liestal damals dasMetzgerhandwerk mit 29 Metzgern neben dem Bäckereigewerbeund der Schuhmacherei weitaus diegrösste Berufsgruppe ausmachte. Einige Jahre zuvorschrieb der Chronist Daniel Bruckner sogar von 40Metzgern.- Wandscherbe eines Nachttopfes mit Verstärkungssteg:Die Scherbe aus roter, oxidierend gebrannterIrdenware ist auf der Gefässinnenseite grün glasiert.Sie datiert ans Ende des 16. oder ins 17. Jahrhundert.Typische Merkmale dieses Spezialgefässes sind einbreiter, verstärkter Rand, eine abdichtende Innenglasursowie ein oder mehrere Henkel. Ein Nachttopfunter dem Bett ersparte den nächtlichen Gangzum Abtritt. Fäkaliengruben sind in Liestal archäologischnoch keine dokumentiert.- Pfeifenkopf einer sogenannten Fersenpfeife mittrichterförmigem Kopf: Der Fersenstempel «ISC»findet sich auch auf bekannten Beispielen aus dem<strong>Kanton</strong> Zug. Dort wird dieser Pfeifentyp an denAnfang des 18. Jahrhunderts datiert und als deutscherImport mit unbekanntem Produktionsort bezeichnet.Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts hatteder Tabakkonsum alle Bevölkerungsschichten derRegion, auch die gehoberen, in seinen Bann gezogen.Die neue Sitte verbreitete sich während des


Grabungen und Bauuntersuchungen71Dreissigjährigen Krieges von England aus vor allemdurch umherziehende Soldaten sehr rasch in ganzEuropa. Die ersten archäologisch nachgewiesenenPfeifen in <strong><strong>Basel</strong>land</strong> wurden aus der Kurpfalz undaus Frankreich importiert. Ab dem 18. Jahrhundertbeherrschten Manufakturen aus Gouda (Niederlanden)und dem Westerwald (Deutschland) den Marktund belieferten auch <strong>Basel</strong> massenweise mit weisstonigen,schlanken Tonpfeifen.- Zylinderhalskrug aus grauem Steinzeug mit kobaltblauerGlasur und Reliefverzierung: Das Importgefässstammt vermutlich aus der ProduktionsregionRaeren (Ostbelgien) oder dem Westerwald(Mitteldeutschland) und datiert ins späte 16. oderfrühe 17. Jahrhundert. Steinzeug, gesinterte Keramik,eignete sich wegen seiner Wasserundurchlässigkeitund Säureresistenz gut als Schenkgefäss undMineralwasserflasche.- Steingutkrüglein oder -schälchen mit Produktionsstempelauf der Bodenunterseite: Der Stempelerlaubt es, das Gefäss der Firma «Utzschneider &Co.» aus Sarreguemines (Lothringen) zuzuschreiben.Es datiert ins 19. Jahrhundert. Der sehr helleScherben erhielt allseitig eine transparente Glasur.Steingut wurde ab dem zweiten Drittel des 18. Jahrhundertsin Europa als preiswerter Porzellanersatzproduziert. Da es sich sehr gut für die maschinelleHerstellung eignet, wurde eine «Massenproduktion»möglich. In dieser Zeit setzte sich der Tee- undKleiner Wasserhahnaus Buntmetall, M 1:1.


72 Grabungen und BauuntersuchungenFragment einerglasierten Frieskachelmit Darstellung einesSilens.Kaffeegenuss definitiv in der breiten Bevölkerungdurch.- Zapfhähnchen aus Buntmetall: Der 4,5 Zentimeterhohe Zapfen mit aufgesetztem Hahn steckte alsSchliessventil in einem konischen Spund, der wahrscheinlichals Ausguss eines Giessfasses diente. Miteiner Vierteldrehung konnte der Zapfhahn geöffnetoder geschlossen werden. Giessfässer hingen an derWand oder in einer Nische des Stubenbüfetts übereinem Handbecken. Sie waren vermehrt ab dem17. Jahrhundert Ausstattungsbestandteil der gutenStube und dienten dem (sparsamen) Händewaschenvor dem Essen.- Frieskachel mit Fratzengesicht und randlicherFrauenbüste: Das sechs Zentimeter breite Kachelblattbesitzt eine untere, nach hinten oben abgeschrägteKante. Die Befestigung erfolgte durcheinen an der Oberkante nach hinten abgehendenSteg. Eine Reihe solcher schmalen Kacheln schlossenden Ofenkörper unten als zierender Fries ab.Der Kopf mit den zwei aus dem Mund wachsendenBlättergirlanden stellt einen sogenannten Silenen,ein Mischwesen der griechischen Mythologie, dar.Das Motiv ist typisch für das 17. Jahrhundert.Örtliche Leitung und Bericht: Anita SpringerJuni <strong>2012</strong>


Grabungen und Bauuntersuchungen73links:Die Lage desarchäologischenAufschlusses ist im«GeometrischenGrundriss der StattLiechtstall» von GeorgFriedrich Meyer rothervorgehoben (um1680).GrabungsgrenzeMauerfundamentVerfüllschichten des Grabensanstehender Bodenrechts:Die Lage desarchäologisch untersuchtenStadtgraben-Ausschnitts imBezug zum aktuellenBauprojekt.


76 Grabungen und BauuntersuchungenSodbrunnen A mitjüngerem Gusseisenrohr,das Abwässer vonder südlich anschliessendenLiegenschaftin den aufgegebenenBrunnen einleitete.sich vor Ort nicht bestimmen. Deshalb wurde versucht,diese Angaben unter Zuhilfenahme von historischenQuellen ausfindig zu machen. Die Friedensgasselag ursprünglich an der alten Landstrasse(heute Muttenzerstrasse/Liestalerstrasse), die vonder Birsbrücke in der Nähe der Rheinmündungauf die Hard hinaufführte. Im Bereich der heutigenLiestalerstrasse war der Weg aber so steil, dass fürdiesen Abschnitt Vorspannpferde erforderlich waren.Deshalb baute man Anfang der 1850er-Jahre eineneue Strasse, die heutige Rheinfelderstrasse, mitweniger Steigung.Während Birsfelden auf der Karte von Georg FriedrichMeyer von 1678 als Siedlung noch nicht erkennbarist, zeigen sich auf der Karte von FriedrichBaader von 1838, ergänzt 1857, bereits einige Häuserentlang der Landstrasse östlich der Birsbrücke. Auchim Bereich der späteren Friedensgasse lassen sichzwei Gebäude ausmachen. Auf der Siegfriedkartevon 1882 wird die Friedensgasse bereits als Nebenstrasseersichtlich. Zudem sind dort in der Zwischenzeitweitere Gebäude – zumeist Wohnhäuser –entstanden.


Grabungen und Bauuntersuchungen77AFriedensgasseMuttenzerstrasselinks:Die Lage der dreiSodbrunnen A–Cin der BirsfelderFriedens gasse. In denSodbrunnen C mündenzwei Kanäle ein.BCrechts:Im Vordergrundder westliche, mitBuntsandsteinplattengedeckte Kanal,im HintergrundSodbrunnen C.N10m


78 Grabungen und BauuntersuchungenDetail desSodbrunnens C mitdem östlichen Kanalaus Backsteinen.Auch die schriftlichen Quellen geben Auskunftüber diesen Teil von Birsfelden. So schreibt XaverGschwind in seiner Birsfelder Heimatkunde von1863: «Von der neuen Landstrasse und zugleich einStück der alten wendet sich die Strasse gegen Muttenz,an welcher sich links und rechts Häuser erhobenund noch immer solche im Bau begriffen sind»(S. 22). Gschwind erwähnt auch die Sodbrunnen imDorf: «Fast bei jedem Hause befindet sich ein Zugbrunnen,im ganzen wohl 50. In der ganzen Ortschaftist aber auch kein einziger laufender Brunnenzu finden, da eben kein solcher auch mit sehr bedeutendenKosten aus weiter Ferne hergeleitet werdenkönnte. Sobald ein Haus gebaut ist, muss auchsogleich ein Zugbrunnen dazu hergestellt werden.Die Tiefe derselben ist verschieden je nach Lage derHäuser und richtet sich nach dem Wasserspiegel desRheins oder der Birs. Die geringste Tiefe, bei demHofe und dem Wohngebäude an der Fähre beträgt20 Fuss [6 Meter], die grösste, besonders bei derZiegelfabrik muss 75 Fuss–80 Fuss [22,5–24 Meter]betragen» (S. 28).Die bei den Strassenarbeiten festgestellte angeblicheDichte an Sodbrunnen lässt sich durch dieseAussagen also relativieren, da offenbar jedes Haus


Grabungen und Bauuntersuchungen79seinen Sodbrunnen besass. Zeitlich sind diese mitziemlicher Sicherheit der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts zuzuweisen, als das Quartier um dieFriedensgasse Gestalt annahm.Mit der Inbetriebnahme der zentralen Wasserversorgungim Jahr 1903 war die Zeit der Sodbrunnenabgelaufen – und das war gut so: Besonders um dieJahrhundertwende sorgte verschmutztes Wasser ausden Sodbrunnen immer wieder für schwere Erkrankungen,wie in der jüngeren Heimatkunde von1976 zu lesen ist. Die Sodbrunnen wurden aufgefülltoder – wie im Falle von Brunnen A – mit BetonoderSteinplatten abgedeckt. Wie die aktuelle Untersuchunggezeigt hat, wurden einzelne Brunnennach ihrer Aufgabe offenbar auch zur Versickerungvon Regen- oder Abwasser eingesetzt.Die drei Sodbrunnen bleiben auch nach der Strassensanierungintakt im Boden erhalten. Für die Entdeckungund Meldung dieser neuen Fundstelle seian dieser Stelle dem zuständigen Bauleiter, HerrnMax Dettwiler, herzlich gedankt.Bericht und örtliche Leitung: Jan von WartburgAugust und September <strong>2012</strong>Auf den Messblätternvon Friedrich Baadervon 1844 sind öst lichder Birs erste Häuser zuerkennen (Bundesamtfür Landestopografie).


80 Grabungen und BauuntersuchungenSissach, Mühlegasse 6: unter die FassadegeschautSissach, Mühle.Zustand des Gebäudesvor der Sanierung,im Vordergrund derNordflügel.Die unter kantonalem Denkmalschutz stehendeMühle in Sissach erfährt seit Anfang 2011 laufendRenovationen im Innen- sowie Aussenbereich. Die<strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> ist je nach Bedarf sporadischvor Ort und dokumentiert die neu zum Vorscheinkommenden Befunde. Im Berichtsjahr stand dieFassadensanierung auf dem Plan. Nachdem das gesamteMauerwerk vom Putz befreit war, wurdeninnerhalb von vier Tagen 580 Quadratmeter Wandflächezeichnerisch und fotografisch dokumentiert.Diverse Mauerknicke und Wechsel der Mauerstärkenzeugten bereits vorher anhand des Grundrissesvon einer komplexen, jedoch schwer nachvollziehbarenBaugeschichte. Das aktuelle Gebäude mitzwei Flügeln findet sich bereits auf einem Zehntenplanvom Ende des 17. Jahrhunderts. Die Ersterwähnungder Mühle datiert ins Jahr 1323.Die Freilegung der Fassadenmauern erlaubte dieRekonstruktion diverser Bauvorgänge. Die Südfassadelieferte die ältesten erhaltenen Bauteile. Ob diesebis 1323 zurück reichen, ist derzeit noch unbeklar.Der Kernbau mit Obergeschoss, von dem ein Eckquaderverbandund ein kleinformatiges Fenster mitgefastem Gewände fassbar ist, erstreckte sich überneun Meter Länge und stiess rechtwinklig auf denMühlekanal. In Phase II wurde der Kernbau nachOsten erweitert. Nachträglich baute man im Obergeschossein Fenster ein (Phase III). Eine horizontaleMauerfuge zwischen dem ersten und zweiten


Grabungen und Bauuntersuchungen81Obergeschoss, die mit den Balkenköpfen der späterangebauten Erweiterung korrespondiert, zeigt einevierte Bauphase an, in der wohl die ganze Südfassadeum ein Geschoss erhöht und gleichzeitig mitneuen Fenstern versehen wurde (Phase IV). Spätestensmit der Aufgabe der Müllerei um 1905 wurdedie Fassade mit symmetrisch angeordneten, grossenFenster- und Balkonöffnungen durchlöchert (PhaseV). 1975 fand mit der letzten Renovierung auch dieUnterschutzstellung statt (Phase VI).Durchführung und Bericht: Anita SpringerJuni <strong>2012</strong>Grundrissplan (links)und Südfassade mitKennzeichnung derPhasen I–VI.Anbau Nord,1672 (Dendro)Phase IPhase IIPhase III10mPhase IVPhase VPhase VIAnb.Ost,vor 1692NSüdfassade


82 Grabungen und BauuntersuchungenLiestal, Kanonengasse39–41: Hinter un scheinbaren,hier noch unrestauriertenFassaden(Bildmitte) versteckensich zuweilen reicheGeschichten.


Grabungen und Bauuntersuchungen83Liestal, Kanonengasse 39–41: einefünfhundertjährige HausgeschichteUm einen weiteren direkten Zugang vom Stedtlizum neuen Einkaufszentrum an der Büchelistrassezu schaffen, wurde das bestehende, schmale Küffigässlierweitert. In den oberen Geschossen derbetroffenen Liegenschaft sollen zudem neue Wohnungenentstehen. Die absehbaren Eingriffe in dieBausubstanz machten eine vorgängige Untersuchungdurch die <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> nötig.Das Untersuchungsobjekt liegt im Osten der Altstadt,zwischen der Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundertund der Kanonengasse. Die Bauanalyse ergabin Verbindung mit der jahrringgenauen Datierungder Bauhölzer, dass 1513 ein dreigeschossiges Wohnhausmit zwei Gewölbekellern errichtet wurde, dasüber beide Parzellen reichte. Im zweiten Obergeschosswurde der öffentlich begehbare Wehrgangentlang der Stadtmauer berücksichtigt und nochmindestens bis 1718 genutzt. Brandschutt unter demGebäude von 1513 gehört zu den wenigen Hinweisenauf eine ältere Bebauung des Areals.Das Gebäude besass über beide Parzellen durchgehendeBalkenlagen. Im Erdgeschoss befand sich gassenseitigeine in Fischgrat-Anordnung eingeschobeneDecke. Im südlichen Deckenbereich der späterunterteilten Parzelle, also im Haus Nr. 41, wurde imfrühen oder mittleren 18. Jahrhundert die Fischgratdeckeblaugrau gefasst und mit weissen Pinseltupfenverziert. Im ersten Obergeschoss hängte man inden beiden gassenseitigen Stuben eine spätgotischeAuf dem Plan um 1680von Georg FriedrichMeyer ist die Parzellenoch ungeteilt, beiEmanuel Büchel 1735geteilt (Staatsarchive<strong><strong>Basel</strong>land</strong> und -Stadt).


84 Grabungen und BauuntersuchungenDie eingeschobeneFischgratdecke von1513 im Haus Nr. 41,mit späterer Tupfenbemalung.Balken-Bretter-Decke unter die tragenden Balken.Die sichtbaren Balken mit Einschubbretter weisenSchild und Fase auf und mittig eine schmale Halbrundkehle.Die beiden Stuben waren durch eineBohlenständerwand unterteilt, deren Ständer inanaloger Weise profiliert waren. Die beiden Kammernim zweiten Obergeschoss trennte ebenfallseine Bohlenständerwand. Die erste Herdstelle warin der Gebäudemitte installiert. Bei einem späterenUmbau ersetzte man die Bohlenwand zurKüche und die Wände zwischen den Stuben durchSteinwände.Historische Abbildungen legen nahe, dass die Aufteilungin zwei Gebäude zwischen 1679 und 1735erfolgt ist. Die zentral gelegene Herdstelle wurdeaufgehoben und durch zwei Feuerstellen anden Giebelmauern ersetzt. Um für das nun abgeschlossenesüdliche Gebäude einen eigenen Flurzu schaffen, hat man die Kammer im Erdgeschossverschmälert. Um 1785/86 folgte ein grössererUmbau: Der mittlerweile nicht mehr genutzteWehrgang wurde dem Wohnraum einverleibt, unddie Giebelmauern und Kehlbalken auf der Stadtmauerseitewurden leicht erhöht. Dabei erneuerteman das gesamte Dachwerk und ersetzte den alten,stehenden Dachstuhl durch einen liegenden. Dieoberen Geschosse der beiden Gebäudeteile warenfortan mit eichenen Spindeltreppen erschlossen.


Grabungen und Bauuntersuchungen85WehrgangKammer mit spätgotischerBohlenwandStube mit spätgotischerKücheBalken-Einschubdecke undBohlenwandStadtmauerGebäude nach 1513zwischen 1513 und 1786Erhöhung; barocker Ausbauüber zwei Parzellen 1786Fassade 19. JahrhundertRauchschlote der HerdstellenGewölbekellerSpätgotische Einschubdeckemit FischgratSchnitt durch dasWohnhaus mit denverschiedenenBauphasen.


86 Grabungen und BauuntersuchungenDie spätgötischenBalken-Bretter-Deckenin den Stuben desersten Obergeschossestragen aufwendiggefaste Balken.Was könnte dieses Stadthaus nicht alles erzählen!Unzählige Verputz-, Farb- und später Tapetenschichtensind Zeugen von zahlreichen Umbauten,Modernisierungen und Anpassungen. In den stadtmauerseitigenKammern der beiden Obergeschosseund in der Küche wurden etliche Schichten Farbeaufgetragen. Reste von grauer oder farbiger Umrandungder Deckenbalken weisen auf eine dekorativeAusstattung nach den Umbauarbeiten von 1786hin.Überraschend kam in der 1786 bei der Veränderungdes Dachstockes neu eingebauten Zwischenwandeine Verpflöckung zum Vorschein. Nach der Bergung,die live vor versammelten Medien durchgeführtwurde, zeigte sich ein mit vier verschiedenenStoffresten umhülltes Laubholzstück. Im Loch selbersteckte – bis auf die Haut einer Spinne aus derGruppe der Winkelspinnen – «nichts». Beim Brauchdes Verpflöckens wurden Holzpflöcke oder -zapfenin vorhandene Spalten oder eigens dafür gebohrteLöcher geschlagen, um darin Geister oder Krankheitenzu bannen. Oftmals wurden dabei Spruch->Unzählige, übereinanderliegendeFarbschichten(oben) und freigelegteTapetenschichten (unten)zeugen von einer langenNutzungsgeschichte.


Grabungen und Bauuntersuchungen87bänder oder «wirkkräftige» Substanzen wie Harze,Haare oder Fingernägel mit in die Löcher eingebrachtoder um den Zapfen gewickelt. Die Lage imDachgeschoss ist ungewöhnlich, denn in der Regelwurden Balken in Ställen und Türrahmen bevorzugt,zudem war der Brauch eher im ländlichbäuerlichenUmfeld als in Städten verbreitet. Eineindrückliches Beispiel für die Verbannung mittelsZapfen liefert «Die schwarze Spinne» von JeremiasGotthelf.Durchführung und Bericht: Claudia SpiessDendrochronologie: Raymond Kontic, <strong>Basel</strong>Juli <strong>2012</strong> bis Januar 2013Gespannt beobachtendie Medienschaffenden,was bei der Entfernungdes Bannzapfens zumVorschein kommt.


88 Grabungen und BauuntersuchungenLiestal, Rathausstrasse 9.Ausschnitt der bemaltenLegebretterdecke imzweiten Obergeschoss(letztes Viertel 17. Jahr ­hundert). Der Adlersymbolisiert Unsterblichkeit,Mut, Weitblickund Kraft. Er ist Sinnbildfür den Aufstieg in denHimmel und die Erlösungder Seele.


Grabungen und Bauuntersuchungen89Liestal, Rathausstrasse 9:die alte StadtschreibereiDer Umbau des alten Schuhgeschäftes gegenüberdem Regierungsgebäude – Standort des einstigenFreihofs – brachte ungewöhnlich reichhaltige Deckenmalereienans Licht. Dieser Fund machte deutlich,dass das Gebäude einstmals offenbar eine aussergewöhnlicheRolle spielte. Tatsächlich liess sichdas Untersuchungsobjekt als ehemalige Stadtschreibereiidentifizieren. Es diente in den Jahren 1613bis 1765 als Wohnhaus und Amtsstube des Schreibers,bevor letztere in den benachbarten Freihofumgesiedelt wurde. Der Schreiber unterstand wiedie anderen von <strong>Basel</strong> abgeordneten Beamten demLiestaler Schultheissen. Er wirkte als Liestaler Stadtschreiber,war aber als Landschreiber auch zuständigfür das ganze Amt Liestal und die anderen oberenBasler Ämter Farnsburg, Homburg, Ramstein undWaldenburg. Seine Befugnisse, Verträge, Urkunden,Teilungen und Urteile zu beglaubigen und zubesiegeln, überstiegen diejenigen der Untervögte,Geistlichen und Lehrmeister bei Weitem.Städtische Bauvorschriften drückten ab dem 16.Jahrhundert der lokalen Bauart zunehmend städtischenCharakter auf. Die für administrative Pos tenauf der Landschaft eingesetzten Basler Bürgerbrachten zudem städtische Lebensformen und dieneuesten «Ausstattungstrends» in die Wohn- undArbeitsstuben. So strahlten spätgotische, in Ofennischenstehende Kachelöfen, Deckenmalereienund Wandverzierungen gutbürgerliche VerhältnisseDie Lage der im Texterwähnten Liegenschaftenan der Rathausstrasseauf demMerian-Plan von 1642.


90 Grabungen und BauuntersuchungenHolzbalkendecke mitbarocken Rankenmalereienim Erdgeschoss(letztes Viertel17. Jahrhundert).aus. Zudem fällt im Untersuchungsobjekt das grosszügigePlatzangebot mit Raumhöhen von bis zudrei Metern auf. Die Bauhölzer für das Haus wurdengemäss Jahrringdatierung im Winter 1563/64geschlagen. Aus dieser Zeit stammen die heute nochaktuellen Deckenbalken des ersten und zweitenObergeschosses sowie der Dachstuhl. Dieser Neubaufüllte die dreieckige Baulücke zwischen derRathausstrasse 7 – in Fortführung der Amtshausgasse– und der in stumpfem Winkel daran stossendenRathausstrasse 11 aus.Früheste Spuren einer Überbauung auf diesemGrundstück stammen aus der Zeit vor 1381, einemeinschneidenden Jahr in der Liestaler Stadtgeschichte.Damals drangen die Truppen des Herzogs Leopoldvon Österreich gewaltsam in das Städtchen ein– zwecks habsburgischer Machtausdehnung. VieleGebäude inklusive der Stadtkirche wurden Opfereines Brandes. Es dauerte zwanzig Jahre, bis sichLiestal von dieser Katastrophe erholte: Um 1400wurde die Stadt <strong>Basel</strong> neue Besitzerin und war bereit,in den Wiederaufbau und den Ausbau der Befestigungzu investieren. Mauerreste mit Brandschädenaus dieser Zeit finden sich unter anderem inden Giebelmauern der Nachbargebäude Rathausstrasse7 und 11, die an das Untersuchungsobjektangrenzen. Diejenige von Haus Nummer 11 wiesbereits beim Brand sicher zwei Bauphasen auf, undauch Haus Nummer 9 besass möglicherweise einen


Grabungen und Bauuntersuchungen91mittelalterlichen Vorgänger, wie die nachträglich zudessen Gunsten zurückversetzte Hausecke andeutet.Die ruinöse Giebelmauer von Nummer 7 wurdewahrscheinlich 1405 wieder aufgemauert und mitzwei Giebelfenstern versehen. Im 15. oder in der erstenHälfte des 16. Jahrhunderts wurde auf der Seitevon Nummer 9 eine Feuerstelle mit Kamin eingebaut,worauf ein verpichter Mauerstreifen hinweist.Zugemauerte Balkenlöcher eines älteren Daches inder Brandmauer zur Nachbarliegenschaft Nummer11 sind zudem ein weiteres Indiz für einen frühneuzeitlichenVorgängerbau.Im Jahr 1563/64 wurde die Giebelmauer von Nummer7 zugunsten des Neubaus Nummer 9 erhöht.Die gegenüberliegende Nummer 11 muss bereitsso hoch gewesen sein, da der neue Dachstuhl vonNummer 9 konstruktiv in dessen Stuhl eingriff. Daserste Obergeschoss besass eine Decke aus in dieBalken eingeschobenen Brettern. Gassenseitig wareine kleine Stube abgetrennt, die möglicherweisemit einem Wandtäfer ausgestattet war. Das zweiteObergeschoss scheint nicht für Wohnzwecke ausgebautgewesen zu sein. Dort bestand die Decke ausBrettern, die über die Balken gelegt waren. Ob dieverheerende Pestwelle im Jahr 1564 mit 500 Toten,bei der beinahe die halbe Liestal entvölkert wurde,den Grund für den fehlenden Ausbau bildet, bleibtdahingestellt.Holzbalkendecke mitbarocken Rankenmalereienim zweitenObergeschoss (letztesViertel 17. Jahrhundert).


92 Grabungen und BauuntersuchungenBemalter Deckenbalkenmit rot-weisserMaserierung undgrauer Umrandung,vermutlich 1613.Ein erster grosser Umbau erfolgte 44 Jahre später imJahr 1607. Das Erdgeschoss wurde in eine strassenseitigeStube und eine rückseitige Küche mit Herdstelleunterteilt. Am hochziehenden Kamin schlossman im ersten Obergeschoss einen Kachelofen an,der fortan die Stube heizte. Diese erhielt nach derErneuerung der Deckenbretter ein mit Ölmalereiverziertes Deckentäfer, das in Fragmenten noch erhaltenist. An der Strassenfassade, die in der zweitenHälfte des 19. Jahrhundert ersetzt wurde, sind spätgotischeMehrfachfenster anzunehmen. Der Restdes Geschosses wurde mit einer rot-weissen Maserierungsmalereian der Decke und grauen Begleitbändernan den Wänden entlang derselben verziert.Das zweite Obergeschoss blieb offenbar weiterhinunausgebaut. Im Jahr 1613 «erhandelte» ein HerrBrun die Liegenschaft Nummer 9 oder 11. In dieserZeit dürften die beiden Gebäude durch Mauerdurchbrüchemiteinander verbunden gewesensein. Es folgten diverse Innenausbauten. Das zweiteObergeschoss wurde endlich verputzt, wohnlichgestaltet und erhielt spätestens dann ein Fenster zumKirchhof. Die gesamte Decke zierte wie im erstenObergeschoss neu eine rot-weisse Maserierungsmalerei.Die deckennahen Wandbereiche umrahmteman auch hier mit grauen Bändern. Die interneErschliessung der Geschosse erfolgte über schmaleSpindeltreppen. Im ersten Obergeschoss fanden nurunwesentliche Veränderungen statt: Zwei Decken-


Grabungen und Bauuntersuchungen93balken wurden verschoben, die rot-weisse Deckemit Ocker überstrichen, die grauen Begleitbänderan den Wänden mit roten und ockerfarbenen Streifenübermalt.Zu unbekannter Zeit baute man in das bisher einräumigezweite Obergeschoss kirchhofseitig eineKammer ein. Diese erhielt eine graue Deckenfarbemit weissen Sprenkeln und diente als Entrée oderZwischenraum von und in die Nummer 11. DasEnde des 17. Jahrhundert brachte weitere Veränderungen.Im Erdgeschoss und im räumlich neu unterteiltenzweiten Obergeschoss erhielten die Deckeneine zeitgemässe Rankenmalerei. Die beidenDecken sind stilistisch unterschiedlich und wohlweder gleichzeitig noch vom gleichen Künstler. Abdem Jahr 1807 liefern die Brandlagerakten Informationenüber Besitzerwechsel, Raumfunktionenund bauliche Veränderungen. 1877 gestaltete manmöglicherweise die Fassade komplett neu und richteteim Erdgeschoss eine Spenglerwerkstatt ein. 1911schliesslich wurde diese in ein Verkaufslokal umgewandelt.Durchführung und Bericht: Anita SpringerDendrochronologie: Raymond Kontic, <strong>Basel</strong>Juni bis Dezember <strong>2012</strong>Letztes Deckenbrettmit Ölfassung inBraun- und Gelbtönen,Stube im erstenObergeschoss, 1607.


94 Grabungen und BauuntersuchungenBinningen, Holee 42.Ansicht der strassenseitigen,gegen dasHerrenhaus gerichtetenTrauffassade desSutterhauses. DasFachwerk ist überputzt.


Grabungen und Bauuntersuchungen95Binningen, Holee 42: das Sutterhaus –ein primärer VielzweckbauDas «Holeeschlösschen» geht auf den spätmittelalterlichenprivaten Landsitz eines Basler Bürgerszurück. Es steht als sogenanntes Eigengut in einerReihe mit vier benachbarten, vor der Stadt <strong>Basel</strong>gelegenen Herrenhäuser in Gundeldingen, die alleim 14. und 15. Jahrhundert entstanden, heute jedoch– bis auf das «Untere mittlere Gundeldingen»– verschwunden sind. Das aktuelle Herrenhaus imHolee wurde um 1553 von David Joris, einem ausBelgien eingewanderten Täufer, an alter Stelle neuaufgebaut. Heute ist das Untersuchungsobjekt nebendem Herrenhaus und einem stark umgebautenWirtschaftsgebäude eines der letzten drei Bauwerkedes einst herrschaftlichen Ensembles. Alle liegenmittlerweile unauffällig im dicht überbauten BinningerHoleequartier.Das Sutterhaus – seit 1865 im Besitz einer FamilieSutter – stand lange Jahre leer und blieb deshalb seitden 1920er Jahren frei von einschneidenden Modernisierungen.Umso reicher ist es an historischwertvollen und authentischen Befunden aus seinerGeschichte.Der Bau steht giebelseitig zum Hang. Den hangseitigenAbschluss bildet mit einem Drittel des Gebäudegrundrissesdas Tenn, das gemäss Bauinschrift 1692angebaut wurde. Der Ursprung des Gebäudes ist imheutigen Wohnteil zu suchen und darf aufgrund desbeschrifteten Fenstersturzes des Stubenfensters insJahr 1642 datiert werden. Stall und Heubühne be-Die Lage des Sutterhausesim Holeegut.Feldskizze von GeometerGeorg FriedrichMeyer (um 1680).


96 Grabungen und Bauuntersuchungen«Sommerstube» mitBlick in den Garten.Stammt das Wandtäferbereits von 1692? Dieälteste Tapete datiertum 1850.fanden sich im Mittelteil. Sie wurden in den 1870erJahren in Wohnräume umfunktioniert. Es handeltsich im vorliegenden Fall also ursprünglich um einensogenannten primären Vielzweckbau. Bei diesemsind Wohnräume, Stall und Heulagerraum unterdemselben Dach auf einen einzigen Baukörperreduziert. Dieser archaische Haustyp – in seiner Artseit der Jungsteinzeit bekannt – ist bauarchäologischin <strong><strong>Basel</strong>land</strong> für die frühe Neuzeit heute nur nochselten nachweisbar. Wie häufig er bei frühneuzeitlichenSteingebäuden und Gebäuden in Mischbauweisewar, ist nicht mehr zu beurteilen.Erwähnenswert am Sutterhaus ist die unterschiedlicheAusführung des Dachfusses zwischen Wohnbereichund Heuboden. So besitzt der Wohnteileine übliche Sparren-Dachbalkenkonstruktion. ImBereich der Bühne wurden aber die parallel zumGiebel laufenden Decken- respektive Dachbalkenweggelassen und somit ein zum Dach offenerRaum gewonnen. Stattdessen fügte man in die beidenrandlichen Bunddachbalken in der Trennwandzum Wohnteil und in der Giebelwand nahe an derTraufseite und parallel dazu jeweils einen Wechselbalkenein. In diesen wurden kurze Stichbälkchengesteckt, auf denen man die Sparren fixieren konnte.Auch der neue Dachstuhl aus den 1830er Jahrenberücksichtigte diese offene Heubühne.Eine weitere konstruktive Eigenart ist zudem dieMischbauweise mit massiv gemauertem Unter- und


Grabungen und Bauuntersuchungen97Erdgeschoss sowie in Eichenfachwerk errichtetemObergeschoss. Die Konstruktionsart mit gemauertemSockel und Fachwerk in den Obergeschossenist unter anderem für die Gemeinden Binningen,Bottmingen und Biel-Benken spätestens ab dem 17.Jahrhundert typisch und liess sich auch mehrfachbauarchäologisch nachweisen. Obwohl diese dreiGemeinden bereits im ersten Drittel des 16. Jahrhundertszum Untertanengebiet der Stadt <strong>Basel</strong>kamen, dominierte die sundgauische Fachwerkbauweisenoch weitere 200 Jahre die Gebäudekonstruktion.Lediglich die kaminführenden Giebelmauernrespektive die Gebäudesockel wurden aufgrundstädtischer Brandschutzvorschriften zunehmendversteinert.Es stellt sich die Frage, ob das Sutterhaus eine typologischeÜbergangsvariante zwischen den bereits alsprimäre Vielzweckbauten konzipierten Hochstudhäusernund der im Zuge ab dem 17. Jahrhundertmerklich einsetzenden Versteinerung ist. Oder widerspiegeltder Gebäudetyp seit jeher die Bedürfnisseeiner unterprivilegierten Bevölkerungsschicht,die eine reduzierte Landwirtschaft betreibt, verbundenmit räumlicher Eingeschränktheit oder einemNebenerwerb? Jüngste Beispiele primärer Vielzweckbautenmit kleinen Ökonomieteilen tretenvermehrt gegen Ende des 19. und zu Beginn des20. Jahr hunderts auf und sind in Verbindung mitHeimarbeit und bescheidenen Verhältnissen zu sehen.Stube im Erdgeschoss.Das Deckentäfer datiertspätestens in die1870er Jahre. Es passtsich den zuvor bedenklichabgesenktenDeckenbalken an.


98 Grabungen und BauuntersuchungenEin eindrücklichesZeitzeugnis: die dreiQuadratmeter grosseKüche von 1923 imDachgeschoss.Das Grundrisskonzept des Gebäudes ist einfach. Esist in Firstrichtung zweigeteilt. In der rückwärtigenGebäudehälfte trat man durch den heutigen Hintereingangdirekt in die Küche. Diese war mit einerFeuerstelle und einem neben dem Eingang auskragendenAussenbackofen – auch Sommerbackofengenannt – ausgestattet. Neben der Küche war dieSommerstube untergebracht. Die Ostausrichtungund das Dreifachfenster garantierten eine gute Belichtung.Bis zum ersten Umbau 1692 war das Zimmeroffenbar unbeheizbar. Der in Richtung Herrenhausweisende Hausteil gliederte sich in Stube,Mittelgang und Stall. Die durch einen Kachelofenbeheizte Stube fiel mit ihren 13 Quadratmeterneher bescheiden aus. Durch den Stall war das 1692angefügte Tenn betretbar. Über Sommerstube undStall befand sich der bis unters Dach offene Heustock.Die Räume über Küche und Stube nutzteman spätestens ab 1830 als eigene Wohneinheit. Um1900 wurde das Dachgeschoss ausgebaut, 1923 besassdas kleine Haus drei Küchen und war mit mindestensdrei Parteien bis unters Dach voll belegt. Zuden Innenwänden ist ergänzend zu bemerken, dassdie Gefache der Wandkonstruktionen von 1642 mitWacken ausgemauert waren, diejenigen von 1692mit Lehmflechtwerk gefüllt.Durchführung und Bericht: Anita SpringerJuli bis November <strong>2012</strong>


Grabungen und Bauuntersuchungen99links:Die Dachwerk-Situation im erstenObergeschoss.rot: 1642gelb: 1830rechts:Grundriss des164216921870N5mErdgeschosses mitder Eintragung derBauphasen.


100 Grabungen und BauuntersuchungenZiefen, Hauptstrasse100. Auf der Sepiazeichnungvon JohannJakob Uebelin, um1810/20, ist die Fassadedes Gebäudes linksnoch drei achsig undohne Laubenanbau. Imersten Obergeschosswohnte zu der Zeit einHirte, im Erdgeschoss«Käthri», eine Krämerin(KunsthistorischeSammlung).


Grabungen und Bauuntersuchungen101Ziefen, Hauptstrasse 100: Bauernhausmit diversen ErweiterungenDas durch seine markante giebelseitige Laube auffälligeBauernhaus war schon lange auf der Listeder «Möchtegern»-Untersuchungsobjekte des Bauforschungsteams.Als daselbst nun eine umfassendeSanierung angekündigt wurde, war die Gelegenheitzur Erforschung der Hausgeschichte endlich gegeben.Die Auskernung der Scheune mit Aushub einerKellergrube erlaubte zusätzlich einen Blick inden Boden.Tatsächlich kamen im Bereich der rückseitigen, aktuellenWagenremise und des hinteren Stallbereichswenige Gruben sowie ein verfülltes Pfostenlochzum Vorschein. Eine allseitig 20 Zentimeter dickmit fettem Lehm abgedichtete, senkrecht in den anstehendenKalkgrien gestochene Grube von 1,1 ×0,7 Meter und einer Tiefe von 70 Zentimetern darfals Latrinengrube interpretiert werden. Eine ebenfallsrechteckige Grube von 1,5 × 1,3 Meter warmit Hausabfällen verfüllt. Die wenigen Funde in derbraunen, humosen Verfüllung bildeten zur HauptsacheFragmente von Napfkacheln, allesamt aus rotgebrannter Drehscheibenware mit stark gerillterAussenseite. Vier der sechs Scherben besitzen einegrüne Innenglasur. Das Fundspektrum wird durchdas Fragment eines Talglämpchens bereichert, wiesie bis ins 16. Jahrhundert als Beleuchtungskörperdienten.Die mit Lehm ausgekleideteLatrinengrubewährend der Freilegung.


102 Grabungen und BauuntersuchungenDas Untersuchungsobjektmit giebelseitigerLaube vor dem Umbau.Der links anschliessendeBau soll ins 16. Jahrhundertdatieren (DenkmalpflegeBL).Die Funde datieren wahrscheinlich in die ersteHälfte oder Mitte des 15. Jahrhunderts. Wann sieentsorgt wurden, bleibt unbekannt. Ebenso ist ungeklärt,ob die Gruben zu einer vorgängigen Parzellenbebauunggehörten oder den Kernbau des Untersuchungsobjektes,der zeitlich bisher noch nichtgenau einzuordnen ist, sehr früh datieren. Das Haushat einen Zweiraumgrundriss von elf mal knappacht Meter, besitzt eine mächtige Mauerstärke von0,8 Metern und war dreigeschossig. Der strassenabgewandteRaum fungierte zumindest zur Hälfte vonAnfang an als ebenerdiger Keller, wie zwei kleineFensteröffnungen zeigen. Die weitere Nutzung desErdgeschosses ist nicht rekonstruierbar. Die trennendeInnenwand mit einer Verbindungstüre wurdeim Erdgeschoss wie in den beiden darüberliegendenStockwerken in einer zweiten Etappe eingebaut.Die Fassade wurde in den 1820er oder 1830er Jahreneinschneidend umgestaltet. Die älteste derzeitbelegte Herdstelle liegt im ersten Obergeschoss undstammt aus unbekannter, späterer Zeit. Ihr Einbauverlangte die Strafung eines Kehlbalkens; der Schlotbeschnitt im Dachgeschoss ein Giebelfenster.Ein Vergleich mit dem Dorfprospekt von GeorgFriedrich Meyer aus dem Jahr 1679 zeigt bereitseine zwischen Kernbau und Nachbarhaus gestellteÖkonomie. Brandspuren und Mauerreparaturenbezeugen einen verheerenden Brand mit teilweisemEinsturz, der gemäss einer Bauinschrift 1744


NGrabungen und Bauuntersuchungen103umfangreiche Reparaturarbeiten nach sich zog.Diverse Erweiterungen schlossen über die Jahrhundertegartenseitig an den Kernbau und die jüngereÖkonomie an. Die noch ausstehende Analyse der ab1807 detailliert geführten Brandversicherungsaktenkönnen sicherlich einige absolute Baudaten nachliefern.Charakteristisch für das Gebäude ist die giebelseitigangebaute Laube mit einem über zwei Geschossegemauerten Sockel. Sie löste eine hölzerneVorgängerkonstruktion ab, die einen unabhängigenZugang ins erste Obergeschoss ermöglichte.Durchführung und Bericht: Anita Springer.Mai–Juli <strong>2012</strong>Blick in den ursprünglichenKellerraum imErdgeschoss (links)und Phasenplan desGebäudes (rechts).??Kernbau vor 1679Hauptstr. 102, 16./17. Jh.Ökonomie, vor 1679Hauptstr. 102, 18. Jh.Reparatur n. Brand, 1744?Hauptstr. 98, nach 1815Erweiterung, nach 1815Wagenremise, nach 1815Laube, versteinert n. 1815Umbau Laube, 20. Jh.


104 Grabungen und BauuntersuchungenArlesheim, Dom: profaner Schmuck amGotteshausArlesheim, Dom.Balkenkopf mit geschwungenemProfil undschwarzem Begleitstrich,Spitze gekappt (JakobSteinmann).Auf der Suche nach Schäden im Dachfuss des ArlesheimerDomes machten die Zimmerleute im letztenJahr eine spannende Entdeckung: Die ursprünglichsichtbaren Stichbalken des Dachstuhles überdem Chor besassen an den Fassadenüberständenkunstvoll geschwungene und mit einem schwarzenBegleitstrich verzierte Köpfe.Der Chorstuhl stammt nachweislich vom ursprünglichenChor der in den Jahren 1680 bis etwa 1682erbauten Domkirche. Da es durch die kurze Bauzeitund die ständig wechselnde und durch Abwesenheitglänzende Bauleitung jedoch zu diversen Baumängelnkam, entstanden bald derart starke Schäden,dass eine umfassende Renovation unausweichlichwurde. Schlecht konstruierte Anschlüsse führtenzu Wasserschäden, welche die Balken faulen unddie Gipsdecke instabil werden liessen. 1760 wurdeder Dom dann um drei Binder verlängert, was denNeubau des Chores mit sich brachte. Dabei wurdeder alte Dachstuhl beibehalten und mit einem neuangesetzten Segment in der gleichen Dimension erweitert.Der Stuhl des Chores mit den verziertenBalkenköpfen liess sich problemlos wiederverwenden.Die neue Untersicht des Chordachvorsprungeswurde jedoch durch einen Dachhimmel verkleidet,weshalb die nun verdeckten, verzierten Balkenköpfebald in Vergessenheit gerieten. Dafür blieb dieBemalung gut erhalten. Vergleichbare Dachuntersichtenmit profilierten Kragbalken sind im ausgehenden17. und frühen 18. Jahrhundert unter andereman profanen Steinbauten der Stadt Solothurn


Grabungen und Bauuntersuchungen105häufig anzutreffen. Es waren im späten Klassizismusund dem Biedermeier beliebte Zierelemente.Die Grundsteinlegung zum Bau des Domes erfolgteam 25. März 1680. Zumindest der Baubeginn, vermutlichaber auch die erste Planung der Gesamtanlage,unterstand einem Pater Frantzen Societ, denman mit dem Jesuitenordensbaumeister JohannFranz Demess (1633-1695) gleichsetzt. Demess leitetein den 1670er Jahren vor allem im Solothurnischendiverse kirchliche Bauprojekte. Nach dreiWochen verliess der Pater Arlesheim jedoch bereitswieder. Ein neuer Bauleiter wurde vorerst nichteingestellt. Ein Jahr später wurde vermerkt, dass esmit der Bauleitung und Baustellenaufsicht nicht gutbestellt war. Die Lösung schien der Domdekan desKapitels, Franz Christoph Rinck von Baldenstein,zu liefern. Als Weihbischof des Bistums Eichstättempfahl er, den dortigen Hofbaumeister Jakob Engelbeizuziehen. Tatsächlich kam Engel im Mai 1681für mindestens vier Tage nach Arlesheim und begutachtetedie entstandenen Baufehler an der immernoch nicht fertigen Kirche. Doch auch im Januar1682 fehlte ein Baumeister auf der Grossbaustelle.Anscheinend engagierten die enttäuschten Domherrendanach den «Schulthais zu Keyzerstuhl», derden Kirchenbau schliesslich zu Ende führte.Baubegleitung: Jakob Steinmann, WaldenburgBericht: Anita SpringerDez. 2011Schnitt durch den Dommit rekonstruiertemBau von 1679/81,postulierter Lage derverzierten Balkenköpfe(A) und aktueller Lagederselben (B).AB10 m


106 Grabungen und BauuntersuchungenBottmingen, Bruderholzstrasse 7: Lehmwickeldeckeaus dem 19. JahrhundertBottmingen,Bruderholzstrasse 7.Ansicht der strassenseitigenGiebelfassade.Die Gebäudetrennungist gut erkennbar.Inmitten des alten Bottminger Dorfkerns untersuchtedie <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> die östlicheWohnhaushälfte eines Bauernhauses, das in dieJahre 1603/04 dendrodatiert ist. Auslöser war einbevorstehender Umbau. Die Parzellenteilung mitHalbierung des Gebäudekomplexes quer zum Giebelerfolgte vor 1807, wie die Aufzeichnungen inden Brandlagerakten belegen. Da der Schutz einerLiegenschaft unter anderem vom Besitzer abhängt,wurde im Jahr 1987 lediglich die Westhälfte desHauses kantonal geschützt, eine begleitende Bauuntersuchungfand damals aber nicht statt. Die vorliegendeDokumentation holt dies nun in gewisserWeise nach.Wie das ebenfalls im Jahr <strong>2012</strong> untersuchte NachbarhausNr. 9 handelt es sich beim hier vorgestelltenGebäude um eine Mischbauweise, wie sie fürdas Leimental regionaltypisch ist, mit giebelständigerAusrichtung zur Strasse hin. So bildet einemassive Giebelmauer die Schaufassade. Die hintereGiebelwand, als Trennung zum anschliessendenWirtschaftsteil, sowie sämtliche Innenwände bestandenaus ausgemauertem Fachwerk. Die jüngere,halbierende Trennwand wurde in Lehmflechtwerkausgeführt. Die Ökonomie hat man spätestens im


Grabungen und Bauuntersuchungen10720. Jahrhundert in Wohnraum umgewandelt und imZuge des aktuellen Umbaus auf der einen Parzellenhälfteabgerissen.Eine erwähnenswerte bauliche Eigenart datiert insJahr 1837. Damals wurde die östliche Wohnhaushälftedurch einen Querbau erweitert. Die Aktensprechen von einer «Neue Behausung samt Schmidte…»,respektive einem «Schmidtengebäude». DasErdgeschoss ist in Stein aufgeführt, die Obergeschossein vermehrt mit Kalktuffstein ausgemauertemFachwerk. Speziell und auffallend jung ist dieim ganzen Erdgeschoss eingebrachte Lehmwickeldecke.Hierzu wurden Holzspältlinge mit lehmbeschmiertemStroh umwickelt und in die seitlichenNute der Deckenbalken eingeschoben. Sie ist alsBrandschutzmassnahme in Zusammenhang mit derim Erdgeschoss eingerichteten Schmiedewerkstattzu sehen. Eine Lehmdecke hatte im Übrigen einenmassiven Versteifungseffekt auf die Gebäudekonstruktionund bot gegen den darüberliegendenWohnraum eine ideale Isolation.Durchführung und Bericht: Anita SpringerJuni <strong>2012</strong>Die Lehmwickeldeckeim Erdgeschoss desAnbaus von 1836/37,jahr genau datiert mittelsder Dendrochronologie.


108 Grabungen und BauuntersuchungenBottmingen, Bruderholzstrasse 9: einStück Lokalgeschichte verschwindetBottmingen,Bruderholzstrasse 9.Verputzter Riegelbaumit Steinsockel,während des Abbruchsdes Ökonomieteils.Das freistehende, verputzte Fachwerkhaus an derBruderholzstrasse 9 befand sich im Dorfkern, aufder Nordseite der Strasse. Entgegen den anderen,meist giebelständigen Gebäuden lag es etwas vonder Strasse zurückversetzt und leicht im Uhrzeigersinnabgedreht. Auf der Nordwestseite war ein grosserÖkonomieteil mit Waschhaus und Sodbrunnen,einem Schweinestall und Remise angebaut. Zudemwaren eine Werkstatt für eine Wagnerei und einevon der Küche aus direkt begehbare Mahlmühleeingerichtet. Da die <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> zu spätauf den Abbruch der Liegenschaft aufmerksam gemachtwurde, liess sich dieser Ökonomieteil jedochnicht mehr dokumentieren.Der Keller und das Erdgeschoss waren mit Bruchsteinengemauert, das Obergeschoss und der Dachraummit Fachwerk erstellt. Auf der Hausrückseitegab es eine Laube. Das Dach wurde von einem liegendenStuhl mit Sparrendach gebildet.Der Kellerraum mit einem ebenerdigen Brunnen,mit dem man das Hang- und Grundwasser fasste,erstreckte sich ursprünglich nicht über den ganzen


Grabungen und Bauuntersuchungen109Gebäudegrundriss und war nahezu quadratisch.Seine Decke wurde mittig von einer Eichenstützegetragen. Der Unterzugsbalken aus Eiche unddie Deckenbalken aus Föhre wurden im Herbst/Winter 1761/1762 geschlagen und sofort verbaut.Zu einem späteren Zeitpunkt hat man den Kellerauf Haustiefe in Richtung Garten und Hinterhoferweitert. Der in den neuen Hintereingang eingebauteSchlussstein mit Inschrift 1762 HK FS zierteursprünglich wohl den älteren, heute zugemauerten,strassenseitigen Kellerabgang.Eigentlich hätte das Wohnhaus gemäss Bauprojektstehen bleiben sollen. Der im Bereich der abgerissenenÖkonomie direkt an das Fundament anschliessendeAushub für den Neubau hat in derGiebelmauer jedoch einen mehre Zentimeter breitenSenkungsriss verursacht, sodass das 250 Jahre alteGebäude nicht mehr erhalten werden konnte.Durchführung und Bericht: Claudia SpiessDendrochronologie: Raymond Kontic, <strong>Basel</strong>Februar <strong>2012</strong>Raymond Kontic bereiteteine Holzprobe fürdie Jahrringdatierung(Dendrochronologie)vor.


110 Grabungen und BauuntersuchungenArlesheim, ObereMühle. Blick in denMühlenraum mit demMahltisch der Zeit um1780.


Grabungen und Bauuntersuchungen111Arlesheim, Obere Mühle: ein Mahltischder SonderklasseIn Arlesheim, am Fusse des Hügels unterhalb vonSchloss Birseck, steht eine Häusergruppe mit einemsteinernen Aquädukt. Das grösste der drei Gebäudeist eine still gelegte Mühle. Die Stiftung Ermitagezieht eine Restaurierung und teilweise Wiederherstellungder Mühle in Erwägung. Zu diesem Zweckunterzogen die <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> und derMühlenexperte Kurt Fasnacht das Gebäude mit seinemeindrücklich dimensionierten und vorzüglichausgearbeiteten Mahltisch und seine Umgebungmit dem Wasserkanal einer historischen und bauarchäologischenAnalyse.Weiher und Mühlen sind bereits seit dem Mittelaltermit dem Schloss Birseck verknüpft. Im Bereichder späteren Ermitage wurden im Laufe der Zeitmehrere Mühlen erstellt. Eine zum Hofe Arlesheimgehörende Mühle ging laut Quellen 1239 an denBischof Lüthold II. von <strong>Basel</strong> über – den Bauherrndes auf dem markanten Felsen stehenden Schlosses.Eine «alte Mühle» stand wenig östlich der heutenoch stehenden einstigen Schleiferei und ist amEnde des 17. oder im 18. Jahrhundert abgebrannt.Auf einer Kartierung des Schlossumschwunges ausder Zeit vor 1760 finden sich am Hangfuss nördlichdes Weges ein grosses Gebäude mit Wohnteilund Ökonomie sowie zwei kleinere Gebäude undsüdlich des Weges das Gärtnerhaus. Das 1703 erbauteGärtnerhaus wurde ursprünglich als Mühleerstellt; das Mühlenrad befand sich auf der Westseite,In einem Plan der Zeitvor 1760 ist der Verlaufdes Kanals zur mutmasslichälteren Mühleunten links zu er kennen(Staatsarchiv <strong><strong>Basel</strong>land</strong>).


112 Grabungen und BauuntersuchungenDas Gärtnerhaus (links)und die Mühle stehenheute am Eingang zumLandschaftsgarten derErmitage.das Wasserrad wurde von einem Kanal gespeist, derüber den Weg führte. Dieser gemauerte Wasserkanalwurde 2008 während einer Leitungsanpassungangegraben und dokumentiert. Weiter oben führteder Kanal von den Weihern auf Höhe des heutigenAquäduktes entlang eines heute noch sichtbarenSimses im Felsen und hatte anschliessend auf eineDistanz von rund 25 Metern einen Höhenunterschiedvon über fünf Metern zu bewältigen. Diesspricht dafür, dass auch der grosse Gebäudekomplexnördlich des Weges eine Mühle war und ein oberschlächtigesWasserrad besass.Die Häusergruppe mit Mühlen bildet eine geeigneteKulisse für die Besucher der 1785 eröffnetenromantischen Gartenanlage der Ermitage. Anscheinendsorgte der Müller nicht genügend für das Umfeldder Mühle. Das hölzerne Aquädukt war stetsundicht, der Weg stand oft unter Wasser und um dieHäuser herrschte Unordnung. Erst nach dem 1814erfolgten Kauf der Mühlen durch Conrad von Andlauwurden diese in einen ordentlichen Zustand gebracht.Der Initiator verpachtete die in die wiedereröffneteGartenanlage integrierte Mühle fortan anden Müller und garantierte so die nötige Pflege. DieHäusergruppe bildete von nun an einen repräsentativenEingangsbereich zur Anlage, im Gärtnerhauskonnte man sich einen Führer für einen Spaziergangorganisieren.


Grabungen und Bauuntersuchungen113Die einzigen grösseren Eingriffe am Gebäude dürftenin dieser Zeit entstanden sein: Das holzverschalteRadhaus für das Wasserrad wurde durch einsteinernes ersetzt, und die Öffnungen für die Wasserradwellenwurden umgestaltet. Die Arbeiten hatman zu grossen Teilen in Tuffstein ausgeführt, wasin der Ermitage für jene Zeit typisch ist, wie dasentsprechende Baumaterial am Aquädukt, an Umgestaltungenauf dem Schloss Birseck und an zeitgenössischenSitzbänken zeigt.Das gemäss Inschrift 1780 erstellte Mühlengebäudesüdlich des Weges, mit einem Radhaus für zweioberschlächtig betriebene Wasserräder, ist dreigeschossig.Im oberen Geschoss befinden sich beheizbareWohnräume mit Küche, im Dachgeschoss Estrichund Speicher. Der massive Mahltisch ist 11,57Meter lang, 2,65 Meter breit, 1,60 Meter hoch undzum grossen Teil aus Eichenholz gebaut. Die Rahmen-und Schwellbalken mit dazugehörenden Pfostenund Querbalken – insgesamt 18 Pfosten in dreiReihen verteilt – ruhen auf verputzten, einen Metertiefen Bruchsteinfundamenten, die zudem den begehbarenMahlgraben bilden. Die Anlage ist für vierMahlwerke eingerichtet, die von zwei Wasserrädernangetrieben wurden. Der ganze Tisch ist somit inaxialer Symmetrie in je drei gleich grosse Teilabschnittegegliedert. Die Vorderseite des Tisches zeigteine feine durchlaufende Profilierung und sorgfältigbearbeitete Balkenköpfe.Schloss Birseck und dieMühle im Tal nach einerDarstellung von 1787von Johann BaptistStuntz und JohannJoseph Hartmann.


114 Grabungen und BauuntersuchungenAn der Südmauer istder Mahltisch mit Kalksteinpfeilernabgestützt,die marode Eichenpfostenersetzten.Entlang der dem Wasser zugewandten Südmauerfinden sich defekte Mauerpartien, die wegen deraufsteigenden Feuchtigkeit mit Kalksteinen neuaufgemauert werden mussten. Die hier vorhandeneReihe von Steinsäulen war zudem Ersatz für bereitsmarode gewordene Eichenpfosten. Möglicherweisestammen diese Steinsäulen vom älteren, grossenMühlengebäude gegenüber dem Weg. Dass an ihrerStelle ursprünglich hölzerne Pfosten standen,zeigen die im Rahmengebälk vorhandenen Nutenund Löcher einer älteren, kopfzonigen Verzapfung.Beeindruckend gearbeitet sind die verschiedenenVerbindungen der Quer- und Längsbalken, unteranderem der massiven, 29 × 34 cm grossen SchwellundRahmenbalken. Auch an den beiden Anstelltreppenwurde mit fein gearbeiteten Profilierungennicht gespart.Im Mahlraum befand sich eine auf Konsolen aufgebaute,beheizbare Müllerskammer mit Fenster, Pritscheund Tisch. Von dieser Holzkammer sind heutebloss noch zwei Steinkonsolen und einige Abdrückeder Einrichtung im Verputz übrig geblieben. Es istanzunehmen, dass gegen den Mahlraum ein Fenster


Grabungen und Bauuntersuchungen115existierte, so dass der Müller von seinem «Kommandoraum»aus Kontrolle über den Mahlvorgang hatte.Der Boden im begehbaren Mahlgraben wurde imLaufe der Zeit wohl wiederholt mit Astmaterial undHolzresten ausgelegt, um der aufsteigenden FeuchtigkeitHerr zu werden. Die sichtbaren Deckenbalkenaus Nadelholz sind mit Unterzugsbalken, zweiEichensäulen und Sattelholz abgestützt. Ausserdemgab es vom Mahltisch aus eine Treppe ins Obergeschoss,wohl ein Aufgang für den Müller. Entlangder Westwand muss ein Anstellpodest für Materialgestanden haben, denn sonst würde die Sitzbank imhoch liegenden Fenster keinen Sinn machen.Ein Mahlstein ist hinter dem Haus noch vorhanden,die Mahltechnik hingegen müsste man für eineallfällige Rekonstruktion der Anlage rekonstruieren.Dimension und Bearbeitungsqualität der Einrichtungsind in dieser Form in der Schweiz nur nochselten anzutreffen. Deshalb wäre es schön, wennsich die Idee einer Reaktivierung der ArlesheimerMahlanlage eines Tages umsetzen liesse.Örtliche Leitung und Bericht: Claudia SpiessAugust und September <strong>2012</strong>Detail der Mahltischfrontmit Schwellbalken,profilierten Pfosten undRahmenbalken sowieverzierten Köpfen derQuerbalken.


116 Grabungen und BauuntersuchungenWenslingen, MittlereGasse 44. Stube imersten Obergeschossmit Kachelofen undBettnische. HellblaueÖfen sind typischeAargauer Importe ausder ersten Hälfte des19. Jahrhunderts.


Grabungen und Bauuntersuchungen117Wenslingen, Mittlere Gasse 44: eineDachlandschaft lässt ahnenDie geplante Sanierung eines kommunal geschütztenObjektes führte zu einer vorgängigenKurzuntersuchung des seit Jahren leerstehendenWohnhauses eines Kleinbauern. Die eigenartigeDachlandschaft zusammen mit den zwei Nachbarliegenschaftenliess eine spannende Baugeschichtevermuten. Georg Friedrich Meyer skizzierte dasGebäude um die 1680er Jahre in Vogelperspektivemit einem im Bau befindlichen Satteldach. Häuserim Bau sind selten dargestellt. Die ums Eck liegendeÖkonomie bestärkt mit ihrer in die Flugpfetteeingekerbten Inschrift «1688 HB» eine Bauzeit desWohnhauses im späteren 17. Jahrhundert. Der lediglichzweiraumbreite und einraumtiefe Neubauist mit seiner Gebäudeflucht gegenüber der bereitsstehenden Liegenschaft Nr. 46 etwas nach vorneversetzt und an diese angebaut. Er nimmt damit dieöstliche Hälfte der bereits stehenden, südlichen Giebelfassadevon Nr. 46 als Teil der eigenen nördlichenGiebelfassade in Anspruch.Zu einem bisher unbekannten späteren Zeitpunktwurde die giebelseitige Laube von Haus Nr. 46Ausschnitt einer Feldskizzevon Georg FriedrichMeyer (um 1680).Das hervorgehobeneUntersuchungsobjektist offenbar im Bau.


118 Grabungen und Bauuntersuchungen6462Der Parzellenplan mitschematischer Abfolgeder Grundrisse.Mittlere Gasse45/46 (III)abgebrochen und die Gebäudeecke zwischen denNrn. 46 und 44 mit der damaligen Nr. 45 – heute zuNr. 46 gehörend – zugebaut. Zeitlich mit dem Bauvon Nr. 45 nicht in Verbindung zu bringen ist derAnbau Ost an Nr. 44 (hellgrün). Der Anbau wurdeals unabhängiges Wirtschaftsgebäude konzipiert,46 (I)45a44bohne Bezug auf Nr. 44 zu nehmen, beanspruchtejedoch dessen Dachkonstruktion.Eine interne Verbindung erfolgte wohl erst 1876.Einige Jahre vorher wurde die Nr. 44 unter zweiBrüdern aufgeteilt. Um schliesslich der Beherbergungvon zwei Parteien gerecht zu werden, wurde1876 der Anbau zu Wohnzwecken ausgebautund mit dem Kernbau über eine Treppe ins ersteObergeschoss verbunden. Jede Wohnung besass nebeneiner Küche eine Stube und eine Kammer. DieLiegenschaft repräsentiert beispielhaft die bis ins 20.Jahrhundert hinein vorherrschenden engen undeinfachen Wohnverhältnisse von Kleinbauern.Durchführung und Bericht: Anita SpringerSeptember <strong>2012</strong>44 (II)44 (V)46b46avor 1680um 1680Mitte 18. Jahrhundert (?)vor 1876 (Brandlagerakten)Laube Ersterwähnung 192344 (IV)40a


Grabungen und Bauuntersuchungen119Blick über denBauerngarten an dieHauptfassaden derLiegenschaften Nr. 44(rechts) und 46.


121FundabteilungIm Berichtsjahr nahm die Fundabteilung 26 Kisten von zwölf neuen Fundstellen entgegen. Dieser ehergeringe Zuwachs erlaubte es, vermehrt Altfunde zu inventarisieren. Noch immer lagern im Neufunddepottausende prähistorische Gesteinsartefakte wie Pfeilspitzen, Beilfragmente, Klingen und Abschläge. Immerhin4000 davon sind nun angeschrieben und edv-erfasst. Mit dem Material der Burg Madeln bei Prattelnist zudem das Fundgut einer weiteren mittelalterlichen Referenzfundstelle zeitgemäss erschlossen.Die fehlende Erfassung der Altgrabungen stellt in der täglichen Arbeit ein zeitraubendes Hindernis dar.Von den aktuell 3457 Fundstellen sind erst bei 575 die Funde in der Datenbank erfasst. <strong>2012</strong> begann dieEntwicklung eines Konzepts zur Inventarisierung von Altgrabungen. Für die Aufwandsberechnung wirdjede einzelne Kiste geöffnet und der Bearbeitungsstand protokolliert: Sind die Funde gewaschen und angeschrieben,wie voll sind die Kisten usw. – eine aufwändige Arbeit, die erst 2013 ihren Abschluss finden wird.Ab Mitte Mai konzentrierten wir unsere Kräfte auf ein neues Grossprojekt: die Aufnahme der Funde desrömischen Gutshofes von Laufen-Müschhag. Diese Arbeit wurde im Herbst für kurze Zeit unterbrochen,um das erste Treffen einer trinationalen Arbeitsgruppe zum Thema Spätlatènekeramik im Oberrheingebietvorzubereiten. Nach einem eindrücklichen Vormittag mit den Funden der Basler Siedlungen Gasfabrikund Münsterhügel konnten am Nachmittag Vergleiche mit fünf <strong>Basel</strong>bieter Fundstellen gezogen werden.Gibt es Unterschiede zwischen den stadtähnlichen Zentren und den kleineren Siedlungen im Umland?Bestanden Verbindungen zur Keramik im Elsass und südlichen Baden-Württemberg? Ein hoffnungsvollerAnsatz, ehemals zusammengehörende Kulturräume, die durch moderne Grenzen getrennt sind, gemeinsamzu erforschen!Christine GugelSpezialistinnen undSpezialisten aus demElsass, Südbaden undder Nordwestschweizfanden anlässlich desersten trinationalenSpätlatènekeramik-Treffens in <strong>Basel</strong> undLiestal zusammen.


122 FundabteilungLaufen, Müschhag.Luftaufnahme des vollständigfreigelegtenHerrenhauses desrömischen Gutshofesvon 1933.


Fundabteilung123Laufen-Müschhag: ein Juwel wirderschlossenDas Laufener Becken war in römischer Zeit dichtbesiedelt; der Abstand zwischen den Gutshöfen betrugteilweise gerade mal 1,5 Kilometer. Die Bodenbeschaffenheitgarantierte gute Erträge und dieÜberschüsse konnten über ein ausgeklügeltes Strassen-und Wegenetz abtransportiert und weiterverteiltwerden.Die römische villa von Laufen-Müschhag wurde1917 von Alban Gerster auf dem Gelände der Tonwarenfabrikentdeckt. In mehreren Etappen führteer von 1917–1962 Ausgrabungen durch und konntedie bauliche Substanz dokumentieren, bevor siedem Abbau der darunter liegenden Tonschichtenzum Opfer fiel. Wesentliche Informationen lieferteauch die Grabung von Gerhard Bersu im Jahr 1933.Der Archäologische Dienst Bern beauftragte 1976Frau Stefanie Martin-Kilcher mit der Aufarbeitungdes umfangreichen Fundgutes. Die spätere Professorinfür die <strong>Archäologie</strong> der römischen Provinzender Universität Bern konnte erstmals für die Nordwestschweizin einem Gutshof eine durchgehendeBesiedlung vom 1. bis ins 4. Jahrhundert nachweisen.Die daraus hervorgegangene Publikation gilt alsein Standardwerk zur provinzialrömischen Besiedlungsgeschichteder Nordwestschweiz.Auf dem Gutshofgelände, das mit einer Palisade ausHolz eingefriedet war, stand zunächst ein Holzgebäude.Im späteren 1. Jahrhundert wurde diesesdurch eine villa aus Stein ersetzt, die mit LuxusSchon zu Römerzeitenein wichtiges LaufentalerErzeugnis: Dachziegelund Röhren ausBaukeramik.


124 FundabteilungEin seltenes Stück: einekleine spätrömischeWeinamphore, die alsVerpackung für edlenWein aus Sizilien diente.wie einem beheizten Badehaus mit Fensterscheiben,Wandmalereien und Mosaikböden aufwartenkonnte. In späteren Bauphasen entstanden weitereAnbauten. Zum Gutshof gehörten drei Ökonomiegebäude,ein Töpferofen, der in der zweiten Hälftedes 1. Jahrhunderts betrieben wurde, ein Ziegelofenund ein Sodbrunnen. Schlacken weisen aufEisenverhüttung und Schmiedehandwerk hin. DieSelbstversorgung mit einfachen handwerklichenErzeugnissen war immer auch eine Grundvoraussetzungfür die Autonomie eines Betriebes.Bei der Grabung kamen über 12 000 Fragmentevon Keramikgefässen zum Vorschein, darunter rund700 Fragmente aus der eigenen Töpferei und 400Fragmente von importierten Terra Sigillata-Gefässen.Des Weiteren fand man einen Hortfund von eisernenWagenbeschlägen des 3./4. Jahrhunderts, 18Münzen, über 80 Metallfunde wie Fibeln, eine Jupiter-Bronzestatuette,Messer, Beschläge, Werkzeuge,Beinnadeln, Lämpchen und vieles mehr. Unter denvielen, vorwiegend gallischen Amphorenscherbenfällt eine kleine nordafrikanische Amphore auf, diewahrscheinlich mit sizilischem Wein gefüllt war. Sieist für einen ländlichen Gutshof ungewöhnlich undweist auf den gehobenen Status der Besitzer hin.Dennoch bleibt es schwierig, Rückschlüsse überdie Bewohner zu ziehen. Für einen Erbauer desGutshofes aus militärischen Kreisen gibt es keineHinweise. Vielleicht handelt es sich um einen bereitsromanisierten Einheimischen.


Fundabteilung125Nach Abschluss der Bearbeitung gelangten dieFunde in das heutige Museum Laufental. MehrereJahrzehnte und einen <strong>Kanton</strong>swechsel später, nämlichvor zwei Jahren, wurden die vielen Fundkistendieser Grabung aus dem Museum Laufental der <strong>Archäologie</strong><strong><strong>Basel</strong>land</strong> übergeben.Im Bewusstsein um die grosse Bedeutung des Materialswurde <strong>2012</strong> ein Projekt zur Erfassung inunserer Funddatenbank aufgegleist. Schnell stelltesich heraus, dass das ursprünglich geordnet gelagerteFundmaterial im Laufe der Jahre ein bisschendurcheinander geraten war. Es galt darum, zunächstdie von Stefanie Martin-Kilcher auf 65 Tafeln publiziertenFunde in den Kisten zu finden und zuidentifizieren. Ungünstigerweise waren die altenInventarnummern in der Regel mit Bleistift oderKreide auf die schlecht erhaltenen, mehlig-staubigenScherben geschrieben worden. Deren Entzifferunggestaltete sich als sehr schwierig, fördertejedoch die Kommunikation innerhalb des Teamsungemein. Inzwischen sind in einem Kraftakt alleGefässfragmente nach Typologie (Schüssel, Krug,Teller, Reibschüssel, Amphore usw.) und Warenartgeordnet ausgelegt und bereits etwa ein Drittel davonedv-erfasst. Nach Abschluss des Projektes 2013steht das Fundmaterial dieser wichtigen Referenzfundstelledem interessierten Fachpublikum endlichgut erschlossen zur Verfügung.Bericht: Christine GugelDie Götterstatuette,eine schlichte, aberschöne Arbeit aus denProvinzen, stellt Jupitermit Adler dar. In derfehlenden linken Handlag eine Lanze.


126FundabteilungDas latènezeitlicheSiebgefäss von Liestal,Munzach.


Fundabteilung127Käse oder Licht – Gedanken zur Funktioneisenzeitlicher SiebgefässeAnlässlich eines trinationalen Kolloquiums zur späteisenzeitlichenKeramik im Oberrheingebiet wurdedas Material einiger prominenter Fundstellen des<strong>Kanton</strong>s <strong><strong>Basel</strong>land</strong> aus dem Depot hervorgeholt.Dabei fiel ein Siebgefäss aus einer latènezeitlichenGrube von Liestal-Munzach auf. Was war die Funktiondes durchlöcherten Topfes?Siebgefässe in unterschiedlichen Formen sind in allenEpochen seit dem Neolithikum überliefert. Inder Forschung wird häufig die Meinung vertreten,dass diese Siebe für die Käseherstellung verwendetwurden. Dazu würde auch eine römerzeitlicheÜberlieferung von Plinius passen, der den Käse dergallischen Regionen lobte. Die typischen römerzeitlichenSiebe sind flache, gerillte Teller. Aus derEisenzeit kennen wir vorwiegend Töpfe mit durchlochterWandung und Boden, wie sie zahlreich inManching (Bayern) oder <strong>Basel</strong>-Gasfabrik vorkommen.Das Objekt von Liestal-Munzach weist hingegenein grosses Loch im Boden auf. Parallelen dazufinden sich beispielsweise in Muttenz-Stettbrunnen,wo jedoch nur ein Fragment des Bodens erhaltenist, oder im weit entfernten Altenritte bei Kassel(D). Durchbohrte Böden gibt es unter anderemauch im Neolithikum Mitteleuropas.Zwei Siebgefässe derRömerzeit aus der Villavon Seeb, Winkel (Kt.Zürich).


128FundabteilungSiebgefässe des Neolithikumsaus Polen.Würde nun aber der Inhalt nicht einfach durch dasgrosse Loch durchlaufen? Um dies zu verhindern,wäre wohl ein Textilstück eingelegt und der Inhaltin die Form eingepresst worden. Man muss aberimmer in Erinnerung behalten, dass wir nur einenBruchteil der einst vorhandenen Objekte kennen.Siebe könnten durchaus auch aus vergänglichemMaterial wie Holz, Ruten oder Textil hergestelltworden sein. Ein ethnographisches Beispiel aus derProvinz Adana in der Türkei zeigt, dass man zur Käseherstellungnicht unbedingt ein Gefäss braucht:Es reicht auch einfach ein zwischen zwei Stöckeneingespanntes Ziegenleder.Für die Verwendung der durchlöcherten Töpfekommen weitere Möglichkeiten in Frage. Vielleichthat man sie ganz allgemein zum Absieben verwendet;vorstellbar wäre auch eine Verwendung alsLampen. In letzterem Fall hätte das Gefäss das Lichtgedämpft und die Flamme vor Wind geschützt.Man kann über die Verwendung der Gefässe langerätseln und spekulieren, Klarheit bringen nurchemisch-physikalische Analysen zum Inhalt, sofernsich dieser an der Wandung abgelagert hat und nachder langen Zeit im Boden noch erhalten ist. Solche


Fundabteilung129Tests wurden bei neolithischer Keramik mehrererKulturen gemacht. Fettanalysen zu 22 Siebgefässender Rössener Kultur konnten keinen Nachweisvon Butterfett bringen, sondern mehrheitlich vonHaselnussfett, in einem Beispiel von Mohn und indrei Beispielen von Eicheln oder Bucheckern. ImGegensatz dazu konnten in Siebgefässen der Linearbandkeramikaus Polen Reste von Milchfett nachgewiesenwerden – in Verbindung mit der Form einklarer Hinweis auf Käseproduktion.Fazit: Alleine Aufgrund der Form beziehungsweiseohne genaue Analysen zum Inhalt, wie es für dieneolithische Zeit gemacht wurde, kann im Falle desMunzacher Siebes die Herstellung von Käse wederausgeschlossen noch widerlegt werden. Wiedereinmal werden wir mit dem Problem konfrontiert,dass für die Verwendung archäologischer Objekteverschiedene Erklärungen in Frage kommen undstellen fest, dass die Vergangenheit komplexer istals uns lieb ist. Gerade dies macht ihre Erforschungaber spannend und ist ein faszinierendes Merkmalder <strong>Archäologie</strong>.Bericht: Johann SavarySiebgefäss der Latènezeitvon Altenritte beiKassel (Deutschland).


130 FundabteilungPratteln, Madeln.Eines der vielenHighlights von dieserBurg: Der jüngere derbeiden fast perfekterhaltener Topfhelmaus der ersten Hälftedes 14. Jahrhunderts.


Fundabteilung131Die Burg Madeln bei Pratteln: Altes neuentdecktIm Herbst 2013 wird als Koproduktion der <strong>Archäologie</strong><strong><strong>Basel</strong>land</strong> und des Historischen Museums<strong>Basel</strong> in der Barfüsserkirche die Ausstellung «EchteBurgen – Falsche Ritter?» eröffnet. Für die Auswahlder Objekte und die effiziente Abwicklung desLeihverkehrs ist es vorgängig vonnöten, die Fundeaus alten Burgengrabungen des <strong>Kanton</strong>s vollständigund korrekt zu inventarisieren. Nachdem im Jahre2011 bereits die Fundstelle Eptingen-Riedfluh erfolgreicherfasst werden konnte, folgte im Jahr <strong>2012</strong>das Material der Burg Madeln.Die Geschichte der Burg oberhalb von Pratteln, dieum 1280 gegründet wurde, nahm 1356 ein abruptesEnde. Sie wurde beim grossen Erdbeben von <strong>Basel</strong>so stark zerstört, dass man sie nicht wieder aufbaute.Was für die damaligen Bewohner der Burg einUnglück bedeutete, ist ein Glücksfall für die <strong>Archäologie</strong>:Durch die plötzliche Zerstörung habensich im Fundmaterial Alltagsgegenstände sehr guterhalten, die bei anderen Burgstellen fehlen. Nebenzahlreichen Funden von Kochgeschirr, Ofenkacheln,Werkzeugen und Waffen wurden auch kostbareMetallgegenstände – zwei Topfhelme, Armbrustspannhaken,Hand- und Fussfesseln sowie einZinnteller – geborgen, die vom ritterlichen Lebenzeugen.Mit dem Fund der beiden Topfhelme steht die BurgMadeln europaweit einzigartig da. Aus der Zeit vorDer ältere, etwas einfachergestaltete Topfhelmaus dem späten13. Jahrhundert.


132 FundabteilungEin eindrücklicher Fundist diese zwei Meterlange Fussfessel, diebezeugt, dass man aufMadeln auch Strafenabzusitzen hatte.1350 sind bis heute nur gerade zehn solcher Helmebekannt. Der annähernd zylindrisch geformteHelmtypus kam im frühen 13. Jahrhundert in Europaauf und blieb bis ins 14. Jahrhundert hineingebräuchlich. Das Gesicht wurde durch eine mitAtemlöchern durchbrochene Platte geschützt, fürdie Sicht musste ein schmaler Sehschlitz genügen.Beide Helme weisen Gebrauchsspuren auf. So findetsich beim älteren eine Delle auf der Stirnplatte,die wohl von einem Hieb stammt. Beim jüngerenwurde eine defekte Stelle am unteren Rand miteinem Bandeisen geflickt. Die Weiterverwendungzeigt, wie wertvoll dieser Teil der Rüstung war.Konnte man sie nicht mehr reparieren beziehungsweiseals sie schliesslich veraltet waren, wurden siewegen ihres hohen Materialwertes zerlegt und dasEisen weiterverwertet. Das ist der Hauptgrund,weshalb Topfhelme nur so selten im Original erhaltenblieben.Auch beim kleinen Zinnteller handelt es sich umeinen aussergewöhnlichen Fund, den wir dem Erdbebenzu verdanken haben. Abgesehen von kleine->Der kleine Zinnteller.Auf der Unterseite desBodens ist die Darstellungeines heraldischenAdlers erkennbar.


Fundabteilung133ren Beschädigungen ist er vollständig erhalten. ImTellerinnern lassen sich sogar noch Kratzspurenvom Gebrauch ausmachen. Besonders bemerkenswertist jedoch die Ritzzeichnung eines Adlers aufder Tellerunterseite. Mit diesem Motiv stossen wirauf das Familienwappen der Herren von Eptingen,in deren Besitz sich die Burg befand. So kommt eswohl nicht von ungefähr, dass der Berg, auf dem dieBurg Madeln erbaut wurde, noch heute Adlerberggenannt wird.Bericht: Sandra BillerbeckUngewöhnliche Objekte:Solche am Gürtelgetragenen Hakendienten dem Spannender Armbrust.


135KonservierungslaborFür das im September 2011 gemeinsam mit dem «Inventar der Fundmünzen der Schweiz» gestartete Projekt«Fundmünzen <strong><strong>Basel</strong>land</strong>» müssen für die genauere Bestimmung zirka 120 Münzen konserviert undrestauriert werden. Im Berichtsjahr wurden 40 dieser zum Teil stark oxidierten und korrodierten Münzensoweit freigelegt und behandelt, dass eine Datierung möglich wird.Für die Erstpräsentation des Keltenschatzes von Füllinsdorf in einer gesicherten Vitrine im Erdgeschossdes Museum.BL wurden sämtliche Silbermünzen des Hortfundes gereinigt und dokumentiert. Auch fürdie Ausstellung «Bschiss! Wie wir einander auf den Leim gehen» galt es im Berichtsjahr einige Objekterestauratorisch aufzufrischen. Die sichere Präsentation der Exponate in den speziell für diese Ausstellunghergestellten Vitrinen lag in den Händen des Restauratorenteams.Das Projekt, ein nur fragmentarisch erhaltenes Prunkgefäss aus der Hallstattzeit ausstellungsgerecht zupräsentieren, kam zu einem erfolgreichen Abschluss. In Vorträgen im Museum.BL und an der Hochschuleder Künste Bern sowie an einer Fachtagung in Stuttgart wurde die Arbeit einem breiteren Publikum präsentiertund fand dabei grossen Anklang.Als externer Auftrag wurde für die <strong>Kanton</strong>sarchäologie Solothurn ein Nasslederfund, Schuhreste aus derGrabung «Löwengasse 6 und 8, 1998/2007», konserviert und restauriert. Einen zweiten externen Auftragführten wir für die <strong>Kanton</strong>sarchäologie Sankt Gallen aus. Für sie wurden Textilfragmente aus der Pfarrkircheder Gemeinde Thal konserviert, gesichert und dokumentiert.Roland Leuenberger


136 KonservierungslaborDasspätbronzezeitlichePrunkgefäss vonReinach-Mausackerin seiner neuenPräsentation. TrotzfragmentarischerErhaltung sind Formund Verzierung diesesrund 40 Zentimeterhohen und maximal50 Zentimeter breitenGefässes deutlicherkennbar.


Konservierungslabor137Vom Fragment zur dritten Dimension:neue Wege der GefässrekonstruktionVor einigen Jahren wurden in der Grossgrabung vonReinach-Mausacker ein «Keramikpflaster» mit Tausendenvon Scherben entdeckt (s. «Auswertung undVermittlung»). Darunter fanden sich die Reste einesäusserst aufwendig verzierten Prunkgefässes aus derspätesten Bronzezeit. Da nur etwa ein Drittel desGrossgefässes erhalten war, stellte sich die Frage, wieman diesen aussergewöhnlichen Fund präsentabelherrichten könnte. Wieviel soll ergänzt werden. Sollman nur die erhaltenen Partien rekonstruieren, dabei dieser Methode die Originalteile am wenigstenbelastet werden?Die Variante einer vollständigen Ergänzung mitfarblich genau angepassten Teilen kam nicht in Frage,weil dies den Gesamteindruck doch sehr veränderthätte, was nach heutigen Grundsätzen in derRestaurierung von archäologischen Objekten unerwünschtist. Die Form des Gefässes und die einseitigeVerteilung der Scherben hätte zudem einesehr aufwendige Ergänzung nötig gemacht, wasgleichzeitig eine grosse Belastung für die Originalteilebedeutet hätte. Die Variante des Aufbaus ohneErgänzungen war wegen der ungleichmässigen Verteilungder vorhandenen Scherben nicht möglich.Gefässaufbau mitWachsplatten (links)und Negativformwährend der Abnahmeder Form mit Profilkämmen(rechts).


138 KonservierungslaborDaniel Chiquet verlötetdie Edelstahldrähte mitHartlot (Foto DanielChiquet).So blieb eigentlich nur noch die Möglichkeit einerzeichnerischen oder nachgetöpferten Rekonstruktion.Keine dieser Methoden war wirklich zufriedenstellend.Also musste etwas Neues her, etwas das stützteund gleichzeitig die Form des ganzen Gefässeszeigte, etwas das die Belastung für die Originalteileauf ein Minimum reduzierte, sozusagen eine objektschonendeund reversible Rekonstruktion mitOriginalteilen. Aber wie sollte diese Alternative aussehen?Bald war klar, dass dies nur mit einer leichten, drahtgitterartigenStützkonstruktion realisierbar war.Doch wie liess sich ein Drahtmodell des handgeformtenund daher unregelmässigen Gefässkörpersaufbauen? Den Anfang machte ein Gefässnegativ:Zum Schutz wurden die erhaltenen und geklebtenKeramikteile mit Wachsplatten abgedichtet unddanach mit Kunststoffgips abgeformt. Die so gewonnene,noch nicht vollständige Form wurde anschliessendmit Polyethylenstreifen ergänzt und mitKunststoffgips geschlossen.


Konservierungslabor139Anschliessend fertigte der Goldschmied DanielChiquet nach dieser Vorlage ein mass- und formgetreuesDrahtgitter an. Mit einem Laserpointer projizierteer 24 Längengrade in regelmässigem Abstandauf das Negativ, ebenso wurden die Breitengradeaufgezeichnet. Mit Profilkämmen griff er danachdie Konturen der Längengrade ab und übertrugsie auf Papier. Die so entstandenen Profile bog ermit federhartem Edelstahl nach, der anschliessendgehärtet wurde. In einem nächsten Schritt wurdendie Profile seitlich angebohrt, über Edelstahldrähtemiteinander verbunden und schliesslich verlötet. Zuguter Letzt wurden die teilweise geklebten Keramikscherbenauf das fertige Drahtgitter gelegt undwo nötig mit kleinen Drahthäkchen zusätzlich fixiert.Begeistert vom Resultat der ersten Rekonstruktionwurde die neue Präsentationsmethode noch aneinem zweiten Gefäss ausprobiert: einem bronzenenDreibeingefäss (Grapen) von der Burg Madeln beiPratteln (s. Seite 130 ff.). Dieses besondere Gefässwar 1356 im Schutt des Erdbebens von <strong>Basel</strong> liegengeblieben und leider nur in einzelnen Fragmentenüberliefert.Der neu rekonstruierteGrapen von der BurgMadeln bei Pratteln.


140 KonservierungslaborStaunende undbegeisterte Blickenach der Enthüllungder Rekonstruktiondes Prunkgefässes imMuseum.BL.Seine Rekonstruktion erfolgte nach demselbenPrinzip. Die Herstellung des Gefässnegatives wardank der gleichmässigen Form des Grapen jedochviel einfacher. Mit den Durchmessermassen war esmöglich, mehrere runde PE-Platten zuzuschneiden,die anschliessend aufeinander gesteckt und mit Hilfevon Originalteilen an die endgültige Form angepasstwurden. Anhand dieser Negativform konnteder Goldschmied das Drahtgittergerüst für denGrapen erstellen. Zum Schluss mussten nur nochdie Buntmetallteile mit den Drahthäkchen amDrahtgitter befestigt werden.Möchten Sie die rekonstruierten Gefässe im Originalsehen? Ab Herbst 2013 ist der Grapen im HistorischenMuseum <strong>Basel</strong> und das Prunkgefäss imMuseum.BL in Liestal ausgestellt.Bericht: Sabine Bugmann und Marion Speck


Konservierungslabor141links:Marion Speckpräsentiert die neueArt der Gefässrekonstruktionvordem Fachpublikumder Verbands derRestauratoren inStuttgart (Foto LisaMasen).rechts:Enthüllung des Prunkgefässesanlässlich«Museum nach fünf»im Museum.BL.


142 KonservierungslaborWertvolle Funde – spezialverpacktEin viel gereistesLeihobjekt: derrömische Wasserspeierin Form eines Delfinsaus Liestal-Munzach.Bei besonders wertvollen und fragilen Objektensind die Anforderungen an die Verpackung hoch.Vor allem beim Transport werden die Objekteeinem erhöhten Gefahrenpotential ausgesetzt; nebendem Schutz vor mechanischen Einwirkungenist ein konstantes Klima wichtig. Eine einwandfreieund mangellose Verpackung ist aber auch für denVersicherungsabschluss wichtig, da für eine Übernahmeder Kosten im Schadensfall ausschlaggebendist, ob ein Objekt gut genug gesichert war.Um dies zu gewährleisten, werden für entsprechendeObjekte massgefertigte Spezialverpackungen inHandarbeit fabriziert, die nicht nur gegen physischeEinwirkungen schützen, sondern auch ein kontrolliertesKlima ermöglichen. Zudem lässt sich dankmassgefertigten Verpackungen sicherstellen, dassausgeliehene Objekte auch den Partnerinstitutionenkorrekt verpackt zurückgesandt werden.Bei der Herstellung ist die Wahl des Materials vonentscheidender Wichtigkeit. Es muss nicht nur soleicht wie möglich und gut zu verarbeiten, sondern>Der kunstvoll rekon struierteDreibeintopf (Grapen) ausder Burg Madeln bei Prattelnentsteigt seiner Verpackung.


Konservierungslabor143auch altersbeständig sein, und es darf keine Dämpfeabgeben. Nach heutigem Kenntnisstand scheintPolyethylen (PE LD) dafür am Besten geeignet. Derin verschieden dicken Platten erhältliche Kunststoffwird zuerst in eine grobe Form gebracht, worausdann mit Hilfe einer Thermosäge das Negativ desObjekts herausgeschnitten wird. Fächer für Trockenmittelund eine Auskleidung mit säurefreiemSeidenpapier vervollständigen die Spezialverpackung.Bericht: Sabine Bugmann und Andreas CallierottiAndreas Callierotti ander Thermosäge.


145Archäologische StättenDie zahlreichen Burgruinen im <strong>Kanton</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> sind wohl die archäologischen Stätten mit dem höchstenBekanntheitsgrad. Sie sind beliebte Ausflugsziele und wichtige Identifikationsobjekte in der heimatlichenLandschaft. Da es sich bei ihnen um ruinöse Gebäude ohne schützendes Dach handelt, sind sie permanentvon weiterem Zerfall bedroht und deshalb seit vielen Jahren die «Sorgenkinder» der <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong>.Auch <strong>2012</strong> gab es einige erfolgreiche Sicherungsmassnahmen, an denen die <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> beteiligtwar. Auf dem Vorderen Wartenberg sicherte der Verein Pro Wartenberg die Krone eines Abschnittes deröstlichen Umfassungsmauer und richtete auf der Mauerkrone eine Aussichtsplattform ein. Die GemeindeWaldenburg liess einen Abschnitt der südlichen Umfassungsmauer des Schlosses wieder aufbauen. Dielangjährige, ehrenamtliche Pflege der Ruine Gutenfels bei Bubendorf durch einen Privatmann wurde mitder Verleihung des Burgenpreises durch die «Burgenfreunde beider <strong>Basel</strong>» gebührend gewürdigt.Nicht wie geplant lief es hingegen mit zwei grösseren Sanierungsprojekten: Für dringende Sicherungsarbeitenan der Schildmauer der Farnsburg stand <strong>2012</strong> kein Geld zur Verfügung, so dass die Burg aus Sicherheitsgründenfür die Öffentlichkeit gesperrt werden musste. Bei der Sanierung von Schloss Pfeffingenwar das nötige Geld zwar vorhanden, aber die <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> konnte die Baufirma aufgrund einerBeschwerde beim Verwaltungsgericht gegen die Vergabe der Bauarbeiten nicht beauftragen.Doch nicht nur Burgen sind bedroht: In Unkenntnis dessen, dass es sich hier um eine archäologische Zonehandelt, wurde im Zusammenhang mit Rodungsarbeiten direkt unterhalb des prähistorischen Abri Wachtfelsbei Grellingen ein Waldweg angelegt. Dabei wurden steinzeitliche Kulturschichten unbesehen zerstört.Michael Schmaedecke


146 Archäologische StättenGrellingen, Abri Wachtfels: zerstörteFundschichtenGrellingen, Wachtfels.Der Abri im November<strong>2012</strong> nach demzerstörerischen Baueiner Waldstrasse.Die bedeutende steinzeitliche Fundstelle AbriWachtfels nimmt mit ihren Funden aus der spätenMittelsteinzeit und späten Altsteinzeit (Spätpaläolithikum)eine hervorragende Stellung in der Steinzeitforschungdes Birstales ein. Entdeckt wurde sievon Albert Kohler im Januar 1935. Er fand mehrereSilexartefakte in einer Grube, in der Kalkschutt fürdie Aufschüttung des unterhalb des Abris vorbei führendenFussweges entnommen wurde. Nach dieserEntdeckung vergingen einige Jahre, bis die systematischeAusgrabung unter der Leitung von Carl Lüdinbegann. Die erfolgreichen und gut dokumentiertenUntersuchungen dauerten von 1938 bis 1941und von 1955 bis 1957. Im Laufe der Arbeiten tratenzahlreiche mittelsteinzeitliche Funde zu Tage, vondenen die vollständig erhaltene Harpunenspitze ausHirschgeweih einen besonders seltenen und deshalbin vielen Publikationen erwähnten Fund darstellt.Ausser den reichhaltigen mittelsteinzeitlichen Fundenaus den Oberen Fundschichten kamen währendder zweiten Grabungsetappe in einer unterenFundschicht völlig überraschend auch ältere, spätpaläolithischeObjekte ans Licht, die zur Zeit im Rahmeneiner grösseren Publikation nach modernen


Archäologische Stätten147wissenschaftlichen Gesichtspunkten neu interpretiertwerden. Während dieser Neubearbeitung liesssich anhand der für die damalige Zeit vorbildlichenDokumentation feststellen, dass im äusseren Bereichdes Abribodens gegen den Hang zu noch mit ungestörtenFundschichten zu rechnen ist, deren Untersuchungdurch die <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> zu einemspäteren Zeitpunkt ins Auge gefasst wurde. Dies istheute leider nicht mehr möglich.Anfang November <strong>2012</strong> stellte man nämlich fest,dass nicht nur der gesamte Hang im Bereich desAbris abgeholzt, sondern auch eine breite Waldstrasseangelegt worden war, um die Zufahrt vonschweren Rodungsfahrzeugen zu ermöglichen.Dabei wurde ein grosser Teil des Abribodens zerstört.Nach einem ersten Augenschein durch JürgSedlmeier wurde unter der Leitung von Jan vonWartburg das gesamte Ausmass der Zerstörung mittelsTachymetervermessung dokumentiert. In diesemZusammenhang konnten auch einige durchden Wegbau verlagerte, mittelsteinzeitliche Fundeeingesammelt werden. Im Januar 2013 nahm zudemDavid Brönnimann vom Institut für Prähistorischeund Naturwissenschaftliche <strong>Archäologie</strong> derAlessandroMastrovincenzo undJürg Sedlmeier bei derDokumentation derZerstörungen.


148 Archäologische StättenEine Auswahl antypischen gekerbtenSilexklingen aus denAltgrabungen, späteMittelsteinzeit(etwa 7000 v. Chr.).Universität <strong>Basel</strong> aus sedimentologischer Sicht einHangprofil auf, um die noch vorhandene Schichtenfolgezu dokumentieren.Die irreparable Zerstörung dieser bedeutenden archäologischenFundstätte ist bedauerlich. Grunddafür war eine Lücke im Kommunikationsprozess:Der Waldentwicklungsplan für die Region, in demauch die archäologischen Schutzzonen verzeichnetsind, lag noch gar nicht vor. zudem müssen die Gemeindensolche Rodungen der <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong>gar nicht melden, auch wenn sie mitten durcharchäologische Schutzzonen führen. Dasselbe giltfür viele Tiefbauarbeiten wie zum Beispiel Strassenund Leitungsgräben. Die <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong>strebt nun in Zusammenarbeit mit dem Amt fürWald beider <strong>Basel</strong> eine Lösung dieses Problems an,um in Zukunft die weitere Zerstörung von archäologischenFunden und Fundstellen zu verhindern.Bericht: Reto Marti und Jürg Sedlmeier


Archäologische Stätten149links:Der Boden des AbriWachtfels in seinemursprünglichen Zustandoberhalb einesschmalen Fusswegesim Jahr 1938.rechts:Die vollständigerhaltene, mittelsteinzeitlicheHarpunenspitzeaus Hirschgeweihwurde währendder Ausgrabungen1938–1941 entdeckt.Das 9,6 Zenti meterlange Stück ist etwa9000 Jahre alt.


150 Archäologische StättenRuine Pfeffingen. DieSicherungsarbeitenam Südturm desOsttores wurdenvon spezialisierten«Klettermaurern»durchgeführt (FotoFreie Bauhütte).


Archäologische Stätten151Ruine Pfeffingen: erzwungenerZwischenstoppNachdem der Landrat die erforderlichen Mittel bereits2010 bewilligt und <strong>2012</strong> mit dem Budget eineerste Jahrestranche freigegeben hatte, lief zunächstalles gut an: Die Bauleitung wurde bestimmt undnahm im Januar die Arbeit auf, die Dokumentationsarbeitenbegannen im Februar, im Mai wurdendie Baumeister- und die Gerüstbauarbeiten vergeben,so dass der geplante Baubeginn im Juni schongreifbar war. Vorgesehen war die Sanierung des amwestlichen Eingang der Burg gelegenen Hexenturms.Dort sind die Mauerkrone und die Bedachungdes Turms weitgehend aufgelöst und müssengefestigt werden. Wenn die zur Verfügung stehendeZeit und das Budget es ermöglicht hätten, wäreauch noch die Sicherung eines Teiles der südlichenZwingermauer in Angriff genommen worden.Doch dann machte ein nicht zum Zuge gekommenerBewerber für die Baumeisterarbeiten miteiner Beschwerde beim Verwaltungsgericht einenStrich durch die Rechnung. Nach seiner Auffassungwar der Zuschlag für die Baumeisterarbeitenunrechtmässig erfolgt, indem seine Referenzenund diejenigen der Firma, die den Zuschlag erhielt,nicht korrekt beurteilt worden seien. Das Verwaltungsgerichtliess die Beschwerde zu und bestätigtederen aufschiebende Wirkung. Da eine richterlicheEntscheidung nicht vor Herbst zu erwarten war, bedeutetedies das Aus für die Bauarbeiten in diesemJahr.Jürg Pulfer von derFirma Terradata erstelltLaserscans im Innerndes Hexenturms.


152 Archäologische StättenEmmanuel Weber vonder Freien Bauhütte verfugtdas Mauerwerk amSüdturm des Ost tores(Foto Freie Bauhütte).Die Zwangspause liess sich jedoch gut nutzen, umspäter geplante Arbeiten vorzuziehen. Es erfolgtenverschiedene Abklärungen am Wohnturm und einigedringende Sicherungsarbeiten. Zunächst prüfteein Bauingenieur die Standfestigkeit des Wohnturms.Dabei fanden sich keine Hinweise auf eineakute Gefährdung, wie es die Bauleitung befürchtethatte. In einem für diese Untersuchungen angelegtenSondierschnitt aussen am Wohnturm trafman auf älteres Mauerwerk. Damit liess sich erstmalsein Teil der Bebauung fassen, die älter ist als der ins13. Jahrhundert datierte Wohnturm. Noch ist unklar,ob es sich dabei um die Reste von einem oder vonzwei Gebäuden handelt.Ein auf die Standfestigkeit von Felsen spezialisierterGeologe begutachtete zusätzlich den Felsuntergrunddes Wohnturms. Auch er stellte trotz einigerkritisch erscheinender Situationen im Bereich vonKlüften keine Hinweise auf Instabilitäten fest. Danebenwurden am Wohnturm, am südlichen Turmdes Osteinganges und an der Schildmauer im Westenlockere Mauerpartien gesichert, die für Besucherinnenund Besucher sowie für die vor Ortarbeitenden Personen eine Gefahr darstellten. Beianderen gefährlich aussehenden Partien konnten«Klettermaurer» dagegen klären, dass keine unmittelbareGefährdung für Personen oder das Mauerwerkbestand.


Archäologische Stätten153Parallel zu diesen Arbeiten wurden an verschiedenenBauteilen Dokumentationsarbeiten vorgezogen,was bei kommenden Etappen Zeit sparen wird. Nebenzeichnerischen Handaufnahmen und weiterenLaserscan-Vermessungen kam für Fotoaufnahmenaus der Luft eine Drohne zum Einsatz. Besonderswichtig waren dabei Aufnahmen des Mauerwerksam Wohnturm in Bereichen, die bisher nicht einsehbarwaren. Dies ermöglichte dort erstmals einegenauere Zustandsbeurteilung. Dabei wurde einegrosse Ausbruchstelle im Osten des Wohnturmsfestgestellt, die bisher nicht bekannt war und dringendgeschlossen werden muss, um weitere Schädenzu verhindern.Der festgestellte Schaden am Wohnturm und dieTatsache, dass sich das <strong>2012</strong> aufgrund der verhindertenBauarbeiten gesparte Geld ins kommendeJahr transferieren lässt, führten zum Entschluss, 2013mit den umfangreicheren Sicherungsarbeiten amWohnturm zu beginnen.In der Verhandlung des Verwaltungsgerichtes überdie Beschwerde gegen die Vergabe der Baumeisterarbeitenstellte das fünfköpfige RichtergremiumMitte November schliesslich einstimmig fest, dassdie Vergabe rechtmässig erfolgt war. Damit ist nunder Weg frei, die Bauarbeiten mit einem Jahr Verzögerungim Frühjahr 2013 in Angriff zu nehmen.Bericht: Michael SchmaedeckeFür die fotografischeErfassung derhöheren Bereiche desWohnturms kam eineDrohne zum Einsatz.


154 Archäologische StättenDie mächtige Schildmauerder Farnsburgdroht auseinanderzubrechen.Zum Schutzder Besucherinnenund Besucher musstedie Anlage gesperrtwerden.


Archäologische Stätten155Farnsburg: aufgeschobener Beginn dervorgezogenen Sicherung«Der Beginn der Sanierungen ist für <strong>2012</strong> geplant.»So endet der Bericht über die Schäden an derFarnsburg im <strong>Jahresbericht</strong> 2011. Um die Kostenfür die Reparatur verschiedener Schadenstellen aufmehre Jahre zu verteilen, war für <strong>2012</strong> zunächst diedringende Reparatur der Schildmauer vorgesehen.Dort hatten sich im östlichen Bereich beide Mauerschalenvom Kern zu lösen begonnen, was sich imBereich des Laufganges auf der Krone durch mehreretiefe Risse abzeichnet. Grund hierfür ist wieüblich in das Mauerwerk eindringendes Wasser, dasweiter unten wegen zu dichter Verputze von früherenSanierungen nicht mehr austreten kann. In derFolge kam es Frostausbrüchen, aber auch zu Ausspülungendes Mörtels, was zu Schäden führte.Die Schildmauer war schon mehrfach ein Problemfall.Bereits 1930, 1955/58, 1980/81 und 1986 musstendort Reparaturen durchgeführt werden. Bei derSicherung der Unterburg 2002 und 2003 wurdefestgestellt, dass an der Schildmauer erneut Reparaturarbeitenfällig wären, die man aber zurückstellenmusste. Als sich im Frühjahr <strong>2012</strong> jedoch eine gravierendeVerschlechterung der Situation abzeichnete,beantragte die <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> beimRegierungsrat die erforderlichen Mittel für eineDer Geologe UeliGruner begutachtet denanstehenden Fels in derUnterburg, wo ebenfallsSicherungsmassnahmenerforderlich sind.


156 Archäologische StättenDurch Bewegungender Mauerschalen sindmehrere Gipssiegelbereits nach kurzer Zeitgebrochen.sofortige Reparatur, was dieser im Hinblick auf dielaufenden Sparmassnahmen jedoch ablehnte.Daraufhin musste im Mai das gesamte Burgarealaus Sicherheitsgründen für das Publikum gesperrtwerden. So bedauerlich diese Massnahme war –die Farnsburg ist eine der beliebtesten Burgruinendes <strong>Kanton</strong>s –, so nötig war sie auch. An mehrerenRissen angebrachte Gipssiegel waren teilweiseschon nach kurzer Zeit aufgebrochen, was die Ablösungsbewegungder Mauerschalen deutlich erkennenliess. Dies weist auf eine akute Gefahr für dieStandfestigkeit der Schildmauer hin. Da nicht vorauszusehenist, in welchem Masse und mit welcherGeschwindigkeit sich die Mauerablösungen entwickelnwerden, war die Absperrung der Burg einedringend nötige Massnahme zur Sicherheit vonBesucherinnen und Besuchern, nicht zuletzt, weilder Zugang zur Burg unmittelbar unter der Mauerdurchführt.Im März 2013 hat der Landrat mittlerweile einenKredit für die Reparaturarbeiten gutgeheissen.Bericht: Michael Schmaedecke


Archäologische Stätten157Blick von Buus in RichtungFarnsburg. Dieheute noch erhaltenemächtige Schildmauerschützte die Anlagegegen den Burggrabenhin. Zeichnung vonEmanuel Büchel von1755 (Kupferstichkabinett<strong>Basel</strong>).


158 Archäologische StättenWaldenburg: Neubau eines Abschnittsder südlichen UmfassungsmauerDer eingestürzteBereich der südlichenUmfassungsmauer istneu in Trockenmauertechnikaufgeführt.Im Spätsommer 2010 ist ein Abschnitt der südlichenUmfassungsmauer von Schloss Waldenburg eingestürzt.Da eine weitere Partie einsturzgefährdet war,die direkt neben dem Zugangsweg lag, musste auchsie aus Sicherheitsgründen abgetragen werden. Die<strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> machte der Besitzerin derBurg, der Gemeinde Waldenburg, verschiedeneVorschläge für den Wiederaufbau einschliesslich einerKostenschätzung. Im Frühjahr <strong>2012</strong> schliesslichnahm eine auf derartige Reparaturarbeiten spezialisierteFirma den Wiederaufbau in Angriff.Da zwischenzeitlich noch ein weiterer Abschnittder Mauer zusammengebrochen war und auch einverbliebener Rest nicht mehr standfest erschien,entschied man sich, auch ihn abzutragen. Nach demAbräumen des Mauerschutts hatte das Grabungsteamder <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> Gelegenheit, dieSituation zu untersuchen und zu dokumentieren.Dabei wurde festgestellt, dass es sich bei der abgegangenenMauer um neuzeitliches Zementmauerwerkaus der Zeit der Sanierung in den 1930erJahren gehandelt hat. Nur die unterste Steinlagegehörte offensichtlich zur ursprünglichen mittelalterlichenMauer. Sie war direkt auf den anstehendenFels gesetzt. In der Hinterfüllung der Mauer,die mittelalterlichen und neuzeitlichen Abraum ausder Sanierung der 1930er Jahre enthielt, wurde eineSedimentschicht mit vielen Gesteinssplittern ander Oberfläche beobachtet, die wahrscheinlich denBauhorizont der ursprünglichen Mauer darstellt.


Archäologische Stätten159Mit diesen Beobachtungen liess sich erstmals einAbschnitt der originalen Südumwehrung der Burgsicher bestimmen.Mit dem Aufbau des neuen Abschlusses in Trockenmauertechnikwird deutlich gemacht, dass es sichhier um keine originale Mauer, sondern um derenNachvollzug handelt. Die Trockenmauer hat in dieserspeziellen Situation als Terrassenmauer gegenübereiner mit Mörtel gebundenen Mauer auch denVorteil, dass dahinter anfallendes Regenwasser nahezuungehindert ablaufen und keine Schäden anrichtenkann. Schliesslich sind Trockenmauern auchökologisch äusserst wertvoll, da sie vielen Kleinlebeweseneinen Lebensraum bieten. Leider liess sichaus Kostengründen der Vorschlag nicht realisieren,die Mauer bis in Brüstungshöhe aufzubauen, wasdas das Burgareal optisch nach Süden hin abgeschlossenhätte. Die neu aufgebaute Mauer besitztjedoch die nötige Stärke, die eine spätere Aufstockungnoch ermöglichen würde.Das Beispiel zeigt, dass man auch bei verhältnismässigkleinen Baumassnahmen wichtige Erkenntnissezur Geschichte eines Baues – in diesem Fall des Verlaufsder südlichen Umfassungsmauer – gewinnenkann.Projektleitung <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> und Bericht:Michael SchmaedeckeDokumentation: Susanne AfflerbachZivi Benjamin Kettnerpräpariert die letztenmittelalterlichen Resteder Umfassungsmauerfrei.


160 Archäologische StättenDie Ruine Gutenfelsbei Bubendorf lag vorden Rodungen vonunten kaum sichtbar imWald versteckt.


Archäologische Stätten161Bubendorf, Gutenfels: Burgruine ausDornröschenschlaf erwecktDie Burg Gutenfels liegt gut versteckt im Wald, aufeiner Felsspitze oberhalb der Strasse von Bubendorfnach Arboldswil. Vermutlich haben sie die Herrenvon Eptingen zu Beginn des 13. Jahrhunderts gegründet;um die Mitte des 14. Jahrhunderts war siejedoch bereits wieder verlassen. Bei Ausgrabungen1936 und 1962 wurden die Mauern eines Wohnturmsund Teile der Unterburg mit Resten derUmfassungsmauer freigelegt und konserviert. Danachist die Burg im Laufe der Jahre wieder so starkzugewachsen, dass sie kaum mehr zu erkennen war.Doch bedrohlicher war, dass der Bewuchs auch begann,den erhaltenen Baubestand zu gefährden.Im Mai 2006 fragte Andreas Loosli bei der <strong>Archäologie</strong><strong><strong>Basel</strong>land</strong> an, ob er sich um die Ruine Gutenfelsin Bubendorf kümmern könne. Ihm sei esein Anliegen, die Ruine soweit vom Bewuchs zubefreien, dass die Baureste wieder sichtbar werdenund die Burganlage von der Bevölkerung wiedergenutzt werden könne. Das Angebot von HerrnLoosli bot die grosse Chance, die Burgruine für dasPublikum wieder attraktiver zu machen und dieGesamtsituation soweit zu verbessern, dass sich dieseauch positiv auf ihre Erhaltung auswirkt.Nachdem die <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> Herrn Loosliin seiner Absicht bestärken konnte und auch dieBürgergemeinde Bubendorf als Eigentümerin derRuine seinem Vorhaben zustimmte, wurde zwischenAndreas Loosli (links)und Heinz Wahl, Alt-Bürgergemeindepräsidentvon Bubendorf,besprechen die nächstenMassnahmen aufGutenfels.


162 Archäologische StättenReste der südlichenUmfassungsmauer, diedringend gesichertwerden müssen.den drei Partnern eine Vereinbarung getroffen, dieseine Tätigkeit regelte. Neben der regelmässigenEntfernung des Bewuchses und dem Entsorgenvon Abfall gehört es auch zu seinen Aufgaben, denbaulichen Zustand der Ruine zu beobachten undVeränderungen zu melden. Diese Arbeiten wurdenin den letzten Jahren vorbildlich durchgeführt – mitdem erfreulichen Resultat, dass die Ruine Gutenfelssehr an Attraktivität gewonnen hat.Der Einsatz von Andreas Loosli hat auch bei AnderenAufmerksamkeit geweckt. Auf seine Anregunghin hat der Forstbetrieb der Gemeinde Bubendorfinnerhalb der Burganlage und am Burgfelsen Bäumegefällt, so dass die Burganlage wieder lichterund von der Strasse her besser sichtbar wurde. DieMassnahmen haben zur Folge, dass das Mauerwerknun wieder besser besonnt wird und dadurch nachDurchfeuchtungen wieder schneller austrocknet.Auch ist der bauliche Zustand wieder gut zu beurteilen,so dass schneller auf Schäden reagiert werdenkann.Um die Attraktivität des Ausflugsorts noch zu steigern,stellte die <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> drei Grillstellenzur Verfügung, die im Frühjahr 2013 aufgebautwerden sollen. Sie sollen zudem das wilde Feuern


Archäologische Stätten163in der Ruine unterbinden. Ausserdem plant die <strong>Archäologie</strong><strong><strong>Basel</strong>land</strong>, im nächsten Jahr in der Ruineeine Informationstafel aufzustellen. Die Initiativevon Herrn Loosli zeigt sehr schön, wie viel einePrivatperson für die Erhaltung und Attraktion einerBurgruine beitragen kann. Als Anerkennung fürdiese Leistung verliehen ihm die «Burgenfreundebeider <strong>Basel</strong>» im Jahr <strong>2012</strong> ihren «Burgenpreis».Trotz dieser erfreulichen Nachricht gibt es in naherZukunft auf Gutenfels ein Problem zu lösen:Die Zugangstreppe und ein Abschnitt der südlichenUmfassungsmauer müssen repariert werden. Währenddie Reparatur Treppe dringend erforderlich ist,um Besucherinnen und Besuchern einen gefahrlosenZugang zu ermöglichen, ist das Mauerwerkan der Umfassungsmauer so stark aufgelöst, dasszu befürchten ist, dass sie vollständig zusammenstürzt.Die Kosten für diese Massnahmen werdenauf rund 38 000 Franken geschätzt. Es besteht dieChance, dass der Swisslos-Fonds des <strong>Kanton</strong>s <strong>Basel</strong>-Landschaft einen Teil davon finanzieren könnte.Der Rest müsste durch andere Quellen, etwa durchSpenden, aufgebracht werden. Es wäre schön, wennsich weitere Personen oder Institutionen für diesesinteressante Kulturdenkmal stark machen würden.Bericht: Michael SchmaedeckeHistorisches Modell derBurg Gutenfels, wiesie einmal ausgesehenhaben könnte.


165Dokumentation und ArchivKennen Sie das Gefühl? Nach einer anstrengenden Bergtour stehen Sie endlich auf dem Gipfel underblicken rundherum viele weitere Spitzen, die noch zu erklimmen wären. So ergeht es derzeit demArchiv-Team der <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong>. <strong>2012</strong> konnte die Digitalisierung des rund 215 000 Dokumenteumfassenden Papier- und Planarchivs bis auf wenige Restarbeiten abgeschlossen werden – rund zwei Jahrefrüher als geplant. Somit stehen nun alle Ausgrabungsakten inklusive des Bezirks Laufental elektronisch zurVerfügung. Den Weg ins Archiv kann man sich künftig also ersparen und auch die Weitergabe an externeForscherinnen und Forscher erleichtert sich dadurch erheblich.Erfreulicherweise ist es <strong>2012</strong> wiederum gelungen, quasi nebenher noch ein paar Altlasten aufzuarbeiten –zum Beispiel die Grabungen auf der Burg Engenstein bei Pfeffingen. Und bereits steht der Aufstieg zumnächsten Berg an: In den kommenden Jahren soll nun auch das gesamte Negativarchiv erschlossen werden.Die Aufarbeitung aller Fotos, die je auf Ausgrabungen gemacht wurden, ist mit einigen Stolpersteinen versehen.Nicht nur gilt es, die Fotos mit den bereits früher gescannten Dias abzugleichen, sondern es mussauch ein Bezug zu allenfalls vorhandenen Fotojournalen hergestellt werden – eine wahre Knobelarbeit beiDutzenden von Fotografien, die sich bis auf wenige Details ähneln.Zu hoffen bleibt, dass solche aufwändigen Rückerschliessungen dank der modernen Dokumentationsmethodenkommenden Generationen erspart bleiben. Auch die <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> arbeitet stetig an derenVerbesserung, wie das Beispiel des neuen webbasierten Geoinformationssystems EVA zeigt.Andreas Fischer


166 Dokumentation und ArchivEVA, das geografischeInformationssystem,gibt bereits heute Auskunftüber sämtlichejüngeren Grabungenim <strong>Kanton</strong>. JederGrabungsplan wirdnach Beendigung derFeldarbeiten in eineMasterdatei eingefügt.Pläne von älteren, nochnicht digital dokumentiertenGrabungenwerden nacherfasst.


Dokumentation und Archiv167EVA – das webbasierte GIS der<strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong>Seit dem Frühling dieses Jahres betreibt die <strong>Archäologie</strong><strong><strong>Basel</strong>land</strong> ein eigenes, webbasiertes GeografischesInformationssystem (GIS): EVA, die ElektronischeVerbreitungskarte <strong>Archäologie</strong>, bietet mittelsWebbrowser Zugriff auf alle digital erfassten archäologischenObjekte des <strong>Kanton</strong>s – von archäologischenSchutzzonen über Fundstellen bis auf dieStufe einzelner Fundgegenstände und Erdproben.Im GIS lassen sich diese Objekte im räumlichenZusammenhang zueinander betrachten. NebstSuch- und Abfragemöglichkeiten können zusätzlicheInformationen zu Objekten angezeigt werden.Ein Knopfdruck wechselt in die archäologische DatenbankADAM, basierend auf «IMDAS-Pro», wozahlreiche weitere Informationen über das im GISangewählte Objekt gespeichert sind, die sich beiBedarf auch weiter bearbeiten lassen.Einige typische Einsatzmöglichkeiten der EVA werdenim Folgenden vorgestellt:• Überprüfung von Baugesuchen: Jede Wochewerden die neuen Baugesuche im kantonalenGIS publiziert. Die EVA kann auf die als Punktegespeicherten Baugesuche zugreifen und sie mitden bestehenden archäologischen Schutzzonen des<strong>Kanton</strong>s vergleichen. Liegt ein Baugesuchs-Punktinnerhalb einer Schutzzone, wird dieser auf der Kartemarkiert. Tangiert das Baugesuch möglicherweisearchäologische Überreste, wird in einem späterenSchritt mit dem Bauherrn Kontakt aufgenommen,Baugesuche der Serie42/<strong>2012</strong> in archäologischenSchutzzonensind als blaue Rechteckekartiert. Links einReport mit Details zuden Baugesuchen.


168 Dokumentation und ArchivInformationen überangewählte Objektewerden in zusätzlichenBrowserfensternangezeigt.um frühzeitig entsprechende Massnahmen zur Sicherstellungeinzuleiten. Ziel ist es, Bauverzögerungenwenn immer möglich zu vermeiden.• Hilfsmittel zur Vorbereitung von Grabungsprojekten:Steht eine archäologische Ausgrabung an,kann sich die Grabungsleitung mit Hilfe der EVAein genaues Bild von den bisherigen Ausgrabungenim Umfeld der betroffenen Parzelle machen. MittelsMausklick sind Texte, Bilder und Zeichnungen vonbenachbarten Grabungen abrufbar.• Visualisierung von Daten zur Fundstellen- undFundverteilung: Die Ergebnisse von Abfragen inder archäologischen Datenbank ADAM lassen sichin der EVA auf Knopfdruck anzeigen. Diese Abfragenkönnen auch komplexerer Natur sein, beispielsweisedie Darstellung aller Ausgrabungen im <strong>Kanton</strong>sgebiet,bei denen keltische Münzen innerhalbvon römischen Siedlungsplätzen gefunden wurden.Es sind also auch spannende wissenschaftliche Fragestellungenetwa in Zusammenhang mit archäologischenAuswertungsprojekten möglich.Zusätzlich besteht bei Recherchen die Möglichkeit,räumliche Filter einzusetzen. So ist eine Suche aufein bestimmtes Gebiet begrenzbar oder es lassen sichnur Objekte anzeigen, die innerhalb eines bestimmtenAbstandes zu beliebigen, ausgewählten Gebietenoder Befunden stehen. Die EVA bietet sich somit als


Dokumentation und Archiv169wichtige Ergänzung zur immer auch in Papierformvorhandenen Grabungsdokumentation an.Wie entstehen die Objekte, die im GIS sichtbarsind? Die meisten der in der EVA dargestellten Objektewerden nicht extra für das GIS erfasst, sondernhaben ihren Ursprung direkt auf der Grabung. MittelsVermessungsgerät, dem Tachymeter, werden diearchäologischen Objekte im Feld dreidimensionalerfasst und direkt an das CAD-Programm «Auto-CAD Map» übertragen, das auf einem angeschlossenenLaptop läuft. Im Laufe der Grabung entstehtso ein Gesamtplan, in dem alle relevanten Objekteeiner Grabung, also zum Beispiel Gebäudestrukturen,Fundgegenstände, Einzelfunde, Feldgrenzenund dergleichen eingezeichnet sind. Die CAD-Objektedieses Gesamtplans besitzen Zusatzinformationen,so genannte Metadaten, mit denen sich dasObjekt eindeutig identifizieren lässt.Nach Abschluss der Grabung wird der Gesamtplanin eine Masterdatei eingespeist, in der sich alle digitalvorhandenen Grabungen der <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong>befinden. Diese Masterdatei bildet die Grundlagefür die Darstellung der archäologischen Objekte imGIS. Der Wechsel zwischen GIS-Objekten und Datensätzender archäologischen Datenbank ADAMwird über Schlüsselfelder realisiert. Eines der Metadatenfelderder GIS-Objekte wird als Schlüsselfelddefiniert, dessen Inhalt kantonsweit einmalig ist. SoAnzeige von Ausgrabungenim <strong>Kanton</strong>sgebiet,bei denenkeltische Münzen innerhalbvon römischenSiedlungsplätzengefunden wurden.


170 Dokumentation und ArchivAnzeige aller Einzelfundeim Abstandvon einem Meter umdie Mauern eines römischenGebäudes derVilla Pratteln-Kästeli.werden beispielsweise Funde anhand ihrer eindeutigenInventarnummer identifiziert. Diese Inventarnummerist auch in ADAM vorhanden. Dadurch istes möglich, ein ADAM-Suchresultat in der EVA anzuzeigen:Die Werte der Schlüsselfelder werden vonADAM an die EVA übergeben und die zugehörigenGIS-Objekte daraufhin in der EVA markiert.Umgekehrt können so auch die ADAM-Datensätzevon markierten EVA-Objekten angezeigt werden.Die EVA basiert auf dem Open Source-Projekt«MapGuide Open Source» und ist somit kostenfrei.Die Dateiformate von «AutoCAD Map» und «Map-Guide Open Source» sind miteinander kompatibel,was einen reibungslosen Übergang von CAD-Objekten zu GIS-Objekten gewährleistet. Der Arbeitsablaufvon der Einmessung auf der Ausgrabungbis zur Publikation der archäologischen Objekteim GIS ist derart optimiert, dass die resultierendenGIS-Objekte ein Produkt des normalen Grabungsablaufssind. Es fallen somit keine aufwändigen Datenaufbereitungennach der Grabung an. BeendeteAusgrabungen können mit nur wenig Verzögerungdirekt ins GIS eingespeist werden.


Dokumentation und Archiv171Die Funktionalität der EVA wird laufend erweitert.So ist geplant, die bauarchäologische Befunde an historischenGebäuden ebenfalls im GIS darzustellen.Zudem werden bisher nur auf Papier vorhandeneGesamtpläne von älteren Ausgrabungen digitalisiertund dem GIS hinzugefügt. Auf diese Weise ergibtsich ein immer kompletteres Gesamtbild aller bisherdurchgeführten Ausgrabungen im <strong>Kanton</strong>sgebiet,was unter anderem der Betreuung der archäologischenStätten oder zukünftigen Auswertungsprojektenzugute kommen wird.Bericht: Jan von WartburgDie Auflistung allerländlichen Siedlungender Bronzezeit inADAM und derenKartierung als blaueRechtecke in EVA.


172 Dokumentation und ArchivLaufentaler AktenDie Praktikantin AlexandraWenk gleichtdie bernischen und diebasellandschaftlichenGrabungsdokumentationenmiteinander ab.Seit dem Übergang des Laufentals an den <strong>Kanton</strong><strong>Basel</strong>-Landschaft sind bald 20 Jahre vergangen.Trotzdem gilt noch der Staatsvertrag von 1993, deralle archäologischen Fundstellenakten und Funde inBern zurückbehält. Immer wieder müssen einzelneAkten dort angefordert werden, um mit den betreffendenFundstellen arbeiten zu können.Inzwischen ist die Anzahl der Fundstellen im Laufentalstetig angestiegen, und das Archiv hat sich mitvielen neuen Befundaufzeichnungen gefüllt. Nunstand auch dieser vom Arbeitsablauf letzte <strong>Kanton</strong>sbezirkvor der Digitalisierung. Damit uns künftigauch von Altgrabungen die vollständige Dokumentationzur Verfügung steht, liehen wir im Frühjahr<strong>2012</strong> beim Archäologischen Dienst in Bern einengrossen Teil der Laufentaler Akten aus. Insgesamtvier Kisten mit Papierakten, Fotos und drei dickeRollen mit Plänen wurden nach Liestal transportiert.Den Hauptanteil an Plänen aus der Stadt Laufenliessen wir bis zum Winter erst einmal zurück.Da neben der alltäglichen Archivarbeit kaum Zeitblieb, eine so grosse Menge an Aufzeichnungen speditivaufzuarbeiten, begann am 2. April AlexandraWenk als Archivpraktikantin mit dem Sichten dieserUnterlagen. Schnell war klar, dass das Berner Archivierungssystemin keiner Weise dem unsrigen entsprach.Damit die Originalakten am Schluss unsererDigitalisierung und Neuarchivierung wieder unbeschadetzurück gegeben werden konnten, wurdenin einem ersten Durchgang alle Dokumentationen


Dokumentation und Archiv173fotokopiert. Bis Grösse A3 war das farbecht und originalgetreuim Hause möglich. Die Kopien wurdennach <strong>Basel</strong>bieter Archivregeln neu sortiert und mitden bei uns vorhandenen Dokumenten abgeglichen.Mit unserem Aktenaufkleber versehen und neunummeriert, wurden sie zu einer systemgerechten<strong>Basel</strong>bieter Fundstellen-Akte umgeformt. In einemzweiten Durchgang wurden die Dokumente danndigitalisiert. Bei Qualitätsverlust konnte dabei nochauf die Berner Originale zurückgegriffen werden.Die Arbeit mit den unhandlichen grossformatigenPlänen hingegen musste aus praktischen Gründenin umgekehrter Arbeitsreihenfolge ablaufen. DiePläne gingen als erstes zur Digitalisierung nach<strong>Basel</strong>. Benannt mit der Berner Archivnummer kamensie als Scan zurück und liessen sich dann alsklein formatiger und handlicher Papierausdruck,versehen mit Aufkleber und Aktennummer, in unsereHängeregister integrierten. Bald waren dieScans ebenfalls entsprechend umnummeriert, insdigitale Archiv verschoben und verlinkt. So lassensich nun auch die grossformatigen Pläne über unsereFundstellendatenbank in Originalgrösse ansehen.Innerhalb eines dreimonatigen Praktikums wurdeso die erste Tranche Laufentaler Akten erfasst. Diegrossformatigen Pläne aus den Grabungen in Laufenund die Dias und Negative werden auf ein weiteresPraktikum im folgenden Jahr warten müssen.Bericht: Barbara RebmannVier dicht bepackteKisten mit Archivmaterialwarten auf dieVerarbeitung.


174 Dokumentation und ArchivEstrichräumung bringt Arbeit fürs ArchivDie Ruine Engensteinbei Pfeffingen liegtspektakulär exponiertauf einem engen Felskopf(Tom Schneider).Im Winter 2007 wurden bei der <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong>mehrere Umzugskartons und Planrollen angeliefert- wir hatten im entsprechenden <strong>Jahresbericht</strong>darüber kurz berichtet. Die Kartons hatten seit denspäten 1960er Jahren auf einem Estrich im Emmentalihren Dornröschenschlaf gehalten. Zuvor hatteeine Gruppe von jungen <strong>Archäologie</strong>interessiertenaus der Region die Burg Engenstein bei Pfeffingenuntersucht. Die spärliche Dokumentation zu dieserGrabung, die bereits in unserem Archiv war, warüber Jahrzehnte «portionenweise» aus unterschiedlichenQuellen hereingekommen. Trotzdem schiensie immer noch sehr rudimentär zu sein.Unsere Archivpraktikantin im Jahr 2007 hattedamals mit einiger Verzweiflung den Inhalt derSchachteln und Kartonröhren gesichtet. Nach einergroben Bestandesaufnahme und reiflicher Überlegunghatten wir uns dann aber entschieden, dassihre verbleibende Praktikumszeit kaum für die Aufarbeitungder Papierflut reichen würde. So schliefendie Akten in unserem Sitzungszimmer noch einpaar Jahre weiter, bis sich im Mai <strong>2012</strong> Laura Rindlisbacherdieser Arbeit annahm. Sie widmete ihreganze Einsatzzeit ausschliesslich diesem Papierberg,den Dia- und Fotoserien und den verschiedenenSchachteln mit Funden. Da sie schon im Vorjahr


Dokumentation und Archiv175mehrere Monate für unser Archiv gearbeitet hatte,war es für sie einfach, hier Ordnung zu schaffen unddie Akten in unser System zu überführen. So ging esanfangs auch ziemlich zügig voran mit Ausscheidenvon nicht relevanten Papieren, Fotokopien aus Büchernund privaten Notizzetteln.Schliesslich belegten nur noch drei neue Bundesordnerunsere Archivregale. Aber ganz so gehaltvollwie von uns erhofft war der Inhalt dann leider dochnicht. Zu viele der Befundzeichnungen waren nurskizziert, rudimentär oder gar nicht angeschriebenund waren so keiner bestimmten Ecke der Grabung,geschweige denn der Stratigraphie zuordenbar. Dievielen Tagebuchseiten gaben beim genauen Durchlesenhauptsächlich Auskunft über das Tageswetterund die unterschiedlich wichtigen Besucher auf derGrabung. Aussagekräftige Angaben zu Funden undBefunden hingegen waren eher spärlich. Trotzdemwurden alle vorhandenen Papiere archiviert. Dennsollte die Burg Engenstein eines Tages aufgearbeitetwerden, könnte es sein, dass die eine oder andereZeichnung doch noch in die Stratigraphie eingeordnetwerden und den Befund etwas erhellenkönnte.Bericht: Barbara RebmannDie «Grabungsdokumentation»der BurgEngenstein bei Pfeffingenbedurfte einigerNachbearbeitung.


177Auswertung und VermittlungMit der Ausstellung über den Keltenschatz, Veranstaltungen an der Universität <strong>Basel</strong> und in der Lehrerfortbildung,mit Ferienpassaktionen, öffentlichen Führungen und der Beschilderung archäologischerFundstätten brachte die <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> auch im Jahr <strong>2012</strong> ihre Erkenntnisse unter ein möglichstbreites Publikum.Um Vermitteln zu können, reicht blosses Graben und Bauforschen nicht aus. Es braucht auch Forschung.Selber grössere Studien zu einem Fundplatz zu betreiben, ist dem kleinen Team der <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong>neben der Last des Alltags indes kaum möglich. Wir sind deshalb sehr froh um externe Unterstützung indem Zusammenhang. Ob Abschlussarbeiten von Studierenden, etwa über das rätselhafte «Scherbenpflaster»von Reinach-Maus acker oder einen kleinen frühmittelalterlichen Friedhof am Bürgerweg in Aesch, obein Spezialistenblick auf die Amphoren von Munzach oder ein ausgewachsenes Forschungsprojekt über dieFundmünzen des <strong>Kanton</strong>s – sie alle bringen neues Wissen und helfen, die Fragestellungen für zukünftigeUntersuchungen zu schärfen. Allen Forscherinnen und Forschern, die uns ihre Erkenntnisse zuteil werdenlassen, gilt an dieser Stelle einmal mehr unser herzliches Dankeschön!Ein besonders herausforderndes und reizvolles Vermittlungsprojekt wurde im Berichtsjahr gemeinsam mitdem Historischen Museum <strong>Basel</strong> in Angriff genommen: eine Ausstellung über die Burgen und Ritter derRegion. Die Sonderschau mit dem Titel «Echte Burgen – falsche Ritter?» soll im November 2013 eröffnetwerden. Mehr dazu in einem Jahr.Reto Marti


178 Auswertung und VermittlungRätselhaftes «Keramikpflaster»vom Mausackerin Reinach.Auf einer Fläche von200 Quadratmeternlagen rund 60 000Keramikfragmentezum Teil mehrlagigübereinander.


Auswertung und Vermittlung179Das «Keramikpflaster» von Reinach, Mausacker:ein Glücksfall für die <strong>Archäologie</strong>Eine Notgrabung auf dem Areal Mausacker in Reinachbrachte im Jahr 2005 auf einer Fläche von etwa230 Aren Siedlungsspuren aus dem Mesolithikumbis in die Römerzeit zu Tage. Wie schon im <strong>Jahresbericht</strong>von 2006 beschrieben, konnte die <strong>Archäologie</strong><strong><strong>Basel</strong>land</strong> in der weiten Birsebene dabei auchein über 200 Quadratmeter grosses Areal freilegen,das in einer bis zu zehn Zentimeter dicken SchichtZehntausende von Keramikscherben enthielt. DieScherben lassen sich zeitlich vor allem der spätenBronzezeit und frühen Eisenzeit zuordnen.Unter den Gefässen dominieren Formen, wie siegrundsätzlich auch aus Siedlungen bekannt sind.Auffallend ist jedoch, dass einige typische Fundeaus Siedlungen, wie Siebe, Spinnwirtel oder Mahlsteine,fehlen. Die enormen Mengen an zerbrochenerKeramik warf schon während der Grabungdie Frage auf, ob es sich hier möglicherweise umein rituell genutztes Areal aus der Hallstattzeit handelnkönnte. Diese Frage sollte im Rahmen einerLizentiatsarbeit am Seminar für Ur- und Frühgeschichteder Universität <strong>Basel</strong> näher untersuchtwerden. In Anbetracht der zur Verfügung stehendenZeit ging es dabei nicht um die Aufarbeitung derenormen Fundmengen. Das Hauptthema der Arbeitwar vielmehr die Problematik der Fragmentierungvon Keramik und wie diese Frage in der <strong>Archäologie</strong>diskutiert wird. Hierzu wurden drei weitereFundstellen mit ähnlichen Befunden, die zeitlichEindrücklicheGrossbaustelle 2005:das «Scherbenpflaster»fand sich unter demgrossen Grabungszeltlinks.


180 Auswertung und VermittlungDie Keramik war überweite Flächen extremstark fragmentiert.etwa der gleichen Epoche zugeordnet werden können,zum Vergleich herangezogen: Die FundstellenCornaux, Le Roc (Kt. Neuenburg), Spiez, Eggli (Kt.Bern) und Bad Dürrheim, Unterbaldingen (Baden-Württemberg) wiesen wie das Keramikpflaster imMausacker viel fragmentierte Keramik auf.Im Vergleich der vier Fundstellen wurde deutlich,dass neben Übereinstimmungen wie einer ähnlichmächtigen Keramikschicht, vergleichbarem Gefässspektrumund auffällig wenigen Metall- oderKnochenfunden auch klare Unterschiede bestehen.Während in Cornaux, Spiez und Reinach eine ähnlichstarke Fragmentierung der Keramik vorlag, fälltdiesbezüglich der Keramikkomplex Bad Dürrheimaus dem Rahmen, da dessen Keramik eher grossformatigzerbrochen war und viele der Gefässe im Verbandgeborgen wurden. Das heisst: Im Gegensatz zuden drei anderen Fundstellen scheinen die Gefässehier am Standort zu Bruch gegangen zu sein.In Spiez wiederum wurden neben der fragmentiertenKeramik auch stark phosphathaltige Stelleninnerhalb der Grabungsfläche angetroffen, diedurch das Einsickern von Protein aus Nahrungsrestenoder Blut entstanden sein können – ein möglicherHinweis auf Nahrungsopfer. Zudem wiesenin Spiez einige Scherben aus trichterförmigen GrubenBrandspuren auf, während solche in den dreiVergleichsfundstellen fehlen. Im Eggli waren zwar


Auswertung und Vermittlung181Metallfunde ebenfalls rar, Fragmente von Knopfsichelnerweckten jedoch den Eindruck einer gewolltenNiederlegung, da sie in einer Linie mit derSpitze nach unten und mit gleichbleibendem Abstandvoneinander aufgefunden wurden.Nicht nur die Art und Weise einer Nieder legungkönnen auf rituelle Handlungen hinweisen. BeiFundplätzen wie dem Keramikpflaster vom Mausackersind auch die Art und der Grad der Fragmentierungder Scherben wichtige Kriterien, diesystematisch analysiert werden müssen, um abzuklären,ob es sich um einen Ritualplatz handelt. BeimMausacker war mehrheitlich ein hoher Fragmentierungsgrad,mit Scherbendurchmessern oft um zweiZentimeter, festzustellen. Diese hohe Zerscherbungkann auf eine intentionelle Zerstörung der Keramikhinweisen, die in der Forschung im Zusammenhangmit rituellen Handlungen gesehen wird.Beim Mausacker fällt aber nicht nur der hohe Fragmentierungsgradauf, sondern auch ein Gefäss, dasin kuchenstückartige Teile zerbrochen ist. Darüberhinaus hafteten an den Bruchstellen Birkenteerrestean. Allein schon die Form der Fragmente lässt daraufschliessen, dass die Zerstörung absichtlich geschah.Die Reste des Birkenteers deuten darauf hin,dass das Gefäss, noch bevor es ins Keramikpflasterkam, wieder zusammengeklebt wurde. Birkenteerklümpchenlagen auch sonst vereinzelt im Scherbenpflaster.Fragmente einerSchale, die offensichtlichgezielt zerlegt undmit Birkenteer wiederzusammengeklebtwurde.


182 Auswertung und VermittlungVielfältig an Formenund Dekor sind diezahlreichen, nur wenigeZentimeter grossenMiniaturgefässe vomMausacker.Wenn im Keramikspektrum einer Fundstelle spezielleGefässformen vorkommen, die in Siedlungennicht gängig sind, werden diese gerne mit rituellenHandlungen in Zusammenhang gebracht. Im Falledes Keramikpflasters im Mausacker sticht dabeinicht nur das prächtige, prunkvoll verzierte Kegelhalsgefässheraus (s. Seite 136 ff.), sondern auch diegrosse Anzahl von Miniaturgefässen, die zum Teilin regelrechten «Nestern» geborgen wurden. DieseKleinstgefässe werden in der <strong>Archäologie</strong> oft inZusammenhang mit besonderen Handlungen gebrachtund auch sinnbildlich als Ersatz von normalgrosser Keramik angesehen. Ihre Deutung istin der <strong>Archäologie</strong> jedoch nicht unumstritten. Nebenden Miniaturgefässen kann das Keramikpflasterauch mit einem Gefäss mit sechs Füsschen aufwarten,was eine Seltenheit im Keramikspektrum derHallstattzeit darstellt. Zusätzlich sind die Füsschenvermutlich absichtlich auf gleicher Höhe abgeschlagen– also auch hier ein Indiz für die besondereBehandlung eines Spezialgefässes.Die Menge und die starke Fragmentierung derScherben, das Fehlen einiger typischer Siedlungsfunde,die speziellen Gefässformen und auch derBirkenteer legen den Schluss nahe, dass es sich beimKeramikpflaster vom Mausacker mit grosser Wahrscheinlichkeitum einen rituell genutzten Platz ausder Hallstattzeit handelt. Auf der Suche nach wei-


Auswertung und Vermittlung183teren Hinweisen in diese Richtung wurde in derLizentiatsarbeit das Phänomen der Fragmentierungund dessen Deutung in der <strong>Archäologie</strong> näher untersucht.Es kristallisierte sich jedoch heraus, dass indiesem Bereich noch vieles unklar und die Gefahrvon Zirkelschlüssen sehr gross ist.Weitere hilfreiche wissenschaftliche Disziplinensind bei der Frage nach der Beurteilung einerFundstelle als Ritualplatz die Ethnologie und dieReligionswissenschaften. Sie können der <strong>Archäologie</strong>wichtige Hinweise darauf geben, mit welchenHinterlassenschaften bei rituellen Handlungen zurechnen ist – etwa das 3. Buch Mose 6,21, das dieVorschriften beschreibt, die während eines Brand-,Speis- oder Sühneopfers befolgt werden müssen: «Istes in einem irdenen Gefäss gekocht worden, so solles zerbrochen werden, ist es in einem ehernen gekochtworden, so muss es gescheuert und mit Wassergespült werden». Dabei ist jedoch zu beachten, dasseine Gleichsetzung von Ritualen aus anderen Kulturenund späteren Epochen mit archäologischenBefunden sehr problematisch ist.Das Keramikpflaster im Mausacker ist von seinemFundspektrum zwar vergleichbar mit anderenFundstellen. Durch die Anzahl der Scherben undder Grösse des Areals ist es aber einzigartig. EineAusnahme bildet eine weitere Fundstelle aus dem<strong>Kanton</strong> <strong>Basel</strong>-Landschaft: Allschwil Vogelgärten.Diesem singulärenGefäss mit Glättdekorim Innern wurdenoffenbar absichtlichseine sechs Füsschenabgeschlagen.


184 Auswertung und VermittlungBei einer grösserenGrube hat man denEindruck, die Scherbenseinen bewusstaufgelesen und hierdeponiert worden.Auch dort ist eine grosse Anzahl an Keramik zusammenmit Miniaturgefässen zu Tage gekommen,bei gleichzeitigem Fehlen anderer Funde aus Metalloder Knochen. Leider ist diese Fundstelle nur ausschnittweiseerfasst, so dass wichtige Informationenfür einen Vergleich fehlen.Andere Befundgattungen wie Brandopferplätze,Felsturmopferplätze, Keramikdeponierungen odersogenannte Erdöfen weisen im Vergleich dazu andereStrukturen und Funde auf. So fehlen im Mausackereinerseits eindeutige Hinweise auf BrandoderNahrungsopfer, andererseits auch markanteNaturerscheinungen wie Felsen oder Felsspalten.Im Gegensatz zu den meisten Keramikdeponierungenwurde hier die Keramik nach den heutigenErkenntnissen nicht sorgfältig niedergelegt, wie dassonst oft der Fall ist. Die Scherben liegen zum Teilvielmehr derart dicht und mehrlagig ineinander,dass der Eindruck entsteht, sie seien zum Teil aufgesammelt,zusammengeschoben oder gar bewusst inGruben deponiert worden.Das Keramikpflaster vom Mausacker in Reinachstellt mit seinen ungewöhnlichen Funden für die


Auswertung und Vermittlung185Abklärung von vielen archäologischen Fragen einenGlücksfall dar. Anhand der grossen Menge vonfragmentierter Keramik liesse sich eine einheitlicheDefinition zum Fragmentierungsgrad erarbeiten.Ausserdem gibt diese Fülle an Keramik ein zuverlässigesBild zum Spektrum und zur Häufigkeit derGefässformen, so dass in Zukunft weitaus genauereAussagen zur Unterscheidung von Siedlungs-,Grab- oder eben Ritualplätzen möglich werden.Genauso bietet sich die Möglichkeit, die Bedeutungbestimmter Gefässformen zu konkretisieren, wiebeispielsweise der Miniaturgefässe. Die Auswertungdes Keramikpflasters Mausacker wird nicht nur zueinem deutlicheren Bild der prähistorischen Gesellschaftvor etwa 3000 Jahren in Reinach verhelfen,sondern auch zu einem besseren Verständnis desspirituellen Denkens jener Zeit. Darüber hinaus istdie Untersuchung des Keramikpflasters ein unentbehrlicherBeitrag zu laufenden Forschungen zumThema Naturopferplätze in der Region <strong>Basel</strong>, Juraund Süddeutschland.Bericht: Simone KieferAuch dieser Grubenbefunderweckt denEindruck, man hättedie Keramik – vielleichtin etwas eingewickelt –hier vergraben.


186 Auswertung und VermittlungDie Satyrmaske von Pratteln: eine neueDeutungDas 6,5 Zenti meterhohe Bronzeblech mitder Darstellung einesSatyrkopfes stammtvermutlich von einemPferdegeschirr.2010 bezog das Departement Altertumswissenschaftender Universität <strong>Basel</strong> seine neuen Räume imRosshof am Petersgraben in <strong>Basel</strong>. Die zuvor räumlichgetrennten Fächer Ägyptologie, Alte Geschichte,Klassische Philologie, Klassische <strong>Archäologie</strong>, UrundFrühgeschichte sowie die <strong>Archäologie</strong> Schweizsind seither unter einem Dach vereint. Dies wirktsich auch auf die Arbeit der <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong>aus, denn mit den Fächern sind auch die einzelnenBibliotheken mitgewandert, was den Zeitaufwandbei Recherchearbeiten verringert. Darüber hinauswurde der Fachaustausch mit den Nachbardisziplinenauf eine ganz neue Basis gestellt.Ein konkretes Resultat der frisch belebten Zusammenarbeitist die Neubeurteilung einer Satyrmaskeaus Pratteln. Das lebhaft geprägte Bronzeblech kamschon vor etlichen Jahren aus dem Nachlass einesPrivatsammlers zur <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong>. Auchwenn die genauen Fundumstände nicht restlos zuklären sind, ist eine Herkunft aus den Grabhügeln inder Muttenzer und Prattler Hard sehr wahrscheinlich.Klar war zudem von Anfang an, dass es sichum einen etruskischen Import handelt, der um dieMitte des 5. Jahrhunderts vor Christus zu datierenist. Satyrn sind dämonische Mischwesen, zum Teilmit Bart und grossen Ohren, zum Teil glatzköpfigund tierfüssig dargestellt, die im Gefolge des grie-


Auswertung und Vermittlung187chischen Weingottes Dionysos tanzend und musizierendihr Unwesen trieben.Ein erster Deutungsversuch kombinierte das Blechmit einem Stück Blei aus der gleichen Sammlungund sah darin eine Henkelattasche eines Eimers(Stamnos). Diese Interpretation blieb aber umstritten.Einerseits gab es keine eindeutige Parallele undandererseits erschienen vielen Forschern das Blechzu dünn und die nachgewiesenen Ösen falsch platziertfür diesen Zweck. <strong>2012</strong> nun machte der Professorfür Klassische <strong>Archäologie</strong>, Martin Guggisberg,den Verfasser bei einem Besuch in anderer Sache aufeine Parallele aus Populonia (I) aufmerksam. Dieseetruskische Stadt in der Nähe von Pisa ist seit mehrals hundert Jahren Ziel von Ausgrabungen.Im Jahr 1908 stiessen die Ausgräber auf eine Bestattung,die unter anderem ein Pferdezaumzeugals Beigabe aufwies. Unter den zugehörigen Objektenfindet sich eine erstaunlich nahe Parallelezum Fund von Pratteln. Die Satyrmaske war alsoTeil eines Pferdegeschirrs und stammte vielleichtaus einer Werkstatt in Populonia. Ob sie gemeinsammit einem Pferd den Weg über die Alpen fand oderseparat als Handelsware hierher kam, bleibt unbekannt.Bericht: Andreas FischerDer Vergleichsfundaus der EtruskerstadtPopulonia bei Pisaist leider nur dankeiner vagen Fotografie,publi ziert 1908,bekannt.


188 Auswertung und VermittlungIm 160 Meter breitenund rund 300 Meterlangen, ummauertenHof öffnete sich nachOsten der komfortableund mit Mosaikbödengeschmückte Wohntraktdes Gutsbesitzers.Daran schlossensich mächtigeScheunen sowie etwaein Dutzend an derHofmauer angebauteHäuser an, in denendas Gesinde wohnteund Werkstätteneingerichtet waren.150–200 Leute müssenhier gelebt haben (BildMarkus Schaub).


Auswertung und Vermittlung189Weit weg und doch nah dran! Ein Blick aufden römischen Gutshof von MunzachDer Blick, den die Schreibende <strong>2012</strong> ins Depot der<strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> und auf die Funde aus demrömischen Gutshof von Munzach warf, führt um2000 Jahre zurück, als in Augst die Hauptstadt derRauriker stand und an der Stelle von Liestal vielleichtein paar Häuser an einer Strassengabelung.Damals lag am Eingang des Röserentals in Munzacheines der grossen Landgüter im Umland derColonia Augusta Raurica.Die römische Landwirtschaft war eine hervorragendorganisierte, auf Überschussproduktion ausgerichteteWirtschaftsweise. In den Nordwestprovinzenführten die Praxis und die Erfahrungen dereinheimischen Landwirtschaft in Verbindung mitrömischer Agrartheorie vom 1. Jahrhundert n. Chr.an zu grosser Blüte. Grundbesitz und dessen Nutzungbildeten eine der wichtigsten Quellen vonReichtum.Archäologisch erkennen wir diesen Reichtum auchin der teils prächtigen Ausstattung der Landsitze: mitHypokausten beheizbare Wohnräume, Wand- undDeckenmalereien, farbige Mosaikböden, Ziergärten.Als Besitzer derartiger Landgüter ist in vielenFällen die einheimische Oberschicht anzunehmenoder bezeugt. Im Falle von Villen wie Munzachmüssen diese Notablen Ämter in der KoloniestadtAugst ausgeübt haben. Anders als in späteren ZeitenDer 50 Zentimeterhohe und fast achtKilogramm schwerebronzene Delphinzierte als Wasser speiereinen Brunnen imGarten der Villa.


190 Auswertung und VermittlungEinige der bis zu10 000 in Reihengestapelten italischenWeinamphoren ineinem Schiffs wrack beiMarseille, um 70 v. Chr.(Gallia Suppl. 34, 1978).waren damit Stadt und Land, Zentrum und Peripherieverbunden.Weitere Einblicke in die Lebensweise verspricht dieErnährung. Dazu gehörte in der Antike auch dasGrundnahrungsmittel Wein. Der Rebensaft schriebnicht nur Kulturgeschichte, sondern war auch einbedeutender Wirtschaftsfaktor. Für Munzach stelltsich die Frage, ob Wein über die Jahrhunderte hinwegimportiert wurde, oder ob man ihn damals imUmland von Augst anbaute (s. Seite 194 f.). Im heutigen<strong>Kanton</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> gibt es ja eine ganze Reiheguter Weine, weisse und rote. Wahrscheinlich ist, dasshier bereits in römischer Zeit Reben angebaut wurdenund gediehen, aber es fehlen in unseren Regionenbislang archäologische Spuren dafür, dass Weinin grösseren Mengen gekeltert wurde. Es rentiertesich wohl nicht, und lange Zeit blieb es deshalb einfacher,Wein über den ausgezeichnet organisiertenHandel zu importieren, Luxusweine ohnehin.Wein selbst erhält sich im Boden nicht, jedoch sehrwohl die Einwegverpackungen, insbesondere die ausTon gefertigten Amphoren. Nach diesen im ganzenMittelmeerraum typischen, in der Regel zweihenkligenTransportgefässen bezeichnete man ein üblichesHohlmass von etwa 26 Litern als amphora undbestimmte damit sogar das Fassungsvermögen von


Auswertung und Vermittlung191Marseille, Griechenland,Libanon (vlnr): Scherbenerzählen in Munzachvom Weinimport ausfernen Landen.


192 Auswertung und VermittlungModell des Weingutesvon Donzère imsüdlichen Rhonetal(Katalog «Le Vin»,Lyon 2004).Schiffen. Auch daran lässt sich die Bedeutung desWeinhandels und Weintransports ermessen.Bereits ein erster Blick in die Fundmassen aus denAusgrabungen in Munzach zeigt Transportamphorenfür Wein, deren teils exotischer Inhalt imGutshof auf den Tisch kam. Die fremde Herkunftlassen einerseits die Form und andererseits spezifischeEinschlüsse im Ton erkennen. So zeigen unsauf den ersten Blick unscheinbare Scherben Importweinedes 1. bis 3. Jahrhunderts aus dem ganzenMittelmeerraum an: aus Katalanien in Spanien, ausMarseille, von den griechischen Inseln und bis inden Libanon. Die meisten der bisher gesichtetenWeinamphoren stammen jedoch aus Südfrankreich,aus dem Gebiet des heutigen Côte-du-Rhône undGigondas bis in die Region Languedoc-Roussillon.Sie kamen aus grossen Weingütern wie etwademjenigen von Donzère (Dép. Drôme) im unterenRhonetal. Jährlich wurden tausende solcher Weinamphorenvor allem in die Nordwestprovinzen desrömischen Reichs importiert, bis weit ins 3. Jahrhunderthinein.Im Weingut von Donzère fand sich neben grossenKelteranlagen ein Weinkeller mit über 60 im Bodeneingegrabenen Tonfässern, sogenannten Dolien,


Auswertung und Vermittlung193mit einem Fassungsvermögen zwischen 1200 und1800 Litern, also für rund 100 000 Liter Wein. Vorder nächsten Weinlese wurde der Wein in Amphorenzu etwa 26 Litern Fassungsvermögen umgefüllt,was etwa 4000 Amphoren entspricht; der einfachereWein kam vielleicht in Fässer zu etwa 800 Litern.Der abgefüllte Wein wurde vor allem in die Nordwestprovinzenverhandelt.Im Gegensatz zu den Mosaiken und zum Delphinerscheinen diese Scherben auf den ersten Blickganz unspektakulär und ruhen deshalb mit tausendenanderen bislang unbearbeitet im Depot. Dochwürde ihre wissenschaftliche Untersuchung nichtnur mit Sicherheit weitere Weinimporte und damitEinblicke in die Lebens- und Wirtschaftsweise inMunzach geben, sondern auch ganz grundsätzlicheFragen angehen lassen. Die Villa von Munzach hatnämlich eine lange Geschichte; ihre Anfänge sindaber noch kaum bekannt: stand dort bereits in spätkeltischerZeit ein Gehöft? Wie entwickelte sich dieVilla in römischer Zeit? Welche Bezüge gibt es zurHauptstadt? – À suivre!Bericht: Stefanie Martin-KilcherWein aus Südgallien inden charakteristischenAmphoren mit flachemBoden wurde inMunzach offenbaröfters gekauft.


194Auswertung und VermittlungReste zweier Rebstickelund eines Rebstocks,letzterer ins 5./6. Jahrhundertdatiert, ausder Klus bei Aesch, wonoch heute Weinbaubetrieben wird.Vinum rauracum? Indizien für römischenWeinbau in der NordwestschweizDas <strong>Basel</strong>biet als Weinkanton zu bezeichnen, greiftvielleicht etwas hoch. Fakt ist aber, dass es auch hierWinzer gibt, die Spitzenweine kreieren und aufeine lange Tradition zurückblicken. Wie lange in derNordwestschweiz schon Wein angebaut wird, lässtsich bislang nicht schlüssig beantworten. Es gibt aberein paar Indizien, dass die Geschichte des Weinbausbis in römische Zeit zurückreicht. Die ältesten archäobotanischenNachweise von kultivierten Traubenkernendatieren in der Region <strong>Basel</strong> in die späteLatènezeit (150–15 v. Chr.). Aus der römischen Epochewurden bis 2008 nicht weniger als 16’566 Traubenkerneaus Erdproben ausgelesen. Dies bedeutetjedoch nicht, dass die Reben auch tatsächlich hierwuchsen, kann es sich doch auch um Importe vonTafeltrauben oder Sultaninen handeln. Bis vor wenigenJahren glaubte man den endgültigen Beweisfür römischen Weinbau in Aesch gefunden zu haben.Dort wurden 1966 in der Nähe der villa rusticain der Klus ein Rebstock und Rebstickel gefunden.Eine erste 14 C-Datierung wies diese ins 4. Jahrhundertnach Christus. Eine Neukalibrierung der Datenzeigte dann, dass sie erst im 5./6. Jahrhundert – alsoim beginnenden Frühmittelalter – dort wuchs. Eserscheint aber durchaus plausibel, dass der Weinbaunicht von den Franken eingeführt, sondern jene ihnvon den Römern übernommen haben.In den letzten Jahren sind bei Ausgrabungen in römischenGutshöfen Installationen zum Vorscheingekommen, die mit dem Wein- oder Obstbau zu


Auswertung und Vermittlung195tun haben könnten. Dazu gehört etwa ein grosser,seltsam bearbeiteter Sandsteinblock aus Pratteln-Kästeli. Die besten Parallelen sind bislang Keltersteine,Gewichte von Traubenpressen, aus dem Moselgebiet.Auch das mächtige Fundament im Innerneines Gebäudes der Villa in Seltisberg-Im Winkellässt am ehesten auf eine Presse schliessen, allerdingsfehlt auch hier der Nachweis, dass man damit Traubenverarbeitet hat. Nimmt man weitere Funde wieRebmesser dazu, kann man zu Recht behaupten,dass sich die Indizien verdichten – doch der letzteBeweis für vinum rauracum steht immer noch aus.Bericht: Andreas FischerDer mögliche Keltersteinaus Pratteln (links)und das mächtige,metertiefe Steinfundamentwohl einer Pressein Seltisberg (rechts).


196 Auswertung und VermittlungMuttenz, Hard.Die konserviertenGrundmauern desWachturms stehenheute im Wald.


Auswertung und Vermittlung197Eine neue Infotafel für einen alten TurmDer spätrömische Wachturm in der Muttenzer Hardist seit über 250 Jahren bekannt. Im Herbst <strong>2012</strong> istnun für dieses wichtige Kulturdenkmal in Zusammenarbeitmit der Vindonissa-Professur der Universität<strong>Basel</strong> eine neue Infotafel entstanden.Der Wachturm wurde 1751 entdeckt und seithermehrere Male untersucht. Zuletzt hat ihn 1975 die<strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> freigelegt und konserviert.Man geht davon aus, dass der Turm um 370 n. Chr.errichtet wurde, als Kaiser Valentinian den Rheinund die Donau mit steinernen Wachtürmen befestigenliess.Innerhalb des <strong>Kanton</strong>s <strong><strong>Basel</strong>land</strong> ist lediglich einweiterer dieser Wachtürme bekannt: beim Sternenfeldin Birsfelden. Er wurde aber beim Bau des Auhafens1938 zerstört. Geht man davon aus, dass dieseTürme oft in regelmässigen Abständen von einerrömischer Meile (ca. 1,5 km) errichtet wurden, wärezu erwarten, dass sich zwischen <strong>Basel</strong> und Kaiseraugstnoch weitere befunden haben. In der Hoffnung,unbekannte Türme freizulegen, führte derBasler Archäologe Karl Stehlin 1909 an verschiedenenOrten auf der Strecke Augst-SchweizerhalleBereits EmanuelBüchel hat die im18. Jahrhundertergrabenen Reste desTurms zeichnerischfestgehalten.


198 Auswertung und VermittlungDie vereinfachtdargestellten Sichtfelder der Anlagenzwischen <strong>Basel</strong> undKaiseraugst sind unterschiedlicheingefärbt.Sondierungen durch, die aber keine neuen Ergebnisselieferten. Trotzdem wurden in der Forschungweitere Türme vermutet. So ging zum Beispiel WalterDrack 1980 von drei unbekannten Türmen im<strong>Kanton</strong> aus, die er jeweils zwischen den folgendenbekannten Anlagen vermutete: Dem Kastell aufdem Münsterhügel in <strong>Basel</strong>, dem Wachturm beimSternenfeld, jenem in der Muttenzer Hard und demCastrum Rauracense in Kaiseraugst.Die heutige Forschung hat den Ansatz, dass dieTürme jeweils in Sichtverbindung zueinander standen,aber auch so positioniert waren, dass sich möglichsttiefe Einblicke in das rechtsrheinische Gebiet


Auswertung und Vermittlung199ergaben. Anhand der Berechnung der Sichtfelderder einzelnen Anlagen lassen sich so weitere Erkenntnissegewinnen. Der postulierte Turm zwischenden Wachtürmen beim Sternenfeld und inder Muttenzer Hard ist eher unwahrscheinlich, dadie beiden gerade noch in Sichtverbindung erbautwurden. Andererseits bestand vom Kastell auf demBasler Münsterhügel aus keine direkte Sichtverbindungzum Wachturm in Birsfelden, was eine weitereInstallation – womöglich auf rechtsrheinischer Seite,vielleicht in der Nähe des ehemaligen Kinderspitals– denkbar macht. Des Weiteren war das Gebietdes heutigen Grenzach-Wyhlen nur vom Turm inder Muttenzer Hard aus überblickbar, wohingegendas restliche rechtsrheinische Gebiet stets von mindestenszwei Anlagen aus überwacht werden konnte.Somit scheint ein weiterer Turm zwischen derMuttenzer Hard und dem Castrum Rauracense sehrwahrscheinlich. Im Rahmen einer Seminararbeit ander Universität <strong>Basel</strong> sollen solche möglicherweisevorhandenen Muster und Regelmässigkeiten beimBau der valentinianischen Rheinbefestigung untersuchtwerden, was vielleicht der Verifizierung derhier aufgestellten Hypothesen dienen kann.Bericht: Andreas CallierottiRekonstruktion einesrömischen Wachturmsbeim Kastell Zugmantelin Hessen (OllerRainer, Panoramio).


200 Auswertung und VermittlungAesch, Bürgerweg.Grab 15 mit dem Skeletteines Kleinkindes.Über dem Oberkörperliegt ein grosses Fragmenteines Keramiktopfes.


Auswertung und Vermittlung201Aesch, Bürgerweg: die Auswertung einesfrühmittelalterlichen BestattungsplatzesIm Jahr 2005 wurden im Rahmen einer Notgrabungam Bürgerweg in Aesch 19 Gräber freigelegt,die zu einem grösseren, bisher noch nicht vollständigausgegrabenen Bestattungsplatz gehören undins 8. Jahrhundert datieren. Die Funde aus dieserGrabung wurden nun im Rahmen einer Bachelor-Arbeit an der Universität <strong>Basel</strong> archäologisch undanthropologisch untersucht.Die Analyse des Skelettmaterials zeigte, dass es sichbei den bestatteten Personen um eine hart arbeitende,ländliche Bevölkerung handelte. Ungewöhnlichist der grosse Anteil (64%) an Kinderskeletten, vondenen die meisten Anzeichen für Mangelernährungzeigen. Diese Beobachtung ist nicht überraschend,da gesunde Kinder in der Regel das Erwachsenenlebenerreichen.Da sich Kinder noch im Wachstum befinden, reagierenihre Knochen viel schneller auf fehlendeRessourcen. Deshalb lassen sich an ihren Skelettenauch kurze Mangelphasen nachweisen. Ob ein Kinddas Erwachsenenalter erreichte, hing in der Vergangenheitvor allem von der Konstitution des Säuglingszum Zeitpunkt der Geburt ab. Eine Frühgeburtverfügt nicht über die gleichen Reserven wieein vollständig ausgetragenes Neugeborenes. Ersterekönnen Mangelperioden, zum Beispiel das AbstillenGrab 18: Das Skeletteines Neugeborenenwährend der Auswertungdes Materials.


202 Auswertung und VermittlungSchädelfragment einesKindes mit Zeichen vonMangelernährung inForm von Knochenauflagerungen(Grab 16;rechts vergrössert).oder besonders lange Winter, nicht ausgleichen undsind dadurch anfälliger auf Infektionskrankheiten.Mangelerscheinungen an Kinderskeletten bedeutenin keiner Weise, dass diese Individuen gehungerthaben, sondern nur, dass sie zum Zeitpunkt desTodes einseitig ernährt waren.Diejenigen Erwachsenen, bei denen eine Geschlechtsbestimmungmöglich war, wurden sicherals männlich bestimmt. Der Gesundheitszustand deradulten Personen ist trotz der feststellbaren Arbeitsbelastungsehr gut; Verschleisserscheinungen an denBein- und Armgelenken liessen sich kaum nachweisen.Von den 19 erkannten Gräbern enthielten sechsBeigaben. Das Messer und der Pfriem, die man ausGrab 2 bergen konnte, wurden bereits im <strong>Jahresbericht</strong>von 2006 vorgestellt. Bei den restlichen Beigabenhandelt es sich um Keramikscherben, die indie Verfüllung der Gräber gelegt wurden. Dabei istklar, dass die Fragmente zu Gefässen gehörten, diebereits vor der Niederlegung zerbrochen wordenwaren – wahrscheinlich absichtlich im Rahmeneines Ritus. Diese Beigabensitte findet man auchim Südelsass und dem Breisgau. Doch nicht nur dieArt der Keramikbeigabe, sondern auch die Formund Herstellung der Gefässe zeigt Verbindungen ins


Auswertung und Vermittlung203Elsass auf. Alle Scherben, die aus Gräbern geborgenwurden, bestehen aus einem sandig-körnigenTongemisch mit einem hohen Anteil an Glimmer.Man bezeichnet die Keramik deshalb als südelsässischeGlimmerware. Interessant ist die Beobachtung,dass im Südelsass – inklusive Aesch – andereKeramikwaren in die Gräber gelegt wurden, alsim Breisgau. Auf der deutschen Seite des Rheineswird mit Kalk gemagerte Keramik als Beigabeverwendet, was mit den Funden in den Siedlungendieses Gebietes korrespondiert.Diese Verbindungen zwischen der Nordwestschweiz,dem Elsass und dem Breisgau passensehr gut ins bisherige Bild des Oberrheingebietsim Frühmittelalter. Bereits im 6. Jahrhundert istzwischen Jura und Hochrhein ein Kulturraum erkennbar,der auch den Oberrhein mit einbezieht,und ab dem 7. Jahrhundert sind schriftliche Quellenbekannt, die Beziehungen zwischen der Nordschweizund dem Elsass aufzeigen. Die Grabfundevon Aesch zeigen, dass dieser «fränkische» Kulturraumauch in der nachmerowingerzeitlichen Phaseweiterbestanden hat.Bericht: Laura RindlisbacherZwei der in Scherbenbeigegebenen Töpfe inzeichnerischer Rekonstruktion.M 1:4.


204 Auswertung und VermittlungFundmünzen aus demNachlass von MartinBirmann, in originalerÜberlieferung feinsäuberlich aufgenähtund beschriftet.


Auswertung und Vermittlung205Ständerat Martin Birmann (1828–1890)und die <strong>Basel</strong>bieter FundmünzenBevor mit dem neuen Zivilgesetzbuch im Jahre1912 geregelt wurde, dass «herrenlose Güter» den<strong>Kanton</strong>en gehören, spielten interessierte Privatpersoneneine grundlegende Rolle bei der Dokumentationund Bewahrung von Bodenfunden. Alsaufmerksame «<strong>Archäologie</strong>-Kundschafter» vor Ortleisten diese bis heute einen nicht zu unterschätzendenBeitrag.Für die Fundmünzen im <strong>Basel</strong>biet des 19. Jahrhundertswar Ständerat Martin Birmann (1828–1890)von besonderer Bedeutung. Als Martin Grieder inärmliche Verhältnisse hineingeboren, fiel er als begabterSchüler auf und wurde gefördert, so dass er in<strong>Basel</strong> Theologie studieren konnte. 1853 adoptierteihn die verwitwete Juliane Birmann-Vischer aus<strong>Basel</strong>. Seine Herkunft vergass er jedoch nie, wederals Pfarrer, als Armeninspektor, Land- noch Ständerat.Die Verbundenheit mit seinem jungen <strong>Kanton</strong>zeigt sich auch in drei erhaltenen Kartons aus seinemBesitz, auf denen Fundmünzen der Umgebungsorgfältig aufgenäht und beschriftet sind.Für die wissenschaftliche Bearbeitung der Münzenmüssen nicht nur die Vorder-, sondern auchdie Rückseiten sichtbar sein. Um aber dieses interessanteZeitdokument nicht zerstören zu müssen,wurde der Karton mit unterschiedlicher Strahlenstärkegeröntgt: So wurden auch die Rückseitenerkennbar.Posamentersohnmit grosser Karriere:Martin Birmann.Portrait von ArnoldSeiler (Staatsarchiv<strong><strong>Basel</strong>land</strong>).


206 Auswertung und VermittlungMedaillon desrömischen KaisersCommodus (180–192),1883 in Sissach gefunden.Durchmesser37,5 Millimeter.15 der 17 aufgenähten Münzen stammen aus derrömischen Kaiserzeit; es handelt sich um Fundeaus Augst (eine Münze stammt aus dem bekanntenBachofenschen Schatzfund des dritten Jahrhundertsn. Chr.), Binningen, Birsfelden, Bubendorf, Hölstein,Langenbruck, Liestal, Pratteln, Sissach undZunzgen. Herausragend ist ein schweres, ausgezeichneterhaltenes Messing-Medaillon des KaisersCommodus (180–192 n. Chr.) aus Sissach. SolchePrägungen wurden in Rom nur zu besonderen Anlässenan ausgewählte Personen verschenkt; in denProvinzen sind entsprechende Funde verständlicherweiseäusserst selten.In einen ganz anderen Bereich führen die beidenmittelalterlichen Silbermünzen. Es handelt sichum zwei vierzipflige Pfennige. Ihre Beischrift lautet«Deutsche Ordensmünzen, gef. 800 Stück 1828im Fels geg. Beuggenwaid.» Die Ortschaft ist zwarnicht angegeben, aber einem <strong>Basel</strong>bieter war klar,dass es sich um die Beuggenfluh beziehungsweiseum die Flur Beuggenweid bei Bubendorf handelte –>Zwei Pfennige des späten 12.oder frühen 13. Jahrhunderts,gefunden 1828 in Bubendorf,Beuggenweid. Durchmesseretwa 18 Millimeter.


Auswertung und Vermittlung207ein Ort, mit dem auch zwei Schatzsagen verbundensind!Im <strong>Basel</strong>bieter Sagenbuch sind diese nachzulesen:Ein angetrunkener Posamenter aus Arboldswil trafdort nachts einen schwarzen Mann und seine weissgekleidete Tochter, die einen Schatz hüteten. Dieseforderten ihn auf, in einer Woche nüchtern zurückzukehrenund das Mädchen zu küssen; so fänden sieRuhe im Grab, und er erhalte den Schatz. Leiderverpassten er und seine Gattin den gesetzten Termin,die Geister verschwanden, und das EhepaarIm Röntgenbild derbeiden Pfennige sindauch die Rückseitender Münzen erkennbar(Nina Fernández,Augusta Raurica).


208 Auswertung und VermittlungZur genauen Bestimmungwerden vieleMünzen unter demBinokular begutachtet(Dominik Labhardt).blieb arm. Nach der Entdeckung des Hortes im Jahr1828 seien die beiden Gespenster nie mehr gesehenworden. Einer anderen Überlieferung zufolge solldort ein Hündchen den Schlüssel zu einer Schatztruhehüten, den ihm nur eine Jungfrau abnehmenkönne. Um 1860 versuchten einige Geschwister,den Schatz bzw. den Hund auszugraben, aber ohneErfolg: Der Schatz war ja bereits 1828 gehoben worden!Doch zurück zu unserem echten Schatz beziehungsweisezum kläglichen Rest davon: Beides sind vierzipfligenPfennige. Der rechte zeigt eine Büste vonvorn mit wirrem Haar, grossen kugeligen Augen,gerader Nase und angedeuteten Schultern. Überder linken Schulter ist ein Kreuz, über der rechtenein Stern dargestellt. Es handelt sich um einen sog.Struwelkopf-Pfennig, wie er im späten 12. Jahrhundertin Freiburg im Breisgau für Herzog Berthold V.von Zähringen (1186–1218) geprägt wurde. Zeitlichpasst das linke Stück, ein sog. Kolbenkreuzpfennig,bestens dazu: Die Vorderseite zeigt in einem Wulstkreisein Kreuz mit Kugelenden und Ringlein inden Winkeln, und im Röntgenbild lässt sich auf der


Auswertung und Vermittlung209Rückseite ein sechsspeichiges Rad erkennen. DiesePfennige wurden in <strong>Basel</strong> für die Bischöfe um 1180bis gegen 1220 geprägt.Im Historischen Museum <strong>Basel</strong> liegen zwei weitereMünzen aus diesem Hort: Ebenfalls je ein Stückdieser beiden Typen! Diese Übereinstimmungspricht dafür, dass der Hort tatsächlich nur aus solchenPfennigen bestand und um 1200 oder im frühen13. Jahrhundert verborgen wurde.Die Bearbeitung der Kartons aus dem Besitz vonMartin Birmann erfolgt im Rahmen des umfassendenProjektes «Fundmünzen <strong><strong>Basel</strong>land</strong>», das vonder <strong>Archäologie</strong> <strong><strong>Basel</strong>land</strong> gemeinsam mit dem Inventarder Fundmünzen der Schweiz getragen undvom Swisslos-Fonds <strong>Basel</strong>-Landschaft sowie derFreiwilligen Akademischen Gesellschaft <strong>Basel</strong> finanziertwird.Bericht: Rahel C. Ackermann, Markus PeterDas Projektteam:Roland Leuenberger,Sabine Bugmann,Markus Peter, RetoMarti und Rahel C.Ackermann (vlnr;Dominik Labhardt).


210 Auswertung und VermittlungVon Burgen und Bunkern: die Euro ­päi schen Tage des Denkmals <strong>2012</strong>Experten in ihremElement: MichaelSchmaedecke erläutertdie mittelalterlichenBefunde ...Erfreulicherweise kam nach den sehr guten Erfahrungenim Vorjahr auch <strong>2012</strong> wieder eine Zusammenarbeitmit der Denkmalpflege im Rahmen derEuropäischen Tage des Denkmals zustande. Gemässdem Konzept der Denkmalpflege wollte man diesesMal alle Angebote an einem Ort vereinen. Getreudem Motto «Stein und Beton» fiel die Wahl fiel aufdie Gemeinde Muttenz, die über ausserordentlicheBetongebäude verfügt. Die <strong>Archäologie</strong> bot dazupassend Führungen auf der Burgruine VordererWartenberg an. Als weitere Kooperationspartnerwurden die Vereinigung Pro Wartenberg und derSchweizerische Burgenverein mit an Bord geholt.Bei der Burg auf dem vorderen Wartenberg – wieauf zahlreichen anderen – treffen die «Steine» ausdem Mittelalter auf den «Beton» der Bunker ausder Zeit des Zweiten Weltkrieges. Dies ist nichtverwunderlich, da mittelalterliche Burgen meist anerhöhten, markanten Stellen mit gutem Ausblickerrichtet wurden. Dieselben Plätze waren in unsicherenZeiten auch in vorangehenden und folgendenEpochen sehr begehrt. So finden sich zumBeispiel auf dem Geländesporn des WartenbergsSpuren einer bronzezeitlichen Befestigung. Auch


Auswertung und Vermittlung211die Schweizer Armee warf zu Beginn des ZweitenWeltkrieges ihr Auge auf diese Orte und errichteteBeobachtungsposten, Flugabwehrstellungen oderBunker – letztere teilweise anstelle von, unter oderdirekt auf mittelalterlichen Mauern, die dadurch argin Mitleidenschaft gezogen wurden. Die Burgenwurden auch als Tarnung benutzt: Die Bunker «versteckten»sich unter oder hinter den Ruinen undwaren so für die feindliche Fernaufklärung praktischunsichtbar.Die fünf kurzweiligen Führungen von MittelalterundBefestigungsbauexperten stiessen bei bestemWetter auf grosses Interesse. Trotz der etwas abgelegenenÖrtlichkeit konnten insgesamt 94 sehr interessiertePersonen begrüsst werden. Ein speziellesAugenmerk wurde dabei auch auf die Fragen desUnterhalts und der Sicherung der Monumente gelegt.Viele Leute zeigten sich überrascht, dass nichtnur die mittelalterlichen Überreste, sondern auchdie Bunker in der Zwischenzeit unter Denkmalschutzstehen und der Nachwelt erhalten bleibensollten.Bericht: Andreas Fischer... und ThomasBitterli klärt überdie modernenFestungswerke auf.


212 Auswertung und VermittlungFerienpass: Ein Tag auf den Spuren vonMünzschätzen und SchatzsuchernGebannt beobachtendie Kinder, wie dasZinn für die Herstellungder Münzen schmilzt.Geld und Betrug sind schon seit den Anfängen desMünzwesens ein unzertrennliches Brüderpaar. Waslag also näher, als die beiden Ausstellungen «293 Silbermünzen»und «Bschiss» in einem gemeinsamenProgramm für Kinder zu vereinen. Zusammen mitdem Museum.BL veranstaltete die <strong>Archäologie</strong><strong><strong>Basel</strong>land</strong> für die drei Ferienpässe in der Region jeeinen Tag auf den Spuren von Münzschätzen undSchatzsuchern.Der Morgen war ganz dem Keltenschatz von Füllinsdorfgewidmet. Zuerst lernten die Kinder, wie inden verschiedenen Epochen Feuer entfacht wurde,den dieses brauchten sie anschliessend, um in sogenanntenTüpfelplatten Münzrohlinge zu schmelzen– ganz wie vor 2000 Jahren, nur mit dem Unterschied,dass wir uns kein echtes Silber leisten konnten,sondern mit Zinn Vorlieb nehmen mussten.Später mussten die Rohlinge in erkaltetem Zustandnoch in Form gebracht und gereinigt werden, bevorsie sich auf dem Prägestock mit Muskelkraft in Kopienvon Kaletedou-Quinaren verwandelten. Natürlichregten die Geldstücke auch bei einigen derjungen «Falschmünzer» die Fantasie an: Die Parkuhrneben dem Museum erkannte die Geldstücke aber


Auswertung und Vermittlung213problemlos als Fälschungen und spuckte sie wiederaus.Um die Münzen standesgemäss verwahren zu können,bastelten die Kinder parallel dazu ein Lederportemonnaie,das sie mit Brenneisen verzierenkonnten. Abgerundet wurde der Morgen mit einemüber der Feuerschale selbst zubereiteten keltischenEintopf. Das Gericht war zwar nicht nach jedermannsGeschmack, was aber der guten Stimmungkeinen Abbruch tat.Der Nachmittag war dann dem Thema Schatzsuchegewidmet. Angeregt durch eine alte Sage zeichnetenoder fotografierten die Kinder in Gruppenihre eigene Schatzsuchgeschichte. Danach galt es,den Schatz von Liestal zu finden, der sich erfreulicherweiseals essbar erwies. Nachdem die einzelnenGruppen ihre Schatzgeschichte – die einige bis inden Weltraum führte – den anderen vorgestellt hatten,war es auch schon wieder Zeit, den Heimweganzutreten. Nicht wenige mussten aber vorher denEltern noch unbedingt den Keltenschatz zeigen,über den sie nun so einiges gelernt hatten.Bericht: Andreas FischerMit Pinsel, Schere,Leim und Farbstiftzeichneten undbastelten dieKinder ihre eigeneSchatzgeschichte.


214 Auswertung und VermittlungLeihgabe von ObjektenIm Museum Laufentalist die Geologie neuausgestellt, ergänzt mitFunden aus dem neolithischenDolmengrabvon der Wahlenstrasse(Peter Borer).• Limesmuseum, Aalen, und Vindonissa Museum,Brugg, Ausstellung «Gefährliches Pflaster, Kriminalitätim Römischen Reich»: Fenstergitter Hölstein.• Museum Laufental, Laufen, neue Dauerausstellung:Funde aus der Grabung Laufen-Wahlenstrasse2000 (Dolmengrab), neolithisch und römisch.• Museum der Kulturen, <strong>Basel</strong>, Ausstellung «Pilgern»:Rosenkranz mit Münze aus Gelterkinden-Kirche, Pilgermuscheln (Jakobsmuscheln) ausEptingen-Riedfluh und Ziefen-Kirche, mittelalterlich.• Historisches Museum, <strong>Basel</strong>, neue Dauerausstellung:Topfhelm, Fussfessel, Handfessel, zwei Armbrustspannhakenaus der Burg Madeln bei Pratteln,Messingpfanne und Saufeder aus der Burg Bischofsteinbei Sissach, mittelalterlich.• Museum im Bürgerhaus, Pratteln, KunstausstellungErnst Weisskopf: Silexartefakte, Silexrohknollen,Axtrohform, Beilklingen und Keramikfragmente,paläolithisch bis bronzezeitlich.


Auswertung und Vermittlung215Publikationen• Lars Blöck, Andrea Bräuning, Eckhard Deschler-Erb, Andreas Fischer, Yolanda Hecht, Reto Marti,Michael Nick, Hannele Rissanen, Muriel Roth-Zehner, Norbert Spichtig, Die spätlatènezeitlicheSiedlungslandschaft am südlichen Oberrhein. In:Martin Schönfelder, Susanne Sievers (Hrsg.), L’âgedu fer entre la Champagne et la Vallée du Rhin.Kolloquium AFEAF, Aschaffenburg 2010. RGZMTagungen 14 (Mainz <strong>2012</strong>) 381–418.• Flyer: Die römische Wasserleitung von Lausennach Augst [http://www.archaeologie.bl.ch/Pages/Ausgrabungen/wasserleitung.html].• Reto Marti, Importierte Keramik des 9./10.Jahrhunderts in der Nordschweiz. Überlegungenzu ihrer Interpretation. In: Lutz Grundwald, HeidiPantermehl, Rainer Schreg (Hrsg.), Hochmittelalterliche Keramik am Rhein. Eine Quelle fürProduktion und Alltag des 9. bis 12. Jahrhunderts.RGZM Tagungen 13 (Mainz <strong>2012</strong>) 21–26.• Reto Marti (Text), Bruno Siegenthaler (Bilder),Beiträge von Maria Becker, Hans-Rudolf Meier,Zeitschichten – Themen der <strong>Archäologie</strong> im Dialogzwischen Kunst und Wissenschaft (Bern <strong>2012</strong>).• Michael Schmaedecke, Rezension zu: NataschaMehler, Tonpfeifen in Bayern (ca. 1600–1745). Bonn2010, in: H-Soz-u-Kult, 07.06.<strong>2012</strong> [http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/<strong>2012</strong>-2-167].«ZeitSchichten» – einProjekt zwischen Kunstund <strong>Archäologie</strong>, mitvielen Einblicken in dieFrühgeschichte des<strong>Basel</strong>biets.


Zeittabelle (v. Chr.) 216EreignisseFunde, FundstellenZeitenwende200400Jüngere Eisenzeit(Latènezeit)Rauriker (Kelten)erste stadtartige Siedlungen (Oppidum <strong>Basel</strong>-Gasfabrik)Caesar erobert Gallien, erste schriftliche NachrichtenGründung der Colonia Augusta Raurica (-44, erste Funde -15)Oppidum, Töpferei (Sissach-Fluh und Brüel)Flachgräber (Allschwil, Muttenz, Diepflingen ...)Siedlungsgruben (Gelterkinden, Therwil)Hortfunde (Münzschatz von Füllinsdorf)600800Ältere Eisenzeit(Hallstattzeit)Werkzeuge und Schmuck aus Eisen«Fürstensitze», erste Luxusimporte aus dem MittelmeerraumHöhensiedlungen (Muttenz-Wartenberg, Sissach-Burgenrain)Grabhügelfelder (Muttenz-Hard, Pratteln)100015002000BronzezeitHerausbildung sozialer SchichtenBuntmetall (Bronze) wird wichtiger Werkstoffbefestigten HöhensiedlungenMetallhandel, MetallhorteKlimaverschlechterung, Aufgabe der Seeufersiedlungen (-800)Höhensiedlungen (Pfeffingen-Schalberg, Muttenz ...)Siedlungen und Urnengräber (Birseck)Depotfunde (Aesch, Allschwil)30005500Jungsteinzeit(Neolithikum)Beginn Sesshaftigkeit, Ackerbauern, Viehzüchtererste Keramik, Objekte aus geschliffenem SteinBau fester Häuser, im Mittelland erste SeeufersiedlungenLa Hoguette-Keramik (Liestal-Hurlistrasse)Dolmengräber (Aesch, Laufen)Silexabbau (Lampenberg-Stälzler)7000Mittelsteinzeit(Mesolithikum)Jäger und Sammler in Wald- und BuschlandschaftenBestattung (Birsmatten-Basisgrotte)10’00050’000100’000150’000300’000Altsteinzeit(Paläolithikum)nomadisierende Jäger und SammlerHomo erectus, Neandertaler, moderner MenschWerkzeuge aus Silex und GeröllenEiszeiten wechseln mit WarmzeitenGletscher und TundraBeginn der Wiederbewaldung und Fundzunahme (ab -11‘000)Faustkeil (Pratteln)Chopping tool (Reinach-Mausacker)Freilandstation (Muttenz-Rütihard)Silexabbau (Roggenburg)bemalte Gerölle (Arlesheim)600’000


Funde, FundstellenEreignisse217 Zeittabelle (n. Chr.)Gewerbeanlagen (Binningen-Hollee)militärische Anlagen (Belchen, Langenbruck, ...)Aussiedlerhöfe<strong>Kanton</strong>strennung (1832), Bundesstaat (1848)Aufhebung Flurzwang (–1829), BevölkerungsexplosionIndustrialisierung, Technisierung, InformationsgesellschaftModerne2000Zunahme des Steinbaus, Gewerbeanlagen, KirchenumbautenHochwachten (Frenkendorf-Fluh, Pratteln, Sissach-Fluh, ...)Verkehrswege (Langenbruck-Passstrasse)Schlösser (Birseck, Farnsburg, Homburg, Pfeffingen ...)Reformation (ab 1520)Dreissigjähriger Krieg (1618–1648)Kolonialisierung in Amerika, Afrika und AsienNeuzeit18001600Kleinstädte (Liestal, Laufen, Waldenburg)Burgen (Pratteln-Madeln, Arlesheim-Birseck, Farnsburg,Homburg, Sissach-Bischofstein, Zwingen-Ramstein ...)Herausbildung der EidgenossenschaftErdbeben von <strong>Basel</strong> (1356)Gründung der Universität <strong>Basel</strong> (1460)Spätmittelalter1400Dörfer (Lausen-Bettenach, Liestal-Rösern, Reinach, Aesch ...)Kirchen, Klöster (Aesch, Muttenz, Langenbruck-Schöntal ...)Burgen (Füllinsdorf-Altenberg, Wenslingen-Ödenburg,Eptingen-Riedfluh, Muttenz-Wartenberg ...)Stadtgründungen (Liestal, Waldenburg, Laufen)Burgenbau, Rodungen, <strong>Basel</strong> erhält Stadtmauer (um 1100)Hochmittelalter12001000ländliche Siedlungen (Lausen-Bettenach, Pratteln, Reinach ...)Gräberfelder (Aesch, Reinach, Therwil, Eptingen ...)Kirchen (Oberwil, Lausen, Sissach, Buus, Bennwil, ...)frühe Burgen (Liestal-Burghalden, Sissach, Zunzgen-Büchel)Töpfereien (Oberwil, Therwil, Reinach)Merowinger integrieren Region ins Frankenreich (534/537)intensivierte Christianisierung, Kirchen und Klöster entstehenAltsiedelland der Römerzeit wird wieder besiedeltHerausbildung der FeudalgesellschaftKönigreich Hochburgund (888–1032)Frühmittelalter800600400Koloniestadt Augusta RauricaGutshöfe (Liestal-Munzach, Muttenz, Pratteln, Hölstein ...)Wasserleitung (Lausen-Liestal-Füllinsdorf-Augst)Heiligtümer (Bubendorf-Fieleten, Frenkendorf-Fluh)spätrömische Wachtürme (Birsfelden, Muttenz, Rheinfelden)Romanisierung der Bevölkerung (Gallo-Römer)Handel und Verkehr blühenin zentralen Lagen entstehen grosse Gutshöfedichte Besiedlung, Entvölkerung in Krisen des 3. und 4. Jh.Römerzeit200Zeitenwende


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