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13.07.2015 Aufrufe

Leser, der Satz für Satz einschlürft, mit verweilendem Augeund Ohre, der eine Schrift wie einen köstlichen Wein zusich nimmt, alle Kunst des Autors nachfühlt^ für den zuschreiben noch eine Lust ist, den man nicht zu übertäuben,zu berauschen, fortzureissen hat, sondern der wirklich dienatürliche Stimmung des Lesers hat:der handelnde, der leidenschaftliche,der leidende Mensch ist nicht Leser. Ruhig, aufmerksam,sorgenlos, müssig, ein Mensch, der noch Zeit hat— ihm entspricht die gerundete, ebenmässige, vollere Periode,der schlichte Wohlklang, die nicht allzu gewürzte Art vonKunstmittelnj aber es ist ein Leser, der als Hörer der praktischenRede geübt ist, und der bei der Ruhe des Lesensnoch schärfer hinhört,durch keine dramatische Leidenschaftdes Vortrags fortgerissen wird; ihn darf man keinen Hiatusmehr hören lassen, er wird auch die rhythmischen Gebildemit dem Ohre abschmecken, ihm geht nichts durch. DieKunst des Isocrates setzt voraus, dass damals schon deri}Leser existirtej der nimmt nun mächtig überhand, und ihmentspricht nun auch der Schriftsteller, der nicht mehr an denmündlichen Vortrag denkt. Dann ist die feinstej anspruchsvollsteArt des Hörens und die axpißsaxdiT] Xe^i?, die desSchreibens gegeben. (Bei uns ist der Leser fast gar kein Hörermehr, und deshalb arbeitet einer, der den mündlichen Kunstvortragim Auge hat, jetzt sorgfältiger: verkehrte Welt!) —Wie erreicht nun Isocrates den klassischen Lesestil? Er thutvom epideiktischen Hör-Stil der Meister vor ihm das Zuvielab, vom Figurenputz, den kühnen Metaphern des Gorgias,vom Allzurhythmischen des Thrasymachus. Also er entferntden Stil um eine Stufe weiter vom poetischen. Er fügt demZuwenig etwas hinzu, nämlich der Composition des Gorgiasund Thrasymachus mit ihren kurzen Satzgliedern: er fülltdie Periode, macht sie runder, ruhiger, beseitigt also diedramatische Lebhaftigkeit der uTroxpioi?, die den Stil der Periode18^

estimmt hatte j das ziemt sich für den Lese-Stil nicht. Inbeiden Beziehungen kann man ihn furchtsam und ohne kräftigeTöne nennen, wie Dionys von Hahkarnass, thut ihmaber Unrecht, er hatte eben an seinen Athenern ein Maass.Der Athener der Zeit des Demosthenes war bereits verändert.Es war die mühsamste Arbeit nöthig, ein fortwährendangespanntes feinsinniges Hören und Wägen, bei jedem Wort,jedem rhythmischen Gange j die Wahl der Worte hat ihmDann das Vermeidendie meiste Zeit gekostet (wie Euripides).des Hiatus, aus der Kunst des tragischen und komischenDialogs entnommen. Dann das Streben nach Rhythmus unddas Vermeiden des Metrons. Doch wieder Scheu vor unnatürlichenWortstellungen. Endlich der Bau der xwXa undder TrepvoBoimit ihren rhythmischen Gesammt -Verhältnissen,aus der rhythmischen Theorie herübergenommen. Alles dieszusammen bildet eine Kunst der Prosa, die sich ganz scharfvon der poetischen abhebt, während früher, bei Gorgias, dieProsa bei der Poesie in die Schule ging. Die Affekte sindferngehalten, Erschütterungen, verbunden mit Schlauheit,Ironie, Hohn, das fehlt alles, überhaupt die belebenden Figuren— das gehört nicht in den Lese-Stilj wie es übrigensauch Thukydides, trotz seiner Themata, grundsätzlich vermeidet.Das Yjöo? herrscht durchaus. Ganz gross ist der Bauder Reden selbst, die alte Steifigkeit der Anlage ist überwunden,eine Menge feiner Contrastwirkungen sind ausgedacht,das Geheimniss der Episode, der retardirenden Motiveerkannt, der Künstler spielt mitunter mit der Schwierigkeitder Aufgabe, Verschiedenes zur Einheit za verknüpfen. —Nun hat man später sich in Vergleichungen zwischen Demosthenesund Isocrates erschöpft, zu Ungunsten des letzteren,es läuft aber nur auf die Differenz des agonistischen undgraphischen Stils hinaus, es ist absurd. Jemanden zu tadeln,dass er streng innerhalb der Grenzen seines Kunstbereichsi* 19

estimmt hatte j das ziemt sich für den Lese-Stil nicht. Inbeiden Beziehungen kann man ihn furchtsam und ohne kräftigeTöne nennen, wie Dionys von Hahkarnass, thut ihmaber Unrecht, er hatte eben an seinen Athenern ein Maass.Der Athener der Zeit des Demosthenes war bereits verändert.Es war die mühsamste Arbeit nöthig, ein fortwährendangespanntes feinsinniges Hören und Wägen, bei jedem Wort,jedem rhythmischen Gange j die Wahl der Worte hat ihmDann das Vermeidendie meiste Zeit gekostet (wie Euripides).des Hiatus, aus der Kunst des tragischen und komischenDialogs entnommen. Dann das Streben nach Rhythmus unddas Vermeiden des Metrons. Doch wieder Scheu vor unnatürlichenWortstellungen. Endlich der Bau der xwXa undder TrepvoBoimit ihren rhythmischen Gesammt -Verhältnissen,aus der rhythmischen Theorie herübergenommen. Alles dieszusammen bildet eine Kunst der Prosa, die sich ganz scharfvon der poetischen abhebt, während früher, bei Gorgias, dieProsa bei der Poesie in die Schule ging. Die Affekte sindferngehalten, Erschütterungen, verbunden mit Schlauheit,Ironie, Hohn, das fehlt alles, überhaupt die belebenden Figuren— das gehört nicht in den Lese-Stilj wie es übrigensauch Thukydides, trotz seiner Themata, grundsätzlich vermeidet.Das Yjöo? herrscht durchaus. Ganz gross ist der Bauder Reden selbst, die alte Steifigkeit der Anlage ist überwunden,eine Menge feiner Contrastwirkungen sind ausgedacht,das Geheimniss der Episode, der retardirenden Motiveerkannt, der Künstler spielt mitunter mit der Schwierigkeitder Aufgabe, Verschiedenes zur Einheit za verknüpfen. —Nun hat man später sich in Vergleichungen zwischen Demosthenesund Isocrates erschöpft, zu Ungunsten des letzteren,es läuft aber nur auf die Differenz des agonistischen undgraphischen Stils hinaus, es ist absurd. Jemanden zu tadeln,dass er streng innerhalb der Grenzen seines Kunstbereichsi* 19

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