Band 5 - WordPress – www.wordpress.com

Band 5 - WordPress – www.wordpress.com Band 5 - WordPress – www.wordpress.com

germanenherz.files.wordpress.com
von germanenherz.files.wordpress.com Mehr von diesem Publisher
13.07.2015 Aufrufe

jII.Todesarten.Die Art, wie ein Mensch stirbt, ist vielleicht nicht so wichtig,als man häufig annimmt, und jedenfalls ist es gewagt undvoreilig, das Urtheil über das Leben eines Menschen aufEinen Punkt seines Lebens zu begründen: mehr ist ja derTod nicht. Alles das, wodurch jeder andere einzelne Momentunzureichend erscheint, um viel darauf bauen zu können,gilt auch hier: die Selbstbeherrschung, die Gewohnheit derVerstellung verbirgt vieles, was innen vorgeht, die gewaltsameErregung durch heftige Schmerzen u. s. w. treibt zu Aeusserungen,die gar nicht dem normalen, gesunden Zustand desMenschen angehören, und gar zu oft erscheint die äussersteErschöpfung ganz so wie der Seelenfrieden, der physischeSchmerz wie seelische Verzweiflung. Nicht die letzten Augenblicke,aber wohl die ganze Art, wie der Mensch währendseines Lebens, seiner Kraft an den Tod denkt, ist für ihncharakteristisch: auch für ein Volk. Unsere Frage ist nun:wie haben die höchsten Geister der Griechen sich zu demTode verhalten, die produktivsten Menschen unter ihnen?Vielleicht sind die schöpferischen Geister, die phantasievollen,erregbaren nicht gerade die charaktervollsten und standhaftesteneiner Nation, aber gerade deshalb die ehrlichstenan ihnen spricht Alles, sie können sich nicht so leicht verstellenund beherrschen, wie die Männer der That, die harteneinseitigen oTdai(ioi, im Gegensatz zu den sü^uei?. Ihr Verhaltenzum Tode ist bedeutungsvoller als der Gleichmuthder Krieger: auch schon deshalb, weil sie mit dem Lebenviel mehr aufgeben, ihren eigenen, zum Schaffen unaufhaltsamdrängenden Geist, d. h. etwas, das mehr als alles andeream Leben festhält.Im Allgemeinen habe ich nun bemerkt, dass eben deshalbder geistige Grieche Etwas mehr fürchtet als den Tod, das istdas Alter; weil dies ihm seine produktive Kraft nimmt und278

ihn vor sich selbst erniedrigt. Darum finden wir den Selbstmordbei den altgewordenen Denkern so häufig: Sokratesselbst meint echt griechisch, das Alter stehe bei ihm vor derThür und beraube ihn bald vielleicht der Thätigkeit, ohnewelche das Leben ihm unerträglich sei, nicht lebenswerth,des BiaXeYsoöai: so sei es für ihn Zeit zu sterben3 und sohütet er sich, irgend etwas zu thun, wodurch er sein Lebenhätte retten können. (Das Gegenstück ist Anacreon, der dasAlter genussfähig gemacht hat und nun freilich um so mehrvor den Tode zittert.)Der Jammer über das Alter geht durch die ganze poetischeLitteratur, von Mimnermus an, der jung sterbende Achillist das Ideal der Nation, der Mensch, der freiwillig nicht altwerden will, aber etwas Rühmliches in aller Jugendkraft zuthun beschliesst.Jene ganz seltenen Menschen, die unerschöpfharProduktiven, denen das Alter nichts anhat, sehen wir ander Euthanasie zu Grunde gehen, ohne Selbstmord, bis zumletzten Augenblick dichtend und schaffend: Plato der Zweiundachtzigjährige,der bei einem Hochzeitsschmause stirbt:Pindar im Theater,sein Haupt auf die Kniee seines Lieblingsgelehnt, nachdem er den Gott um das schönste der Lebensgütergebeten hatte: Sophokles, der als Sieger in einem tragischenWettkampfe ausgerufen wird, und der, nach Phrynichos,starb wie er lebte, als ein göttgeliebter Mann: Demokritin der Nähe der loo oder darüber hinaus, der aus Rücksichtauf die Schwester, welche ihn bittet, nicht während der Thesmophorienzu sterben, seinen Tod drei Tage lang aufhält:Anaxagoras, der sich von den Behörden in Lampsacus alseinzigen Ehrenlohn auf dem Sterbebett ausbittet, dass dieKinder jedes Jahr am Tag seines Todes einen Spiel- undFerientag haben sollen. Im Uebermaass der Freude stirbtChilon, während er bei den olympischen Spielen seinen Sohnals Sieger im Faustkampfe küsst. Blas redet vor Gericht für279

ihn vor sich selbst erniedrigt. Darum finden wir den Selbstmordbei den altgewordenen Denkern so häufig: Sokratesselbst meint echt griechisch, das Alter stehe bei ihm vor derThür und beraube ihn bald vielleicht der Thätigkeit, ohnewelche das Leben ihm unerträglich sei, nicht lebenswerth,des BiaXeYsoöai: so sei es für ihn Zeit zu sterben3 und sohütet er sich, irgend etwas zu thun, wodurch er sein Lebenhätte retten können. (Das Gegenstück ist Anacreon, der dasAlter genussfähig gemacht hat und nun freilich um so mehrvor den Tode zittert.)Der Jammer über das Alter geht durch die ganze poetischeLitteratur, von Mimnermus an, der jung sterbende Achillist das Ideal der Nation, der Mensch, der freiwillig nicht altwerden will, aber etwas Rühmliches in aller Jugendkraft zuthun beschliesst.Jene ganz seltenen Menschen, die unerschöpfharProduktiven, denen das Alter nichts anhat, sehen wir ander Euthanasie zu Grunde gehen, ohne Selbstmord, bis zumletzten Augenblick dichtend und schaffend: Plato der Zweiundachtzigjährige,der bei einem Hochzeitsschmause stirbt:Pindar im Theater,sein Haupt auf die Kniee seines Lieblingsgelehnt, nachdem er den Gott um das schönste der Lebensgütergebeten hatte: Sophokles, der als Sieger in einem tragischenWettkampfe ausgerufen wird, und der, nach Phrynichos,starb wie er lebte, als ein göttgeliebter Mann: Demokritin der Nähe der loo oder darüber hinaus, der aus Rücksichtauf die Schwester, welche ihn bittet, nicht während der Thesmophorienzu sterben, seinen Tod drei Tage lang aufhält:Anaxagoras, der sich von den Behörden in Lampsacus alseinzigen Ehrenlohn auf dem Sterbebett ausbittet, dass dieKinder jedes Jahr am Tag seines Todes einen Spiel- undFerientag haben sollen. Im Uebermaass der Freude stirbtChilon, während er bei den olympischen Spielen seinen Sohnals Sieger im Faustkampfe küsst. Blas redet vor Gericht für279

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!