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13.07.2015 Aufrufe

Hierher gehört auch das Hohn- und Spottlied des Archilochos.Bei den Culten der Demeter gab es eine Berechtigung vonJedermann, all seine neidische, boshafte, gehässige, scheltende,höhnende Natur in Worten zu entladen, ebenso die Neigungzur unanständigen Rede. Da kam alles heraus, was sonst ver-und die ganzeschwiegen wurde, der Festrausch erlaubte dies,Feierlichkeit des Cultus brachte es zu Wege, dass hier sichin Worten entlud, was sich sonst in Thätlichkeiten entladenhätte.(Die Alten hatten kein Duell als das in Worten.) SelbstPlato trifft noch die Bestimmung (in den legg. [p. 935 f.]),dass bei den öffentlichen Kampfspielen Belohnungen undPreise vertheilt werden sollen, und dass alle Bürger bei dieserGelegenheit ihr Lob und ihren Tadel gegen einander äussernsollen, je nachdem sich ein jeder im Kampf oder im ganzenLeben bewährt hat. Nur über 50 Jahre muss man alt seinund eine rühmliche That bereits gethan haben, überdies ohneZorn und im Scherze reden. Allen jambischen, komischen,lyrischen Dichtern soll es aber verboten sein, sich lustig zumachen, mit oder ohne Zorn. — Man sieht, was Plato alsSitteantrafAlso dies sind die ursprünglichen Anlasse zu dem, was manspäter Litteratur nennt: wenn man eine Handlung durcheinen rhythmischen Spruch magisch fördern will, wenn maneinen Gott nöthigen will, zu erscheinen und uns nahe zusein, wenn man sich von irgend einem Uebermaass (Gewissensangst,Rachsucht, Manie u. s. w.) reinigen lassen will, wennman einen Gott von seinem Zorn, Hass gegen uns u. s. w.reinigen will, wenn man die Zukunft zwingen will, wennman seinen Spott und Hohn einmal unter religiösem Schutzeauslassen will u. s. w.Ganz in gleicher Weise, wie wir hier den Rhythmus aufdie Rede übertragen sehen, um die Wirkungen, die derMusik eigenthümlich sind, zu steigern, ist der Rhythmus-2,22

auch auf die körperliche Bewegung übertragen worden. Manvergisst gar zu leicht die ursprüngliche magische Wirkungaller Tänze; man glaubt durch Stampfen des Bodens mitden Füssen die Götter herbeizurufen.Nun erscheint es wohl nicht mehr so absurd, weshalb derMensch seinen Gedanken nicht so bestimmt als möglichausdrückt, sondern das Hopsasa des Rhythmus anwendet;es war ursprünglich keine Spielerei, noch auch ein ästhetischesBehagen; man glaubtedurch Anwendung des Rhythmus aufdie Rede richtige Vortheile zu haben. Je weniger die Griechenspäter abergläubisch waren, je mehr der Sinn für natürlicheCausalität erwachte, je bewusster das Leben wurde, um somehr tritt die Nöthigung zum Rhythmus der Rede zurück.Es ist ein Gradmesser für das Maass des Vernünftigen undBewussten, wie ein Volk oder ein Mensch noch die rhythmischeRede braucht. Man stelle Empedokles, Plato, Demokrit,Aristoteles hinter einander — das sind vier Steigerungen.Andererseits darf man sich nicht wundern, dass der Hangdazu unausrottbar ist, als Ueberlebsel vieler Jahrtausende,welche die grössten Segnungen der rhythmischen Rede zuverdanken glaubten. Die ursprüngliche Bedeutung ist vergessen:aber der Instinkt dafür ist doch noch so mächtig,dass Jedermann einen Gedanken für wahrer hält, wenn erim Vers ausgedrückt ist als in Prosa. Auch nachdem inGriechenland die Prosa, die Lösung vom iisipov errungenwar, sehen wir doch schnell wieder einen halben Rückfall,durch Einführung einer mehr rhythmischen Prosa; man hatteeben im Rhythmus ein Bezauberungsmittel namentüch dergrossen Menge, die Redner Hessen es sich nicht entgehen,was man hier noch für unbewusste Wirkungen erzielen könne.Die Menschen, welche die älteste Pflege des Rhythmischensich angelegen sein Hessen, die Vor- und Urlyriker, sindPriester, Wahrsager, Zauberer, Aerzte u. s. w., aus ihnen ent-223

Hierher gehört auch das Hohn- und Spottlied des Archilochos.Bei den Culten der Demeter gab es eine Berechtigung vonJedermann, all seine neidische, boshafte, gehässige, scheltende,höhnende Natur in Worten zu entladen, ebenso die Neigungzur unanständigen Rede. Da kam alles heraus, was sonst ver-und die ganzeschwiegen wurde, der Festrausch erlaubte dies,Feierlichkeit des Cultus brachte es zu Wege, dass hier sichin Worten entlud, was sich sonst in Thätlichkeiten entladenhätte.(Die Alten hatten kein Duell als das in Worten.) SelbstPlato trifft noch die Bestimmung (in den legg. [p. 935 f.]),dass bei den öffentlichen Kampfspielen Belohnungen undPreise vertheilt werden sollen, und dass alle Bürger bei dieserGelegenheit ihr Lob und ihren Tadel gegen einander äussernsollen, je nachdem sich ein jeder im Kampf oder im ganzenLeben bewährt hat. Nur über 50 Jahre muss man alt seinund eine rühmliche That bereits gethan haben, überdies ohneZorn und im Scherze reden. Allen jambischen, komischen,lyrischen Dichtern soll es aber verboten sein, sich lustig zumachen, mit oder ohne Zorn. — Man sieht, was Plato alsSitteantrafAlso dies sind die ursprünglichen Anlasse zu dem, was manspäter Litteratur nennt: wenn man eine Handlung durcheinen rhythmischen Spruch magisch fördern will, wenn maneinen Gott nöthigen will, zu erscheinen und uns nahe zusein, wenn man sich von irgend einem Uebermaass (Gewissensangst,Rachsucht, Manie u. s. w.) reinigen lassen will, wennman einen Gott von seinem Zorn, Hass gegen uns u. s. w.reinigen will, wenn man die Zukunft zwingen will, wennman seinen Spott und Hohn einmal unter religiösem Schutzeauslassen will u. s. w.Ganz in gleicher Weise, wie wir hier den Rhythmus aufdie Rede übertragen sehen, um die Wirkungen, die derMusik eigenthümlich sind, zu steigern, ist der Rhythmus-2,22

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