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Politische Transformation und Gewalt in Tunesien, Ägypten und ...

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26 Hanspeter Mattes: <strong>Politische</strong> <strong>Transformation</strong> <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>Tunesien</strong>, <strong>Ägypten</strong> <strong>und</strong> Libyen seit 2011— Überprüft werden muss die These von Johnstad (2010) bzw. Karatnycky <strong>und</strong> Ackermann(2005), die besagt, dass e<strong>in</strong> gewaltfreier <strong>und</strong> von zivilen Akteuren herbeigeführter Regimewandelzu e<strong>in</strong>em höheren Niveau an Freiheit <strong>und</strong> Demokratie führt als e<strong>in</strong> mit <strong>Gewalt</strong>herbeigeführter Regimewandel. Die Fälle Libyen <strong>und</strong> <strong>Tunesien</strong> sche<strong>in</strong>en gerade dasGegenteil zu demonstrieren. In diesem Zusammenhang s<strong>in</strong>d auch die bereits oben formuliertenHypothesen zum Konfliktverlauf beim Übergang von der Präkonfliktphasezur (heißen) Konfliktphase <strong>und</strong> h<strong>in</strong>sichtlich des Verlaufs der Postkonfliktphase (<strong>Transformation</strong>sphase)zu überprüfen; gerade für diese Phase fehlen präzise Untersuchungen.Ted Gurr stellte allerd<strong>in</strong>gs hierfür mit se<strong>in</strong>em <strong>Gewalt</strong>‐/Konfliktphasenanalysemodell bereits1980 e<strong>in</strong> probates Analyse<strong>in</strong>strument 31 vor (Gurr 1980), von dessen Anwendung aufdie Entwicklungen <strong>in</strong> <strong>Tunesien</strong>, <strong>Ägypten</strong> <strong>und</strong> Libyen aufschlussreiche Erkenntnisse erwartetwerden können.— Die Anwendung des Gurrschen Analysemodells kann auch Aufschlüsse über die Akteure<strong>und</strong> die Bed<strong>in</strong>gungen br<strong>in</strong>gen, die zum Ausbruch ethnischer Konflikte (vor allem <strong>in</strong> Libyen)<strong>und</strong> religiöser Ause<strong>in</strong>andersetzungen <strong>in</strong>sbesondere mit salafistischen Gruppenführten.— Es fehlt an Wissen über jene Faktoren, die konkret <strong>in</strong> den <strong>Transformation</strong>sstaaten dieWiederherstellung des staatlichen <strong>Gewalt</strong>monopols erschweren. E<strong>in</strong> wichtiger Faktordürfte die enge Verb<strong>in</strong>dung zwischen militanten Gruppen <strong>und</strong> organisierter Krim<strong>in</strong>alitätse<strong>in</strong>, die seit 2012 vor allem <strong>in</strong> Libyen <strong>und</strong> <strong>Tunesien</strong> sichtbar wird. 32 E<strong>in</strong> weiterer erschwerenderUmstand dürfte die Notwendigkeit für gleichzeitige Reformen sowohl im zivilstaatlichenBereich als auch im Sicherheitssektor se<strong>in</strong>. Diese Doppelbelastung ist stärkerzu berücksichtigen; gerade die <strong>in</strong> allen drei Staaten erhobenen Forderungen nachstärkerer Dezentralisierung (die den E<strong>in</strong>fluß lokaler Akteure stärken wird) <strong>und</strong> der damitverb<strong>und</strong>ene verschärfte Kampf um die Verfügungsgewalt über Ressourcen (Verwaltungs‐<strong>und</strong> Entwicklungsbudgets) s<strong>in</strong>d hier verstärkt <strong>in</strong> den Fokus zu nehmen; etwaigeRückwirkungen auf das Reformtempo wären <strong>in</strong> diesem Zusammenhang gesondert herauszuarbeiten.— Zu untersuchen ist ferner, <strong>in</strong> welcher Weise <strong>und</strong> warum sich e<strong>in</strong>zelne Akteure sicherheitspolitischambivalent verhalten, sich also z.B. die islamistische Partei Ennahda <strong>in</strong> <strong>Tunesien</strong>e<strong>in</strong>erseits als Regierungspartei (zum<strong>in</strong>dest rhetorisch) für die öffentliche Sicherheitstark macht, andererseits mittels der sich unter ihrer Kontrolle bef<strong>in</strong>dlichen „Ligen31 Gurr geht vom gewaltsamen <strong>in</strong>nenpolitischen Konflikt aus <strong>und</strong> fragt nach den Rahmenbed<strong>in</strong>gungen des gewaltsamenAgierens <strong>in</strong>volvierter Gruppen sowie der zeitlichen Abfolge des Konfliktverlaufs (Sequenzen) unterE<strong>in</strong>beziehung der Reaktionen betroffener Gruppen (Aktion – Reaktion). Sowohl bei der Darstellung derKonfliktgruppen als auch beim Prozessablauf wird Wert auf die Zielsetzungen der Akteure, ihren Organisationsgrad<strong>und</strong> ihre soziokulturelle Verankerung gelegt.32 Offensichtlich ist diese Verflechtung <strong>in</strong> Nordmali; vgl. Lacher (2012); zu den allgeme<strong>in</strong>en Analyseaspektenvgl. Locke (2012).GIGA Work<strong>in</strong>g Papers WP 219/2013

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