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Politische Transformation und Gewalt in Tunesien, Ägypten und ...

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20 Hanspeter Mattes: <strong>Politische</strong> <strong>Transformation</strong> <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>Tunesien</strong>, <strong>Ägypten</strong> <strong>und</strong> Libyen seit 2011e<strong>in</strong>e religiöse Dimension hatten. In allen <strong>Transformation</strong>sstaaten ist nach Beg<strong>in</strong>n des politischenKonflikts als Folge zusammengebrochener Sicherheitsstrukturen <strong>und</strong> als Folge desentstandenen Sicherheitsvakuums e<strong>in</strong> Anstieg an gewaltförmigen Ause<strong>in</strong>andersetzungen<strong>und</strong> an krim<strong>in</strong>ellen Akten sowohl im Bereich bereits bestehender (primär islamistischer Terrorismus,Organisierte Krim<strong>in</strong>alität) als auch im Bereich neuer Sicherheitsherausforderungenfeststellbar (Details vgl. Mattes 2013). 22Unter den „neuen“ Sicherheitsherausforderungen zählen die aufbrechenden ethnischenKonflikte (Berber/Amazigh versus arabische Bevölkerung/Stämme; schwarzafrikanischstämmige Tubu versus arabische Bevölkerung) <strong>und</strong> die religiös motivierten Konflikte zwischenMuslimen <strong>und</strong> Christen/Kopten 23 sowie <strong>in</strong>nermuslimische Konflikte zwischen Salafisten<strong>und</strong> moderaten Muslimen vorbehaltlich e<strong>in</strong>er empirischen Überprüfung zu den größtenKonfliktkategorien. Während die Ause<strong>in</strong>andersetzungen mit Berbern bislang nur <strong>in</strong> Libyennachgewiesen s<strong>in</strong>d, wo es e<strong>in</strong>zig <strong>in</strong>nerhalb der drei Untersuchungsstaaten e<strong>in</strong>e nennenswerteberberische Bevölkerungsgruppe gibt, s<strong>in</strong>d die salafistischen Übergriffe auf Andersdenkende(darunter Schriftsteller, Künstler) <strong>und</strong> Andersgläubige (Christen, Juden) e<strong>in</strong> Phänomen,das <strong>in</strong> allen drei <strong>Transformation</strong>sstaaten vorkommt (Details: Faath 2012) <strong>und</strong> eher Anzeichene<strong>in</strong>er Verschärfung denn e<strong>in</strong>es Rückganges erkennen lässt.H<strong>in</strong>zu kommen <strong>in</strong> der <strong>Transformation</strong>sphase die Konflikte zwischen „Revolutionären“<strong>und</strong> Loyalisten des gestürzten Regimes sowie Konflikte zwischen „Revolutionären“, wobeidiese Konflikte nicht sofort nach dem Machtwechsel zutage traten, sondern erst im Rahmender politischen Ause<strong>in</strong>andersetzungen um Macht, Ämter <strong>und</strong> Ressourcenzugang seit Ende2011 entstanden <strong>und</strong> seither eskalierten. Allerd<strong>in</strong>gs ist die Form des <strong>Gewalt</strong>austrages vonLand zu Land unterschiedlich; am meisten bewaffnete Konflikte <strong>und</strong> die höchsten Todeszahlenverzeichnet Libyen, wobei das ausgeprägte tribale Element hierfür die Hauptursachedarstellen dürfte.Die mangels e<strong>in</strong>er funktionierenden Übergangsjustiz <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Libyen 24 praktiziertenpolitischen Morde – alle<strong>in</strong> 2012 über zwanzig – haben vor allem <strong>in</strong> der öffentlichen Bedrohungsperzeption(Perzeption an Unsicherheit) e<strong>in</strong>en hohen Stellenwert <strong>und</strong> fordern denStaat zum Handeln auf.22 Trotz des deutlichen Anstiegs der Sicherheitsprobleme fehlen bislang übergreifende Analysen. Die jüngsteVeröffentlichung von Eberhard Kienle (2013), deren Titel e<strong>in</strong>e solche Analyse suggeriert, handelt e<strong>in</strong> vollkommenanderes Thema ab. Es geht <strong>in</strong> der Analyse zu den „Security implications of the Arab Spr<strong>in</strong>g“ um diesicherheitspolitischen Folgen der Umbrüche für westliche Staaten.23 Übergriffe auf jüdische Bürger <strong>und</strong> E<strong>in</strong>richtungen s<strong>in</strong>d bislang angesichts der ger<strong>in</strong>gen Präsenz von Juden <strong>in</strong>den drei nordafrikanischen Staaten nur <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen vorgekommen, z.B. Schändung jüdischer Gräber <strong>in</strong> dertunesischen Stadt Sousse im Januar 2013.24 Zwar ist die Justiz auch <strong>in</strong> <strong>Tunesien</strong> <strong>und</strong> <strong>Ägypten</strong> bislang kaum mit der Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungenunter den Präsidenten Ben Ali <strong>und</strong> Mubarak vorangeschritten, doch s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesen beiden Ländern – sodie Vermutung – wegen des erschwerten Zugangs zu Waffen Akte der Selbstjustiz schwieriger auszuführen.GIGA Work<strong>in</strong>g Papers WP 219/2013

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