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Politische Transformation und Gewalt in Tunesien, Ägypten und ...

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16 Hanspeter Mattes: <strong>Politische</strong> <strong>Transformation</strong> <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>Tunesien</strong>, <strong>Ägypten</strong> <strong>und</strong> Libyen seit 2011sche Polizei) waren personell <strong>und</strong> <strong>in</strong>stitutionell <strong>in</strong> der bisherigen Form nicht mehr aufrechtzuerhalten;sie wurden aufgelöst <strong>und</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Schritt <strong>in</strong> den Innenm<strong>in</strong>isterien <strong>und</strong>den Polizeiapparaten zahlreiche Führungskader ausgewechselt. 15In allen drei <strong>Transformation</strong>sstaaten s<strong>in</strong>d seit 2011 die Produzenten von Sicherheit imUmbau begriffen <strong>und</strong> als Institutionen <strong>in</strong>stabil. Alle drei Regierungen nahmen die Reformdes Sicherheitssektors <strong>in</strong> Angriff, zumal für die Bevölkerung „Sicherheit <strong>und</strong> Arbeitsplätze“zentrale politische Anliegen s<strong>in</strong>d. 16 Allerd<strong>in</strong>gs genießt die Sicherheitssektorreform bei dene<strong>in</strong>zelnen Regierungen unterschiedlich hohe Priorität; am höchsten ist sie derzeit <strong>in</strong> Libyen.Die salafistischen Angriffe auf Sufischre<strong>in</strong>e, die gewalttätigen sozialen Demonstrationen oderdie ethnisch‐religiösen Konflikte konnten trotz aller Gegenmaßnahmen bislang jedoch nichtunterb<strong>und</strong>en werden. Auch der zunehmend machtpolitisch motivierten <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>Tunesien</strong>,die am 6. Februar 2013 den politischen Mord an dem l<strong>in</strong>ksgerichteten Politiker ChoukriBelaid – dem ersten politischen Mord seit dem Machtwechsel – nach sich zog, stehen die polizeilichenKräfte relativ hilflos gegenüber; das Militär se<strong>in</strong>erseits verhält sich politisch striktneutral, auch wenn es Forderungen aus der Zivilgesellschaft zum antiislamistischen E<strong>in</strong>greifenwie <strong>in</strong> Algerien 1992 gibt. Das tunesische Beispiel zeigt, wie durch entsprechendes Regierungshandelnbzw. Nichthandeln der Regierung <strong>Gewalt</strong> als Mittel des machtpolitischenKonfliktaustrages <strong>in</strong> Umbruchszeiten um sich greift, wenn e<strong>in</strong>e Komplizität der Regierungmit Produzenten von Unsicherheit vorhanden ist, <strong>und</strong> die Verfügbarkeit von Waffen <strong>und</strong>gewaltbereiten Personen gewährleistet ist.2.2.2 Rolle nichtstaatlicher bewaffneter AkteureAuch wenn es bislang kaum empirische Untersuchungen zu den nichtstaatlichen bewaffnetenAkteuren <strong>in</strong> den <strong>Transformation</strong>sprozessen <strong>Tunesien</strong>s, <strong>Ägypten</strong>s <strong>und</strong> Libyens gibt, ist offensichtlich,dass die Präsenz nichtstaatlicher bewaffneter Akteure <strong>in</strong> den Untersuchungsstaatenquantitativ <strong>und</strong> qualitativ 17 ebenso unterschiedlich ist wie ihr E<strong>in</strong>fluss auf den <strong>Transformation</strong>sverlauf.Quantitativ dom<strong>in</strong>ieren e<strong>in</strong>deutig die islamistischen Brigaden <strong>in</strong> Libyen, von denen e<strong>in</strong>Großteil autonom (<strong>und</strong> nicht <strong>in</strong> das Verteidigungs‐ oder Innenm<strong>in</strong>isterium <strong>in</strong>tegriert) agiert.Innerhalb der landesweit seit Februar 2011 r<strong>und</strong> 500 entstandenen Brigaden 18 bilden diejenigen(islamistischen) Brigaden, die sich – über den Sturz Qaddafis h<strong>in</strong>aus – für die Durchset‐15 Vgl. zu <strong>Tunesien</strong> ICG (2012).16 Vgl. exemplarisch Magharebia, 6. März 2013, La sécurité et l’emploi en tête des priorités des Tunisiens.17 Aus den folgenden Ausführungen s<strong>in</strong>d die bewaffneten krim<strong>in</strong>ellen Banden ausgenommen, auch wenn diese<strong>in</strong> Libyen teilweise mit den bewaffneten Brigaden kooperieren oder diese personell durchsetzt haben(McQu<strong>in</strong>n 2012).18 Die Brigaden (S<strong>in</strong>gular: katiba, Plural: kata‘ib) der libyschen „Freiheitskämpfer“ (thuwwar) hatten sich abFebruar 2011 spontan landesweit aus Freiwilligen <strong>und</strong> Überläufern der qaddafischen Streitkräfte gegründet,wobei Organisationspr<strong>in</strong>zip die lokale/tribale Herkunft oder die ideologische (islamistische) Ges<strong>in</strong>nung war;geme<strong>in</strong>sames Ziel war der Sturz des Qaddafi‐Regimes.GIGA Work<strong>in</strong>g Papers WP 219/2013

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