22Über den zweiten Besu<strong>ch</strong> beri<strong>ch</strong>tete <strong>der</strong>selbe Jüngling: „Aber wie wun<strong>der</strong>barist, was i<strong>ch</strong> jetzt beri<strong>ch</strong>te. Als mi<strong>ch</strong> <strong>Bru<strong>der</strong></strong> <strong>Klaus</strong> nun fragte, na<strong>ch</strong>wel<strong>ch</strong>em Stand i<strong>ch</strong> hinneige, verkehrte si<strong>ch</strong> die Rede in meinem Munde,und i<strong>ch</strong> konnte ihm kein Wörtlein <strong>von</strong> alledem sagen, was i<strong>ch</strong> früher solange bei mir erwogen, und i<strong>ch</strong> antwortete dem Fragesteller, indem i<strong>ch</strong>ihm den Stand <strong>der</strong> Karthäuser o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gürtelherren vors<strong>ch</strong>lug. Wasaber kann i<strong>ch</strong> daraus entnehmen, als dass i<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> seine Anwesenheit<strong>von</strong> Gott verhin<strong>der</strong>t worden bin, <strong>von</strong> etwas zu spre<strong>ch</strong>en, was mir ni<strong>ch</strong>tgut gewesen wäre.“Die Ausstrahlungskraft <strong>der</strong> inneren Persönli<strong>ch</strong>keit des <strong>Bru<strong>der</strong></strong> <strong>Klaus</strong> <strong>von</strong><strong>Flüe</strong> war offenbar so lauter und rein, dass er mit dem aufnahmebereitenHerzen eines jungen Mens<strong>ch</strong>en auf <strong>der</strong> Ebene des Unbewussten spre<strong>ch</strong>enkonnte.Und weiter: „Au<strong>ch</strong> klagte i<strong>ch</strong> ihm über meine S<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>heit, im Guten zuverharren, das heisst, dass i<strong>ch</strong> den s<strong>ch</strong>on gefassten guten Vorsatz ni<strong>ch</strong>tlange festhalte, son<strong>der</strong>n dass lei<strong>ch</strong>t beim ersten Anlass <strong>der</strong> Wuns<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>wie<strong>der</strong> zum Unerlaubten wende, so dass i<strong>ch</strong> <strong>von</strong> Gott losgelöst sei, wievorher. Er antwortete, man müsse ras<strong>ch</strong> wie<strong>der</strong> aufstehen. Zu meinerBes<strong>ch</strong>ämung muss i<strong>ch</strong> gestehen, dass i<strong>ch</strong>, mit ihm über meinen Standredend, mehr zufällig etwas gesagt, das wie Selbstlob geklungen habenmag, worauf er, den Eifer <strong>der</strong> Gere<strong>ch</strong>tigkeit, <strong>der</strong> darin steckte, zwaranerkennend, spra<strong>ch</strong>: Ni<strong>ch</strong>ts Gutes sollst du <strong>von</strong> dir selbst rühmen.“Und als <strong>der</strong> Jüngling ihn bezügli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Meditation konsultierte, bes<strong>ch</strong>rieb<strong>Bru<strong>der</strong></strong> <strong>Klaus</strong> das ekstatis<strong>ch</strong>e Gefühl <strong>der</strong> Gottesliebe, das er offenbarinnerli<strong>ch</strong> erlebt hatte: „Gott weiss es zu ma<strong>ch</strong>en, dass dem Mens<strong>ch</strong>endie Kontemplation so s<strong>ch</strong>mecke, als ob er zum Tanze ginge, und umgekehrtweiss er ihn eine Betra<strong>ch</strong>tung so empfinden zu lassen, als ob er imKampfe streite.
23Die sieben Fragen(Diese Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te wurde in einer alten Hands<strong>ch</strong>rift in <strong>der</strong> Zür<strong>ch</strong>er Zentralbibliothekerst in unserem Jahrhun<strong>der</strong>t entdeckt)Eines Tages kam ein berühmter Doktor <strong>der</strong> Wissens<strong>ch</strong>aft zu <strong>Bru<strong>der</strong></strong> <strong>Klaus</strong>.Es war im Jahre 1479. Der gelehrte Mann stellte dem Einsiedler siebenFragen.„Was ist das Edelste und Beste, was Gott uns Mens<strong>ch</strong>en gegeben hat?“„Das ist <strong>der</strong> Verstand und die Seele.“„Und woher kommt die Seele?“„Sie kommt aus dem Herzen Gottes, unserem Vater.“„Und was ist das Hö<strong>ch</strong>ste, was wir Gott s<strong>ch</strong>enken müssten?“„Das, was er uns gegeben hat.“„Wie können wir als Mens<strong>ch</strong>en Gott wi<strong>der</strong>spiegeln?“„Indem wir seine Gebote halten.“„Was ist das hö<strong>ch</strong>ste Gebot?“„Die Liebe zu Gott.“„Wird Gott das <strong>von</strong> Mens<strong>ch</strong>en begangene Unre<strong>ch</strong>t bestrafen?“„Ja. Hier auf dieser Welt o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Ewigkeit.“„Wird Gott einem Mens<strong>ch</strong>en, <strong>der</strong> viel Böses getan hat, verzeihen?“„Ja, wenn dieser Mens<strong>ch</strong> seine S<strong>ch</strong>uld bereut und si<strong>ch</strong> Mühe gibt, gut zuwerden, wird Gott ihm si<strong>ch</strong>er vergeben.“