Der neue „uomo universale“ - Rheingau Musik Festival
Der neue „uomo universale“ - Rheingau Musik Festival
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Über <strong>Musik</strong>, die in keine Schublade passt<br />
von Anna-Kristina Laue<br />
Mozart, ein Klassiker? Chopin, ein Romantiker? Madonna ein Popstar und Louis Armstrong<br />
eine Jazzgröße? Wohl kaum jemand, der diese Zuordnungen nicht schon einmal gehört<br />
hat und sie mit einem eindeutigen Nicken bestätigen würde. Menschen lieben es, Dinge in<br />
Schubladen zu stecken, ihnen ein Etikett aufzukleben, sie einer Kategorie zuzuweisen –<br />
denn das Ordnen, Gruppieren und Sortieren hilft ohne Zweifel bei der Strukturierung einer<br />
immer komplexer werdenden Welt: Heillos verloren wären wir, wenn wir versuchen müssten,<br />
ohne Oberbegriffe, ohne Parteien, Vereine, Klassen, Stile, Genres, Gattungen – kurz:<br />
ohne Kategorien zurechtzukommen. Ein schier undurchdringliches Dickicht von Einzelphänomenen<br />
und Individualschicksalen würde jede Entscheidung unmöglich machen. Dass<br />
der Klassifizierungstrend natürlich andererseits oft problematisch ist, weil er dem Einzelfall<br />
niemals ganz gerecht werden kann, liegt auf der Hand. Gerade bei der Zuordnung von<br />
<strong>Musik</strong> zu Genres, Stilen und Epochen treten immer wieder Zweifel auf.<br />
Ein klassisches Problem<br />
Schon schwierig wird es, wenn bei -<br />
spielsweise das <strong>Rheingau</strong> <strong>Musik</strong><br />
<strong>Festival</strong> als Veranstalter für „klas-<br />
sische“ <strong>Musik</strong> bezeichnet wird.<br />
Denn erstens ist gerade der Begriff<br />
‚klassisch‘ ein äußerst ambivalen-<br />
ter und zweitens trifft diese ein-<br />
dimensionale Zuordnung auf das<br />
<strong>Festival</strong> schon lange nicht mehr zu,<br />
doch davon später mehr. Schlägt<br />
man im Fremdwörter-Duden nach,<br />
werden für das Adjek tiv fünf ver-<br />
schiedene Bedeutungen genannt,<br />
die in zwei Kategorien eingeteilt<br />
werden können: Zum einen be zieht<br />
sich ‚klassisch‘ auf eine Epoche und<br />
die Kunst, Literatur oder <strong>Musik</strong><br />
dieser Zeit. Zum anderen steht es<br />
für etwas, das zeitlos, altbewährt<br />
und mus tergültig ist. Damit ist<br />
aber noch nicht seine Verwen-<br />
dung im Be griffspaar ‚klassische<br />
<strong>Musik</strong>‘ erklärt.<br />
Denn hier ist weder, oder nur in<br />
bestimmten Kontexten, die Epo-<br />
che der Wiener Klassik und damit<br />
die <strong>Musik</strong> Haydns, Mozarts und<br />
Beethovens gemeint, noch eine<br />
Bewertung im Sinne von „ausgewogen<br />
und zeitlos“ beabsichtigt.<br />
Nein, „ganz allgemein und weit<br />
verbreitet dient die Bezeichnung<br />
klassisch heute – in Übereinstimmung<br />
mit dem Branchenjargon<br />
der <strong>Musik</strong>industrie – zur Kennzeichnung<br />
einer Zweiteilung der<br />
<strong>Musik</strong> in sogenannte ernste oder<br />
klassische (E-<strong>Musik</strong>) und Unterhaltungsmusik<br />
(U-<strong>Musik</strong>).“ (Riemann<br />
<strong>Musik</strong>lexikon) In diesen<br />
beiden gegensätzlichen Begriffen,<br />
die dem Adjektiv ‚klassisch‘ eine<br />
weitere Bedeutung verleihen, liegt<br />
allerdings ein grundsätzlicher<br />
Fehler begründet: Denn wer hat<br />
bestimmt, dass klassische <strong>Musik</strong><br />
nicht gleichzeitig auch unterhaltsam<br />
sein kann? Muss man sich<br />
beim nächsten Hören von Haydns<br />
Dianne Reeves, Martin Grubinger<br />
© Christian Lantry<br />
Sinfonie mit dem Paukenschlag<br />
etwa das Schmunzeln verkneifen?<br />
Und darf man sich von Liebesleid<br />
und -freud, Todesschmerz und<br />
Lebenslust auf der Opernbühne<br />
nicht mehr ergriffen und unterhalten<br />
fühlen? Oder heißt Unterhaltungsmusik<br />
einfach, dass man<br />
nebenbei Gespräche führen darf,<br />
was im Konzertsaal natürlich verpönt<br />
ist? … Die Grenzen der Gültigkeit<br />
eines solchen Gegensatzpaares<br />
wie E- und U-<strong>Musik</strong> treten<br />
klar zutage. Dennoch hat sich der<br />
© Felix Broede<br />
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