Der neue „uomo universale“ - Rheingau Musik Festival

Der neue „uomo universale“ - Rheingau Musik Festival Der neue „uomo universale“ - Rheingau Musik Festival

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04.12.2012 Aufrufe

16 Michael Schneider Klassenabend Musikhochschulkooperationen des Rheingau Musik Festivals von Anna-Kristina Laue „Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!“ Frei nach Goethe handelt in diesem Jahr auch das Rheingau Musik Festival, indem es seinen Blick auf junge Sänger und Instrumentalisten richtet, die in unmittelbarer Nähe des Festivalzentrums ihre Ausbildungsstätte haben: Als Talentschmieden für junge Musiker genießen die Hochschule für Musik Karlsruhe sowie die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main einen hervorragenden Ruf. Studenten von beiden Hochschulen bekommen ein Podium im Festivalprogramm geboten. Damit werden die bereits in den Jahren 2007 und 2010 sehr erfolgreichen Kooperationen fortgesetzt. © Marco Borggreve „Bitte keine Dienstmentalität!“ 2007 lud das Festival gemeinsam mit der Musikhochschule Frankfurt zur großen „Barocknacht“ auf dem Gesamtgelände des Kloster Eberbach – Monteverdis Orfeo bilde - te damals den krönenden Ab schluss in der Basilika. In diesem Jahr nun betätigen sich Studenten und Dozenten der verschiedensten Ausbildungsklassen als „Reiseführer“ im „Wandel durch Epochen und Stile“. Vier Kammermusikensembles – ein Klavierquintett, ein Streichquartett, ein Holzbläserund ein Trompetentrio – präsentieren ihr im Semester erarbeitetes Repertoire an unterschiedlichen Orten des Klosters. Mit einer halbszenischen Aufführung von Alessandro Stradellas Oratorium San Giovanni Battista findet die Konzertnacht in der beeindruckenden Kulisse der Eberbacher Basilika ihren Höhepunkt. „San Giovanni Battista ist das geniale Meisterwerk des sagenumwobenen Komponisten Stradella, über den (nicht nur wegen seines gewaltsamen Endes) Romane geschrieben und Opern komponiert wurden, ohne dass deren Autoren je eine Note von ihm gehört hätten. Inhaltlich handelt es sich um die aus dem Neuen Testament bekannte überaus spannende Geschichte um © Heike Rost Am 20. und 21.8. ist die Musikhochschule Frankfurt zu Gast in Kloster Eberbach Salome, Herodes und Johannes den Täufer, die in ca. 75 Minuten stringent dargestellt wird. Musikalisch ist es ein Kompendium der schönsten barocken Musik, die man sich überhaupt nur vorstellen kann: melodisch exquisite Arien, mitreißende Rhythmen und eine extrem abwechslungsreiche und farbige Instrumentation machen das Stück zu einem Erlebnis. Nach dieser Musik sind bislang alle süchtig geworden, die sie kennen gelernt haben!“, begeistert sich Prof. Michael Schneider, Gründer und Leiter des Instituts für Historische Interpretationspraxis an der Frankfurter Hochschule, der die künstlerische Leitung für die Oratorienaufführungen am 20. und 21. August inne hat. Die Studenten, die er für dieses besondere Projekt verpflichtet hat, sind zwischen 19 und 30 Jahre alt. Alle Instrumentalisten sind im Masterstudiengang Historische Interpretationspraxis eingeschrieben – und spielen selbst verständlich auf historischen Instru menten. Auch wenn die Vorbereitung für öffentliche Auftritte mit einem Studentenensemble natürlich wesentlich mehr Zeit in Anspruch nimmt als mit fertig ausgebildeten Profimusikern, sind es gerade diese besonderen Gelegenheiten, die zum „Motivationsmotor“ der Studenten werden: „Es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, wie echte Herausforderungen die jungen Leute zu Höchstleistungen anregen! Bei ‚richtigen‘ Konzerten mit ‚richtigem‘ Publikum und mit entsprechenden Ansprüchen aufzutreten, ist ja doch etwas anderes als ein Klassenvorspiel im gesi

cherten Raum einer Hochschule!“, erklärt Schneider. Als Barockflötist und Dirigent steht er regelmäßig selbst auf dem Konzertpodium und ist damit natürlich das beste Vorbild für seine Studenten, denen er vor einem Auftritt rät, „optimal vorbereitet zu sein und immer davon auszugehen, dass es ums ganze Leben geht, wenn man auf einer Bühne Musik macht. Es darf keine ‚Dienstmentaliät‘ geben bei Musikern!“ Den beiden Konzerten in Kloster Eberbach blickt er selbst gespannt entgegen. Zwar wurde er vor der heiklen Akustik dort schon mehrfach „gewarnt“, doch dass der Raum „rein atmosphärisch für das Projekt geradezu ideal ist“, steht für Michael Schneider außer Frage! „Unterrichtsgespräch auf gleicher Augenhöhe“ Auch Prof. Hartmut Höll, der gemeinsam mit seiner langjährigen Liedduo-Partnerin Prof. Mitsuko Shirai, eine Liedklasse an der Hochschule für Musik Karls- Am 17.7. sind Studenten der Musikhochschule Karlsruhe auf Schloss Johannisberg zu Gast ruhe leitet, blickt dem Konzert seiner Studenten am 17. Juli beim Rheingau Musik Festival freudig entgegen: „Zwar gibt es bei uns an der Hochschule mit gut 300 Konzerten im Jahr genug Gelegenheit, seine Kunst zu präsentieren, doch stellt es für die Studenten eine ganz andere Motivation dar, wenn sie plötzlich auf einem Podium stehen dürfen, auf dem internationale Musiker ein und aus gehen. Denn dort treffen sie ja auch auf ein © Darius Ramazani Hartmut Höll Publikum mit ganz anderen Hörgewohnheiten… Gerne würden wir öfter solche Projekte machen. Man muss uns nur einladen!“, fügt er augenzwinkernd hinzu. Auf Schloss Johannisberg waren die Karlsruher Nachwuchsmusiker schon im letzten Jahr mit einem Liederabend zu Gast – und durften sich dort, vor ausverkauftem Saal über einen „gewaltigen Schlussbeifall“ (Offenbach Post) freuen. Man darf also gespannt sein auf die 16 Sänger und Pianisten zwischen 20 und 30, die sich in ganz unterschiedlichen Stadien ihres Studiums befinden und in diesem Jahr ein Programm zum Themenschwerpunkt „Heimweh“ vorstellen werden. Hartmut Höll hat die Liedzusammenstellung federführend übernommen, dabei aber natürlich immer wieder das bereits vorhandene Repertoire des Einzelnen berücksichtigt. Die Vorbereitung auf dieses besondere „Klassenprojekt“ erfordert viel Geduld und verlangt auch von der Gruppe, dass sie eine gemeinsame „innere Haltung gegenüber dem Programm“ entwickelt: „Alle Mitwirkenden werden sich wieder wie im letzten Jahr im Halbkreis um den Flügel herum platzieren. Das ist natürlich schwierig für diejenigen, die später dran sind und sich eigentlich lieber ‚einsummen‘ würden. Aber das gehört dazu, die Gruppe muss gut zusammenwirken, ein gemeinsames Zeitgefühl entwickeln. Und das üben wir auch im Vorfeld, denn auf der Bühne ist jeder auf sich selbst gestellt. Da kann ihm keiner helfen. Ich selbst bin dann nur noch Zuhörer und genieße das Konzert!“ Doch auch vorher sieht Hartmut Höll sich nicht als belehrender Dozent, sondern vielmehr als „Partner auf Augenhöhe“. „Im Unterrichtsgespräch geht es immer darum, ein Werk zu verstehen und eine Empfindung zu entwickeln, die aus dem Verständnis erwächst. Das soll dann natürlich auch an den Hörer vermittelt werden und muss immer wieder im Vortrag ‚bewiesen‘ werden.“ Oft, so gibt er zu, lernt er dabei auch noch selbst dazu, wenn ein Student auf eine Lösung kommt oder eine Interpretation anbietet, die ihm selbst niemals eingefallen wäre. Als weltweit konzertierender Liedbegleiter ist Hartmut Höll – ebenso wie Michael Schneider – für seine Studenten jedoch nie nur Gesprächspartner oder Lehrer, sondern immer auch Vorbild. Vor einem Auftritt gibt er ihnen die gleichen Worte mit auf den Weg, die er auch mit seinen langjährigen Duopartnern Dietrich Fischer-Dieskau oder Mitsuko Shirai stets ausgetauscht hat: „Gute Reise! Denn die einzelnen Lieder sind wie Landschaften – den Weg dadurch schreitet man im Vorfeld gemeinsam ab, aber die Beleuchtung, das Wetter usw. ist bei jedem Spaziergang anders!“ 17

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Michael Schneider<br />

Klassenabend<br />

<strong>Musik</strong>hochschulkooperationen des <strong>Rheingau</strong> <strong>Musik</strong> <strong>Festival</strong>s<br />

von Anna-Kristina Laue<br />

„Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!“ Frei nach Goethe handelt<br />

in diesem Jahr auch das <strong>Rheingau</strong> <strong>Musik</strong> <strong>Festival</strong>, indem es seinen Blick auf junge<br />

Sänger und Instrumentalisten richtet, die in unmittelbarer Nähe des <strong>Festival</strong>zentrums<br />

ihre Ausbildungsstätte haben: Als Talentschmieden für junge <strong>Musik</strong>er genießen die<br />

Hochschule für <strong>Musik</strong> Karlsruhe sowie die Hochschule für <strong>Musik</strong> und Darstellende Kunst<br />

Frankfurt am Main einen hervorragenden Ruf. Studenten von beiden Hochschulen<br />

bekommen ein Podium im <strong>Festival</strong>programm geboten. Damit werden die bereits in den<br />

Jahren 2007 und 2010 sehr erfolgreichen Kooperationen fortgesetzt.<br />

© Marco Borggreve<br />

„Bitte keine Dienstmentalität!“<br />

2007 lud das <strong>Festival</strong> gemeinsam<br />

mit der <strong>Musik</strong>hochschule Frankfurt<br />

zur großen „Barocknacht“ auf<br />

dem Gesamtgelände des Kloster<br />

Eberbach – Monteverdis Orfeo bilde -<br />

te damals den krönenden Ab schluss<br />

in der Basilika. In diesem Jahr<br />

nun betätigen sich Studenten und<br />

Dozenten der verschiedensten<br />

Ausbildungsklassen als „Reiseführer“<br />

im „Wandel durch Epochen<br />

und Stile“. Vier Kammermusikensembles<br />

– ein Klavierquintett, ein<br />

Streichquartett, ein Holzbläserund<br />

ein Trompetentrio – präsentieren<br />

ihr im Semester erarbeitetes<br />

Repertoire an unterschiedlichen<br />

Orten des Klosters. Mit einer halbszenischen<br />

Aufführung von Alessandro<br />

Stradellas Oratorium San<br />

Giovanni Battista findet die Konzertnacht<br />

in der beeindruckenden<br />

Kulisse der Eberbacher Basilika<br />

ihren Höhepunkt. „San Giovanni<br />

Battista ist das geniale Meisterwerk<br />

des sagenumwobenen Komponisten<br />

Stradella, über den (nicht<br />

nur wegen seines gewaltsamen<br />

Endes) Romane geschrieben und<br />

Opern komponiert wurden, ohne<br />

dass deren Autoren je eine Note<br />

von ihm gehört hätten. Inhaltlich<br />

handelt es sich um die aus dem<br />

Neuen Testament bekannte überaus<br />

spannende Geschichte um<br />

© Heike Rost<br />

Am 20. und 21.8. ist die <strong>Musik</strong>hochschule Frankfurt zu Gast in Kloster Eberbach<br />

Salome, Herodes und Johannes<br />

den Täufer, die in ca. 75 Minuten<br />

stringent dargestellt wird. <strong>Musik</strong>alisch<br />

ist es ein Kompendium der<br />

schönsten barocken <strong>Musik</strong>, die<br />

man sich überhaupt nur vorstellen<br />

kann: melodisch exquisite Arien,<br />

mitreißende Rhythmen und eine<br />

extrem abwechslungsreiche und<br />

farbige Instrumentation machen<br />

das Stück zu einem Erlebnis. Nach<br />

dieser <strong>Musik</strong> sind bislang alle süchtig<br />

geworden, die sie kennen gelernt<br />

haben!“, begeistert sich Prof. Michael<br />

Schneider, Gründer und Leiter des<br />

Instituts für Historische Interpretationspraxis<br />

an der Frankfurter<br />

Hochschule, der die künstlerische<br />

Leitung für die Oratorienaufführungen<br />

am 20. und 21. August inne<br />

hat. Die Studenten, die er für dieses<br />

besondere Projekt verpflichtet hat,<br />

sind zwischen 19 und 30 Jahre alt.<br />

Alle Instrumentalisten sind im<br />

Masterstudiengang Historische<br />

Interpretationspraxis eingeschrieben<br />

– und spielen selbst verständlich<br />

auf historischen Instru menten.<br />

Auch wenn die Vorbereitung für<br />

öffentliche Auftritte mit einem<br />

Studentenensemble natürlich<br />

wesentlich mehr Zeit in Anspruch<br />

nimmt als mit fertig ausgebildeten<br />

Profimusikern, sind es gerade<br />

diese besonderen Gelegenheiten,<br />

die zum „Motivationsmotor“ der<br />

Studenten werden: „Es ist immer<br />

wieder erstaunlich zu sehen, wie<br />

echte Herausforderungen die jungen<br />

Leute zu Höchstleistungen<br />

anregen! Bei ‚richtigen‘ Konzerten<br />

mit ‚richtigem‘ Publikum und mit<br />

entsprechenden Ansprüchen aufzutreten,<br />

ist ja doch etwas anderes<br />

als ein Klassenvorspiel im gesi

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