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Der neue „uomo universale“ - Rheingau Musik Festival

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Komponistenporträt: Hans Zender<br />

<strong>Der</strong> <strong>neue</strong><br />

<strong>„uomo</strong> <strong>universale“</strong><br />

© Frank Höhler / Wolfgang Lamparter<br />

von Rainer Peters<br />

Man würde Hans Zender ja gerne<br />

eine „multiple Persönlichkeit“<br />

nennen, wenn dieser Begriff<br />

nicht von der Pathologie besetzt<br />

wäre; greifen wir also lieber, um<br />

ihn zu charakterisieren, auf die<br />

Bezeichnung für den „kompletten“<br />

Renaissancemenschen zurück und<br />

nennen ihn einen <strong>„uomo</strong> <strong>universale“</strong>:<br />

Er war und ist Komponist,<br />

Dirigent, Pädagoge, <strong>Musik</strong>schriftsteller<br />

und in all diesen Funktionen<br />

außergewöhnlich und erfolgreich.<br />

Universell ist sein Interesse<br />

an Künsten und Kulturen, umfassend<br />

seine Belesenheit, engagiert<br />

sein Einsatz für die Moderne.<br />

Entsprechend vielgestaltig und<br />

„multikulturell“ ist seine kompositorische<br />

Arbeit. Wenn man an so<br />

etwas wie nationale Typologien<br />

in den Künsten glaubt, wird man<br />

natürlich viel Deutsches an ihm<br />

feststellen können: Neben einer<br />

ausgeprägten erzieherischen Ader<br />

ist es eine große Nähe zur Philosophie,<br />

damit zusammenhängend das<br />

Vertrauen in die <strong>Musik</strong>, humaner<br />

Appell zu sein und metaphysische<br />

Tiefe anstreben zu können; ebenso<br />

die Systematisierung seiner indivi-<br />

duellen, die Mikrotonalität einbeziehenden<br />

„Harmonielehre“,<br />

seine Vorliebe für – um nicht zu<br />

sagen Treue zu – Komponisten wie<br />

Max Reger und Paul Hindemith,<br />

von seinem „Lieblingskomponisten“<br />

(FAZ-Fragebogen) Johann<br />

Sebastian Bach ganz zu schweigen.<br />

Andererseits versteht er sich<br />

auf „clarté“ und „divertissement“<br />

wie nur irgendein Franzose,<br />

trifft, wenn es Surrealisten- und<br />

Dadaistentexte verlangen, einen<br />

hintersinnig-kabarettistischen<br />

Ton, komponiert pianistische Kinderstücke<br />

oder gar eine Hommage<br />

à Oscar Peterson.<br />

Zender vertont Bibeltexte und<br />

Joyce, Meister Eckhart und Pound,<br />

Michaux und – in immer <strong>neue</strong>n<br />

und verwandelten Annäherungen<br />

– Hölderlin. Einerseits ist er komponierender<br />

„Strukturalist“ und „Konstruktivist“,<br />

erfindet beziehungsreiche<br />

<strong>Musik</strong>-Architektur, widmet<br />

sich interpretatorisch mit Hingabe<br />

der vermeintlich Hegel’schen Dialektik<br />

und kämpferischen Zielgerichtetheit<br />

von Beethovens <strong>Musik</strong>;<br />

aber er hat auch ein Remedium<br />

gefunden, sich von diesem teleologischen<br />

Werkbegriff zurückzuziehen,<br />

indem er sich in asiatisches

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