Er würdees freilichnicht können.Also <strong>ein</strong>er allmählichen Gewöhnung daran bedarf er, wenner die Dinge über der Erde schauen soll. Da würde er nunzuerst die Schatten am leichtesten anschauen könnenund die im Wasser von den Menschen sich abspiegelndenBilder, sodann erst die wirklichen Gegenstände selbst. Undschließlich vermag er natürlich die Sonne selbst in ihrerR<strong>ein</strong>heit und in ihrer Beschaffenheit anzublicken und zubetrachten. Und nach solchen Vorübungen würde er übersie die Einsicht gewinnen, <strong>das</strong>s sie alles ordnet im Bereicheder sichtbaren Welt und von allen jenen Ersch<strong>ein</strong>ungen,die er dort sah, gewissermaßen die Ursache ist.Bedenke folgendes: Wenn <strong>ein</strong> solcher wieder hinunterkämeund sich wieder auf s<strong>ein</strong>en Platz setzte, würde er da nichtdie Augen voll Finsternis bekommen, wenn er plötzlich ausdem Sonnenlicht käme? Aber wenn er nun, während s<strong>ein</strong> Blicknoch verdunkelt wäre, wiederum im Erraten jener Schattenweltmit jenen, die dort immer gefangen sind, wetteifernsollte, und zwar ehe s<strong>ein</strong>e Augen wieder zurechtgekommenwären, würde er da nicht <strong>ein</strong> Gelächter veranlassen, undwürde es nicht von ihm heißen, weil er hinaufgegangen wäre,sei er mit verdorbenen Augen zurück ge kommen, und es s<strong>ein</strong>icht der Mühe wert, nur den Versuch zu machen, hinaufzugehen?Und wenn er sich gar unterstände, sie zu entfesselnund hinaufzuführen, würden sie ihn nicht ermorden, wennsie ihn in die Hände bekommen und ermorden könnten?Die sich uns offenbarende Welt vergleiche <strong>ein</strong>erseits mitder Wohnung im unterirdischen Gefängnisse, und <strong>das</strong> Lichtdes Feuers in ihr mit dem Vermögen der Sonne, <strong>das</strong> Hinaufsteigenund <strong>das</strong> Beschauen der Gegenstände über derErde andererseits stelle dir als den Aufschwung der Seel<strong>ein</strong> <strong>das</strong> Gebiet des nur durch die Vernunft Erkennbaren vor,und du wirst dann m<strong>ein</strong>e M<strong>ein</strong>ung hierüber haben: im Bereicheder Vernunfterkenntnis ist der Begriff des Gutennur zu allerletzt und mühsam wahrzunehmen, und nach s<strong>ein</strong>erAnschauung müsse man zur Einsicht kommen, <strong>das</strong>s er füralle Dinge die Ursache von allem Richtigen und Schönen sei,indem er in der sichtbaren Welt <strong>das</strong> Licht und die Sonneerzeugt, sodann auch im Bereich des durch die VernunftErkennbaren selbst als Herrscher waltend sowohl dieWahrheit als auch uns Vernunft<strong>ein</strong>sicht gewährt, fernerzur Einsicht kommen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Wesen des Guten <strong>ein</strong> jedererkannt haben müsse, der verständig handeln will, seies in s<strong>ein</strong>em eigenen Leben oder in öffentlichen Angelegenheiten.↘ ( Platon )22 23
Ich war <strong>ein</strong> Kind muss ich erinnernWochenlang redete k<strong>ein</strong>erK<strong>ein</strong> Wort.TotschlägerschweigenGegen mich früherHölle der Kindheitjede Kindheitdie hölle.Da kamen Stimmen aus dem SchweigenStimmenlärmAlles gelogenRede UnaussprechlichaussprecherinRuhe Ruheruhe.Ich kann <strong>das</strong> nicht mehr ertragenMich ich kann mich nicht mehr ertragenIch wollte von früher erzählenWas mich verrückt machtIch will etwas sagen.{ Rainald Goetz, Krieg }Der ZweifelIch setze voraus, <strong>das</strong>s alles, was ich sehe, falsch ist; ichglaube, nichts von dem habe jemals existiert, was mir <strong>das</strong>trügerische Gedächtnis repräsentiert. Aber woher weiß ichdenn, <strong>das</strong>s es nicht doch noch irgendetwas gibt, <strong>das</strong> nichtden geringsten Anlass zum Zweifeln bietet? Gibt es etwairgend<strong>ein</strong>en Gott, oder welchen Namen immer ich demjenigengeben mag, der mir diese Gedanken <strong>ein</strong>gibt? Weshalb abersollte ich dies m<strong>ein</strong>en, wenn ich selbst der Urheber dieserGedanken s<strong>ein</strong> kann? Bin ich selbst also etwa irgendetwas?Es gibt <strong>ein</strong>en, ich weiß nicht welchen, allmächtigen undäußerst verschlagenen Betrüger, der mich ständig mit äußersterHartnäckigkeit täuscht. Zweifelsohne bin ich selbstalso, wenn er mich täuscht; und er möge mich täuschen,soviel er kann, niemals wird er bewirken, <strong>das</strong>s ich nichts bin,solange ich denken werde, <strong>das</strong>s ich etwas bin; so <strong>das</strong>sschließlich, nachdem ich es zur Genüge überlegt habe, festgestelltwerden muss, <strong>das</strong>s dieser Grundsatz Ich bin, ichexistiere, sooft er von mir ausgesprochen oder durchden Geist begriffen wird, notwendig wahr ist.Mir ist bekannt, <strong>das</strong>s ich existiere; ich frage, was ich bin,jenes Ich, <strong>das</strong> mir bekannt ist. Ein denkendes Ding. Was ist<strong>das</strong>? Nun – <strong>ein</strong> denkendes, <strong>ein</strong>sehendes, behauptendes,bestreitendes, wollendes, nicht wollendes, und etwas sichvorstellendes und sinnlich wahrnehmendes Ding. Das ist inder Tat nicht wenig, wenn all <strong>das</strong> insgesamt zu mir gehören24 25