13.07.2015 Aufrufe

das leben ein traum - Schauspiel Stuttgart

das leben ein traum - Schauspiel Stuttgart

das leben ein traum - Schauspiel Stuttgart

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Schauspiel</strong> NORD<strong>das</strong> <strong>leben</strong><strong>ein</strong> <strong>traum</strong>*82 *109*85 *103 *92*84 *104 *110 *100 *101 *105 *106 *108 *96 *112 *118 *121 *141*87 *86 *88 *89 *90 *91 *102 *97 *107 *93 *94 *95 *98 *120 *99vonPedro Calderón de la Barca<strong>Schauspiel</strong><strong>Stuttgart</strong>


ImpressumTextnachweis:Richard Alewyn, Das große Welttheater, München 1985 /René Descartes, Meditationen, Hamburg 2009 / Rainald Goetz,Krieg, Frankfurt am Main 1986 / Georg Holzer, M<strong>ein</strong> Lehrer war<strong>ein</strong> Traum, aus dem Programmheft »Das Leben <strong>ein</strong> Traum«,Bayerisches Staatsschauspiel München, Spielzeit 2007/08 /Platon, Der Staat, <strong>Stuttgart</strong> 1855 / Arthur Schopenhauer, Die Weltals Wille und Vorstellung, Zürich 1977Herausgeber:<strong>Schauspiel</strong> <strong>Stuttgart</strong> / Staatstheater <strong>Stuttgart</strong>Intendant:Hasko WeberRedaktion:Christian Holtzhauer, Patricia SchmidtGestaltung:Strichpunkt, <strong>Stuttgart</strong> / Berlin / www.strichpunkt-design.deDruck:medialogik GmbHWir danken BURGER KING fürdie freundliche Unterstützung.


<strong>das</strong> <strong>leben</strong><strong>ein</strong> <strong>traum</strong>vonPedro Calderón de la BarcaIn <strong>ein</strong>er Bearbeitung von Soeren VoimaUnter Verwendung des IV. Kapitels»Gruft« aus »Krieg« von Rainald GoetzPremiere am 21. Februar 2013 im NORD, große BühneAufführungsrechte beim henschel SCHAUSPIELTheaterverlag Berlin sowie beim SuhrkampTheaterverlag Berlin<strong>Schauspiel</strong><strong>Stuttgart</strong>www.schauspiel-stuttgart.de


ich träume,also bin ichCalderóns fast vierhundert Jahre altes Stück »Das Leben <strong>ein</strong>Traum«, mehr Gedicht als Drama, mutet auf den ersten Blickan wie <strong>ein</strong> Märchen: König Basilius von Polen ist altgeworden. Höchste Zeit, die Thronfolge zu regeln. Er giltals kinderlos, s<strong>ein</strong> Neffe Astolf, Herzog von Moskau, unds<strong>ein</strong>e Nichte Estrella machen sich Hoffnung auf die Krone.Was außer dem König und s<strong>ein</strong>em treuen Diener Clotaldniemand weiß: Basilius hat sehr wohl <strong>ein</strong> Kind, <strong>ein</strong>en Sohnnamens Sigismund. Der allerdings ist ohne Kontakt zuanderen Menschen in <strong>ein</strong>em Turm im Gebirge aufgewachsen,zu dem all<strong>ein</strong> Clotald Zutritt hatte. Nur <strong>ein</strong>mal verirrtensich <strong>ein</strong>e als Mann verkleidete junge Frau und ihr Begleiterin Sigismunds Verlies.Wie kam der Prinz in den Turm? Basilius ist <strong>ein</strong> Mann derWissenschaften. Er glaubt, in den Sternen lesen und mithin<strong>das</strong> Schicksal be<strong>ein</strong>flussen zu können. Die Sterne schienennun darauf hinzudeuten, <strong>das</strong>s s<strong>ein</strong> Sohn sich zu <strong>ein</strong>em grausamenTyrannen entwickeln und ihn, den König, der<strong>ein</strong>st vomThron stoßen würde. Um s<strong>ein</strong> Volk, vor allem aber um sichselbst zu schützen, lässt er <strong>das</strong> Kind als Totgeburt erklärenund sperrt es heimlich weg.Nicht für immer allerdings. Bevor er die Krone abgibt, willder König prüfen, ob s<strong>ein</strong> mittlerweile herangewachsener Sohnnicht doch der bessere Herrscher ist als die Verwandtschaftaus dem Osten. Vor allem aber will er herausfinden, ob er mits<strong>ein</strong>er Weissagung richtig gelegen hat. Unter dem Deckmantelder Menschlichkeit heckt er <strong>ein</strong>en perfiden Plan aus: Sigismundsoll in den Palast gebracht werden und dort erfahren, wer erwirklich ist. Verhält er sich, wie es von <strong>ein</strong>em König erwartetwird, darf er fortan die Krone tragen. Erweist er sich jedoch als<strong>das</strong> von Basilius vorausgesagte Ungeheuer, muss er zurück inden Turm. Um in diesem Fall die Verzweiflung angesichts derneuerlichen Verbannung abzumildern, soll Sigismund <strong>ein</strong>Schlaftrunk verabreicht werden. Wenn er im Kerker wiedererwacht, würde s<strong>ein</strong> Ausflug an den Hof ihm wie <strong>ein</strong> Traumersch<strong>ein</strong>en…Es kommt, wie es kommen muss: Wütend über s<strong>ein</strong> ungerechtesSchicksal und nicht vertraut mit höfischen Umgangsformen,mischt Sigismund den Hof ordentlich auf und vergreift sichschließlich an Rosaura, jener Frau, die <strong>ein</strong>mal zufällig in s<strong>ein</strong>enTurm geraten war. Er wird überwältigt und erneut betäubt. Alser im Kerker wieder zu sich kommt, kann er sich die Ereignissenicht anders erklären, als <strong>das</strong>s er sie geträumt haben müsse.Damit könnte <strong>das</strong> Stück zu Ende s<strong>ein</strong>. Die Aussicht, mit Astolf<strong>ein</strong>en Russen als König zu haben, gefällt indes nicht allen Polen.Soldaten befreien Sigismund, um ihn zum Anführer <strong>ein</strong>erRebellion gegen den Hof zu machen. Träumt Sigismund nochimmer? Ist nicht <strong>das</strong> ganze Leben <strong>ein</strong> Traum? Dann wäre essicher angenehmer, vom Thron als vom Kerker zu träumen.Also beschließt Sigismund, sich auf <strong>das</strong> Abenteuer <strong>ein</strong>zulassen.Er lernt, s<strong>ein</strong>e Wut zu unterdrücken und sich »gut« zu verhalten.Die »Ewigkeit« – Gottes Himmelreich – ist fortan s<strong>ein</strong> Ziel.4 5


Selbst als er der jungen Rosaura zum dritten Mal begegnet underkennt, <strong>das</strong>s er womöglich <strong>ein</strong>em bösen Spiel aufgesessen ist,lässt er sich von s<strong>ein</strong>em Aufstieg nicht mehr abhalten. Er vergibts<strong>ein</strong>em Vater, begnadigt s<strong>ein</strong>e Widersacher, bestraft die Revolutionäre,verzichtet aus Gründen der politischen Raison auf dieFrau, die er liebt – die Ordnung der Welt, wie Calderón und mitihm <strong>das</strong> Zeitalter des Barock sie sahen, ist wieder hergestellt.Diese Weltordnung, die den Hintergrund von <strong>das</strong> <strong>leben</strong> <strong>ein</strong> <strong>traum</strong>bildet, ist uns heute fremd. Die Fragen dagegen, die CalderónsStück aufwirft, sind uns immer noch (oder wieder?) vertraut.Angesichts des barocken Weltverständnisses, <strong>das</strong>s unsereirdische Welt nur auf Sch<strong>ein</strong> gegründet sei, fragten bereitsCalderóns Zeitgenossen, welche Erkenntnis dann noch alsgesichert gelten könne. Woher weiß ich, wer ich bin, und <strong>das</strong>sich wach bin und nicht träume? Wie kann ich überhaupt sichers<strong>ein</strong>, <strong>das</strong>s ich ich bin? Zeitgleich mit der Entstehung von<strong>das</strong> <strong>leben</strong> <strong>ein</strong> <strong>traum</strong> formulierte René Descartes s<strong>ein</strong>eberühmte Erkenntnis, <strong>das</strong>s wir zwar alles, was wir wahrnehmen,in Zweifel ziehen müssten, aber immerhin wir selbst es sind,die zweifeln: Ich zweifle – oder träume –, also bin ich.Heute zählt die Frage, ob wir wachen oder träumen, ob <strong>das</strong>,was wir er<strong>leben</strong>, real ist oder nur <strong>ein</strong>e Simulation, zu denbeliebtesten Sujets der Traumfabrik Hollywood, wie etwa indem Sensationserfolg die matrix aus dem Jahr 1999.Auch <strong>ein</strong> anderes Motiv des Stücks hat neuerdings an Brisanzgewonnen. So klagt Sigismund zu Beginn, <strong>das</strong>s ihm, andersals den Tieren, die er von s<strong>ein</strong>em Kerker aus sieht, die Freiheitverwehrt bliebe, obwohl er doch im Unterschied zu jenenüber <strong>ein</strong>en freien Willen verfüge. Doch nicht nur die Gefängnismauernlimitieren diesen Willen. Basilius ist davon überzeugt,<strong>das</strong>s <strong>das</strong> Verhalten s<strong>ein</strong>es Sohnes und damit dessen Schicksalvorbestimmt ist. Aber wer oder was bestimmt, was ich bin undwie ich mich verhalte? Calderóns Glaube an die göttliche Vorbestimmungist heute abgelöst vom Glauben an die neuestenErkenntnisse der Hirn- und Genforschung, die den freien Willenals Illusion ersch<strong>ein</strong>en lassen. Mag s<strong>ein</strong>, vielleicht sind wirdurch Vorgänge in unserem Gehirn oder durch unser Erbgutviel stärker festgelegt, als wir <strong>das</strong> lange Zeit wahrhabenwollten. Doch was sagt diese Feststellung aus, wem ist damitgedient? In <strong>das</strong> <strong>leben</strong> <strong>ein</strong> <strong>traum</strong> liest der König in den Sternen,was er in ihnen lesen will – und macht s<strong>ein</strong> Kind womöglichdurch den brutalen präventiven Freiheitsentzug erst zu demUngeheuer, vor dem er sich fürchtet.Ob sich die Vorahnung des Königs schließlich bewahrheitet,bleibt offen. Sigismund wird am Schluss des Stücks zum Königgekrönt und stellt s<strong>ein</strong>en freien Willen aus freien Stücken inden Dienst <strong>ein</strong>er verm<strong>ein</strong>tlich höheren Sache. Er hat gelernt,sich zu beherrschen – vielleicht aus tatsächlicher Einsicht,vielleicht auch nur aus Angst, im nächsten Moment aus s<strong>ein</strong>emTraum aufzuwachen. Aber ist er darum weniger gefährlich?Macht <strong>ein</strong> Herrscher, der nur aus Angst richtig handelt, nichtvor allem – Angst?Christian Holtzhauer6 7


Calderónund <strong>das</strong> Siglo de OroPedro Calderón de la Barca wird 1600 in Madrid als Sohn<strong>ein</strong>er Adelsfamilie geboren. Als Zweitgeborener wird ihmnahegelegt, Priester zu werden – <strong>ein</strong> Ratschlag, den er nachdem Tod s<strong>ein</strong>er Mutter 1610 und s<strong>ein</strong>es Vaters 1615 befolgt.Der Besuch des Colegio Imperial, <strong>ein</strong>er Jesuitenschule, prägtCalderón nachhaltig – fassbar wird dies im Vergleich vonCalderóns Werken mit den jesuitischen Lehren und Theaterpraktiken:Die vor dem Hintergrund der Gegenreformationgegründete Jesuitenschule spielt im 17. Jahrhundert <strong>ein</strong>e großeRolle im Bildungssystem Europas. Ihre Lehren fordern dieAusrichtung des Lebens nach den Grundsätzen des christlichenMenschenbildes; ihre Theaterpraxis stellt die katholischeKirche als triumphierende Siegerin dar und spricht Zweiflerauf <strong>ein</strong>er emotionalen Ebene an, um sie so zu bekehren.Nach der Teilnahme an <strong>ein</strong>em Dichterwettbewerb im Jahre 1620und mit der Aufführung s<strong>ein</strong>es ersten Theaterstücks amor, honory poder 1623 beginnt Calderóns erste Schaffensphase, die ins<strong>ein</strong>er Anstellung als Hofdramatiker für König Philipp IV. im Jahre1635 – kurz nach Entstehung von la vida es sueño (<strong>das</strong> <strong>leben</strong><strong>ein</strong> <strong>traum</strong>) – ihren Höhepunkt findet. Calderóns Einsatz im Feldzuggegen Katalonien in den Jahren 1640 und 1642 beendet dieseerste Schaffensphase. Mit der Weihung zum Priester 1651 beginntCalderóns zweite Schaffensperiode.9


Als Geistlicher schreibt er nur wenige Theaterstücke für den Hofund verfasst in erster Linie auto sacramentales – allegorischeStücke, die <strong>das</strong> Sakrament der Eucharistie illustrieren. Als s<strong>ein</strong>berühmtestes Stück gilt hier el gran teatro del mundo (<strong>das</strong>große welttheater), erstmals veröffentlicht 1655. 1677 überarbeitetCalderón auch La vida es sueño zu <strong>ein</strong>em auto sacramental.Am 25. Mai 1681 stirbt Calderón. Er hinterlässt mehr als120 comedias, 80 auto sacramentales sowie zahlreiche Singspieleund Einakter.Calderóns Werke und die darin aufgeworfenen philosophischenFragestellungen inspirierten Autoren auch lange nach s<strong>ein</strong>emTod. Insbesondere <strong>das</strong> <strong>leben</strong> <strong>ein</strong> <strong>traum</strong> wurde gleich mehrfachals Vorlage für neue Stücke herangezogen. Bekannteste Beispielehierfür sind der <strong>traum</strong> <strong>ein</strong> Leben von Franz Grillparzer undder turm von Hugo von Hofmannsthal.↘ ( Patricia Schmidt )Calderóns Werke bilden den Höhepunkt des spanischen Theatersund repräsentieren den Geist ihrer Epoche. Das 16. und17. Jahrhundert gelten in Spanien als »Goldenes Zeitalter« –Siglo de Oro; <strong>ein</strong>e Epoche der besonderen Prosperität undpolitischer Macht, die auch zu <strong>ein</strong>er hohen Blüte der Kunst undKultur führt. Gleichzeitig ist <strong>das</strong> Siglo de Oro vom Katholizismus,der Inquisition und <strong>ein</strong>er nach christlichen Normen strukturiertengesellschaftlichen Ordnung geprägt. Die neben denhöfischen Bühnen häufigste Form des Theaters im Siglo de Oroist die sog. Corralbühne, <strong>ein</strong>e unter freiem Himmel in Innenhöfenaus <strong>ein</strong>em <strong>ein</strong>fachen Brettergerüst errichtete Bühne ohneaufwändige Dekorationen. Gespielt wird bei Tageslicht, Ortswechseloder Nachtszenen müssen durch Worte evoziert werden.


Menschensind dieTieremir…unter Menschenbin ich Tier.{ Calderón, Das Leben <strong>ein</strong> Traum }Das groSSe WelttheaterEin jedes Zeitalter schafft sich <strong>ein</strong> Gleichnis, durch <strong>das</strong> esim Bild s<strong>ein</strong>e Antwort gibt auf die Frage nach dem Sinn desLebens und in dem es den Schlüssel ausliefert zu s<strong>ein</strong>emGeheimnis. Die Antwort des Barock lautet: Die Welt ist <strong>ein</strong>Theater. K<strong>ein</strong> Zeitalter hat sich mit dem Theater tiefer <strong>ein</strong>gelassenals <strong>das</strong> Barock, k<strong>ein</strong>es hat es tiefer verstanden. Ink<strong>ein</strong>em Stoff aber hat auch <strong>das</strong> Barock sich völliger offenbartals im Theater. Es hat <strong>das</strong> Theater zum vollständigen Abbildund zum vollkommenen Sinnbild der Welt gemacht.Aber was ist <strong>das</strong> Theater? Ist es nicht <strong>ein</strong> äußerst fragwürdigesoder sogar frivoles Medium? Ein Bastard aus <strong>ein</strong>er flüchtigenLiebschaft zwischen heterogenen Künsten? Wie käme <strong>ein</strong>Zeitalter dazu, <strong>ein</strong>em so wesenlosen und flüchtigen Stoff s<strong>ein</strong>tiefstes Geheimnis anzuvertrauen? Das Rätsel vertieft sich nochfür den, der weiß, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Barock k<strong>ein</strong> glückliches Zeitaltergewesen ist. Schiebt man <strong>ein</strong>mal den Prunk und den Pompbeiseite, in den es s<strong>ein</strong>e Blöße hüllt, dann steht man vor <strong>ein</strong>emdunklen Untergrund von Weltschmerz, Weltangst und Welthass.Wir begegnen solchen Ausbrüchen des Welthasses als periodischenErschütterungen durch die ganze christliche Ärahindurch. Aber diesmal kreist die Botschaft mehr als sonst umzwei Botschaften. Die <strong>ein</strong>e lautet: K<strong>ein</strong> Ding hat Bestand. Werheute noch steht, kann morgen stürzen. Die andere Litaneilautet: Alles ist nur Sch<strong>ein</strong>. Aller Glanz ist falsch, aller Reiz istTrug. Die Welt ist ohne Wirklichkeit und ohne Substanz, so12 13


nichtig und wesenlos wie <strong>ein</strong> Schatten und <strong>ein</strong> Rauch. Dassdie Sinne täuschen, ist die Entdeckung der Weltweisen, unddaher verwerfen sie die Ausbeute der fünf Sinne und bauendie Philosophie auf nichts anderem auf als dem r<strong>ein</strong>en Akt desDenkens. Dass die Welt <strong>ein</strong> Trug ist, erkennt der Fromme undrettet sich in <strong>das</strong> Kloster, wo <strong>das</strong> Reich des falschen Sch<strong>ein</strong>sendet und die wahre Wirklichkeit beginnt.Das Leben – <strong>ein</strong> Traum, die Welt – <strong>ein</strong> Theater, in diesen beidenGleichnissen sind nicht nur die Weisheit und der GlaubeCalderóns begriffen, tausendstimmig hallt der ganze barockeRaum sie wider. Kann man sich <strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>dringlichere Predigtder Vergänglichkeit denken? Paläste und Tempel werden errichtet,die Elemente sind im Aufruhr, es wird um <strong>das</strong> Schicksalvon Weltreichen gewürfelt – und der König ist in Wirklichkeitnichts als <strong>ein</strong> vermummter Komödiant, s<strong>ein</strong> goldener Thron <strong>ein</strong>Lattengerüst, s<strong>ein</strong> stattlicher Palast <strong>ein</strong> paar Ellen Tuch und<strong>ein</strong> paar Töpfe Farbe, und um Mitternacht ist alles aus. AllesMaske und Schminke, alles Täuschung und Verstellung, allesflüchtig und nichtig. Das Theater ist genau <strong>das</strong>, was für denbarocken Trübsinn die Welt: sinnlich, aber nicht wirklich.Als Bekenntnis zur Wirklichkeit ist <strong>das</strong> Theater nicht zu gebrauchen.Wirklichkeitsbejahende Zeiten und Völker lassenes verkümmern oder legen es an die Kette des Wortes. Nurwo die Welt zum Nichts entwertet und <strong>das</strong> Leben als Traumbegriffen wurde, konnte <strong>das</strong> Theater solche Breiten undTiefen des Das<strong>ein</strong>s umfassen. Schwebend über dem Abgrundzwischen Wirklichkeit und Sch<strong>ein</strong>, verwaltet es mit der Kirchedie wichtigste Stelle im barocken Universum. Es beherrschtden Ausgang aus der Wirklichkeit.Ist aber die Wirklichkeit des Zuschauers selbst nur <strong>ein</strong> Theater,wie <strong>das</strong> Gleichnis vom Welttheater es will, dann ist <strong>das</strong>Theater in Wirklichkeit schon <strong>ein</strong> Theater im Theater. Dannsteht der Zuschauer im Theater s<strong>ein</strong>erseits schon auf der Bühneund spielt in <strong>ein</strong>em Spiel, ob er es weiß oder nicht. Wer aber<strong>ein</strong> guter <strong>Schauspiel</strong>er s<strong>ein</strong> will, der wird sich nicht täuschenlassen. Der weiß, <strong>das</strong>s die prächtigste Dekoration nur <strong>ein</strong> Sch<strong>ein</strong>ist und auch <strong>das</strong> prunkvollste Kostüm nur geliehen. Aber erwird s<strong>ein</strong>e Rolle trotzdem so gut spielen, wie er nur kann. Denner weiß im Dunkel des kosmischen Zuschauerraums unsichtbarden Zuschauer aller Zuschauer: Gott.Von Gott, dem absoluten Spieler, zu Gott, dem absolutenZuschauer, führt die Achse durch <strong>ein</strong>e Stufenfolge von Wirklichkeiten.In ihrer Mitte aber steht der Mensch, auch s<strong>ein</strong>erseitsZuschauer zugleich und <strong>Schauspiel</strong>er in dem GroßenWelttheater des Barock.↘ ( Richard Alewyn )14 15


Ich wollte von früher erzählenDieser Bunker ichDer Durst die AngstDie Wände neigen sich mir zuRücken rumAuSSerordentlicheStilleAlles weiSS - Der <strong>ein</strong>zige Klang ist innenDer innere KlangSchwarz schreit <strong>das</strong> Firmament - Der HirnhautäuSSerster Rand - Ist unüberschreitbarGottes Wille?Sigismund, der Kaspar Hauser aus Polens Bergen, macht<strong>ein</strong>e erschreckende Entwicklung durch. Es sch<strong>ein</strong>t, alsentferne er sich immer weiter von sich selbst, je mehr er derobjektiven Wahrheit s<strong>ein</strong>er Identität auf die Spur kommt. DerPrinz am Beginn des Stückes ist <strong>ein</strong> zorniger junger Mann,dessen Wut auf s<strong>ein</strong> Schicksal k<strong>ein</strong>en Adressaten findet. Dasser sich im Palast skandalös benimmt, erklärt sich doppelt ausder Demütigung, die s<strong>ein</strong>e gesamte bisherige Existenz dargestellthat, und der kompletten Überforderung s<strong>ein</strong>er Wahrnehmungsfähigkeitnach der Blitzkarriere vom Aschenputtel zumThronfolger.Viel schwieriger nachzuvollziehen ist s<strong>ein</strong>e Läuterung. DerSigismund des Stückschlusses ist so abgeklärt und leidenschaftslos,<strong>das</strong>s man Angst nicht nur um ihn, sondern auchum <strong>das</strong> Wohl des von ihm regierten Landes bekommt. Erverneigt sich demütig vor dem Schicksal, <strong>das</strong> er nicht verstehtund nicht ändern zu können glaubt. Ein Herrscher gibtdie Verantwortung an den Himmel ab. Er macht es nichtanders als s<strong>ein</strong> Vater, der aber immerhin noch von Erkenntnisinteressegetrieben war.{ Rainald Goetz, Krieg }16 17


»m<strong>ein</strong> lehrer war <strong>ein</strong> <strong>traum</strong>«, sagt Sigismund in s<strong>ein</strong>erSchlussansprache. Ein Traum, den es gar nicht gegeben hat,der nur <strong>ein</strong>e Inszenierung war. Ob sich daraus <strong>ein</strong> Regierenentwickeln lässt, <strong>das</strong> sich als praktisches Handeln zum Wohlder Untergebenen versteht, bleibt offen. Die in unserem heutigenSinn »falschen« Paarungen des Stücken des lassen daranzweifeln. Das barocke Ordnungsdenken führt bei Sigismundin den Gottesstaat, in dem der Herrscher nur noch <strong>das</strong> ausführendeOrgan <strong>ein</strong>es von ihm erkannten göttlichen Willens ist.↘ ( Georg Holzer )19


Das HöhlengleichnisBetrachte nun den Zustand unserer menschlichen Naturin Bezug auf Bildung und Unbildung mit dem in folgendembildlich dargestellten Zustande: Stelle dir Menschen vorin <strong>ein</strong>er höhlenartigen Wohnung unter der Erde, die <strong>ein</strong>ennach dem Lichte zu geöffneten und längs der ganzen Höhlehingehenden Eingang habe, Menschen, die von Jugend aufan Schenkeln und Hälsen in Fesseln <strong>ein</strong>geschmiedet sind,so <strong>das</strong>s sie dort unbeweglich sitzenbleiben und schauennur vor sich hin, aber nach links und rechts die Köpfe wegender Fesselung nicht umzudrehen vermögen. Licht haben sievon oben von der Ferne von <strong>ein</strong>em Feuer hinter ihnen. Zwischendem Feuer und den Gefesselten sei oben <strong>ein</strong> Querweg,längs diesem denke dir <strong>ein</strong>e kl<strong>ein</strong>e Mauer erbaut, ähnlichwie die Schranke, die Gaukler vor dem Publikum haben, überdie sie ihre Kunststücke zeigen. So stelle dir nun weiter vor,längs dieser Mauer trügen Leute allerhand über diesehinausragende Gerätschaften, auch Menschenstatuen undBilder von anderen <strong>leben</strong>den Wesen aus Holz, St<strong>ein</strong> undallerlei sonstigem Stoffe, während, wie natürlich, <strong>ein</strong>igeder Vorübertragenden ihre Stimme hören lassen, andereschweigen.Haben wohl solche Gefangene von ihren eigenen Personenund von <strong>ein</strong>ander etwas anderes zu sehen bekommen alsdie Schatten, die von dem Feuer auf die ihrem Gesichtegegenüberstehende Wand fallen? Ferner, ist es nicht mitden vorübergetragenen Gegenständen ebenso? Wenn sienun mit <strong>ein</strong>ander reden könnten, würden sie nicht m<strong>ein</strong>en,die verwendeten Benennungen kämen den Dingen zu, diesie vor sich sehen?Wenn <strong>ein</strong>er von ihnen nun entfesselt und genötigt würde,plötzlich aufzustehen, den Hals umzudrehen, herumzugehen,in <strong>das</strong> Licht zu sehen, und wenn er bei allen diesen HandlungenSchmerzen empfände und wegen des Glanzgeflimmers vors<strong>ein</strong>en Augen nicht jene Dinge anschauen könnte, derenSchatten er vorhin zu sehen pflegte. Was würde er wohldazu sagen, wenn ihm jemand erklärte, <strong>das</strong>s er vorhin nur<strong>ein</strong> Schattenspiel gesehen, <strong>das</strong>s er jetzt aber dem wahrenS<strong>ein</strong> schon näher sei? Und wenn man dann auf jeden dervorüberwandernden Gegenstände zeigen und ihn durchFragen zur Antwort nötigen wollte, zu sagen was sie seien,glaubst du nicht, <strong>das</strong>s er ganz in Verwirrung geraten unddie M<strong>ein</strong>ung haben würde, die vorhin geschauten Schattengestaltenhätten mehr Wirklichkeit als die, welche er jetztgezeigt bekomme? Wenn aber jemand ihn aus dieser Höhlemit Gewalt den rauen und steilen Aufgang aufwärts zögeund ihn nicht losließe, bis er ihn an <strong>das</strong> Licht der Sonneherausgebracht hätte, würde er da wohl nicht Schmerzenempfunden haben und, nachdem er an <strong>das</strong> Sonnenlichtgekommen, die Augen voll Blendung haben und also gar nichtsvon den Dingen sehen können, die jetzt als wirkliche ausgegebenwerden?20 21


Er würdees freilichnicht können.Also <strong>ein</strong>er allmählichen Gewöhnung daran bedarf er, wenner die Dinge über der Erde schauen soll. Da würde er nunzuerst die Schatten am leichtesten anschauen könnenund die im Wasser von den Menschen sich abspiegelndenBilder, sodann erst die wirklichen Gegenstände selbst. Undschließlich vermag er natürlich die Sonne selbst in ihrerR<strong>ein</strong>heit und in ihrer Beschaffenheit anzublicken und zubetrachten. Und nach solchen Vorübungen würde er übersie die Einsicht gewinnen, <strong>das</strong>s sie alles ordnet im Bereicheder sichtbaren Welt und von allen jenen Ersch<strong>ein</strong>ungen,die er dort sah, gewissermaßen die Ursache ist.Bedenke folgendes: Wenn <strong>ein</strong> solcher wieder hinunterkämeund sich wieder auf s<strong>ein</strong>en Platz setzte, würde er da nichtdie Augen voll Finsternis bekommen, wenn er plötzlich ausdem Sonnenlicht käme? Aber wenn er nun, während s<strong>ein</strong> Blicknoch verdunkelt wäre, wiederum im Erraten jener Schattenweltmit jenen, die dort immer gefangen sind, wetteifernsollte, und zwar ehe s<strong>ein</strong>e Augen wieder zurechtgekommenwären, würde er da nicht <strong>ein</strong> Gelächter veranlassen, undwürde es nicht von ihm heißen, weil er hinaufgegangen wäre,sei er mit verdorbenen Augen zurück ge kommen, und es s<strong>ein</strong>icht der Mühe wert, nur den Versuch zu machen, hinaufzugehen?Und wenn er sich gar unterstände, sie zu entfesselnund hinaufzuführen, würden sie ihn nicht ermorden, wennsie ihn in die Hände bekommen und ermorden könnten?Die sich uns offenbarende Welt vergleiche <strong>ein</strong>erseits mitder Wohnung im unterirdischen Gefängnisse, und <strong>das</strong> Lichtdes Feuers in ihr mit dem Vermögen der Sonne, <strong>das</strong> Hinaufsteigenund <strong>das</strong> Beschauen der Gegenstände über derErde andererseits stelle dir als den Aufschwung der Seel<strong>ein</strong> <strong>das</strong> Gebiet des nur durch die Vernunft Erkennbaren vor,und du wirst dann m<strong>ein</strong>e M<strong>ein</strong>ung hierüber haben: im Bereicheder Vernunfterkenntnis ist der Begriff des Gutennur zu allerletzt und mühsam wahrzunehmen, und nach s<strong>ein</strong>erAnschauung müsse man zur Einsicht kommen, <strong>das</strong>s er füralle Dinge die Ursache von allem Richtigen und Schönen sei,indem er in der sichtbaren Welt <strong>das</strong> Licht und die Sonneerzeugt, sodann auch im Bereich des durch die VernunftErkennbaren selbst als Herrscher waltend sowohl dieWahrheit als auch uns Vernunft<strong>ein</strong>sicht gewährt, fernerzur Einsicht kommen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Wesen des Guten <strong>ein</strong> jedererkannt haben müsse, der verständig handeln will, seies in s<strong>ein</strong>em eigenen Leben oder in öffentlichen Angelegenheiten.↘ ( Platon )22 23


Ich war <strong>ein</strong> Kind muss ich erinnernWochenlang redete k<strong>ein</strong>erK<strong>ein</strong> Wort.TotschlägerschweigenGegen mich früherHölle der Kindheitjede Kindheitdie hölle.Da kamen Stimmen aus dem SchweigenStimmenlärmAlles gelogenRede UnaussprechlichaussprecherinRuhe Ruheruhe.Ich kann <strong>das</strong> nicht mehr ertragenMich ich kann mich nicht mehr ertragenIch wollte von früher erzählenWas mich verrückt machtIch will etwas sagen.{ Rainald Goetz, Krieg }Der ZweifelIch setze voraus, <strong>das</strong>s alles, was ich sehe, falsch ist; ichglaube, nichts von dem habe jemals existiert, was mir <strong>das</strong>trügerische Gedächtnis repräsentiert. Aber woher weiß ichdenn, <strong>das</strong>s es nicht doch noch irgendetwas gibt, <strong>das</strong> nichtden geringsten Anlass zum Zweifeln bietet? Gibt es etwairgend<strong>ein</strong>en Gott, oder welchen Namen immer ich demjenigengeben mag, der mir diese Gedanken <strong>ein</strong>gibt? Weshalb abersollte ich dies m<strong>ein</strong>en, wenn ich selbst der Urheber dieserGedanken s<strong>ein</strong> kann? Bin ich selbst also etwa irgendetwas?Es gibt <strong>ein</strong>en, ich weiß nicht welchen, allmächtigen undäußerst verschlagenen Betrüger, der mich ständig mit äußersterHartnäckigkeit täuscht. Zweifelsohne bin ich selbstalso, wenn er mich täuscht; und er möge mich täuschen,soviel er kann, niemals wird er bewirken, <strong>das</strong>s ich nichts bin,solange ich denken werde, <strong>das</strong>s ich etwas bin; so <strong>das</strong>sschließlich, nachdem ich es zur Genüge überlegt habe, festgestelltwerden muss, <strong>das</strong>s dieser Grundsatz Ich bin, ichexistiere, sooft er von mir ausgesprochen oder durchden Geist begriffen wird, notwendig wahr ist.Mir ist bekannt, <strong>das</strong>s ich existiere; ich frage, was ich bin,jenes Ich, <strong>das</strong> mir bekannt ist. Ein denkendes Ding. Was ist<strong>das</strong>? Nun – <strong>ein</strong> denkendes, <strong>ein</strong>sehendes, behauptendes,bestreitendes, wollendes, nicht wollendes, und etwas sichvorstellendes und sinnlich wahrnehmendes Ding. Das ist inder Tat nicht wenig, wenn all <strong>das</strong> insgesamt zu mir gehören24 25


sollte. Warum aber sollte es nicht zu mir gehören? Bin nichtich selbst es, der ich jetzt an fast allem zweifle? Denn <strong>das</strong>sich selbst es bin, der ich zweifle, der ich <strong>ein</strong>sehe, der ich will:<strong>das</strong> ist so offenkundig, <strong>das</strong>s sich nichts findet, durch <strong>das</strong>es noch evidenter erklärt werden kann.↘ ( René Descartes )was heiSSt Leben? Sich mitSchattenschlagen!Was heiSSt Leben? Sich umNichts viel plagen!denn auch <strong>das</strong> gröSSte glück ist kl<strong>ein</strong>,und alles <strong>leben</strong> ist nur sch<strong>ein</strong>,und alles streben eitlerschaum,und selbst der Traum vom Traumnur Traum{ Calderón, Das Leben <strong>ein</strong> Traum }26 27


Jedoch es irrtDer Mensch,der glaubt, er kÖnnes<strong>ein</strong>em Zweck DieSterne dienstbarmachen.Hier, m<strong>ein</strong> Vater,Hat aus der Angstvor <strong>ein</strong>em UngeheuerZu <strong>ein</strong>em Ungeheuermich erzogen:Im KÄfig sollt ichlernen, Mensch zus<strong>ein</strong>!{ Calderón, Das Leben <strong>ein</strong> Traum }Zwischen Traumund WirklichkeitWir haben Träume; ist nicht etwa <strong>das</strong> ganze Leben <strong>ein</strong> Traum?– oder bestimmter: gibt es <strong>ein</strong> sicheres Kriterium zwischenTraum und Wirklichkeit? zwischen Phantasmen und realenObjekten? – Das Vorgeben der geringeren Lebhaftigkeit undDeutlichkeit der geträumten, als der wirklichen Anschauung,verdient gar k<strong>ein</strong>e Berücksichtigung; da noch k<strong>ein</strong>er diesebeiden zum Vergleich neben <strong>ein</strong>ander gehalten hat; sondernman nur die Erinnerung des Traumes vergleichen konnte mitder gegenwärtigen Wirklichkeit. – Kant löst die Frage so:»Der Zusammenhang der Vorstellungen unter sich nach demGesetze der Kausalität unterscheidet <strong>das</strong> Leben vom Traum.«– Aber auch im Traume hängt alles Einzelne ebenfalls in allens<strong>ein</strong>en Gestalten zusammen, und dieser Zusammenhang brichtbloß ab zwischen dem Leben und dem Traume und zwischenden <strong>ein</strong>zelnen Träumen. Eine Untersuchung, ob etwas geträumtoder geschehen sei, nach diesem Kriterium anzustellen, wäresehr schwierig und oft unmöglich; da wir k<strong>ein</strong>eswegs im Standesind, zwischen jeder erlebten Begebenheit und dem gegenwärtigenAugenblick den kausalen Zusammenhang Glied vorGlied zu verfolgen, deswegen aber doch nicht sie für geträumterklären. Das all<strong>ein</strong> sichere Kriterium zur Unterscheidung desTraumes von der Wirklichkeit ist in der Tat k<strong>ein</strong> anderes, als28 29


<strong>das</strong> ganz empirische des Erwachens, durch welches der Kausalzusammenhangzwischen den geträumten Begebenheitenund denen des wachen Lebens ausdrücklich und fühlbarabgebrochen wird. Einen vortrefflichen Beleg hierzu gibt dieBemerkung, welche Hobbes im »Leviathan« macht: nämlich<strong>das</strong>s wir Träume dann leicht auch hinterher für Wirklichkeithalten, wann wir, ohne es zu beabsichtigen, angekleidet geschlafenhaben, vorzüglich aber, wann noch hinzukommt, <strong>das</strong>sirgend <strong>ein</strong> Unternehmen, oder Vorhaben, alle unsere Gedanken<strong>ein</strong>nimmt und uns im Traum eben so wie im Wachen beschäftigt:in diesen Fällen wird nämlich <strong>das</strong> Erwachen fast so wenigals <strong>das</strong> Einschlafen bemerkt, Traum fließt mit Wirklichkeit zusammenund wird mit ihr vermengt. Wenn nun aber nachher,wie es oft der Fall ist, der kausale Zusammenhang mit der Gegenwart,oder dessen Abwesenheit, schlechterdings nichtauszumitteln ist, so muss es auf immer unentschieden bleiben,ob <strong>ein</strong> Vorfall geträumt oder geschehen sei. – Hier tritt nun inder Tat die enge Verwandtschaft zwischen Leben und Traumsehr nahe an uns heran: auch wollen wir uns nicht schämen sie<strong>ein</strong>zugestehen, nachdem sie von vielen großen Geistern anerkanntund ausgesprochen worden ist.[insbesondere] Calderón war von dieser Ansicht so tiefergriffen, <strong>das</strong>s er in <strong>ein</strong>em gewissermaßen metaphysischenDrama »Das Leben <strong>ein</strong> Traum« sie auszusprechen suchte.s<strong>ein</strong> wissennÜtzt demUnglÜcklichennichts.<strong>ein</strong> messerwird es ihm imeignen Fleisch,<strong>das</strong> tieferschneidet,umso mehrer weiss!↘ ( Arthur Schopenhauer ){ Calderón, Das Leben <strong>ein</strong> Traum }30 31


IchWer da ?all<strong>ein</strong>Ich nur ich - Es schreit aberSchreie sch<strong>ein</strong>t mirIrgendwo fern - Wer schreitAllesWer da ?stumm32{ Rainald Goetz }

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!