Unser Haushund: Eine Spitzmaus im Wolfspelz? - Wolf-Ekkehard ...

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62Vielleicht sollte man zu dieser Frage jedoch eine entscheidendeDifferenzierung vornehmen: Auf der einen Seite stehen die relativ neutralenAbbauphänomene sowie Funktionseinschränkungen, die das Leben von Haustierund Mensch nicht weiter beeinträchtigen (wie etwa die zahlreichen 'normalen'Schlappohr-Rassen) bzw. sogar bereichern können und auf der anderen Seite diedeutlichen pathologischen Erscheinungen, die oft mit schweren Problemenverbunden sind (vgl. dazu das Thema "Qualzucht" Kapitel 3 betitelt Die Lasterder modernen Zucht in Christoph Jungs Werk Schwarzbuch Hund (2010) oder z.B. auch zahlreiche Hinweise unter http://www.bmt-tierschutz.de/index.php?Seite=37 oderhttp://www.cat4dogs.de/index.html)."There are only about 14 successful and economically important large domestic mammals” – bemerken Wang und Tedfordin ihren Buch über DOGS (2008/2010, p. 154; illustrated by M. Antón). "Nur aus etwa 20 von insgesamt fast 4500 bekanntenSäugetierarten entstanden durch Domestikation (Haustierwerdung) echte H. Wiederum nur ein kleiner Teil von diesen erreichtewirtschaftliche Bedeutung und weltweite Verbreitung." (http://www.wissenschaft-online.de/abo/lexikon/biok/5312 [2012])Das heißt, dass nur relativ wenige Arten zur Haustierwerdung genetischprädestiniert waren. 97 Aber bei praktisch allen Haustieren sind zahlreicheAbbauphänomene sowie Funktionseinschränkungen festgestellt werden.Zum Thema Haustiere und Artbildung generell wiederhole ich hier dieAusführungen aus http://www.weloennig.de/AesIITaEnHu.html, die nach wie vor vollzutreffen (die beiden im Folgenden zitierten Autoren gehören zu den anerkannterfolgreichsten Haustierforschern des 20. Jahrhunderts mit zahlreichenPublikationen, u. a. auch in G. Heberers mehrbändigem Standardwerk DieEvolution der Organismen):Die Haustierforscher Herre und Röhrs beschreiben die Unterschiede zwischen Wild- undHaustierformen wie folgt (1971, p.31):Wohl alle Organe können bei Haustieren im Vergleich zu den Wildtieren einen Wandel erfahren, ihr Zusammenwirken kannbeeinflusst sein und ihre Umweltabhängigkeit, z. B. von circadianer Rhythmik oder jahreszeitlichem Wandel, kann sich ändern.In allen Einzelheiten begründen die Autoren in zahlreichen Arbeiten, dass ‚kein Organ, kein Körperteil derWildtierart in der Domestikation unverändert bleibt' und dass sich ‚die Wandlungen bis in den Feinbauerstrecken', wozu noch eine ‚bemerkenswerte Variabilität in den Chromosomenzahlen' kommen kann (pp. 64und 122). Bei der Frage nach der Artbildung im Zusammenhang mit den morphologischen Unterschiedenkommen die Autoren in derselben oben zitierten Arbeit zu folgendem Schluss (p.149):Die Veränderungen der Haustiere gegenüber den Wildarten belegen den weiten Umfang der innerartlichenAusformungsmöglichkeiten von Einzelmerkmalen. Dies ist ein Sachverhalt, der Systematiker ganz allgemein bei der Aufstellungneuer Arten nachdenklich und zurückhaltend stimmen sollte. Alle Individuen einer Haustierart, auch solche mit starkabgewandelten Merkmalen, zeigen unter sich und auch mit der Wildart sexuelle Affinität und erzeugen miteinander fruchtbareNachkommen. Damit bilden sie eine freiwillige Fortpflanzungsgemeinschaft, gehören zur gleichen Art. Im Hausstand vollziehtsich nur ein innerartlicher Merkmalswandel und keine Artbildung. In diesem Sinne ist das Experiment Domestikation keinModell für die transspezifische Evolution. Die Domestikation führte nicht zur Bildung neuer biologischer Arten.Für stammesgeschichtliche Betrachtungen bleibt das Studium der Haustiere trotzdem wertvoll. Die Domestikation zeigt höchstanschaulich, dass die Merkmale von Arten als Ausdruck formativer Kräfte dieser biologischen Einheiten nicht starr, sondernstark wandelbar sind; Arten sind also von höchst dynamischen Kräften erfüllt, deren Aufklärung nicht nur in formal-genetischer,sondern vor allem in entwicklungsphysiologisch-formativer Blickrichtung zum Verständnis biologischer Grundphänomene nichtvernachlässigt werden darf. Dazu bieten Haustiere ein gutes Material.Auf der Seite 150 folgt noch einmal eine Mahnung an die Systematiker:Die Haustierkunde mahnt bei der Entwicklung der natürlichen Systematik auf der Grundlage von Struktureigenarten sehr kritischzu verfahren, damit nicht abwegige Vorstellungen für Theorien über den Ablauf der Stammesgeschichte erwachsen, weil falscheArtabgrenzungen als Grundlage vorgelegt wurden.97 In diesem Sinne verstehen einige Autoren Genesis 1: 24 und 25: "Und Gott sprach weiter: "Die Erde bringe lebende Seelen nach ihren Arten hervor, Haustiereund sich regende Tiere und wildlebende Tiere der Erde nach ihrer Art." Und so wurde es. 25 Und Gott ging daran, die wildlebenden Tiere der Erde zu machennach ihrer Art und das Haustier nach seiner Art und jedes sich regende Tier des Erdbodens nach seiner Art. Und Gott sah dann, daß [es] gut [war]."

63Zehn Jahre später hat Herre diese Punkte von neuem unterstrichen (1981, p. 457):Werden Haustiere betrachtet, so zeigt sich eine sehr viel größere Formenfülle innerhalb gleicher Art, als sie von Wildformenbekannt ist. Die Mannigfaltigkeit ist verwirrend, und die Unähnlichkeiten innerhalb der gleichen Art werden so groß, daß jeneMaßstäbe, welche zur Unterscheidung wildlebender Tierarten angelegt werden, ihre Gültigkeit verlieren.(p. 462:) Durch Haustiere wird besonders anschaulich, dass morphologischer, physiologischer oder ökologischer Wandel nichtmit Artbildung verknüpft sein muss.Herre und Röhrs haben überdies auch ausführlich die zahlreichenReduktionserscheinungen und Funktionseinschränkungen bei Haustieren imVergleich zu den Wildformen dokumentiert und diskutiert (u. a. die Reduktionder Gehirngrößen).Interessanterweise finden wir das (Abbau-) Prinzip auch in derPflanzenzüchtung: Es gibt zahlreiche Beispiele für Verlustmutationen, diejedoch für uns Menschen nützlich sind. 989.2 "Dackelbeine", Retrogene und EvolutionParker et al. fassen ihren Beitrag zur gestörten Entwicklung der Extremitätendurch Chondrodysplasie (Achondroplasie, Osteochondrodysplasie, d. h. der "Störung inder enchondralen und/oder intramembranösen Ossifikation, in deren Folge häufigdisproportionierter Zwergwuchs mit verkürzten Gliedmaßenknochen auftritt", "also knownas short-limbed or disproportional dwarfism" (Parker et al. 2009), "at least 20 breeds of dog[…] have a well-proportioned torso and head, but disproportionately short legs" (Ostranderand Bustamante 2012, p. 364)) – also jener "Fehlbildung", die als Teil desRassestandards von mehr als 20 Hunderassen gilt, wie folgt zusammen (2009, p.995) (man beachte jetzt insbesondere den Gebrauch der Begriffe "evolution" und"evolutionary event"):"Retrotransposition of processed mRNA is a frequent source of novel sequence acquired during theevolution of genomes. The vast majority of retroposed gene copies are inactive pseudogenes thatrapidly acquire mutations that disrupt the reading frame, while precious few are conserved to becomenew species. Utilizing a multi-breed association analysis in the domestic dog, we demonstrate that a98 Dazu einige Punkte aus http://www.weloennig.de/AesV1.1.Droa.html (dort weitere Ausführungen):Dass Funktionsbeeinträchtigung genetischer Strukturen in der Züchtungsforschung generell eine bedeutende Rolle spielt, geht aus der Tatsache hervor, dassein großer Teil der züchterisch brauchbaren Allele in Relation zu den Wildtypen rezessiv ist. "In general, losses of function are recessive […]" - Fincham 1983,p. 350 (vgl. auch Watson und Kaudewitz, zitiert p. 123 [siehe hier auch unten]). Für das Pflanzenreich trifft diese Regel in der großen Mehrheit der Fälle zu,beim Menschen jedoch nur in etwas über einem Drittel der durch mendelnde Phänotypen identifizierten Loci (vgl. p. 338). […]R. von Sengbusch unterstreicht mit einer Lebenserfahrung erfolgreicher Pflanzenzüchtung (Lupinen-, Roggen-, Tomaten-, Spargel-, Erdbeeren-, Zuckerrübenundviele weitere neugezüchtete und angemeldete Sorten) die allgemeine Beobachtung bei Überführung einer Wildform in die Kulturform (1980, p. 13 und p.155):Diese Umwandlung von der Wildpflanze in eine Kulturpflanze ist im wesentlichen dadurch charakterisiert, dass die Eigenschaften der Wildform dominant und die der Kulturformrezessiv bedingt sind.- Worauf das Lupinenbeispiel diskutiert wird (Verlust der Alkaloidproduktion). Siehe dazu weiter die Serie der Abbauerscheinungen in der TabelleSimmonds, zitiert p. 356.Kupzow bemerkt 1980, p. 73 zum Thema "Flower mutations":The appearance of individuals with white flowers in species which in nature have coloured flowers is very well known in the process of domestication. Apparantly these white-floweredmutants are less viable than the initial forms with coloured flowers. Individuals with white flowers in the cultivated populations of Jacob's Ladder (Polemonium coeruleum L.) purplefoxglove (Digitalis purpurea L.), oleander (Nerium oleander L.) and sundial lupin (Lupinus polyphyllus Lind.) have a lower chlorophyll content in their leaves, poorer respiratory enzymeactivity (catalase and peroxidase), a slackening in the growth process and a decrease in the synthesis of physiologically active compounds (saponines, steroid glucosides, alkaloids). Duringtausaghyz domestication it was very characteristic that single gigantic individuals appeared, without sommer dormancy and which could grow during the entire summer in conditions ofsufficient soil moisture; they were inevidently doomed in the natural area of this species in Kara Tau (Southern Kazakhstan) with an inclement summer drought.Lamprecht schreibt zu seinen Domestikationsstudien bei der Erbse (Pisum sativum L.) 1974, p. 555:Hier sei noch besonders hervorgehoben, dass bisher niemals eine wildwachsende, weißblütige Erbse, also der Kulturvarietät sativum angehörig, angetroffen worden ist; es sei denn alseinzelne Mutante, die dann sogleich wieder ausgemerzt wird. Stets haben wildwachsende Erbsen, welchen Rassen sie auch angehören mögen, eine distinkte Blütenfarbe, mehr oderweniger dunkel Pupurviolett, Mattblau bis Bleifarben, Bräunlichrot, Ockergelb usw....Kein Zweifel scheint darüber bestehen zu können, dass die weißblütige Form im Mittelalter einmal durch Mutation des Grundgens A zum rezessiven a entstanden ist. Dominanz in A istbei Pisum die Bedingung für jede Ausbildung von Anthocyan also nicht nur in der Blüte, sondern auch in Samen, Hülsen, Blütenstielen usw. Mit a sind die Blüten daher reinweiß....[Weißblütige Sorten] haben einen milderen und angenehmeren Geschmack als die von A-Sorten.Und auf der Seite 558 fährt er nach detaillierter Aufführung von 6 rezessiven Genen bei Kulturerbsen fort:Wo wären wir heute in der Züchtung und im genetischen Studium der Erbse, ohne dass uns diese oben erwähnten rezessiv bedingten Merkmale zur Verfügung gestanden hätten? Es gäbekeine weißblütigen und keine niedrigen Erbsen, keine Mark- und keine Zuckererbsen, keine Dolden- und keine Brecherbsen. Alles was wir nach der Wiederentdeckung der MendelschenGesetze durch planmäßige Kombinationskreuzungen hätten erreichen können, wäre ein sehr kümmerliches Ergebnis geblieben. Über die, allerdings kochbaren, Futtererbsen wäre nichthinauszukommen gewesen.Diese Beispiele mögen zur Veranschaulichung des genetischen Strukturabbauprinzips in der Pflanzenzucht erst einmal genügen.

62Vielleicht sollte man zu dieser Frage jedoch eine entscheidendeDifferenzierung vornehmen: Auf der einen Seite stehen die relativ neutralenAbbauphänomene sowie Funktionseinschränkungen, die das Leben von Haustierund Mensch nicht weiter beeinträchtigen (wie etwa die zahlreichen 'normalen'Schlappohr-Rassen) bzw. sogar bereichern können und auf der anderen Seite diedeutlichen pathologischen Erscheinungen, die oft mit schweren Problemenverbunden sind (vgl. dazu das Thema "Qualzucht" Kapitel 3 betitelt Die Lasterder modernen Zucht in Christoph Jungs Werk Schwarzbuch Hund (2010) oder z.B. auch zahlreiche Hinweise unter http://www.bmt-tierschutz.de/index.php?Seite=37 oderhttp://www.cat4dogs.de/index.html)."There are only about 14 successful and economically <strong>im</strong>portant large domestic mammals” – bemerken Wang und Tedfordin ihren Buch über DOGS (2008/2010, p. 154; illustrated by M. Antón). "Nur aus etwa 20 von insgesamt fast 4500 bekanntenSäugetierarten entstanden durch Domestikation (Haustierwerdung) echte H. Wiederum nur ein kleiner Teil von diesen erreichtewirtschaftliche Bedeutung und weltweite Verbreitung." (http://www.wissenschaft-online.de/abo/lexikon/biok/5312 [2012])Das heißt, dass nur relativ wenige Arten zur Haustierwerdung genetischprädestiniert waren. 97 Aber bei praktisch allen Haustieren sind zahlreicheAbbauphänomene sowie Funktionseinschränkungen festgestellt werden.Zum Thema Haustiere und Artbildung generell wiederhole ich hier dieAusführungen aus http://www.weloennig.de/AesIITaEnHu.html, die nach wie vor vollzutreffen (die beiden <strong>im</strong> Folgenden zitierten Autoren gehören zu den anerkannterfolgreichsten Haustierforschern des 20. Jahrhunderts mit zahlreichenPublikationen, u. a. auch in G. Heberers mehrbändigem Standardwerk DieEvolution der Organismen):Die Haustierforscher Herre und Röhrs beschreiben die Unterschiede zwischen Wild- undHaustierformen wie folgt (1971, p.31):Wohl alle Organe können bei Haustieren <strong>im</strong> Vergleich zu den Wildtieren einen Wandel erfahren, ihr Zusammenwirken kannbeeinflusst sein und ihre Umweltabhängigkeit, z. B. von circadianer Rhythmik oder jahreszeitlichem Wandel, kann sich ändern.In allen Einzelheiten begründen die Autoren in zahlreichen Arbeiten, dass ‚kein Organ, kein Körperteil derWildtierart in der Domestikation unverändert bleibt' und dass sich ‚die Wandlungen bis in den Feinbauerstrecken', wozu noch eine ‚bemerkenswerte Variabilität in den Chromosomenzahlen' kommen kann (pp. 64und 122). Bei der Frage nach der Artbildung <strong>im</strong> Zusammenhang mit den morphologischen Unterschiedenkommen die Autoren in derselben oben zitierten Arbeit zu folgendem Schluss (p.149):Die Veränderungen der Haustiere gegenüber den Wildarten belegen den weiten Umfang der innerartlichenAusformungsmöglichkeiten von Einzelmerkmalen. Dies ist ein Sachverhalt, der Systematiker ganz allgemein bei der Aufstellungneuer Arten nachdenklich und zurückhaltend st<strong>im</strong>men sollte. Alle Individuen einer Haustierart, auch solche mit starkabgewandelten Merkmalen, zeigen unter sich und auch mit der Wildart sexuelle Affinität und erzeugen miteinander fruchtbareNachkommen. Damit bilden sie eine freiwillige Fortpflanzungsgemeinschaft, gehören zur gleichen Art. Im Hausstand vollziehtsich nur ein innerartlicher Merkmalswandel und keine Artbildung. In diesem Sinne ist das Exper<strong>im</strong>ent Domestikation keinModell für die transspezifische Evolution. Die Domestikation führte nicht zur Bildung neuer biologischer Arten.Für stammesgeschichtliche Betrachtungen bleibt das Studium der Haustiere trotzdem wertvoll. Die Domestikation zeigt höchstanschaulich, dass die Merkmale von Arten als Ausdruck formativer Kräfte dieser biologischen Einheiten nicht starr, sondernstark wandelbar sind; Arten sind also von höchst dynamischen Kräften erfüllt, deren Aufklärung nicht nur in formal-genetischer,sondern vor allem in entwicklungsphysiologisch-formativer Blickrichtung zum Verständnis biologischer Grundphänomene nichtvernachlässigt werden darf. Dazu bieten Haustiere ein gutes Material.Auf der Seite 150 folgt noch einmal eine Mahnung an die Systematiker:Die Haustierkunde mahnt bei der Entwicklung der natürlichen Systematik auf der Grundlage von Struktureigenarten sehr kritischzu verfahren, damit nicht abwegige Vorstellungen für Theorien über den Ablauf der Stammesgeschichte erwachsen, weil falscheArtabgrenzungen als Grundlage vorgelegt wurden.97 In diesem Sinne verstehen einige Autoren Genesis 1: 24 und 25: "Und Gott sprach weiter: "Die Erde bringe lebende Seelen nach ihren Arten hervor, Haustiereund sich regende Tiere und wildlebende Tiere der Erde nach ihrer Art." Und so wurde es. 25 Und Gott ging daran, die wildlebenden Tiere der Erde zu machennach ihrer Art und das Haustier nach seiner Art und jedes sich regende Tier des Erdbodens nach seiner Art. Und Gott sah dann, daß [es] gut [war]."

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