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Unser Haushund: Eine Spitzmaus im Wolfspelz? - Wolf-Ekkehard ...

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312Wie aber sind dann die mehrfach konvergenten Differenzierungsprozesse in der Cichliden-Familie zu erklären?Bevor wir auf diese Frage näher zu sprechen kommen, sollten wir uns noch einmal vergegenwärtigen, dass 1. die exper<strong>im</strong>entelleMutationsforschung – von Drosophila bis zur Mutationszüchtung – noch nie zu einer in der Natur beständigen neuen Art geführthat, und 2. dass neben den Cichliden – in denselben Gewässern und demselben Zeitraum – zahlreiche andere Gattungen keinerleineue Arten hervorgebracht haben. D.h. also: morphologisch praktisch völlig konstant gebliebene Formen existier(t)en neben denmehrfach unabhängigen Artenexplosionen der Cichliden ("they are more diverse than any other family of fish" - A. Meyer). Eswäre nun über den unzureichenden Zeitfaktor hinaus mutationsgenetisch überhaupt nicht nachvollziehbar, warum <strong>im</strong> Falle derCichliden Mutationen durch funktionalen DNA-Aufbau ununterbrochen neue Arten und Gattungen produzieren sollten und dabeigleichzeitig die meisten anderen Tier- und Pflanzenformen, salopp gesprochen, völlig links liegen lassen.Menting bemerkt zur Frage nach Erklärungsmodellen zum Ursprung der Mannigfaltigkeit innerhalb der Cichliden unter anderem(2001, p. 408):"Neue Erklärungsmodelle explosiver Artbildungsprozesse basieren auf der Einschätzung, dass ein derart schneller und vielfältigerWandel, wie er bei den Buntbarschen zu beobachten ist, für die Erzeugung neuer Gene oder Genwirkketten durch einkleinschrittiges, akkumulatives Zusammenwirken von zufälligen Mutationsereignissen und natürliche Auslese keinen genügendenzeitlichen Spielraum lässt. Vielmehr wird angenommen, dass wir es bei der Radiation der Buntbarsche mit einem Prozess zu tunhaben, der nicht allein durch äußere Faktoren (...), sondern maßgeblich auch durch innere Faktoren möglich wurde. Insbesondere isthier an eine besondere genetische Ausstattung der Buntbarsche zu denken."D.h. als Alternative zur mutativen Neubildung funktionaler DNA-Sequenzen bietet sich folgende Schlussfolgerung an: In derselbenZeit und demselben Raum verfüg(t)en die Cichliden über ein größeres genetisches Differenzierungspotential als andere Tier- undPflanzenarten. Dieses Differenzierungspotential wurde <strong>im</strong> Laufe der Zeit wiederholt in die bekannte Fülle von morphologischenArten und Gattungen umgesetzt. - Zu <strong>im</strong> Prinzip ähnlichen Aufassungen siehe G.R.Taylor 1983, J.C.Avise 1990, L.Seegers 1996, S.Scherer 1998, R.Junker und S. Scherer 1998 und 2001; und die Arbeitsgruppe A. Meyer beabsichtigt, die Frage exper<strong>im</strong>entell zuuntersuchen. - Hinweise und detaillierte Literaturangaben bei G. Menting 2001 (wie oben): Explosive Artbildung beiostafrikanischen Buntbarschen. Naturwissenschaftliche Rundschau, August 2001. - (Siehe auch Lönnig 1986, pp. 186/187, 323/324,402ff., 419, 473 [Hinweis auf die Cichliden Mexicos <strong>im</strong> Vergleich zu den ostafrikanischen Spezies und generell Bildung sekundärerArten durch Abbau genetischen Potentials].)Was heißt das aber für den vorliegenden Fall genetisch und molekularbiologisch? Genau an dieser Stelle stoßen wir auf dieentscheidenden, aber zur Zeit noch offenen Fragen der Cichlidenforschung. Denn wir müssen bekennen, dass wir derzeit keineeinzige DNA-Sequenz den funktional-morphologisch und ethologisch vielfach konvergent entstandenen Merkmalen derCichlidenarten und –Gattungen zuordnen können.Wenn wir einen Blick auf die Frage werfen, welche genetisch-molekularbiologischen Möglichkeiten für das postulierte größeregenetische Differenzierungspotential derzeit zur Debatte stehen, so stoßen wir auf derzeit mindestens vier Möglichkeiten (vgl.weiter Lönnig 1993, Artbegriff [wie oben zum großen Teil schon zitiert] pp. 473, 545, 587/588).Erstens: Das Vorhandensein alternativer Promotoren (je nach Bedarf werden Genfunktionen raumzeitlich unterschiedlichexpr<strong>im</strong>iert).Zweitens: Alternative Leserahmen (ein und dieselbe DNA-Sequenz kodiert mit Start- und Stopcodons an verschiedenen Stellenvöllig unterschiedliche Gene).Drittens: Gesteigerte Transposonaktivitäten (DNA-Transposons, die durch ihren "Cut-and-Paste"-Mechanismus Gene füralternative morphologische Merkmale und Verhaltensweisen an- und abschalten können) (Details zu Transposonfunktionen vgl. R.Kunze, H. Saedler und W.-E. Lönnig 1997: Plant Transposable Elements. Advances in Botanical Research 27, pp.331-470).Viertens: Die 'normalen' Mutationsprozesse schalten <strong>im</strong> Laufe der Zeit in den Cichliden-Populationen unterschiedlichfunktionsfähige, aber für die Existenz der Gattung redundante Gene ab (also Abschalten durch die bekannten, häufigen Verlust-Mutationen). Das führte zu unterschiedlichen Differenzierungen, welche Tendenz noch durch die Rekombination mutierter Geneverstärkt werden konnte.Alle vier Punkte sind in voller Übereinst<strong>im</strong>mung mit dem Gesetz der rekurrenten Variation und jeder einzelne Mechanismus würdezudem befriedigend das verblüffende Phänomen der Vielfachkonvergenzen erklären.Auch wenn wir <strong>im</strong> Zuge der weiteren genetisch-molekularbiologischen Forschung die eine oder andere Möglichkeit beweisenkönnen, so sind wir doch der Kernfrage, wie denn solche alternativ eingesetzten Promotoren, Lesenrahmen und Gene ursprünglichentstanden sind, noch keinen Schritt näher gekommen. Denn wie sollte die Evolution (gleichsam vorausschauend) mutativzahlreiche alternative Genfunktionen entwickeln, die erst <strong>im</strong> Laufe der zukünftigen morphologischen (Art-)Differenzierunggebraucht werden?Doolittle und Sapienza fassen die Problematik mit Hinblick auf die Frage nach der Funktion von Transposons wie folgt zusammen(und diese Zusammenfassung gilt auch für unsere Frage nach dem Ursprung eines größeren genetischen Potentials als zu einerbest<strong>im</strong>mten Zeit benötigt wird):"Evolution is not anticipatory; structures do not evolve because they might later prove useful. The selective advantage representedby evolutionary adaptability seems far too remote to ensure the maintenance, let alone to direct the formation, of DNA sequencesand/or enzymatic machinery involved."

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