Unser Haushund: Eine Spitzmaus im Wolfspelz? - Wolf-Ekkehard ...

Unser Haushund: Eine Spitzmaus im Wolfspelz? - Wolf-Ekkehard ... Unser Haushund: Eine Spitzmaus im Wolfspelz? - Wolf-Ekkehard ...

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146repräsentiert – zumal es sich auf genetischer Ebene wahrscheinlich in allenFällen entweder um mutative Abbauerscheinungen, Störfunktionen und/oderepigenetische Maskierung von (ursprünglich voll funktionierenden)Wildtypgenen handelt.Erinnern wir uns weiter an die oben zitierten Ausführungen von Hemmer u. a. zum Thema Hängeohrenund Gehör überhaupt, so wird die soeben gemachte Feststellung unterstrichen: (1983, p. 84): "Dienormale Funktion eines Schalltrichters wird dadurch zunichte gemacht, der äußere Gehörgangverformt. Dies muß zwangsläufig eine Leistungsminderung des schallauffangenden Systems zur Folgehaben. Beim Hund ist das Trommelfell kleiner als beim Wolf, desgleichen die knöcherne Gehörkapsel;seine Empfindlichkeit für hohe Frequenzen erscheint geringer, seine Hörschwelle höher."Und Herre und Röhrs: "Bei den Haustieren sind an der Paukenblase im mesotympanalen Bereicherhebliche Änderungen eingetreten, die auf eine veränderte Leistungsfähigkeit schließen lassen (Abb.40). […]. Bei den Hausformen beider Arten ist das Trommelfell kleiner als bei der Wildart. […] DieFläche der Basis stapedis erwies sich bei Hunden als wesentlich kleiner als bei Wölfen,…[…] Auch derDurchmesser der Basalwindung der Cochlea ist bei den Hausformen geringer als bei denStammformen. […] Die Gehörknöchelchen verkleinern sich im gleichen Maße wie das Trommelfell.Der Vergleich von Wolfsschädeln mit Hundeschädeln lehrt, daß die Bulla auditiva der Haustierewesentlich weniger voluminös ist; besonders bei Kleinformen unter den Hunden ist die Bullaweitgehend abgeflacht und verengt. Insgesamt kann auf eine geringere Leistungsfähigkeit desGehörorgans der Haustiere im Vergleich zu den Stammarten geschlossen werden."Nachtsheim und Stengel p. 58: "Ein im Laufe der Haustierwerdung durch Mutation ebenfalls vielfachabgeändertes Organ ist das Ohr, genauer gesagt das äußere Ohr, die Ohrmuschel. Meist geht dieVeränderung in der Richtung der Vergrößerung und Verlängerung des Ohres. Überschreitet dieVerlängerung ein gewisses Maß, so wird aus dem für das Wildtier charakteristischen und auchallein brauchbaren Stehohr ein Hängeohr (Abb. 17—20), das wir als Rassemerkmal bei Rind, Hund(Abb. 17), Schaf, Ziege (Abb. 18), Schwein (Abb. 19) und Kaninchen (Abb. 20) finden.13. Abbau in der Komplexität des Verhaltens: Keine Neotenie/PädomorphieKurz zwei Punkte zur Erinnerung (siehe weitere Punkte oben):"Für Wolf und Königspudel liegen vergleichende Studien von Zimen (1970) nach Beobachtungen anKieler Material vor. Wölfe zeichnen sich durch kräftige wohlkontrollierte Bewegungen aus, dieAktionen ihrer Muskulatur erscheinen scharf koordiniert, Wölfe sind beweglicher alsHaushunde; die Pudel haben, besonders auffällig bei Trab und Galopp aber auch bei anderenFortbewegungsweisen die fließenden Bewegungen der Wölfe eingebüßt. Pudeln fehlt der großekörperliche Beherrschtheit erfordernde Beobachtungssprung; sie zeigen auch die bei Wölfen sehrangespannte Orientierungshaltung nicht. Eine Vielzahl von weiteren Körperhaltungen einzelnerKörperteile, die der sozialen Kommunikation bei Wölfen dienen, ist Pudeln verlorengegangen oderin der Intensität reduziert. Von ausdrucksintensiven sozialen Verhaltensweisen der Wölfe sind nicht50% mit denen der Pudel identisch; die differenzierten Verhaltensweisen der Wölfe treten beiPudeln nur in intensitätsschwachen, abgeflachten Formen auf oder fehlen. Das gleiche gilt für dasSpielverhalten. Die bei Wölfen ausdrucksintensiven Initial- und Rennspiele sind bei Pudeln nurnoch zum geringen Teil vorhanden" (Herre und Röhrs)."[T]he habits and and tricks of various breeds of dogs come from elements to be found in the repertoire ofwolves." And footnote: "For example, herding in sheep dogs is derived from stalking in wolves, with thekilling removed from the end of the sequence” (Dawkins).14. Intelligenztests/Verhalten: zum Teil Neotenie/Pädomorphie?Nur einmal ein Punkt zur Erinnerung (siehe Details oben): "Boxer als Vertreter einer vergleichsweisegroßhirnigen Rasse erbrachten hierbei im Mittel etwas bessere Ergebnisse als Deutsche Schäferhunde,und diese erschienen wiederum Chows, einer Rasse mit geringer Hirngröße, leicht überlegen. Einigevon Bernhard Grzimek mit dem gleichen oder einem sehr ähnlichen Versuch getestete Nordwölfelösten die Aufgabe auf Anhieb.""[T]he habits and tricks of various breeds of dogs come from elements to be found in the repertoire ofwolves." And footnote: "For example, herding in sheep dogs is derived from stalking in wolves, with thekilling removed from the end of the sequence” (Dawkins).Nun könnte man vielleicht für eine Neotenie/Pädomophie-Deutunghervorheben, dass die geringeren Fähigkeiten der Hunde wahrscheinlich

147den ebenfalls geringeren Fähigkeiten (oder der noch geringerenIntelligenz) junger Wölfe ähneln werden und unsere Hunde eben aufdiesem Stadium gleichsam stehengeblieben seien.Mir scheint diese vermutete Ähnlichkeit jedoch vor allem wieder unterder Rubrik "superficial appearances" als für Neotenie einzuordnen zu sein,zumal die verschiedensten Hunderassen hier ganz unterschiedlicheFähigkeiten zeigen, und eine solche Unterschiedlichkeit selbst noch dieAngehörigen derselben Rassen festzustellen ist. Und die Wölfe selbstwerden ebenfalls unterschiedliche Fähigkeiten aufweisen.Berücksichtigt man bei dieser Frage weiter die Unterschiede in derGesamtentwicklung (Ontogenese) von Wölfen und Hunden und speziell dereinzelnen Hunderassen, einschließlich ihrer Gehirn- und Schädelentwicklung,so wird wohl von Neotenie/Pädomorphie kaum mehr die Redesein können. Dennoch bleiben bei diesen Einwänden Beobachtungen wiedie folgenden von Herre und Röhrs aufgeführten (siehe oben) bestehen, dieallerdings mehr auf das Verhalten allgemein zielen als auf die Intelligenz ansich:"Eine Zunahme aggressiven Verhaltens in bestimmten Jahreszeiten oder während der Hitze vonHündinnen war bei Pudeln nicht festzustellen; ihr Verhalten gleicht auch in dieser Sicht jenem junger,noch nicht geschlechtsreifer Wölfe." […] "Erwachsene Wölfe legen immer Wert auf einen gewissenIndividualabstand; beim Schlafen oder beim Laufen im Rudel wird dies sichtbar. Erwachsene Pudelhaben beim Schlafen keinen oder einen sehr geringen Individualabstand, beim Laufen in der Gruppebleiben sie eng beieinander. Erwachsene Pudel verhalten sich auch in dieser Beziehung wie jungeWölfe."Und bei Gould hatten wir gelesen (siehe wieder oben):Guard dogs, […]behave toward sheep as puppies do towards other dogs—licking the sheep's face asa puppy might in asking for food, chasing and biting with the playfulness of young dogs, even mountingsheep as young dogs mount each other in sexual play and rehearsal. This neotenous behavioraccompanies a persistently juvenile morphology, as these dogs grow short faces, big eyes, and floppyears. [..] the guarders develop no new patterns and simply retain their youthful traits.Das Verhalten einiger Hunderassen (aber ganz sicher vieler nicht) kommtin bestimmten Formen der Neotenie-Deutung vielleicht noch am nächsten,wie auch das kurz darauf zitierte Beispiel der gun dog breeds zeigt. Nunhaben wir jedoch schon gesehen, dass die juvenile morphology mit ihrenshort faces, big eyes und floppy ears nicht unproblematisch fürNeotenie/Pädomorphie-Deutung ist. Bei genauerer Betrachtung zeigensich vielmehr regelmäßig Besonderheiten, und das meist in einem solchenAusmaß und bei verschiedenen Hunderassen dazu in zahlreichenindividuellen Variationen, die – oft eingebettet in (durch unterschiedlicheVerlustmutationen bedingte) degenerative Veränderungen, die großeBereiche der Ontogenese betreffen können – eine simple Pädomorphie-Deutung nachdrücklich in Frage stellen. Könnte das (zumindest zum Teil)nicht auch auf die (wenn auch relativ wenigen) oben zitiertenVerhaltensweisen zutreffen?Oben hatten wir Bolks Neotenie-Auffassung zum Ursprung des Menschen nachH. Conrad-Martius zitiert ("Der Mensch ist ein durch innersekretorische Störung

146repräsentiert – zumal es sich auf genetischer Ebene wahrscheinlich in allenFällen entweder um mutative Abbauerscheinungen, Störfunktionen und/oderepigenetische Maskierung von (ursprünglich voll funktionierenden)Wildtypgenen handelt.Erinnern wir uns weiter an die oben zitierten Ausführungen von Hemmer u. a. zum Thema Hängeohrenund Gehör überhaupt, so wird die soeben gemachte Feststellung unterstrichen: (1983, p. 84): "Dienormale Funktion eines Schalltrichters wird dadurch zunichte gemacht, der äußere Gehörgangverformt. Dies muß zwangsläufig eine Leistungsminderung des schallauffangenden Systems zur Folgehaben. Be<strong>im</strong> Hund ist das Trommelfell kleiner als be<strong>im</strong> <strong>Wolf</strong>, desgleichen die knöcherne Gehörkapsel;seine Empfindlichkeit für hohe Frequenzen erscheint geringer, seine Hörschwelle höher."Und Herre und Röhrs: "Bei den Haustieren sind an der Paukenblase <strong>im</strong> mesotympanalen Bereicherhebliche Änderungen eingetreten, die auf eine veränderte Leistungsfähigkeit schließen lassen (Abb.40). […]. Bei den Hausformen beider Arten ist das Trommelfell kleiner als bei der Wildart. […] DieFläche der Basis stapedis erwies sich bei Hunden als wesentlich kleiner als bei Wölfen,…[…] Auch derDurchmesser der Basalwindung der Cochlea ist bei den Hausformen geringer als bei denStammformen. […] Die Gehörknöchelchen verkleinern sich <strong>im</strong> gleichen Maße wie das Trommelfell.Der Vergleich von <strong>Wolf</strong>sschädeln mit Hundeschädeln lehrt, daß die Bulla auditiva der Haustierewesentlich weniger voluminös ist; besonders bei Kleinformen unter den Hunden ist die Bullaweitgehend abgeflacht und verengt. Insgesamt kann auf eine geringere Leistungsfähigkeit desGehörorgans der Haustiere <strong>im</strong> Vergleich zu den Stammarten geschlossen werden."Nachtshe<strong>im</strong> und Stengel p. 58: "Ein <strong>im</strong> Laufe der Haustierwerdung durch Mutation ebenfalls vielfachabgeändertes Organ ist das Ohr, genauer gesagt das äußere Ohr, die Ohrmuschel. Meist geht dieVeränderung in der Richtung der Vergrößerung und Verlängerung des Ohres. Überschreitet dieVerlängerung ein gewisses Maß, so wird aus dem für das Wildtier charakteristischen und auchallein brauchbaren Stehohr ein Hängeohr (Abb. 17—20), das wir als Rassemerkmal bei Rind, Hund(Abb. 17), Schaf, Ziege (Abb. 18), Schwein (Abb. 19) und Kaninchen (Abb. 20) finden.13. Abbau in der Komplexität des Verhaltens: Keine Neotenie/PädomorphieKurz zwei Punkte zur Erinnerung (siehe weitere Punkte oben):"Für <strong>Wolf</strong> und Königspudel liegen vergleichende Studien von Z<strong>im</strong>en (1970) nach Beobachtungen anKieler Material vor. Wölfe zeichnen sich durch kräftige wohlkontrollierte Bewegungen aus, dieAktionen ihrer Muskulatur erscheinen scharf koordiniert, Wölfe sind beweglicher als<strong>Haushund</strong>e; die Pudel haben, besonders auffällig bei Trab und Galopp aber auch bei anderenFortbewegungsweisen die fließenden Bewegungen der Wölfe eingebüßt. Pudeln fehlt der großekörperliche Beherrschtheit erfordernde Beobachtungssprung; sie zeigen auch die bei Wölfen sehrangespannte Orientierungshaltung nicht. <strong>Eine</strong> Vielzahl von weiteren Körperhaltungen einzelnerKörperteile, die der sozialen Kommunikation bei Wölfen dienen, ist Pudeln verlorengegangen oderin der Intensität reduziert. Von ausdrucksintensiven sozialen Verhaltensweisen der Wölfe sind nicht50% mit denen der Pudel identisch; die differenzierten Verhaltensweisen der Wölfe treten beiPudeln nur in intensitätsschwachen, abgeflachten Formen auf oder fehlen. Das gleiche gilt für dasSpielverhalten. Die bei Wölfen ausdrucksintensiven Initial- und Rennspiele sind bei Pudeln nurnoch zum geringen Teil vorhanden" (Herre und Röhrs)."[T]he habits and and tricks of various breeds of dogs come from elements to be found in the repertoire ofwolves." And footnote: "For example, herding in sheep dogs is derived from stalking in wolves, with thekilling removed from the end of the sequence” (Dawkins).14. Intelligenztests/Verhalten: zum Teil Neotenie/Pädomorphie?Nur einmal ein Punkt zur Erinnerung (siehe Details oben): "Boxer als Vertreter einer vergleichsweisegroßhirnigen Rasse erbrachten hierbei <strong>im</strong> Mittel etwas bessere Ergebnisse als Deutsche Schäferhunde,und diese erschienen wiederum Chows, einer Rasse mit geringer Hirngröße, leicht überlegen. Einigevon Bernhard Grz<strong>im</strong>ek mit dem gleichen oder einem sehr ähnlichen Versuch getestete Nordwölfelösten die Aufgabe auf Anhieb.""[T]he habits and tricks of various breeds of dogs come from elements to be found in the repertoire ofwolves." And footnote: "For example, herding in sheep dogs is derived from stalking in wolves, with thekilling removed from the end of the sequence” (Dawkins).Nun könnte man vielleicht für eine Neotenie/Pädomophie-Deutunghervorheben, dass die geringeren Fähigkeiten der Hunde wahrscheinlich

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