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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 9Volk, dessen Leben so vorwiegend in seiner Gesellschaft in Erscheinung träte, und man kannwohl behaupten, daß Frankreich in dieser Hinsicht die einzige Ausnahme bildet. Die Literaturmuß also unbedingt Ausdruck, muß Symbol des inneren Lebens eines Volkes sein. Dies istüberdies keineswegs ihre Definition, sondern eins ihrer notwendigsten Attribute und eineihrer Voraussetzungen. Bevor ich dazu übergehe, Rußland unter diesem Aspekt zu behandeln,halte ich es für nötig, hier meine Auffassung von der Kunst überhaupt darzulegen. Ichmöchte dem Leser verständlich machen, von welchem Standpunkt aus ich den Gegenstand,den ich behandeln will, betrachte und infolge welcher Ursache ich dies oder jenes so undnicht anders auffasse.Die ganze unermeßliche herrliche Gotteswelt ist nichts anderes als der Odem einer einigen,ewigen Idee (des Gedankens des einigen, ewigen Gottes), die sich in zahllosen Formen alsdas gewaltige Schauspiel absoluter Einheit in unendlicher Vielfalt manifestiert. Nur dasflammende Gefühl eines Sterblichen kann in seinen lichtesten Momenten die gewaltige Größedes Leibes dieser Seele des Universums ahnen, dessen Herz gewaltige Sonnen, dessenAdern Milchstraßen und dessen Blut der reine Äther bilden. Diese Idee kennt keine Ruhe; sielebt unablässig, d. h. sie schafft unablässig, um zu zerstören, und zerstört, um zu schaffen. Sieverkörpert sich in der leuchtenden Sonne, dem herrlichen Planeten, dem wandernden Kometen;sie lebt und atmet sowohl im wogenden Auf und Ab von Flut und Ebbe wie auch im unbändigenSturmwind der Wüste, im Rauschen der Blätter, im Murmeln des Baches, im Brüllendes Löwen, in den Tränen eines Kindes, im Lächeln der Schönheit, im [16] Willen desMenschen und in den wohlgeformten Werken des Genies ... Mit unfaßbarer Geschwindigkeitdreht sich das Rad der Zeit; in den unendlichen Weiten des Himmels erlöschen Sterne gleichausgebrannten Vulkanen, und neue flammen auf; über die Erde ziehen Geschlechter und Generationenund werden von neuen abgelöst, der Tod zerstört das Leben, und das Leben vernichtetden Tod; die Naturkräfte kämpfen und streiten miteinander, werden von vermittelndenKräften besänftigt, und Harmonie herrscht in diesem ewigen Gären, in diesem Kampf derPrinzipien und der Stoffe. Also – die Idee lebt, wir sehen es klar mit unseren schwachen Augen.Sie ist weise, denn sie sieht alles voraus, hält alles im Gleichgewicht; sie schickt Fruchtbarkeitnach Wassersflut und Lavafluß, nach verheerendem Ungewitter reine, erfrischendeLuft, sie hat dem Kamel und dem Strauß in den Sandwüsten Arabiens und Afrikas und demRentier in des Nordens eisiger Ödnis Wohnung gegeben. Das ist ihre Weisheit, ihre physischeExistenz: wo aber ist ihre Liebe? Gott schuf den Menschen und gab ihm Geist und Gefühl,auf daß er mit seinem Geist und seinem Wissen diese Idee begreife, damit er in heißer,lebendiger Sympathie an ihrem Leben teilhabe und im Gefühl der ewigen, schöpferischenLiebe ihr Leben teile! Sie ist also nicht nur weise, sondern auch liebend! Sei stolz, Mensch,sei stolz auf deine hohe Berufung; aber vergiß nicht, daß die göttliche Idee, die dich gebar,nach Recht und Billigkeit waltet, daß sie dir den Geist und den Willen gab, die dich über dieganze Schöpfung hinausheben, daß sie in dir lebt – Leben aber ist Wirken, und Wirken istKampf. Vergiß nicht, daß es höchste, unendliche Seligkeit für dich ist, dein Ich restlos in derLiebe aufgehen zu lassen. Und hier sind also die zwei Wege, die zwei Bahnen, zwischen denenes zu wählen gilt; verleugne dich selbst, unterdrücke deinen Egoismus, ersticke deinselbstsüchtiges Ich, lebe für das Glück der andern, opfere alles dem Wohl deines Nächsten,deines Vaterlands, dem Nutzen der Menschheit, liebe das Wahre und Gute nicht um einesLohnes willen, sondern weil es wahr und gut ist, und erkaufe dir in bitteren Leiden deineVerschmelzung mit Gott, deine Unsterblichkeit, die das Auslöschen deines Ichs und das Gefühlunendlicher Seligkeit sein muß! ... Was sehe ich? Du kannst dich nicht dazu entschließen?Ein solcher Entschluß flößt dir Furcht ein, er erscheint dir allzu schwer? ... Nun, dann isthier der andere Weg, er ist breiter, ruhiger, leichter: liebe dich selbst über alles auf der [17]Welt; jammere, tue Gutes nur um eines Vorteils willen; fürchte das Böse nicht, wenn es dirNutzen bringt. Merke dir diese Regel, sie wird dir stets ein warmes Plätzchen sichern! Bist duOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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