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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 85für einen Pappenstiel, um bloß nicht zu Hause zu essen und sein Pferd mit eignem Stroh zufüttern. Die Frage nach seiner Lage und nach den Mitteln, sie zu verbessern und für die Zukunftdurch Ausnützung günstiger Umstände seiner Ernte usw., zu sichern, ist ihm nie in den vonrundgestutztem Haar umgebenen Schädel gekommen. Er pflügt, wie Vater und Großvater gepflügthaben, und wird seinen hölzernen Hakenpflug um kein Pflöckchen verbessern. * SeineHütte sieht aus wie ein Stall, und im Winter teilt er sie vergnügt mit den Kälbern, Lämmern,Ferkeln und Hühnern. Und das geschieht durchaus nicht immer aus Unbemitteltheit (ein Deutscherwürde mit den Mitteln, über die das freie russische Bäuerlein verfügt, wie ein großer Herrleben), son-[143]dern aus einem natürlichen Dasein im Schoße der Mutter Natur und aus demtiefsinnigen Grunde: „So haben unsre Väter und unsre Großväter gelebt, und sie waren nichtdümmer als wir – sie haben auch nicht schlechter zu essen verstanden als wir.“ Der Schlaubergerist in tiefster Seele davon überzeugt, daß Brot zu essen verstehen eine große Kunst ist! ...Über die Gerichtsbarkeit hat er auch seine eignen, durchaus asiatischen Begriffe: „Dafür ist erja Alistrator, daß er sich schmieren läßt“ – sagt unser Bäuerlein über den Amtsschreiber undmacht gern die Börse locker – wenn man ihm nur macht, was er braucht. Strafen bezahlt erungern und fürchtet sie mehr als den Tod. Aber auf die Backen, die Zähne und die Rückenhautkommt es ihm nicht an – die heilen ja wieder, sein Geld kriegt man jedoch nicht zurück. „Wissenist Licht, Unwissenheit – Finsternis“ – sagt unser Bäuerlein, aber das Lesen und dasSchreiben überläßt er gern dem Küster oder dem Schreiber. Und nicht von Bauern allein hörtman das berühmte: „Unsre Vorväter haben nicht schlechter gelebt als wir, wenn sie auch nichtgelehrt waren“ – das sagt auch der alte Amtsschreiber unserer Zeit und empört sich darüber,daß die Sequesterbücher ihn seiner kleinen Nebeneinnahmen aus allen möglichen Bescheinigungenberaubt haben und daß das „Gesetzbuch“ jedem, der lesen kann, die Gesetze zu kennenerlaubt, auch wenn er gar keinen Dienstrang hat; das sagt auch der alte Gutsherr, den die neueZeit auf seiner Kutsche überrascht hat, der an die Reitpeitsche gewöhnt ist und nicht die geringsteLust hat, das Land nach den neuen Theorien zu pflügen oder seine Kinder in die Hauptstadtzur Schule zu schicken.Wenn wir uns zu dem verflossenen Rußland zurückwenden, mit dem der eiserne Wille desZaren-Giganten aufgeräumt hat, bekommen wir ein trauriges, herzzerreißendes Bild zu sehen.Die Lebensverhältnisse jener Zeit, wie sie Koschichin dargestellt hat, lassen unwillkürlichdas Herz erheben, das dann um so fröhlicher, triumphierender und höher schlägt bei dem Gedankenan den Sendboten Gottes, der die Lasten der Erniedrigungen der dunkeln Zeiten Rußlandsmit dem blutigen Schweiß seiner Zarenstirn gesühnt hat. Kraftlosigkeit bei aller Kraft,Armut bei allen Mitteln, Unverstand bei natürlicher Gescheitheit, Dumpfheit bei angeborenenAufgewecktheit, Erniedrigung und Schändung der Menschenwürde überall: in den Sitten undGebräuchen, in den Lebensbedingungen, im Gerichtswesen, in den Strafen und dazu nochErniedrigung der Menschen [144] würde bei einer christlichen Religion: das ist das erste, waseinem in die Augen springt, wenn man sich das öffentliche und das Familienleben vor Peterdem Großen ansieht. Der Volksgeist war immer groß und mächtig: das beweisen sowohl dieschnelle Zentralisierung des Moskauer Reichs wie die Zertrümmerung der Scharen Mamais,die Abschüttlung des Tatarenjochs, die Eroberung des düsteren Kasaner Reichs und die WiedergeburtRußlands, bei der es wie ein Phönix aus der eignen Asche der Interregnumsjahre **hervorging und gleich der aufgehenden Sonne, die die nächtlichen Gespenster und das letzteDunkel der Nacht vertreibt, nach einmütiger Wahl des Volkes das gesegnete Haus Romanowden Thron bestieg, das Rußland Peter den Großen und eine ganze Reihe hervorragender,* Der Kleinrusse dehnt seine Verehrung für die Überlieferungen der guten alten Zeit noch weiter aus: tun keinenPreis der Welt will er die Erde, auf der die „Gabe Gottes“, d. h. das Brot, wächst, mit Mist verunreinigen. Dahaben wir Asien! – W B.** Übergangsregierung oder den Zeitraum, in dem eine solche herrscht.OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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