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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 77einen Teller, Kohlsuppe zu kochen oder ein Loch im Anzug zu stopfen. Jedes Volk hat seineSubstanz wie jeder Mensch, und in der Substanz des Volkes liegt seine ganze Geschichte undsein Unterschied von anderen Völkern beschlossen. Die Substanz der Römer war eine völligandere als die Substanz der Griechen, und die Römer waren deshalb vorwiegend das Volkdes Bürgerrechts, nicht beschaulich, sondern rein praktisch, während die Griechen vorwiegendein tätig-beschauliches und künstlerisch veranlagtes Volk waren. Wie es geniale Substanzenbei einzelnen Persönlichkeiten gibt, so werden auch einige Völker mit großen Substanzengeboren und verhalten sich zu den übrigen Völkern wie die Genies zu den gewöhnlichenMenschen.Der Volksgeist setzt, wie wir bereits oben gezeigt haben, etwas Unveränderliches, ein fürallemal Gewordenes voraus, was nicht fortschreitet; er bringt nur das zum Ausdruck, was imVolke in seiner gegenwärtigen Lage vorhanden ist. Der Nationalgeist dagegen enthält in sichnicht nur das, was war und ist, sondern was sein wird oder was sein kann. In seiner Entwicklungbringt der Nationalgeist die allergegensätzlichsten Erscheinungen zusammen, die sichanscheinend weder voraussehen noch voraussagen ließen. Der Volksgeist ist das erste Momentdes Nationalgeists, seine erste Äußerung. Aber hieraus folgt durchaus nicht, daß es dort,wo es Volksgeist gibt, nicht Nationalgeist gäbe: im Gegenteil, die Gesellschaft ist stets Nation,auch wo sie nur Volk ist, aber Nation als Potenz und nicht in der Wirklichkeit, wie daskleine Kind ein potentieller Erwachsener, aber kein wirklicher ist: denn Nationalgeist und[130] Volkssubstanz sind ein und dasselbe, und jede Substanz, die noch nicht ihre Bestimmungerhalten hat, trägt sie als Möglichkeit in sich.So war also Rußland vor Peter dem Großen nur Volk und wurde zur Nation dank der Bewegung,in die es sein Umgestalter versetzte.Aus nichts wird nichts, und der große Mann schafft nichts Eigenes, sondern verleiht nur demwirkliche Existenz, was vor ihm als Möglichkeit bestand. Daß alle Anstrengungen Peters gegenden alten Zustand Rußlands gerichtet waren, ist klar wie der helle Tag; aber daß er bestrebtgewesen sei, unseren substantiellen Geist, unseren Nationalgeist zu vernichten – einsolcher Gedanke ist mehr als unbegründet: er ist einfach töricht! Gewiß, wenn es Völker mitgroßen Substanzen gibt, so gibt es auch Völker mit nichtigen Substanzen, und wenn jene nichtzu verändern sind und sich nicht dem Willen eines Mannes fügen, so mächtig er auch seinmag, so können diese sogar durch Zufälligkeiten, ja von selbst, nicht nur durch den Willeneines Genies, zugrunde gehen. Dafür aber kann aus diesen anderen auch ein Genie nichts machen;das Beste, was man aus Rüben machen kann, ist ein Zuckerhut; aber nur aus Granit,Marmor und Bronze kann man ein ewiges Denkmal schaffen. Wenn das russische Volk inseinem Geist nicht das Samenkorn eines reichen Lebens getragen hätte, so würde die ReformPeters es nur zu Tode getroffen und entkräftet, nicht aber erweckt und mit neuem Leben undneuen Kräften ausgestattet haben. Wir wollen gar nicht einmal davon reden, daß aus einemgeistig nichtigen Volk überhaupt nicht ein solcher Gigant wie Peter hätte hervorgehen können:nur in einem so gearteten Volk konnte ein solcher Zar erscheinen, und nur ein solcher Zarkonnte ein solches Volk umgestalten. Wenn wir keinen anderen großen Mann gehabt hättenals Peter – auch dann hätten wir ein Recht darauf, uns mit Achtung und Stolz zu betrachten,uns der Vergangenheit nicht zu schämen und kühn, hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken...Wie es kommt, daß dieses Volk eine solche Substanz hat und jenes eine andere – das zu entscheidenist fast ebenso unmöglich, wie wenn es sich um einen einzelnen Menschen handelte.Wenn wir uns die Hypothese zu eigen machen, daß die Völker sich aus Familien gebildethaben, so müssen wir als ersten Grund ihrer Substanz Blut und Rasse annehmen. ÄußereUmstände, die historische Entwicklung, beeinflussen ebenfalls die Volkssubstanz, obwohl sieihrer-[131]seits auch selbst von ihr abhängen. Aber kein anderer Grund läßt sich mit solcherOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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