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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 65Neige, jetzt martern wir das Drama. Und das alles ohne rechte Ursache, alles nur aus Nachäfferei.Wann kommt bei uns die wahre Epoche der Kunst?Sie kommt, darauf kann man sich verlassen! Aber dazu ist nötig, daß sich zuerst einmal inunserem Land eine Gesellschaft herausbildet, welche die Wesenszüge des mächtigen russischenVolkes trägt, ist nötig, daß wir eine aus eigener Kraft geschaffene, auf eigenem nationalemBoden großgezogene Aufklärung bekommen. Wir haben keine Literatur: ich wiederholedas mit Begeisterung, mit Genuß, denn in dieser Tatsache sehe ich die Gewähr unsererkünftigen Erfolge. Man betrachte nur einmal aufmerksam die Entwicklung unserer Gesellschaft,und man wird zugeben, daß ich recht habe. Man sehe nur, wie die junge Generation,die den Glauben an die Genialität und die Unsterblichkeit unserer literarischen Werke verlorenhat, statt unreife Schöpfungen in die Öffentlichkeit zu bringen, sich gierig dem Studiumder Wissenschaft widmet und das belebende Elixier der Aufklärung an der Quelle schlürft.Das Jahrhundert der Kinderei geht sichtlich zu Ende. Gebe Gott, daß es schneller verschwände!Aber noch mehr bitte ich Gott darum, daß alle möglichst schnell aufhören, an unserenliterarischen Reichtum zu glauben! Stolze Armut ist immer noch besser als eingebildeterReichtum. Die Zeit wird kommen, wo die Aufklärung sich einem breiten Strom gleich überRußland ergießt, wo das geistige Antlitz unseres Volkes sich klar heraus [108] bildet, unddann werden unsere Maler und Schriftsteller allen ihren Werken das Gepräge des russischenGeistes geben. Heute aber müssen wir studieren, studieren und nochmals studieren. Man sagemir um Himmels willen, ob heutzutage ein halbgebildeter junger Mann, auch wenn er vonNatur mit Geist, Gefühl und Talent begabt ist, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken vermag?Der ewige Altvater Homer hat, wenn er je auf Erden gewandelt ist, gewiß weder die Akademienoch das Lyzeum besucht, aber nur, weil es damals so etwas nicht gab, weil man damalsdas große Buch der Natur und des Lebens studierte. Und Homer hat, so man der Überlieferungglauben darf, unermüdlich die Natur und das Leben erforscht, hat fast die ganze damalsbekannte Welt bereist und vereinigte in seiner Person die gesamte Weisheit seiner Zeit. InGoethe haben wir den Homer, den Prototyp des Dichters unserer Zeit!Was wir also heute brauchen, ist nicht eine Literatur, die ganz ohne unser Zutun zu ihrer Zeitin Erscheinung treten wird, sondern Aufklärung! Und diese Aufklärung wird, dank der unermüdlichenFürsorge einer weisen Regierung, nicht lange auf sich warten lassen. Das russischeVolk ist gescheit und auffassungsfähig, strebt in leidenschaftlichem Eifer allem Gutenund Schönen zu, wenn des Väterchen Zaren Hand ihm das Ziel weist, wenn die Stimme derMajestät es dazu aufruft! Und wie sollten wir dieses Ziel nicht erreichen, wo die Regierungso einzigartig und vorbildlich um die Verbreitung der Aufklärung besorgt ist, wo sie so gewaltigeSummen für den Unterhalt von Lehranstalten ausgibt, Lehrende und Lernende mitglänzenden Auszeichnungen für ihre Mühen belohnt und der Bildung wie dem Talent alleWege ebnet, die zu Ehre und Reichtum führen! Vergeht auch nur ein Jahr, ohne daß unserenimmermüde Regierung neue Ruhmestaten zum Heile der Aufklärung vollbringt oder dengelehrten Stand mit neuen Wohltaten, neuen großzügigen Gaben bedenkt? Allein die Einführungdes Standes der Schul- und Hauslehrer muß Rußland unermeßlich Nutzen bringen, dennsie beseitigt die schädlichen Folgen fremdländischer Erziehung. Jawohl, bald werden wirunsere eigene russische Volksbildung haben, bald werden wir beweisen, daß wir keiner fremdengeistigen Vormundschaft bedürfen! Dies wird uns leicht gemacht, wenn die hohen Würdenträgerdes Staates, die Ratgeber des Zaren in der schwierigen Materie der Lenkung desVolkes inmitten der lernbegierigen Jugend erscheinen und ihr im Tempel der russischen Bildungden heiligen Willen des [109] Monarchen verkünden, ihr den Weg zur Aufklärung imOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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