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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 64resgleichen. Was ist über sie zu sagen? Ich staune, hebe ehrfurchtsvoll den Blick und –schweige! Nur vom ersten möchte ich noch erwähnen, daß nach dem Erscheinen des bekanntenArtikels im „Teleskop“: „Der gesunde Menschenverstand und der Baron Brambäus“, demwerten Herrn Baron zunächst die Sprache ausblieb und daß er sich nachher auf die Moral imSinne des Herrn Bulgarin verlegte; und so entstand aus dem Nachahmer der „Jungen Literatur“ein Nachahmer des Verfassers der Wyshigins. Baron Brambäus ist ein Misanthrop, mitanderen Worten, ein Menschenfeind; ein Mischmasch aus Rousseau und Paul de Kock plusHerrn Bulgarin, er verhöhnt und verlacht alles und ereifert sich vor allem gegen die Aufklärung.Es gibt zwei Arten von Menschenfeinden: die einen hassen die Menschheit aus übergroßerLiebe, die andern, weil sie ihre eigene Winzigkeit fühlen und gleichsam aus Rachsuchtihre ganze Galle über alles aus [106] gießen, was sie auch nur um ein kleines überragt...Herr Baron Brambäus gehört zweifellos zur ersten Kategorie von Menschenfeinden...Das vergangene Jahr, das Jahr 1834, zeichnete sich nur durch zwei Romane aus, den Romandes Herrn Weltman und den „Falschen Demetrius“ des Herrn Chomjakow; alles andere istnicht einmal der Rede wert. Herr Chomjakow gehört zu den beachtenswerten Talenten derPuschkinschen Periode. Übrigens ist sein Drama zwar ein beachtenswerter Schritt vorwärtsfür den Verfasser, aber nicht für die russische Literatur. Ausgezeichnet durch lyrisch schöneStellen von großem Reiz, ist es sehr wenig dramatisch.So habe ich Ihnen nun also die ganze Geschichte unserer Literatur erzählt und alle ihre Berühmtheitenaufgezählt von Lomonossow, ihrem ersten Genie, bis zu Herrn Kukolnik, ihremletzten. Ich begann meinen Aufsatz damit, daß wir keine Literatur hätten: ich weiß nicht, obmein Rundblick Sie von der Richtigkeit meiner Behauptung überzeugt hat; ich weiß nur, daß,wenn mir dies nicht gelungen ist, die Schuld daran mein Unvermögen trägt und keineswegsder Umstand, daß die von mir aufgestellte These falsch wäre. In der Tat, Dershawin, Puschkin,Krylow und Gribojedow sind die einzigen Repräsentanten unserer Literatur, andere habenwir vorerst nicht, und niemand möge nach ihnen suchen. Kann aber eine ganze Literaturaus vier Menschen bestehen, die noch dazu zu verschiedenen Zeiten gewirkt haben? Undwaren sie dabei nicht zufällige Erscheinungen? Man betrachte die Literaturgeschichte andererLänder. In Frankreich folgten auf Corneille bald Racine, Molière, La Fontaine und viele andere;und wie viele literarische Größen zählte erst die Epoche Voltaires? Heute sehen wirHugo, Lamartine, Delavigne, Barbier, Balzac, Dumas, Janin, Eugène Sue, Jacob Bibliophileund so viele andere! In Deutschland lebten Lessing, Klopstock, Herder, Schiller und Goethefast gleichzeitig. In England sehen wir in der letzten Zeit Byron, Walter Scott, Thomas Moore,Coleridge, Southey, Wordsworth und viele andere, die fast zur selben Zeit aufstiegen.Verhält es sich bei uns ebenso? Leider nicht! ... Die „Lesebibliothek“ hat eine große, betrüblicheWahrheit bewiesen. Gab es dort außer zwei, drei Aufsätzen von Herrn O. irgend etwaszu lesen, was auch [107] nur entfernt der Beachtung wert wäre? Absolut nichts! Demnachhaben die vereinten Bemühungen aller unserer Literaten nichts zustande gebracht, was überdie goldene Mittelmäßigkeit hinausreichte! Wo ist da die Literatur, möchte ich wissen. Wirhatten viele Talente und Talentchen, aber wenige, allzu wenige Künstler aus innerer Berufung,d. h. Menschen, für die Schreiben und Leben, Leben und Schreiben eins sind, die außerhalbder Kunst umkommen, die keiner Protektion, keiner Mäzene bedürfen, oder richtiger,die an Mäzenatentum zugrunde gehen, die weder Geld noch Auszeichnung, noch Ungerechtigkeittöten kann, die ihrer heiligen Sendung bis zum letzten Atemzug treu bleiben. Wir habeneine Epoche der Scholastik hinter uns, eine Epoche der Rührseligkeit, eine Epoche derReimschmiederei, eine Epoche der Romane und der Novellen und befinden uns gegenwärtigin der Epoche des Dramas. Aber eine Epoche der Kunst, eine Epoche der Literatur haben wirnoch nicht gehabt. Unsere Dichtsucht hat aufgehört, die Romanmode geht offenbar auch zurOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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